Entscheidungsdatum
12.07.2021Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
I422 2139321-2/36E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Thomas BURGSCHWAIGER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Irak, vertreten durch die BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, Leopold-Moses-Gasse 4, 1020 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.01.2019, Zl. 1053890503 - 150277862 / BMI-BFA_STM_AST_01, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 09.06.2021, zu Recht:
A)
I. Die Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abgewiesen.
II. Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides stattgegeben und festgestellt, dass eine Rückkehrentscheidung gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer auf Dauer unzulässig ist. XXXX wird gemäß §§ 54, 55 und 58 Abs. 2 AsylG 2005 der Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung plus“ auf die Dauer von zwölf Monaten erteilt.
III. Die Spruchpunkte IV. und V. des angefochtenen Bescheides werden ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer stellte am 18.03.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er mit einer Verfolgung durch die IS in seinem Herkunftsort Mosul und einer Verfolgung durch die Miliz Asaeb al-Haq in Bagdad begründete.
Mit Bescheid vom 14.10.2016, Zl. 15-1053890503/150277862/BMI-BFA_STM_RD_TEAM_03 wies die belangte Behörde Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Irak (Spruchpunkt II.) ab. Sie erteilten ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließen gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und erklärten seine Abschiebung in den Irak für zulässig (Spruchpunkt III.). Dem Beschwerdeführer wurde für seine freiwillige Ausreise eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung gewährt (Spruchpunkt IV.).
Einer dagegen fristgerecht erhobenen Beschwerde gab das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 07.06.2017, GZ: W268 2139321-1/7E insofern statt, dass es die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. als unbegründet abwies und den Bescheid betreffend Spruchpunkt II. und III. behob und zur neuerlichen Entscheidung an die belangte Behörde zurückverwies.
2. In weiterer Folge vernahm die belangte Behörde den Beschwerdeführer am 18.10.2018 und am 12.12.2018 erneut niederschriftlich ein.
Mit verfahrensgegenständlichem Bescheid vom 24.01.2019, Zl. 1053890503 - 150277862 / BMI-BFA_STM_AST_01 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab (Spruchpunkt I.) und erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt II.). Zugleich wurde über ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt III.), seine Abschiebung in den Irak für zulässig erachtet (Spruchpunkt IV.) und eine Frist für seine freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt V.).
Eine neuerlich dagegen erhobene fristgerechte Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 22.07.2019, GZ: I422 2139321-2/ als unbegründet ab.
Gegen diese Entscheidung erhob der Beschwerdeführer außerordentliche Revision und hob der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 15.04.2020, Ra 2019/18/0499 mangels Durchführung einer mündlichen Verhandlung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes auf.
3. Am 09.06.2021 fand in Anwesenheit des Beschwerdeführers die Durchführung einer mündlichen Verhandlung statt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger des Irak, Angehöriger der Volksgruppe der Araber und bekennt sich zur sunnitisch-islamischen Glaubensrichtung. Seine Muttersprache ist Arabisch. Die Identität des Beschwerdeführers steht fest.
Der Beschwerdeführer ist gesund und erwerbsfähig.
Der Beschwerdeführer wurde in Mosul geboren und besuchte dort sechs Jahre lang die Grundschule, drei Jahre lang die Mittelschule und drei Jahre lang die Oberstufenschule. Die Oberstufenschule schloss der Beschwerdeführer nicht ab. Im Anschluss an seinen Schulbesuch absolvierte der Beschwerdeführer für rund sechs Monate eine Ausbildung beim Zoll und arbeitete daraufhin für ein weiteres Jahr beim Zoll. Bis zu seiner Ausreise lebte der Beschwerdeführer gemeinsame mit seinen Eltern, seinem Bruder und seiner Schwester in einem Haus, dass sich im Eigentum der Familie des Beschwerdeführers befand. Das Haus wurde zwischenzeitig zerstört, woraufhin seine Mutter und seine beiden Geschwister in ein Haus in den Bezirk Hayy al Habda übersiedelten, in der sie bis dato gemeinsam zu Miete leben. Die Schwester des Beschwerdeführers studiert in Mosul Englisch auf Lehramt und der Bruder des Beschwerdeführers studiert in der Nähe von Mosul Rechtswissenschaften. Der Beschwerdeführer entstammt aus gut situierten Verhältnissen. Der Großvater väterlicherseits war wohlhaben und besitzt die Familie väterlicherseits Grundstücke und Liegenschaften die vermietet werden. Zudem betrieb seine Familie einige Geschäfte in denen Pistazien verkauft wurden. Der Vater des Beschwerdeführers ist bereits verstorben. Im Irak leben nach wie seine Mutter und seine beiden Geschwister. Diese sichern sich dort ihren Lebensunterhalt aus den Mieteinnahmen, die an die Familie väterlicherseits aufgeteilt werden. Zu seinen im Irak aufhältigen Familienangehörigen steht der Beschwerdeführer nach wie vor in aufrechtem Kontakt. Er telefoniert mit seiner Mutter rund einmal in der Woche und hält er mit seinen Geschwistern über WhatsApp und Facebook Kontakt.
Der Beschwerdeführer ist im Falle einer Rückkehr nach Mosul entgegen seinem Vorbringen – wonach er sowohl vom Staat Irak als auch von der IS sowie von schiitischen Milizen verfolgt und getötet werde – keiner derartigen psychischen und/oder physischen Gewalt oder Verfolgung ausgesetzt.
1.2. Zum Aufenthalt in Österreich
Der Beschwerdeführer reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen in das Bundesgebiet ein und hält sich nachweislich seit 18.03.2015 durchgehend im Bundesgebiet auf.
Der Beschwerdeführer ist ledig, kinderlos und befindet sich seit April 2018 in einer Beziehung mit der österreichischen Staatsangehörigen Nordrun T[...]. Er lebt mit seiner Lebensgefährtin in keinem gemeinsamen Haushalt. Darüber hinaus verfügt der in Österreich über familiäre Anknüpfungspunkte in Form eines im Bundesgebiet lebenden Cousin väterlicherseits. Zu diesem steht der Beschwerdeführer in regemäßigen und aufrechten Kontakt. Ein Privatleben des Beschwerdeführers in Österreich ist vorhanden. Eine integrative Verfestigung des Beschwerdeführers in sprachlicher, sozialer und beruflicher Hinsicht liegt vor. Der Beschwerdeführer besuchte im Juli 2016 einen Deutschkurs bei der Caritas Akademie in Graz. Anschließend absolvierte er im Dezember 2016 einen Deutschkurs beim Berufsförderungsinstitut Steiermark. Dem folgten im Februar 2020 ein Deutschkurs im Niveau A2 beim Verein Deutsch in Graz. Im Februar 2019 absolvierte der Beschwerdeführer über das Österreichischen Integrations Fonds einen Werte- und Orientierungskurs. Im Mai 2021 bestand der Beschwerdeführer die Integrationsprüfung im Niveau A2. Der Beschwerdeführer spricht in einfachem, aber gut verständlichem Niveau Deutsch. Seit 2016 war der Beschwerdeführer bei verschiedenen Fitnessstudios eingeschrieben. Im Jahr 2017 engagierte sich der Beschwerdeführer für rund einen Monat ehrenamtlich beim Roten Kreuz. Der Beschwerdeführer verfügt im Bundesgebiet über einen Freundeskreis und private Unterstützer. Seit Juli 2019 arbeitet der Beschwerdeführer nach den Bestimmungen des § 5 AuslBG im Rahmen einer Kontingentbewilligung des AMS in einem Grazer Imbissunternehmen. Er arbeitet dort im Ausmaß einer Wochenarbeitszeit von 40 Stunden und einem monatlichen Bruttoentgelt von 1.540 Euro. Aufgrund des Ablauf des Saisonkontinents bezieht der Beschwerdeführer gegenwärtig Arbeitslosengeld. Er verfügt jedoch über eine Wiedereinstellungszusage seitens des Imbissbetreibers. Aus dem Einkommen seiner Erwerbstätigkeit sicherte sich der Beschwerdeführer seit Juli 2019 seinen Lebensunterhalt und war er selbsterhaltungsfähig. Er bezieht seit dem 10.07.2019 keine Leistungen mehr aus der Grundversorgung.
Der Beschwerdeführer ist strafgerichtlich unbescholten.
1.3. Zur Rückkehrsituation:
Dem Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers wurde im Rechtsgang die Glaubhaftigkeit versagt und festgestellt, dass er in seinem Herkunftsstaat keiner asylrelevanten Bedrohung ausgesetzt ist.
Im Falle einer Verbringung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat droht diesem kein reales Risiko einer Verletzung der Art. 2 oder 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention.
Außergewöhnliche Gründe, die eine Rückkehr des Beschwerdeführers in den Irak ausschließen, liegen nicht vor.
Der Beschwerdeführer liefe im Falle einer Rückkehr in den Irak nicht maßgeblich Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Er ist in der Lage im Irak, insbesondere in seinem Herkunftsort Mosul, eine einfache Unterkunft zu finden, am Erwerbsleben teilzunehmen und sich dadurch seinen Lebensunterhalt zu sichern.
Zudem hat der Beschwerdeführer die Möglichkeit, finanzielle Unterstützung in Form einer Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen.
1.4. Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat:
Sicherheitsrelevante Vorfälle in Mosul seit 2020:
Auf der Website des Armed Conflict Location & Event Data Project (ACLED) der University of Sussex lässt sich ein Datensatz der von ACLED aufgezeichneten sicherheitsrelevanten Vorfälle im gesamten Irak einsehen, der kontinuierlich aktualisiert wird. Die registrierten sicherheitsrelevanten Vorfälle für das Jahr 2020 und die ersten drei Monate des Jahres 2021 basieren auf den Berichterstattungen verschiedener Nachrichtenquellen. Es handelt sich dabei zumeist um Detonationen improvisierter Spreng- und Brandvorrichtungen sowie um Übergriffe bewaffneter Personen. Im Folgenden werden die von ACLED in Mosul verzeichneten Vorfälle für den Zeitraum Jänner 2020 bis März 2021 aufgelistet:
Bei den im Folgenden angeführten Vorfällen sind laut Aufzeichnungen von ACLED 5 Personen getötet und 16 Personen verletzt worden.
? Am 21. Jänner 2020 sei eine improvisierte Spreng- und Brandvorrichtung im Viertel Karama explodiert und habe einen Fahrer und einen weiteren Zivilisten verletzt.
? Am 23. Jänner 2020 sei ein Zivilist von einer unbekannten Gruppe im Viertel Yarmouk (Al-Rabia) entführt worden.
? Am 28. Jänner 2020 hätten unbekannte Bewaffnete im Viertel Al-Rifai (Al-Rabia) eine improvisierte Spreng- und Brandvorrichtung an einem Auto platziert, dabei seien zwei Personen verletzt worden
? Am 10. Februar 2020 hätten unbekannten Bewaffnete eine Frau in Al-Muharibin in Mosul erschossen.
? Am 11. Februar 2020 sei eine improvisierte Spreng- und Brandvorrichtung im Viertel Al-Raschidiya (Al-Hadba) explodiert und habe zwei ZivilistInnen verletzt.
? Am 12. Februar 2020 seien acht ZivilistInnen bei der Explosion einer improvisierten Spreng- und Brandvorrichtung im Viertel Al-Raschidiya (Al-Hadba) verletzt worden.
? Am 20. Februar 2020 hätten unbekannte Bewaffnete einen Zivilisten in der Nähe seines Hauses im Viertel Wadi Hadschar erschossen.
? Am 14. Juni 2020 seien zwei improvisierte Spreng- und Brandvorrichtungen im Viertel Schuna explodiert, dabei habe es keine Verletzten gegeben. Später am selben Tag sei vor der zentralen Wasserpumpstation eine Bombe explodiert und ein Arbeiter sei dabei verletzt worden.
? Am 13. Juli 2020 sei berichtet worden, dass zwei Mitglieder der Volksmobilisierungskräfte (Popular Mobilisation Forces, PMF) im Tahrir-Viertel (Al-Zuhur) ein Mädchen entführt und vergewaltigt hätten.
? Am 21. November 2020 hätten unbekannte Bewaffnete einen jungen Mann in der Nähe seines Hauses im Viertel Islah Zarai (Al-Dschazair) angegriffen und getötet.
? Am 9. Dezember 2020 hätten unbekannte Bewaffnete auf einen jungen Mann auf seinem Motorrad geschossen und ihn getötet.
? Am. 5. Jänner 2021 sei berichtet worden, dass Sicherheitskräfte die Leiche eines Mannes gefunden hätten, der von Kämpfern der Gruppe Islamischer Staat (IS) im Viertel Zinschali (Al-Rabea) getötet worden sei.
? Am 9. Februar 2021 seien vom IS platzierte Sprengsätze in der Nähe einer Kirche in der Altstadt von Mosul kontrolliert detoniert worden. (ACLED, 8. April 2021)
Die US-Organisation Enabling Peace in Iraq Center (EPIC) verzeichnet in ihren wöchentlichen Überblicken zur Sicherheitslage und zur humanitären Lage im Irak in der Zeitspanne von Beginn des Jahres 2021 bis zum 8. April 2021 die folgenden sicherheitsrelevanten Vorfälle in der Stadt Mosul:
Am 27. Jänner 2021 sei im Viertel Al-Zahra in Ostmosul eine vom IS übergebliebene improvisierte Spreng- und Brandvorrichtung explodiert. Dabei seien zwei Schwestern verletzt worden, die an einem verlassenen Gebäudekomplex vorbeigegangen seien (EPIC, 28. Jänner 2021). Am 7. April 2021 sei es laut einer Quelle aus Sicherheitskreise zu Zusammenstößen zwischen Kämpfern der Miliz Asa’ib Ahl al-Haqq (AAH) und Mitgliedern der PMF-Sicherheitskräfte in Mossul gekommen. Laut der Quelle hätten PMF-Kräfte versucht, die AAH-Kämpfer festzunehmen, da sie Angestellte einer Regierungsorganisation bedroht hätten. Die AAH-Kämpfer hätten sich gegen die Festnahme gewehrt und ihre Waffen gezogen. Bei dem anschließenden Schusswechsel seien drei Milizionäre und zwei ZivilistInnen verletzt worden (EPIC, 8. April 2021).
Die in der Autonomen Region Kurdistan ansässige Nachrichtenagentur Basnews berichtet im August 2020, dass der Anführer des Ninawa Operations Command (Kommando der irakischen Armee für die Provinz Ninawa, Anm. ACCORD) angekündigt habe, alle Kontrollpunkte der PMF innerhalb der Stadt Mosul aufzulösen. Die Provinz Ninawa erlebe insbesondere in Mossul und Umgebung eine Stabilisierung der Sicherheitslage, daher strebe er eine Auflösung aller Kontrollpunkte der PMF beim Ein- und Ausfahren aus der Stadt an. Man werde sich lediglich mit Kontrollpunkten und Checkpoints außerhalb der Stadt begnügen, die lediglich mit Mitgliedern der Sicherheitskräfte und des Militärs besetzt werden sollten. (Basnews, 5. August 2020)
Sozioökonome Lage in Mosul:
Nahrung:
Die Organisationen Weltbank, WFP, FAO und IFAD bewerteten im September 2020 die Nahrungsmittelverfügbarkeit im Irak. Die einzelnen Provinzen wurden individuell bewertet (Ninewa erhielt im Juli 2020 zehn von zehn möglichen Punkten) mit der Schlussfolgerung, dass die Verfügbarkeit von Lebensmitteln auf den Märkten im ganzen Land gut sei. (World Bank et al., September 2020, S. 18)
Wasserversorgung und Armutsgefährdung:
Die tschechische NGO CARE führte im Juni 2020 eine Befragung mit 256 Interviews unter anderem zur Wasserversorgung in zwei Bezirken von West-Mossul, Zandschili und Ghazlani, durch. Laut den Befragten würden 85 Prozent der Haushalte ihr Wasser für den Haushalt über das allgemeine Wasserversorgungsnetz erhalten. Für 95 Prozent der Befragten sei versiegeltes Wasser in Flaschen eine bevorzugte Trinkwasserquelle und 15 Prozent würde Wasser aus Flaschen als sekundäre Wasserquelle verwenden. Die Befragten hätten unterschiedliche Angaben gemacht an wie vielen Tagen pro Woche Wasser aus dem allgemeinen Wasserersorgungsnetz zur Verfügung steht, jedoch hätten 97 Prozent der Haushalte angegeben, ausreichend Zugang zu Wasser für den Haushalt zu haben (Anmerkung ACCORD: im Irak besitzen Haushalte allgemein Wassertanks auf ihren Häusern. Eine elektrisch betriebene Pumpe pumpt das Wasser der staatlichen Wasserversorgung in die Wassertanks. Daher steht Haushalten für einen gewissen Zeitraum auch dann Wasser zur Verfügung, wenn das allgemeine Wasserversorgungsnetz ausfällt. Es ist jedoch notwendig Zugang zu Strom zu haben, um die Wassertanks zu befüllen). 92 Prozent der Befragten hätten angegeben, mit der Wasserqualität zufrieden zu sein, auch als Trinkwasser. 53 Prozent der Einwohner würden das Wasser behandeln, um die Trinkwasserqualität zu verbessern. 62 Prozent der Haushalte hätten angegeben, zufrieden mit der Menge an sicherer Wasserversorgung zu sein. (Care/Czech Republic Humanitarian Aid, Juni 2020, S. 12-13)
Die Befragung durch CARE in Zandschili und Ghazlani habe außerdem ergeben, dass fast alle Befragten Zugang zu einer Toilette hätten. (Care, Juni 2020, S. 20)
UN-Habitat berichtet in einem Beitrag auf seiner Webseite vom März 2021 von der erfolgreichen Initiative, 5.000 Meter Wasserleitung, an der 430 Häuser angeschlossen seien, in Mosul saniert zu haben. (UN-Habitat., 18. März 2021)
Arbeitsmarkt und Armutsgefährdung:
AP zitiert in einem Artikel vom Dezember 2020 einen Unternehmer, dessen Betrieb auf Kaffee spezialisiert sei. Nach der Befreiung habe er circa 40 US Dollar (33,95 Euro)[1] pro Tag eingenommen. Die Situation habe sich verbessert und Ende 2020 nehme sein Geschäft circa 2.500 US Dollar (2.121,86 Euro) pro Tag ein. Die Situation sei jedoch eine andere für Arbeiter. Die Angestellten des Kaffeeunternehmens würden circa acht US Dollar (6,79 Euro) pro Tag verdienen. Damit sei es nicht möglich, dass sie ihre Häuser wiederaufbauen, so der Unternehmer. (AP, 9. Dezember 2020)
Eine im April 2020 durchgeführte Marktstudie des Norwegian Refugee Council (NRC) gab an, dass 60 Prozent der Befragten in den Provinzen Ninewa und Dohuk angegeben hätten, dass sie beschäftigt sein, doch nur 14 Prozent der Befragten hätten eine feste Anstellung. Die Mehrheit (83%) der Beschäftigten verdiene zwischen 83 und 333 US Dollar pro Monat (70,44 – 282,63 Euro), weniger als das Existenzminium (von der Cash Working Group auf 400 USD für eine durchschnittliche sechsköpfige Familie geschätzt). Weitere acht Prozent hätten angegeben, zwischen 334 und 417 US-Dollar (283,48 – 353,93 Euro) zu verdienen.
Die Mehrheit der Arbeitgeber (61%) habe in den vergangenen sechs Monaten keine neuen Arbeitnehmer eingestellt.
Nur ein Viertel der Befragten in Mosul habe angegeben, keine Schulden zu haben.
Aufgrund der COVID-19 Situation hätten 100 Prozent der Tagelöhner in Mosul laut IOM angegeben, von den COVID-19-Beschränkungen betroffen zu sein. 83 Prozent hätten ihren Arbeitsplatz verloren und stünden vor finanziellen Problemen.“ (NRC, Juli 2020, S. 2)
Spark veröffentlicht im November 2019 eine Evaluierung der Arbeitsmarktsituation in Mosul. Der lokale Arbeitsmarkt sei anämisch, informell und in einigen Sektoren nicht vorhanden. Dies habe dazu geführt, dass eine große Anzahl von Student innen, die die Universität abgeschlossen hätten, sich unabhängig von ihrer Qualifikation nicht in den bestehenden Arbeitsmarkt einfügen könnten. Für die wenigen hochbezahlten Sektoren, die noch in Mosul tätig seien (Bauwesen, IT und humanitäre Hilfe), seien die äußerst spezifischen Kriterien, die für den Erfolg in diesen Bereichen erforderlich seien, in den Lehrplänen für Studierende an öffentlichen oder privaten Hochschuleinrichtungen nicht enthalten. (Spark, November 2019, S. 3)
Was mögliche Unterstützung von der Regierung betrifft, so fasst EASO in einem COI-Bericht vom September 2020 zusammen, dass die irakische Regierung allen Bürger·innen ohne Diskriminierung, einschließlich Rückkehrer·innen, grundlegende Dienstleistungen wie kostenlose Bildung, Gesundheitsversorgung und Lebensmittelrationen zur Verfügung stelle. Zusätzlich zur staatlichen Unterstützung, würden laut UNOCHA akut schutzbedürftige Rückkehrer·innen unter Umständen Unterstützung von humanitären Organisationen erhalten können. (EASO, September 2020, S. 29-30)
Laut dem irakischen Sozialschutzgesetz von 2014 sei es für Personen, die unterhalb der Armutsgrenze leben, möglich, Geldleistungen und Sozialleistungen zu erhalten, inklusive Hilfe bei Ausbildung oder Arbeitssuche. (Social Protection Law 2014, Artikel 1, 6, 9) Sozialleistungen einer Einzelperson würden 105.000 IQD pro Monat (59,94 Euro) betragen. (Social Protection Law 2014, Annex) Einer vom Welternährungsprogramm in Auftrag gegebenen Studie vom Dezember 2015 zur Folge würden jedoch mehrere Hindernisse den Zugang zu Sozialschutz einschränken. Das Verfahren sei bürokratisch und es fehle eine klare Informationsbasis. Dies führe zum Ausschluss vieler bedürftiger Menschen. (Alzobaidee, Dezember 2015, S. 24)
Medizinische Versorgung:
Die Organisation Ärzte ohne Grenzen bezeichnet das Gesundheitssystem in Mosul im August 2020 als fragil. Mosul liegt in der Region Ninewa. Bei einer Bevölkerung von 3,5 Millionen, gebe es in Ninewa ein Krankenhausbett pro 3.000 Einwohner. (MSF, 5 August 2020)
Xinhua Net zitiert in einem Artikel vom Dezember 2020 den Generaldirektor des Gesundheitsamts von Ninewa, Falah Hassan al-Taie. Laut al-Taie seien alle Spitäler und Gesundheitszentren der Region durch die Kämpfe mit dem Islamischen Staat vollständig oder teilweise zerstört worden. Nur zwei Spitäler seien wiederaufgebaut worden. (Xinhua Net, 9. Dezember 2020)
Kirkuk Now schreibt in einem Artikel vom Februar 2020 von den Schwierigkeiten, in Mosul medizinisch behandelt zu werden. In öffentlichen Einrichtungen würden Bewohner nicht die Behandlung bekommen, die sie suchen und private Kliniken oder Ärzte seien nicht leistbar. Ein Termin bei einem Privatarzt koste zwischen 20 und 50 tausend Dinare (zwischen 11,45 und 28,62 Euro). (Kirkuk Now, 13. Februar 2020)
Ärzte ohne Grenzen beschreibt auf ihrer undatierten Webseite ihre Aktivitäten im Irak. Ärzte ohne Grenzen betreibe eine spezialisierte Entbindungsstation im Nablus-Krankenhaus in West-Mosul. Im Medizinischen Zentrum Al-Rafadain in West-Mossul biete Ärzte ohne Grenzen eine routinemäßige Geburtshilfe und Neugeborenenversorgung an.
Eine postoperative Pflegeeinrichtung in Ost-Mosul biete seit April 2018 chirurgische und rehabilitative Versorgung sowie Dienstleistungen im Bereich der psychischen Gesundheit an. Außerdem habe Ärzte ohne Grenzen psychosoziale Dienste in ihr Rehabilitationsprojekt in Mosul aufgenommen. Die Teams würden weiters in zwei allgemeinen Gesundheitszentren arbeiten und Beratung, psychosoziale Erste Hilfe, psychosoziale Unterstützung und Überweisungsservice für Patient·innen mit psychischen Krankheiten anbieten.
Ärzte ohne Grenzen habe in Ost-Mosul Ende November 2020 im Al-Salam-Krankenhaus eine 16-Betten-Einrichtung zur Behandlung von Patient·innen mit schweren COVID-19-Symptomen eröffnet. (MSF, ohne Datum)
Die Weltgesundheitsorganisation schreibt im Juli 2020, dass sie mobile medizinische Kliniken in Mosul zur Verfügung stelle. Diese seien speziell zum Einsatz gekommen, als Bewohner bestimmter Nachbarschaften während des COVID-19 Lockdowns keinen Zugang zu medizinische Grundversorgungseinrichtungen gehabt hätten. (WHO, 20. Juli 2020)
Wohnraum:
Minority Rights Group International schreibt in einem Bericht zur Lage in Mosul vom Jänner 2020 hinsichtlich Verfügbarkeit von Entschädigungsleistungen, dass Mietpreise explodiert seien und einige Menschen sich Häuser mit anderen Familien teilen müssten, um sich eine Unterkunft leisten zu können. Viele Menschen seien arbeitslos und könnten sich die Mieten nicht leisten, ihre eigenen Häuser seien aber noch nicht wiederaufgebaut. (MRG, 21. Jänner 2020, S. 16)
Eine Erhebung des Norwegian Refugee Council (NRC) vom April 2020 gab an, dass 64 Prozent der in Mietwohnungen lebenden Befragten in Mosul und Dohuk vorausgesagt hätten, dass sie ihre Miete in den kommenden drei Monaten nicht zahlen werden können, und 42 Prozent der Befragten würden erwarten, dass sie infolgedessen delogiert würden. (NRC, Juli 2020, S. 1)
Laut einem AP-Artikel vom Dezember 2020 hätten 16,000 Bewohner von Mosul um staatliche Unterstützungsleistungen für den Wiederaufbau ihrer Häuser angesucht. Laut Zuhair al-Araji, dem Bürgermeister von Mosul, hätten nur 2,000 Menschen finanzielle Hilfe erhalten. (AP, 9. Dezember 2020)
France 24 schreibt in einem Artikel vom Juli 2020 von den finanziellen Schwierigkeiten für Bewohner von Mosul, ihre Häuser wiederaufzubauen. Laut dem Vorsitzenden des Unterausschusses für Schadensersatzansprüche, Mohammed Mahmoud, habe der Ausschuss 90.000 Ansuchen erhalten, von denen etwa 48.000 bis 49.000 für Waren, Häuser, Geschäfte und andere Immobilien und 39.000 für menschliche Verluste gewesen seien. Drei Viertel der Schadensersatzansprüche seien bearbeitet, doch es gebe nicht genügend Mittel, um sie tatsächlich auszuzahlen. Man habe nur 2.500 Familien entschädigen können. Es gebe Wiederaufbaumaßnahmen, die von Einzelpersonen durchgeführt würden. Die Vereinten Nationen hätten seit 2018 2.000 Häuser, sowie Dutzende von Schulen, Gesundheitszentren und Wasser- oder Kraftwerke in Mosul wiederaufgebaut. (France 24, 10. Juli 2020)
The Arab Weekly zitiert in einem Artikel vom Jänner 2021 einen Makler aus Mosul, der angibt, dass viele Bewohner der Stadt sich um Grundstücke in den Vororten bemühen würden, wo die Dienstleistungen, wie Strom- und Trinkwasserversorgung, besser und die Grundstückspreise billiger seien ($75 bis $200 (63,66 – 169,75 Euro) pro Quadratmeter). (AW, 28. Jänner 2021)
Die Webseite Numbeo gibt mithilfe von nutzergenerierten Daten die Durchschnittspreise für Konsumgüter, Wohnkosten und weitere Lebenskosten in ausgewählten Städten an. Nutzer, die über Informationen zum Preisniveau verschiedener Güter in einer bestimmten Stadt verfügen, können diese auf Numbeo eintragen. Aus den verschiedenen Preisangaben der Nutzer werden dann Durchschnittspreise für die einzelnen Güter angegeben. Solche Preisprofile existieren auch für die Stadt Mosul. Zum Preisprofil für Mosul haben nach Angaben von Numbeo fünf Nutzer mit dem Stand März 2021 in den vorangegangenen 18 Monaten Einträge beigetragen. Es ist nicht ersichtlich, welche Daten genau wann eingegeben wurden, und aus wie vielen einzelnen Beiträgen die angegebenen Durchschnittspreise errechnet wurden. Laut Numbeo würden die monatlichen Betriebskosten (Strom, Heizung, Kühlung, Wasser, Müllabfuhr) für eine 85m2 Wohnung 50.500,00 IQD (28,93 Euro) betragen. Die monatliche Miete für eine Wohnung mit einem Schlafzimmer im Stadtzentrum betrage 125.000,00 IQD (71,61 Euro), außerhalb des Zentrums betrage die Miete 50.000,00 IQD (28,64 Euro). Für eine Wohnung mit drei Schlafzimmern betrage die Monatsmiete im Stadtzentrum 500.000,00 IQD (286,42 Euro) und außerhalb des Zentrums 125.000,00 IQD (71,61 Euro). (Numbeo, Stand: März 2021)
Reuters zitiert in einem Artikel vom Juli 2019 Ärzte ohne Grenzen. Die Organisation habe im Mai 3.557 Fälle in ihrer Notaufnahme in Westmosul betreut, von denen 95 Prozent auf unsichere Lebensbedingungen zurückzuführen seien, z. B. Menschen, die von beschädigten Gebäuden gefallen seien oder durch einstürzende Mauern oder Gebäudeverletzt worden seien. (Reuters, 17. Juli 2019)
COVID-19:
Mit Stand 08.07.2021 verzeichnete der Irak laut WHO 1.397.100 bestätigte COVID-19 Fälle, 8.777 Neuerkrankungen im Vergleich zum Vortag sowie 17.413 Todesfälle. Mit der Impfung der Bevölkerung wurde bereits begonnen und wurden 1.087.866 Impfdosen verabreicht.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zum Sachverhalt:
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in die Akten der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers vor dieser sowie den vom Beschwerdeführern in diesen Verfahren vorgelegten Unterlagen, dem Bescheid der belangten Behörde vom 14.10.2016, Zl. 15-1053890503/150277862/BMI-BFA_STM_RD_TEAM_03, dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 07.06.2017, GZ: W268 2139321-1/7E, in den bekämpften gegenständlichen Bescheid vom 24.01.2019, Zl. 1053890503 - 150277862 / BMI-BFA_STM_AST_01 und in den Beschwerdeschriftsatz des Beschwerdeführers sowie den Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vom 09.06.2021 und den dabei vorgelegten Unterlagen. Einsicht genommen wurde zudem in das aktuelle „Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zum Irak, dem EASO-Bericht County Guidance Iraq: „Common analysis and guidance note“ vom Jänner 2021, dem EASO-Bericht Irak „Sicherheitslage“ vom Oktober 2020, die ACCORD-Anfragebeantwortung zum Irak: „Sicherheitsrelevante Vorfälle in Mosul seit 2020; Gefahr für Sunniten durch schiitische Milizen“ vom 16.04.2021 und die ACCORD-Anfragebeantwortung zum Irak: „Sozioökonome Lage in Mosul: Aktueller Stand des Wiederaufbaus, Versorgung der Bevölkerung mit Nahrung und Wohnraum, Wasserversorgung, sanitäre Verhältnisse, Arbeitsmarkt, medizinische Versorgung, Armutsgefährdung, Unterschiede zwischen den Lebensverhältnissen von Sunniten und Schiiten in Mosul“ vom 16.04.2021 sowie die Webseite der WHO (https://covid19.who.int/region/emro/country/iq). Zusätzlich wurde Einsicht genommen in das Zentrale Melderegister (ZMR), Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister (IZR) das Betreuungsinformationssystem des Bundes über die Gewährleistung von vorübergehender Grundversorgung für hilfs- und schutzbedürftiger Fremde in Österreich (GVS), einen Auszug des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger (SVA) sowie das Strafregister der Republik Österreich.
2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:
Die Feststellungen zur Volljährigkeit, seiner Staatsangehörigkeit, seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit sowie seiner Muttersprache gründen sich aus den diesbezüglich glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde. Die Identität des Beschwerdeführers ist durch eine sich im Verwaltungsakt befindliche Kopie seines Personalausweises belegt.
Die Feststellungen zu seinem Gesundheitszustand und seiner Erwerbsfähigkeit ergeben sich ebenfalls aus seinen Angaben vor der belangten Behörde. In seinen Einvernahmen vor der belangten Behörde bestätigte der Beschwerdeführer, dass er gesund und erwerbsfähig sei. Er stehe weder in ärztlicher Behandlung, noch nehme er Medikamente. Dass der Beschwerdeführer gesund ist, bestätigte er zuletzt auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 09.06.2021.
Die Feststellungen zur Herkunft des Beschwerdeführers, seiner Schul- und Berufsausbildung und zu seinen Wohn- und Lebensumständen vor seiner Ausreise im Irak basieren ebenso wie die Feststellungen zu seinen aktuell dort aufhältigen Familienangehörigen und deren Wohn- und Lebensumstände auf den Ausführungen in der mündlichen Verhandlung vom 09.06.2021. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung bestätigte der Beschwerdeführer, dass er nach wie vor in aufrechtem telefonischen Kontakt zu seiner Mutter und zu seinen Geschwistern steht.
Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Mosul entgegen seinem Vorbringen – wonach er dort sowohl vom Staat Irak als auch von der IS sowie von schiitischen Milizen verfolgt und getötet werde – keiner derartigen psychischen und/oder physischen Gewalt oder Verfolgung ausgesetzt ist, beruht auf folgenden Überlegungen. Im bereits rechtskräftigen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 07.06.2017, GZ: W268 2139321-1/7E, wurde der behaupteten Verfolgung seiner Person durch den IS und die Milizen die Glaubhaftigkeit versagt. Auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung erstattete der Beschwerdeführer dahingehend kein substantiiertes Vorbringen. Das erstmal in der Einvernahme vom 18.10.2018 getätigte Vorbringen, wonach er aufgrund seines „westlichen Lebensstils“ von seiner Familie und vom Stamm seiner Familie als „Abtrünniger“ erachtet werde und er keine finanzielle Unterstützung mehr zu erwarten habe und er von ihnen getötet, wertet das erkennende Gericht als nicht glaubhaft. Gegen die Glaubhaftigkeit spricht der Umstand, dieses Vorbringen erstmals im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme im Oktober 2018 vorgebracht wird, obwohl die betreffenden Fotos, die ihn in trinkend in einer Diskothek zeigen bereits Ende 2015 über Snapchat verteilt worden seien. Es spricht daher gegen dieses Vorbringen, dass er diesen Umstand in seiner Einvernahme vom 22.07.2016 und auch in seiner Beschwerde vom 02.11.2016 vollkommen unerwähnt lässt. Hinsichtlich dieses Vorbringens erstattete der Beschwerdeführer im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 09.06.2021 bei der Frage nach seinen Rückkehrbefürchtungen keinerlei Vorbringen. Zudem leitet sich aus den Ausführungen des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung ein völlig diametrales Bild ab. So verwies er in der mündlichen Verhandlung darauf, dass er nach wie vor einmal in der Woche mit seiner Mutter telefoniere und auch zu seinen Geschwistern in Kontakt habe und bezeichnete er die Verbindung zu ihnen als sehr gut und bestätigte er auch, dass man sich in seiner Kultur gegenseitig unterstütze und zusammenhalte.
2.3. Zum Aufenthalt in Österreich:
Die Feststellungen zur Einreise in das Bundesgebiet und sein seither bestehender durchgehender Aufenthalt im Bundesgebiet gründen auf der Einsichtnahme in den Verwaltungsakt und dem ZMR.
Die Feststellungen zu seiner privaten und familiären Situation in Österreich ergeben sich aus seinen diesbezüglichen Angaben vor der belangten Behörde, seinen Ausführungen in der Beschwerde und zuletzt in der mündlichen Verhandlung sowie der Einsichtnahme in das ZMR. Die Feststellungen zu seiner integrativen Verfestigung in sprachlicher, sozialer und kultureller Hinsicht fußen auf den Ausführungen im Administrativverfahren und dem gegenständlichen Beschwerdeverfahren, den dabei vorgelegten Unterlagen sowie des im Rahmen der mündlichen Verhandlung gewonnen persönlichen Eindrucks. Dass sich der Beschwerdeführer aus dem Einkommen seiner bisherigen Erwerbstätigkeit seit Juli 2019 seinen Lebensunterhalt sicherte und er selbsterhaltungsfähig ist bzw. er seit dem 10.07.2019 keine Leistungen mehr aus der Grundversorgung bezieht, lässt sich aus den vorgelegten Unterlagen und der Einsichtnahme in das GVS sowie einem aktuellen Auszug des Dachverbandes der Sozialversicherungsträger ableiten.
Die strafgerichtliche Unbescholtenheit ist aus dem Strafregister der Republik ersichtlich.
2.4. Zur Rückkehrsituation:
Die Feststellungen zu seiner Rückkehrsituation ergeben sich aus dem vorliegenden Verwaltungs- und Gerichtsakt und den Angaben des Beschwerdeführers vor dem erkennenden Gericht. Wie die belangte Behörde bereits im Bescheid vom 14.10.2016, Zl. 15-1053890503/150277862/BMI-BFA_STM_RD_TEAM_03 und das Bundesverwaltungsgericht in seinem Erkenntnis vom 07.06.2017, GZ: W268 2139321-1/7E festgestellt hatten, vermochte der Beschwerdeführer keine asylrelevante Verfolgung glaubhaft machen. Wie zuvor bereits ausgeführt, ergaben sich auch im gegenständlichen Verfahren keine substantiierten Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Gefährdung bzw. einer Verfolgung des Beschwerdeführers im Irak.
Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in den Irak nicht maßgeblich Gefahr liefe, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in keine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation gerate und er zudem in der Lage sei in seinem Herkunftsort Mosul, eine einfache Unterkunft zu finden, am Erwerbsleben teilzunehmen und sich dadurch seinen Lebensunterhalt zu sichern, fußt aus der Zusammenschau seines Alters, seines Gesundheitszustandes, seiner Schul- und Berufsausbildung und seiner bisherigen beruflichen Tätigkeit sowie dem Vorhandensein familiärer Anbindungen in den Irak.
Dass der Beschwerdeführer die Möglichkeit zur Inanspruchnahme einer finanziellen Unterstützung in Form einer Rückkehrhilfe hat, ergibt sich aus der offiziellen Webseite des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (http://www.voluntaryreturn.at/de/).
2.5. Zur maßgeblichen Situation Irak:
Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsbericht der Staatendokumentation für den Irak, den Berichten der EASO und den Anfragebeantwortungen der Staatendokumentation zur Lage in Mosul, samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen Diese Länderinformationsberichte stützen sich auf Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von internationalen Organisationen, wie bspw. dem UNHCR, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen.
Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.
Die wesentlichen Inhalte dieser Berichte wurden im Rahmen der mündlichen Verhandlung dargelegt und dem Beschwerdeführer die Möglichkeit einer Stellungnahme eingeräumt, wovon der Beschwerdeführer jedoch keinen Gebrauch genommen hat. Somit wurden dem Inhalt und den Quellen der dieser Entscheidung zugrunde gelegten Länderberichte nicht substantiiert entgegengetreten, sodass die der Entscheidung zugrunde gelegten Länderberichte nicht in Zweifel zu ziehen sind.
2.6. Zur COVID-19-Situation:
Die COVID-19-Daten zum Irak entstammen dem Dashboard der Website der WHO (https://covid19.who.int/region/emro/country/iq [Stand 09.07.2021]).
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Zur teilweisen Stattgabe der Beschwerde:
3.1. Zur Nichtgewährung von subsidiärem Schutz (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):
3.1.1. Rechtslage:
Gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Gemäß § 8 Abs. 2 leg. cit. ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.
Wie bereits im Zuge der Prüfung des Status des Asylberechtigten unter der GZ: W268 2139321-1/7E festgestellt wurde und auch die vorangegangenen Ausführungen unter Punkt 2.2. zeigen, vermochte der Beschwerdeführer im Hinblick auf seinen Herkunftsstaat Irak keinerlei gegen seine Person gerichteten Bedrohungs- oder Verfolgungshandlungen glaubhaft machen.
Wie sich zudem aus den der Entscheidung zu Grunde gelegten Länderberichte ergibt, besteht im Irak und im Besonderen in Mosul auch keine derart instabile Sicherheitslage, dass gleichsam jeder, der dorthin aufhältig ist, einem realen Risiko iSd Art. 3 EMRK ausgesetzt ist.
Hinweise auf eine allgemeine existenzbedrohende Notlage (allgemeine Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse) liegen für den Irak nicht vor, sodass aus diesem Blickwinkel bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen ebenfalls kein Hinweis auf das Vorliegen eines Sachverhaltes gem. Art. 2 und/oder 3 EMRK abgeleitet werden kann. In diesem Zusammenhang ist der Vollständigkeit halber aufgrund der aktuellen Situation festzuhalten, dass auch die COVID-19-Pandemie einer Rückkehr des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat nicht entgegensteht. So ist der Beschwerdeführer jung, leidet an keinen schwerwiegenden Erkrankungen oder anderen chronischen Krankheiten. Er gehört nicht zur Risikogruppe im Sinne der COVID-19-Risikogruppe-Verordnung. Auch die offiziellen Zahlen der an COVID-19 Erkrankten im Irak zeigen aktuell kein für eine Schutzgewährung hinreichend signifikantes Risiko für den Beschwerdeführer auf.
Nach der ständigen Judikatur des VwGH reicht eine schwierige Lebenssituation, insbesondere bei der Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche sowie in wirtschaftlicher Hinsicht, die ein Fremder im Fall der Rückkehr in sein Heimatland vorfinden würde, für sich betrachtet nicht aus, um die Verletzung des nach Art. 3 MRK geschützten Rechts mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit annehmen zu können oder um die Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative zu verneinen (vgl. VwGH 01.10.2020, Ra 2020/19/0196).
Nach ständiger Rechtsprechung des EGMR obliegt es grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (Beschluss des VwGH vom 26.04.2017, Ra 2017/19/0016 mit Verweis auf das Urteil des EGMR vom 05.09.2013, I gegen Schweden Nr. 61204/09).
Das Vorliegen eines derartigen Risikos konnte aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers nicht abgeleitet werden. Ohne die wirtschaftliche Situation für die Masse der Bevölkerung im Irak beschönigen zu wollen, kann nicht davon ausgegangen werden, dass sich ein volljähriger, gesunder, junger und arbeits- und erwerbsfähiger Mann, der über eine mehrjährige Schulbildung und Berufsausbildung in der Zollverwaltung verfügt, im Falle einer Rückkehr in den Irak dort nicht seine existentiellen Grundbedürfnisse befriedigen könnte. Für eine derartige Existenzgefährdung ergaben sich aus den Angaben des Beschwerdeführers auch keinerlei Anhaltspunkte. Wie der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung zuletzt selbst bestätigte, stammt er aus einer wohlsituierten Familie. Er war vor seiner Ausreise imstande sich seinen Lebensunterhalt durch seine Tätigkeit bei Zoll zu verdienen und lebte er bis zu seiner Ausreise in einem gemeinsamen Haushalt mit seinen Eltern und seinen Geschwistern und weist er im Irak nach vor ein familiäres Netzwerk mit denen er im aufrechten, regelmäßigen Kontakt steht.
Es ist letztlich im Rahmen einer Gesamtschau davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat seine dringendsten Bedürfnisse befriedigen kann und nicht in eine dauerhaft aussichtslose Lage gerät.
Es ergibt sich insgesamt kein reales Risiko, dass es durch die Rückführung des Beschwerdeführers in den Irak zu einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe kommen würde.
Die Beschwerde war daher auch hinsichtlich des Spruchpunktes I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen.
3.2. Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):
Indizien dafür, dass der Beschwerdeführer einen Sachverhalt verwirklicht hat, bei dem ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG (Aufenthaltstitel besonderer Schutz) zu erteilen wäre, sind weder vorgebracht worden, noch hervorgekommen: Weder war der Aufenthalt des Beschwerdeführers seit mindestens einem Jahr im Sinne des § 46 Abs. 1 Z 1 oder Z 1a FPG geduldet, noch ist dieser zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig, noch ist der Beschwerdeführer Opfer von Gewalt im Sinne des § 57 Abs. 1 Z 3 AsylG. Ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG war daher nicht zu erteilen.
Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, dass sie hinsichtlich des Spruchpunktes II., des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 57 AsylG abzuweisen war.
3.3. Zur Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides):
3.3.1. Zur Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung:
Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz (dem AsylG) mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird.
Gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt.
Gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, wenn dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere die in § 9 Abs. 2 Z 1 bis 9 BFA-VG aufgezählten Gesichtspunkte zu berücksichtigen (die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist).
Nachdem der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz negativ entschieden wurde, hat sich die belangte Behörde zutreffend auf § 52 Abs. 2 Ziffer 2 FPG 2005 gestützt und eine Rückkehrentscheidung erlassen.
Zu prüfen ist daher, ob die von der belangten Behörde verfügte Rückkehrentscheidung mit Art. 8 EMRK vereinbar ist, weil sie nur dann zulässig wäre und nur im verneinenden Fall ein Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG überhaupt in Betracht käme.
Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des EGMR sowie des VfGH und VwGH jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Ausweisung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.
Die Zulässigkeit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, insbesondere einer Rückkehrentscheidung, setzt nach § 9 Abs. 1 BFA-VG 2014 unter dem dort genannten Gesichtspunkt eines Eingriffs in das Privat- und/oder Familienleben voraus, dass ihre Erlassung zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele dringend geboten ist. Im Zuge dieser Beurteilung ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalls eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG 2014 genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA-VG 2014 ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen (vgl. VwGH 30.04.2020, Ra 2019/21/0362; 05.10.2020, Ra 2020/19/0330; 15.02.2021, Ra 2020/21/0301).
Im gegenständlichen Fall führt der Beschwerdeführer seit April 2018 eine Beziehung mit einer österreichischen Staatsangehörigen. In die Bewertung der Schutzwürdigkeit dieser Beziehung fließt zunächst die Dauer der Beziehung von rund drei Jahren ein. Eine Relativierung erfährt die Schutzwürdigkeit der Beziehung auch dahingehend, dass sich sowohl der Beschwerdeführer als auch seine Lebensgefährtin zum Zeitpunkt der Beziehung bewusst sein mussten, dass der weitere Verbleib des Beschwerdeführers im Bundesgebietes unsicher war und die belangte Behörde seinen Antrag auf internationalen Schutz bereits mit Bescheid vom 14.10.2016 negativ entschied. Dem trägt auch die ständige Rechtsprechung Rechnung, wonach bei der Gewichtung der für den Fremden sprechenden Umstände im Sinn des § 9 Abs. 2 Z 8 BFA-VG maßgeblich relativierend einbezogen werden darf, dass er sich seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste (vgl. VwGH 28.02.2020, Ra 2019/14/0545). Allerdings lässt das erkennende Gericht auch nicht unberücksichtigt, dass ein während eines unsicheren Aufenthaltsstatus entstandenes Familienleben vor dem Hintergrund der gebotenen Gesamtbetrachtung nicht zur Konsequenz hat, dass diesem überhaupt kein Gewicht beizumessen wäre (vgl. VwGH 18.03.2021, Ra 2020/21/0535).
In weiterer Folge bleibt zu prüfen, inwieweit ein etwaiger Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers erfolgt. Unter „Privatleben“ sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. Sisojeva u.a. gg Lettland, EuGRZ 2006, 554).
Die Aufenthaltsdauer nach § 9 Abs. 2 Z 1 BFA-VG stellt nur eines von mehreren im Zuge der Interessenabwägung zu berücksichtigenden Kriterien dar, weshalb auch nicht gesagt werden kann, dass bei Unterschreiten einer bestimmten Mindestdauer des Aufenthalts in Österreich jedenfalls von einem deutlichen Überwiegen der öffentlichen Interessen an der Beendigung des Aufenthalts im Bundesgebiet gegenüber den gegenteiligen privaten Interessen auszugehen ist (vgl. VwGH 16.02.2021, Ra 2019/19/0212).
Liegt eine relativ kurze Aufenthaltsdauer des Betroffenen in Österreich vor, so wird nach der Rechtsprechung des VwGH regelmäßig erwartet, dass die in dieser Zeit erlangte Integration außergewöhnlich ist, um die Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig zu erklären und einen entsprechenden Aufenthaltstitel zu rechtfertigen (vgl. VwGH 10.04.2019, Ra 2019/18/0049). Einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren kommt für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zu (vgl. VwGH 16.02.2021, Ra 2019/19/0212). Allerdings nimmt das persönliche Interesse des Fremden an einem Verbleib in Österreich grundsätzlich mit der Dauer des bisherigen Aufenthalts des Fremden zu (vgl. VwGH 05.10.2020, Ra 2020/19/0330). Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kann ein über zehnjähriger inländischer Aufenthalt den persönlichen Interessen eines Fremden am Verbleib im Bundesgebiet – unter Bedachtnahme auf die jeweils im Einzelfall zu beurteilenden Umstände – ein großes Gewicht verleihen und ist regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen (vgl. VwGH 21.12.2017, Ra 2017/21/0132; 30.04.2021, Ra 2020/21/0357).
Im gegenständlichen Fall umfasst der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet eine Zeitspanne von rund sechs Jahren und drei Monaten.
Für die Schutzwürdigkeit des Privatlebens spielt zwar die zeitliche Komponente im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, allerdings ist die bloße Aufenthaltsdauer für sich gesehen nicht allein maßgeblich. Es ist vor allem anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalles zu prüfen, inwieweit der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit dazu genützt hat, sich sozial und beruflich zu integrieren. Bei der Einschätzung des persönlichen Interesses ist auch auf die Auswirkungen, die eine Aufenthaltsbeendigung auf die familiären oder sonstigen Bindungen des Fremden hätte, Bedacht zu nehmen (vgl. VwGH 05.10.2020, Ra 2020/19/0330).
Im Hinblick auf seine Aufenthaltsdauer von rund sechseinhalb Jahren lässt das Bundesverwaltungsgericht nicht unberücksichtigt, dass der Beschwerdeführer um eine Integration bemüht ist. Der Beschwerdeführer besuchte während seines Aufenthaltes mehrfach Sprachkurse. Er spricht einfaches, aber gut verständliches Deutsch. Des Weiteren schloss der Beschwerdeführer im Mai 2021 eine Integrationsprüfung (Sprachkompetenz/Werte- und Orientierungswissen) über den Österreichischen Integrations Fonds im Niveau A2 positiv ab. Auch in sozialer Hinsicht liegt ein Engagement des Beschwerdeführers vor. Seit 2016 war der Beschwerdeführer bei verschiedenen Fitnessstudios eingeschrieben. Im Jahr 2017 engagierte sich der Beschwerdeführer für rund einen Monat ehrenamtlich beim Roten Kreuz. Vorgelegt wurden im Rahmen des Beschwerdeverfahrens auch mehrere private Unterstützungserklärungen. Es bleibt im Rahmen der Interessensabwägung auch zu berücksichtigen, dass er sich neben seiner sprachlichen und sozialen Integration um eine berufliche Anbindung an das österreichische Bundesgebiet bemühte. Beginnend mit Juli 2019 arbeitete der Beschwerdeführer im Rahmen einer Kontingentbewilligung nach dem AuslBG in einem Grazer Imbissunternehmen. Er arbeitet dort im Ausmaß einer Wochenarbeitszeit von 40 Stunden und einem monatlichen Bruttoentgelt von 1.540 Euro. Lediglich aufgrund des Ablauf des Saisonkontinents bezieht der Beschwerdeführer gegenwärtig Arbeitslosengeld. Er verfügt jedoch von seinem bisherigen Arbeitgeber über eine Wiedereinstellungszusage. Aus dem Einkommen seiner Erwerbstätigkeit sicherte sich der Beschwerdeführer seit Juli 2019 seinen Lebensunterhalt und war er selbsterhaltungsfähig. Dies führte auch dazu, dass er seit dem 10.07.2019 keine Leistungen mehr aus der Grundversorgung bezog.
Es sind - unter der Schwelle des Art. 2 und 3 EMRK - aber auch die Verhältnisse im Herkunftsstaat unter dem Gesichtspunkt des Privatlebens zu berücksichtigen, so sind etwa Schwierigkeiten beim Beschäftigungszugang oder auch Behandlungsmöglichkeiten bei medizinischen Problemen bzw. eine etwaigen wegen der dort herrschenden Verhältnisse bewirkte maßgebliche Verschlechterung psychischer Probleme auch in die bei der Erlassung der Rückkehrentscheidung vorzunehmende Interessensabwägung nach § 9 BFA-VG miteinzubeziehen (vgl. VwGH 17.03.2021, Ra 2021/14/0052). Eine diesbezüglich besonders zu berücksichtigende Situation liegt im gegenständlichen Fall nicht vor.
Demgegenüber hat der Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat, in dem er aufgewachsen ist und den Großteil seines bisherigen Lebens verbracht hat, sprachliche und kulturelle Verbindungen und auch familiäre Anknüpfungspunkte. Von einer vollkommenen Entwurzelung kann im gegenständlichen Fall somit nicht ausgegangen werden.
Hinsichtlich seiner strafrechtlichen Unbescholtenheit ist auszuführen, dass dies nach Judikatur weder eine Stärkung der persönlichen Interessen noch eine Schwächung der öffentlichen Interessen darstellt, da der Verwaltungsgerichtshof davon ausgeht, dass es von Fremden, welche sich im Bundesgebiet aufhalten als selbstverständlich anzunehmen ist, dass sie die geltenden Rechtsvorschriften einhalten (vgl. VwGH 25.02.2010, 2010/18/0029).
Dem allenfalls bestehenden Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich (bzw. Europa) stehen öffentliche Interessen gegenüber.
Dem allenfalls bestehenden Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich (bzw. Europa) stehen öffentliche Interessen gegenüber. Dieses beinhaltet das öffentliche Interesse an einem geordneten Asyl- und Fremdenwesen und dass das geltende Migrationsrecht auch vollzogen wird, indem Personen, die ohne Aufenthaltstitel aufhältig sind auch zur tatsächlichen Ausreise verhalten werden (vgl. VwGH 15.03.2018, Ra 2018/21/0034; 05.11.2019, Ro 2019/01/0008).
Anhand der vorangegangenen Ausführungen und der diesbezüglichen Judikatur kann nach Vornahme einer gewichtigen Abwägung im Einzelfall davon ausgegangen werden, dass die privaten Interessen an einem Verbleib im Bundesgebiet die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung überwiegen.
Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens, des festgestellten Sachverhaltes und einer gewichtenden Interessensabwägung ergibt sich, dass die im angefochtenen Bescheid angeordnete Rückkehrentscheidung einen ungerechtfertigten Eingriff in das durch Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Privat- und Familienleben darstellt und war die Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig zu erklären.
3.3.2. Zum Aufenthaltstitel:
Gemäß § 58 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 von Amts wegen zu prüfen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird.
Gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ zu erteilen, wenn
1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und
2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955) erreicht wird.