Entscheidungsdatum
13.07.2021Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
G315 2241208-1/9E
G315 2241210-1/6E
G315 2241202-1/6E
G315 2241207-1/6E
G315 2241206-1/6E
G315 2241204-1/6E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Petra Martina SCHREY, LL.M., über die Beschwerden 1.) der XXXX , geboren am XXXX , 2.) des minderjährigen XXXX , geboren am XXXX , 3.) der minderjährigen XXXX , geboren am XXXX , 4.) der minderjährigen XXXX , geboren am XXXX , 5.) des minderjährigen XXXX , geboren am XXXX , und 6.) des minderjährigen XXXX , geboren am XXXX , alle Staatsangehörigkeit: Serbien, die minderjährigen Beschwerdeführer vertreten durch die Mutter XXXX , alle vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH (BBU GmbH), jeweils gegen die Spruchpunkte I. und II. der Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl jeweils vom 08.03.2021, Zahlen: zu 1.) XXXX , zu 2.) XXXX , zu 3.) XXXX , zu 4.) XXXX , zu 5.) XXXX und zu 6.) XXXX , betreffend die Abweisung ihres Antrages auf internationalen Schutz, zu Recht:
A) Die Beschwerden gegen die Spruchpunkte I. und II. der angefochtenen Bescheide werden als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Die Erstbeschwerdeführerin ist die leibliche Mutter der minderjährigen, im Spruch genannten Beschwerdeführer. Sie reiste mit den minderjährigen Beschwerdeführern immer wieder in den Schengen-Raum und etwa im September 2019 auch in das österreichische Bundesgebiet ein.
Am 25.11.2019 gebar die Erstbeschwerdeführerin in Österreich ein weiteres Kind, welchem aufgrund der österreichischen Staatsbürgerschaft seines Vaters ebenfalls die österreichische Staatsbürgerschaft zukommt.
Zuletzt reiste die Erstbeschwerdeführerin mit den minderjährigen Beschwerdeführern am 03.02.2020 in den Schengen-Raum und weiter in das österreichische Bundesgebiet ein, wo sie anschließend für sich und die minderjährigen Beschwerdeführer am 14.02.2020 jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 stellte.
2. Am 14.02.2020 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung der Erstbeschwerdeführerin zu ihrem Antrag auf internationalen Schutz statt.
3. Nach Zulassung des Verfahrens wurde die Erstbeschwerdeführerin vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Burgenland, der nunmehr belangten Behörde (in der Folge kurz als „bB“ bezeichnet), am 11.01.2021 im Beisein einer geeigneten Dolmetscherin für die Sprache Serbisch niederschriftlich einvernommen.
4. Mit den gegenständlich angefochtenen Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl jeweils vom 08.03.2021 wurden die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (jeweils Spruchpunkt I.) als auch bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Serbien gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (jeweils Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (jeweils Spruchpunkt III.). Hingegen wurde festgestellt, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 9 Abs. 2 und Abs. 3 BFA-VG auf Dauer unzulässig ist und der Erstbeschwerdeführerin gemäß § 58 Abs. 2 und Abs. 3 iVm § 55 AsylG eine „Aufenthaltsberechtigung“ gemäß § 55 Abs. 2 AsylG erteilt (Spruchpunkt IV.), den minderjährigen Beschwerdeführern hingegen jeweils eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ gemäß § 55 Abs. 1 AsylG (jeweils Spruchpunkt IV.). Gemäß § 15b Abs. 1 AsylG wurde zudem noch festgestellt, dass den Beschwerdeführern von 14.02.2020 bis 20.02.2020 die Unterkunftnahme in einer näher angeführten Unterkunft aufgetragen wurde (jeweils Spruchpunkt V.).
5. Mit Verfahrensanordnung vom 09.03.2021 wurde den Beschwerdeführern gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG amtswegig ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht beigegeben.
6. Mit dem am 31.03.2021 beim Bundesamt eingebrachten Schriftsatz der bevollmächtigten Rechtsvertretung der Beschwerdeführer vom selben Tag erhoben die Beschwerdeführer fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde ausschließlich jeweils gegen die Spruchpunkte I. und II. der angefochtenen Bescheide hinsichtlich der Abweisung der Anträge auf internationalen Schutz bezogen auf die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten sowie der subsidiär Schutzberechtigten. Alle übrigen Spruchpunkte der angefochtenen Bescheide blieben unangefochten. Es wurde beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge eine mündliche Verhandlung durchführen und den Beschwerden bezüglich den Spruchpunkten I. der angefochtenen Bescheide stattgeben und den Beschwerdeführern den Status der Asylberechtigten zuerkennen; in eventu den Beschwerden hinsichtlich den Spruchpunkten II. der angefochtenen Bescheide stattgeben und den Beschwerdeführern den Status von subsidiär Schutzberechtigten zuerkennen.
7. Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden vom Bundesamt vorgelegt und sind am 08.04.2021 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt.
8. Infolge einer Unzuständigkeitseinrede infolge Eingriffes in die sexuelle Selbstbestimmung gemäß § 20 AsylG wurden die gegenständlichen Verfahren am 20.04.2021 der Gerichtsabteilung G315 zur Entscheidung zugewiesen.
9. Am 7.6.2021 wurde dem Bundesverwaltungsgericht von der Grundversorgungsstelle ein E-Mail von einem Herrn XXXX weitergeleitet, aus welchen im Wesentlichen – das E-Mail wurde in wenig verständlichem Deutsch verfasst – hervorgeht, dass er der Vater der minderjährigen BF sei und Kontakt zu diesen suche und behauptet, auch der Vater des letztgeborenen Kindes der BF1 zu sein und dass diese lüge und ihn schlecht mache.
10. Dieses E-Mail wurde den BF im Wege ihrer Rechtsvertretung zur Kenntnis gebracht und geraten, dass sie umgehend Anzeige erstatten, sofern sie sich dadurch als gefährdet erachten. Ferner wurden die BF aufgefordert, den Sachverhalt aufzuklären und die im Schreiben aufgelisteten Fragen zu beantworten.
11. Mit Schreiben vom 5.7.2021, eingegangen beim Bundesverwaltungsgericht am 6.7.2021 legten die BF im Wege ihrer Rechtsvertretung dar, dass derzeit von einer Anzeige abgesehen wird, da das Schreiben nicht gänzlich verständlich ist und dem Inhalt keine konkrete Bedrohung zu entnehmen sei. Ferner wurde auf die vom Gericht gestellten Fragen geantwortet.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Die Beschwerdeführer führen die im Spruch angeführte Identität (Namen und Geburtsdatum), sind serbische Staatsangehörige, Angehörige der Volksgruppe der Roma und bekennt sich zumindest die Erstbeschwerdeführerin zum serbisch-orthodoxen Glauben. Die Muttersprache der Beschwerdeführer ist Romanes, die Erstbeschwerdeführerin spricht jedoch auch Serbisch (vgl. Erstbefragung Erstbeschwerdeführerin vom 14.02.2020, AS 3 ff Erstbeschwerdeführerin; aktenkundige Kopien der im Original vorgelegten serbischen Reisepässe Beschwerdeführer, AS 121 ff, AS 151 ff, AS 157 ff, AS 163 ff, AS 169 ff und AS 175 ff Erstbeschwerdeführerin; Kopien der serbischen Geburtsurkunden der Beschwerdeführer, AS 123, AS 155 f, AS 161 f, AS 167 f, AS 173 f und AS 179 f Erstbeschwerdeführerin; Kopie des serbischen Staatsbürgerschaftsnachweises der Erstbeschwerdeführerin samt deutscher Übersetzung, AS 129 ff Erstbeschwerdeführerin; beglaubigte Übersetzung des Auszuges aus dem serbischen Geburtenbuch der Erstbeschwerdeführerin, AS 141 Erstbeschwerdeführerin).
Die Erstbeschwerdeführerin ist in XXXX in Serbien geboren und in XXXX , aufgewachsen. Sie hat nur drei Jahre eine Grundschule besucht, keine Berufsausbildung absolviert und ist auch keinem Beruf nachgegangen. Ihre Eltern sind bereits beide verstorben. Ihr Bruder lebt mit seiner Familie nach wie vor in Serbien, zu diesem hat die Erstbeschwerdeführerin jedoch keinen Kontakt. Zuletzt lebten die Beschwerdeführer in XXXX , Serbien, in einem Zimmer zu einer monatlichen Miete von 4.000,00 Dinar (rund EUR 34,00) und finanzierte die Erstbeschwerdeführerin den Unterhalt der Beschwerdeführer durch Sammeln und Verkauf von Plastikflaschen und Papier. Außerdem war sie als arbeitssuchend gemeldet und bezog Sozialhilfe in Höhe von monatlich 20.000 Dinar (rund EUR 170,00) sowie einer monatlichen Kinderzulage von 10.500 Dinar (rund EUR 89,00) (vgl. Erstbefragung vom 14.02.2020, AS 3 ff Erstbeschwerdeführerin; Datenblatt zur Niederschrift Bundesamt vom 11.01.2021, AS 109 ff Erstbeschwerdeführerin; Niederschrift Bundesamt vom 11.01.2021, AS 233 f Erstbeschwerdeführerin; aktenkundige beglaubigte Übersetzung des serbischen Scheidungsurteils vom 04.11.2019, AS 126 Erstbeschwerdeführerin;).
Die Erstbeschwerdeführerin heiratete am 05.12.2011 den Vater der fünf minderjährigen Beschwerdeführer, XXXX , geboren am XXXX , serbischer Staatsangehöriger. Nach der Geburt des Sechstbeschwerdeführers im Jahr 2016 trennte sich die Erstbeschwerdeführerin vom Ehemann und lebte fortan nicht mehr mit ihm zusammen. Die Ehe wurde mit Urteil des serbischen Grundgerichtes XXXX vom XXXX , Zahl: XXXX , rechtskräftig am XXXX nach beiderseitigem Verzicht auf Rechtsmittel, geschieden. Die Obsorge über die fünf minderjährigen Beschwerdeführer wurde ausschließlich der Erstbeschwerdeführerin zugesprochen. Der Kindesvater wurde verpflichtet, einen monatlichen Unterhaltsbeitrag für die fünf minderjährigen Beschwerdeführer von jeweils 1.000 Dinar pro Kind der Erstbeschwerdeführerin zu bezahlen. Das Umgangsrecht des Kindesvaters gegenüber den minderjährigen Beschwerdeführern sei nach Vereinbarung der Eltern auszuüben (vgl. aktenkundige beglaubigte Übersetzung des serbischen Scheidungsurteils vom 04.11.2019, AS 125 ff Erstbeschwerdeführerin; Kopie serbische Heiratsurkunde samt beglaubigter Übersetzung, AS 133 ff Erstbeschwerdeführerin; Niederschrift Bundesamt vom 11.01.2021, AS 235 ff Erstbeschwerdeführerin).
Die fünf minderjährigen Beschwerdeführer sind allesamt in XXXX , Serbien geboren (vgl. aktenkundige Reisepässe und Geburtsurkunden der minderjährigen Beschwerdeführer).
Der Zweitbeschwerdeführer hat in Serbien zumindest drei Jahre die Grundschule besucht. Die Drittbeschwerdeführerin, die Viertbeschwerdeführerin und der Fünftbeschwerdeführer besuchten in Serbien jeweils die erste Klasse einer Grundschule. Der Zweitbeschwerdeführer besuchte in Österreich im Schuljahr 2019/2020 die dritte Klasse einer Volksschule als außerordentlicher Schüler. Die Drittbeschwerdeführerin besucht in Österreich die dritte Klasse einer Sonderschule, die Viertbeschwerdeführerin und der Fünftbeschwerdeführer besuchen derzeit die erste Klasse einer Volksschule und der Sechstbeschwerdeführer den Kindergarten in Österreich (vgl. aktenkundige beglaubigte Übersetzung des serbischen Scheidungsurteils vom 04.11.2019, AS 126 Erstbeschwerdeführerin; Niederschrift Bundesamt vom 11.01.2021, AS 231 ff, insbesondere AS 245 Erstbeschwerdeführerin; Schulnachricht, AS 67 Zweitbeschwerdeführer).
Die Viertbeschwerdeführerin, der Fünftbeschwerdeführer und der Sechstbeschwerdeführer sind gesund (vgl. Niederschrift Bundesamt vom 11.01.2021, AS 231 Erstbeschwerdeführerin).
Der Zweitbeschwerdeführer wurde im Kinderkrankenhaus XXXX /Serbien in der kinderchirurgischen Abteilung am 17.12.2018 wegen Kopfschmerzen und einer akuten Infektion der oberen Atemwege behandelt. Aktenkundig sind auch zwei serbische psychologische Befunde vom 26.12.2018 und 21.01.2019 des Zweitbeschwerdeführers. Derzeit ist der Zweitbeschwerdeführer gesund und benötigt keine medizinische Behandlung. (vgl. aktenkundige beglaubigte Übersetzung des serbischen Scheidungsurteils vom 04.11.2019, AS 126 Erstbeschwerdeführerin; serbische medizinische Befunde, AS 59 ff und AS 65 Zweitbeschwerdeführer; Niederschrift Bundesamt vom 11.01.2021, AS 231 Erstbeschwerdeführerin).
Die Drittbeschwerdeführerin leidet an einer idiopathisch generalisierten Epilepsie und wurde deswegen aber bereits in Serbien von ihrer Geburt weg behandelt. Auch andere Erkrankungen der Drittbeschwerdeführerin wurden in Serbien behandelt. In Österreich erhält sie das Medikament LEVEBON. Sie leidet an keinen lebensbedrohlichen Erkrankungen im Endstadium, die in Serbien nicht behandelbar wären (vgl. aktenkundiges Konvolut serbischer medizinischer Befunde, AS 55 ff Drittbeschwerdeführerin, aktenkundiges Konvolut österreichischer medizinischer Befunde, AS 93 ff Drittbeschwerdeführerin; insbesondere vorläufiger Befund einer Abteilung für Kinder- und Jugendheilkunde eines Krankenhauses vom 16.11.2020, AS 105 ff Drittbeschwerdeführerin; Niederschrift Bundesamt vom 11.01.2021, AS 231 und 235 Erstbeschwerdeführerin).,
Die Erstbeschwerdeführerin leidet seit der Geburt des Zweitbeschwerdeführers ebenfalls an Epilepsie und Migräne. Sie wurde deswegen bereits in Serbien im Krankenhaus ärztlich behandelt. Ihr wurde in Serbien das Medikament „RIVOTRIL“ verschrieben, das sie nunmehr auch in Österreich einnimmt. Sie wurde in Österreich auch wegen des Verdachts auf eine Gastritis behandelt. Sie leidet jedoch an keiner lebensbedrohlichen Erkrankung im Endstadium, die in Serbien nicht behandelbar wäre (vgl. Niederschrift Bundesamt vom 11.01.2021, AS 229 ff Erstbeschwerdeführerin; Ambulanzkarte eines Landesklinikums, Abteilung für Innere Medizin vom 26.07.2020, AS 205 ff Erstbeschwerdeführerin; Befundblatt Ambulant des Krankenhauses Oberwart vom 08.02.2021, AS 286 f und AS 291 Erstbeschwerdeführerin).
1.2. Die Erstbeschwerdeführerin stellte bereits einmal in Deutschland am 26.09.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz, kehrte aber aufgrund einer Erkrankung ihrer Mutter freiwillig zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt nach Serbien zurück (vgl. Erstbefragung vom 14.02.2020, AS 11 ff Erstbeschwerdeführerin).
Die Beschwerdeführer reisten jedenfalls schon beginnend ab dem Jahr 2017 mehrmals legal in den Schengen-Raum ein und wieder aus. Sie reisten jedenfalls einmal Ende Juli 2019 in das österreichische Bundesgebiet ein, aber offensichtlich vorübergehend im September 2019 wieder nach Serbien aus, wo sich die Erstbeschwerdeführerin am 16.09.2019 einen neuen serbischen Reisepass ausstellen lies. Jedenfalls reisten die Beschwerdeführer im September 2019 wieder legal mittels Reisebus und unter Verwendung ihrer serbischen Reisepässe nach Österreich. Damals war die Erstbeschwerdeführerin zu ihrem sechsten Kind mit einem anderen Mann als dem Vater der fünf minderjährigen Beschwerdeführer schwanger. Die Beschwerdeführer lebten jedenfalls von September 2019 bis Ende 2019 in der Wohnung des Kindesvaters des sechsten Kindes. Zuletzt reisten die Beschwerdeführer jedenfalls legal am 03.02.2020 in Ungarn in den Schengen-Raum ein (vgl. Erstbefragung vom 14.02.2020, AS 9 ff Erstbeschwerdeführerin; Niederschrift Bundesamt vom 11.01.2021, AS 231 Erstbeschwerdeführerin; Feststellungen angefochtener Bescheid der Erstbeschwerdeführerin, AS 327 Erstbeschwerdeführerin; aktenkundige Kopien der Reisepässe der Beschwerdeführer und darin ersichtliche Ein- und Ausreisestempel, AS 121 ff, AS 151 ff, AS 157 ff, AS 163 ff, AS 169 ff und AS 175 ff Erstbeschwerdeführerin; Auszüge aus dem Zentralen Melderegister jeweils vom 12.05.2021).
1.3. Mit XXXX , geboren am XXXX , österreichischer Staatsangehöriger, hat die Erstbeschwerdeführerin ein in Österreich am 25.11.2019 geborenes Kind, nämlich XXXX , dem nach seinem Vater die österreichische Staatsbürgerschaft zukommt. Der Kindesvater hat die Vaterschaft auch nach serbischem Recht anerkannt. Es handelte sich dabei um eine Frühgeburt mit Betreuung auf einer neonatologischen Station. Die anfänglichen gesundheitlichen Probleme des in Österreich geborenen Sohnes der Erstbeschwerdeführerin bestehen zum Entscheidungszeitpunkt nicht mehr. Eine Eheschließung mit dem Kindesvater des in Österreich geborenen Kindes war für 31.01.2020 geplant, fand jedoch tatsächlich nicht statt. Die Erstbeschwerdeführerin lebt vom Kindesvater des in österreichischen Sohnes seit Ende 2019 getrennt, hat zu diesem keinerlei Kontakt und lebt der österreichische Sohn bei der Erstbeschwerdeführerin und seinen Halbgeschwistern (vgl. etwa Kopien des österreichischen Personalausweises und Reisepasses des Sohnes, AS 143 ff Erstbeschwerdeführerin; Kopie des österreichischen Staatsbürgerschaftsnachweises und der österreichischen Geburtsurkunde des Sohnes, AS 37 ff Erstbeschwerdeführerin; Beurkundung (Beglaubigung) Vaterschaftsanerkenntnis, AS 41 ff Erstbeschwerdeführerin; Konvolut medizinischer Befunde hinsichtlich des in Österreich geborenen Sohnes, AS 181 ff Erstbeschwerdeführerin; Mitteilung über die Ermittlung der Ehefähigkeit, AS 81 Erstbeschwerdeführerin; Niederschrift Bundesamt vom 11.01.2021, AS 251 Erstbeschwerdeführerin).
1.4. Die minderjährigen Beschwerdeführer haben keine eigenen Fluchtgründe und beziehen sich ihre Anträge auf internationalen Schutz ausschließlich auf das Fluchtvorbringen der Erstbeschwerdeführerin.
Die Erstbeschwerdeführerin ist in Serbien oder einem anderen Land nicht vorbestraft. Sie wird dort weder von der Polizei, einer Staatsanwaltschaft, einem Gericht oder einer sonstigen Behörde gesucht, noch wurde sie festgenommen, angehalten oder inhaftiert. Sie hatte keinerlei Probleme mit den Behörden des Herkunftsstaates, war nie Mitglied einer politischen Partei, einer politischen Gruppierung und wurde staatlicherseits weder wegen ihrer politischen Gesinnung, Rasse, Religion, Nationalität, Volksgruppe oder der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe verfolgt (vgl. insbesondere Niederschrift Bundesamt vom 11.01.2021, AS 243 Erstbeschwerdeführerin).
Bis zur Trennung von dem nunmehrigen Ex-Ehemann wurden die Beschwerdeführer Opfer häuslicher Gewalt. Seit Ende 2016 bzw. Anfang 2017 leben die Beschwerdeführer jedoch getrennt vom Ex-Ehemann/Kindesvater. Es ist bis zur letzten Ausreise aus Serbien etwa im September 2019 zu keinen weiteren Vorkommnissen gekommen.
Die Erstbeschwerdeführerin hat Serbien schließlich wegen ihrer neuerlichen Schwangerschaft mit einem anderen Mann, welcher österreichischer Staatsangehöriger ist, und einem ursprünglich geplanten Zusammenleben in Österreich verlassen.
Ein konkreter Anlass oder Vorfall für das (fluchtartige) Verlassen des Herkunftsstaates konnte nicht festgestellt werden. Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr in den Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer Verfolgungsgefahr ausgesetzt sind, oder, dass Gründe vorliegen, die einer Rückkehr oder Rückführung (Abschiebung) in den Herkunftsstaat entgegenstehen würden, insbesondere nicht in Hinblick auf eine drohende unmenschliche Behandlung, Folter oder Strafe sowie innerstaatliche Konflikte in Serbien oder die Todesstrafe.
Die Erstbeschwerdeführerin ist eine überwiegend gesunde, arbeitsfähige und anpassungsfähige Frau, der es in Serbien auch bisher als alleinstehende Frau mit fünf minderjährigen Kindern gelungen ist, den (bescheidenen) Lebensunterhalt, wenn auch unter Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen und Durchführung von Gelegenheitsarbeiten selbst zu sichern. Dies wäre der Erstbeschwerdeführerin auch bei einer Rückkehr nach Serbien zumutbar.
1.5. Aufgrund der vor dem Bundesamt im Original vorgelegten serbischen Reisepässe sowie der serbischen Geburtsurkunden der Beschwerdeführer konnte ihre Identität verifiziert werden (vgl. aktenkundige Kopien der im Original vorgelegten serbischen Reisepässe Beschwerdeführer, AS 121 ff, AS 151 ff, AS 157 ff, AS 163 ff, AS 169 ff und AS 175 ff Erstbeschwerdeführerin; Kopien der serbischen Geburtsurkunden der Beschwerdeführer, AS 123, AS 155 f, AS 161 f, AS 167 f, AS 173 f und AS 179 f Erstbeschwerdeführerin; Kopie des serbischen Staatsbürgerschaftsnachweises der Erstbeschwerdeführerin samt deutscher Übersetzung, AS 129 ff Erstbeschwerdeführerin; beglaubigte Übersetzung des Auszuges aus dem serbischen Geburtenbuch der Erstbeschwerdeführerin, AS 141 Erstbeschwerdeführerin).
1.6. Zumindest seit ihrer Asylantragstellung halten sich die Beschwerdeführer ununterbrochen im Bundesgebiet auf und verfügen hier seit jedenfalls seit 14.02.2020 (teilweise auch schon seit Juli bzw. Oktober 2019) ohne wesentliche Unterbrechungen über durchgehende Hauptwohnsitzmeldungen (vgl. aktenkundige Auszüge aus dem Zentralen Melderegister jeweils vom 12.05.2021).
Neben dem Aufenthaltsrecht gemäß § 13 AsylG verfügen die Beschwerdeführer zudem seit 09.04.2021 jeweils bis 08.04.2022 über ein Aufenthaltsrecht aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 55 AsylG in Form einer „Aufenthaltsberechtigung“ (Erstbeschwerdeführerin) bzw. jeweils einer „Aufenthaltsberechtigung plus“ (alle minderjährigen Beschwerdeführer) (vgl. Fremdenregisterauszüge vom 12.05.2021).
Hinsichtlich der Erstbeschwerdeführerin liegen bisher seit 14.02.2020 bis laufend lediglich Sozialversicherungszeiten als Asylwerberin bzw. Flüchtling vor und ist die Erstbeschwerdeführerin in Österreich strafgerichtlich unbescholten (vgl. Sozialversicherungsdatenauszug und Strafregisterauszug vom 12.05.2021). Die Beschwerdeführer leben nach wie vor von der Grundversorgung (vgl. Grundversorgungsdaten vom 12.05.2021).
1.7. Der Aufenthalt der Beschwerdeführer war nie nach § 46a FPG geduldet. Ihr Aufenthalt ist nicht zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig. Sie wurden nicht Opfer von Gewalt im Sinne der §§ 382b oder 382e EO.
1.8. Es wird festgestellt, dass die Republik Serbien seit 01.07.2009 aufgrund der Herkunftsstaaten-Verordnung, BGBl. II Nr. 177/2009, als sicherer Herkunftsstaat gilt.
1.9. Zur Lage im Herkunftsland Serbien:
1.9.1. Corona
Zur Lage in Bezug auf die weltweit herrschende Corona-Pandemie und Serbien werden folgende Feststellungen getroffen:
Mit Stand 18.6.2021 gab es in Serbien 715.000 bestätigte COVID-19 Erkrankungen, 6.985 Todesfälle und bis fast fünf Millionen verabreichte Impfdosen (vgl. https://covid19.who.int/region/euro/country/rs, Zugriff am 18.6.2021).
1.9.2. Zur gegenwärtigen Lage in Serbien werden folgende Feststellungen basierend auf dem von der belangten Behörde in das Verfahren eingeführten, den angefochtenen Bescheiden zugrundeliegenden und nach wie vor aktuellen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zum Herkunftsland Serbien (Stand 01.07.2020) getroffen:
„1. Politische Lage
Letzte Änderung: 1.7.2020
Am 21. Juni 2020 fanden in Serbien die Parlamentswahlen statt. Dies waren die ersten Wahlen, die in Europa in Zeiten der Covid-19 Pandemie abgehalten wurden. Die serbische Fortschrittspartei des Präsidenten Vu?i? gewann rund 62% der Stimmen und erhielt 191 der 250 Sitze im Parlament. Eine so große Mehrheit eröffnet Präsident Vu?i? und der SNS die Möglichkeit, die Verfassung zu ändern. Der bisherige Regierungspartner der SNS, die Sozialisten unter Führung von Außenminister Ivica Dacic, erreichten etwa elf Prozent der Wählerstimmen und sicherte sich damit 32 Mandate. Die neue Partei „Spas“ (Rettung) des ehemaligen Wasserballers Aleksandar Šapi? kommt auf etwa vier Prozent der Stimmen und zwölf Mandate (oiip 30.6.2020).
Wenig überraschend bescherten die Parlamentswahlen am 21. Juni 2020 der regierenden Serbischen Fortschrittspartei (Srpska Napredna Stranka, SNS) einen klaren Wahlsieg. Genau genommen hatte sich die SNS hierfür einen anderen Namen gegeben. Sie trat als Liste "Aleksandar Vu?i? - für unsere Kinder" auf. So erschien Präsident Vu?i? zwar nicht als Kandidat, dominierte aber dennoch den Wahlkampf mit seiner medialen Omnipräsenz. Dass es sich hier um keine freien, geheimen und demokratischen Wahlen handelt, wurde schnell klar. Als um 14 Uhr Ortszeit die Wahlbeteiligung noch bei mageren 22% lag, berichteten Einwohner von Novi Sad und Belgrad, dass Aktivisten der SNS, in Einzelfällen sogar ortsbekannte Hooligans, die sich schon in der Vergangenheit als mietbare Helfer der Regierungspartei hervorgetan hatten, von Haus zu Haus gingen, um Bewohner dazu zu nötigen, zur Wahl zu gehen und für "die richtige Partei" zu stimmen. Tatsächlich verdoppelte sich bis 19 Uhr die Wahlbeteiligung (DS 29.6.2020).
Die zehnte Sitzung der Beitrittskonferenz mit Serbien auf Ministerebene fand am 27.6.2019 in Brüssel statt, um Verhandlungen über Kapitel 9 - Finanzdienstleistungen - aufzunehmen. Mit dieser Konferenz wurden von insgesamt 35 Verhandlungskapiteln 17 für die Verhandlungen geöffnet, von denen zwei bereits vorläufig abgeschlossen wurden. Weitere Beitrittskonferenzen werden gegebenenfalls geplant, um den Prozess in der zweiten Jahreshälfte 2019 voranzutreiben (Der Europäische Rat 27.6.2019).
Serbien führt bereits seit 2014 Beitrittsverhandlungen mit der EU. Die Aussöhnung mit dem Kosovo gilt aber als zentrale Bedingung dafür, dass die Gespräche irgendwann einmal erfolgreich abgeschlossen werden können (Handelsblatt 26.4.2019).
Quellen:
- Der Europäische Rat, Der Rat der Europäischen Union (27.6.2019): Pressemitteilung, Tenth meeting of the Accession Conference with Serbia at Ministerial level, Brussels, 27 June 2019
https://www.consilium.europa.eu/de/press/press-releases/2019/06/27/tenth-meeting-of-the-accession-conference-with-serbia-at-ministerial-level-brussels-27-june-2019/, Zugriff 20.9.2019
- DS - der Standard (29.6.2020): Eastblog, Die serbischen Parlamentswahlen 2020 als Dystopie, https://www.derstandard.at/story/2000118311811/die-serbischen-parlamentswahlen-2020-als-dystopie, Zugriff 1.7.2020
- Handelsblatt (26.4.2019): EU-Beitritt, Balkanstaaten können auf Start von EU-Beitrittsverhandlungen hoffen,
https://www.handelsblatt.com/politik/international/eu-beitritt-balkanstaaten-koennen-auf-start-von-eu-beitrittsverhandlungen-hoffen/24261104.html?ticket=ST-4670786-2vsL5mwajJEBcdLU5dAX-ap2, Zugriff 20.9.2019
- oiip - Österreichisches Institut für Internationale Politik (30.6.2020): Serbien und die ersten Wahlen in Europa im Zeitalter von Covid-19. Eine Kurzanalyse in drei Akten,https://www.oiip.ac.at/publikation/serbien-und-die-ersten-wahlen-in-europa-im-zeitalter-von-covid-19-eine-kurzanalyse-in-drei-akten/, Zugriff 1.7.2020
2. Sicherheitslage
Letzte Änderung: 5.6.2020
Die politische Lage ist stabil. In der Grenzregion zu Kosovo kann es zu Spannungen kommen. Insbesondere in Belgrad und anderen Städten sind vereinzelt Proteste und Demonstrationen möglich, die meistens friedlich verlaufen (AA 23.9.2019b).
Tausende von Demonstranten gingen auch am 11.5.2019 auf die Straßen, um gegen Präsident Aleksandar Vu?i? und seine Regierung zu demonstrieren. Sie werfen der Regierung Korruption und Einschränkung der Medienfreiheit vor. Die wöchentlichen Proteste begannen im Dezember 2018 und wurden durch einen Angriff auf einen Oppositionsführer ausgelöst (BN 13.5.2019).
Serbien hat ein gewisses Maß an Vorbereitung bei der Umsetzung des Rechtsbestands im Bereich Sicherheit erreicht. Einige Fortschritte wurden durch die Stärkung des Rechtsrahmens zur Bekämpfung der Geldwäsche und die Erfüllung der meisten Empfehlungen des letzten Jahres erzielt. Serbien trägt als Transitland weiterhin erheblich zur Steuerung der gemischten Migrationsströme in die EU bei, indem Serbien eine aktive und konstruktive Rolle spielt und effektiv mit seinen Nachbarn und EU-Mitgliedstaaten zusammenarbeitet. Bei der Umsetzung der integrierten Grenzschutzstrategie und des Aktionsplans hat Serbien einige Fortschritte erzielt. Die Strategie und der Aktionsplan zur Bekämpfung der irregulären Migration wurden angenommen (EK 29.5.2019).
Ein Zwischenfall mit serbischen Soldaten, denen am 7.9.2019 die Einreise zu einer Gedenkfeier in Kroatien verweigert wurde, hat zu einem Eklat zwischen den beiden Ländern geführt. Zagreb kritisierte eine "Provokation" aus Belgrad, in Serbien wurde dem Nachbarland Geschichtsrevisionismus vorgeworfen. Die serbische Militärdelegation hatte am 7.9.2019 in Jasenovac an einer Gedenkfeier der serbisch-orthodoxen Kirche für die Opfer des dortigen Konzentrationslagers teilnehmen wollen. Elf Militärangehörigen, die laut Medien in Zivil unterwegs waren und ihre Uniformen im Gepäck hatten, hatte die kroatische Grenzpolizei die Einreise verweigert. Laut Kroatien war die Delegation nicht angemeldet, die serbische Seite behauptet das Gegenteil. Der Delegation gehörten Berichten zufolge Offiziere der Militärakademie sowie Kadetten und Schüler des Militärgymnasiums an (Der Standard 9.9.2019).
Die im Norden der Republik Serbien gelegene Provinz Vojvodina zeichnet sich durch eine eigenständige, durch jahrhundertealte Koexistenz der Serben mit verschiedenen nationalen Minderheiten (u.a. Ungarn, Rumänen, Ruthenen, Kroaten, Deutschen) geprägte Tradition aus. In der mehrheitlich von ethnischen Albanern bewohnten Grenzregion Südserbiens zu Kosovo und Nordmazedonien (Gebiet der Gemeinden Bujanovac, Preševo, Medvedja) ist die Lage stabil (AA 3.11.2019).
Die von serbischer Seite als politische Strafzölle empfundenen 100 %-Erhöhungen der Importzölle für Waren in den Kosovo bleiben weiterhin der Hauptgrund der erneut belasteten bilateralen Beziehungen zu Pristina (VB 29.9.2019).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (23.9.2019b): Serbien: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/serbien-node/serbiensicherheit/207502, Zugriff 23.9.2019
- AA - Auswärtiges Amt (3.11.2019): Bericht im Hinblick auf die Einstufung der Republik Serbien als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylG (Stand: August 2019), https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/683266/684671/10074631/10075491/10075545/21601316/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_im_Hinblick_auf_die_Einstufung_der_Republik_Serbien_als_sicheres_Herkunftsland_im_Sinne_des_%C2%A7_29_a_AsylVfG_%28Stand_August_2019%29%2C_03%2E11.2019.pdf?nodeid=21601317&vernum=-2, Zugriff 13.5.2020
- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (13.5.2019): Briefing Notes (BN) 13. Mai 2019, Serbien, Proteste halten an, https://www.ecoi.net/en/file/local/2010672/Deutschland___Bundesamt_f%C3%Bcr_Migration_und_Fl%C3%Bcchtlinge%2C_Briefing_Notes%2C_13.05.2019_%28deutsch%29.pdf, Zugriff 20.9.2019
- Der Standard (9.9.2019): International Europa, Kroatien, Gedenkfeier, Neue Spannungen zwischen Kroatien und Serbien, https://www.derstandard.at/story/2000108422227/neue-spannungen-zwischen-kroatien-und-serbien; Zugriff 24.9.2019
- EK - Europäische Kommission (29.5.2019): Serbia 2019 Report [SWD(2019) 219 final], Fortschrittsbericht zum Stand der Vorbereitungen auf die EU-Mitgliedschaft (Demokratie und Rechtsstaatlichkeit; Justiz, Freiheit und Sicherheit; wirtschaftliche Lage, einschließlich Freiheiten und Sozialpolitik), https://www.ecoi.net/en/file/local/2010473/20190529-serbia-report.pdf, Zugriff 20.9.2019
- VB des BM.I in Serbien (29.9.2019): Auskunft des VB, per E-Mail
3. Rechtsschutz / Justizwesen
Letzte Änderung: 5.6.2020
Die Verfassung sieht eine unabhängige Justiz vor, aber die Gerichte bleiben weiterhin anfällig für Korruption und politischen Einfluss (USDOS 11.3.2020).
Das serbische Justizwesen besteht aus einem Verfassungsgericht, dem Obersten Gerichtshof, 30 Bezirksgerichten und 138 Gemeindegerichten. Daneben bestehen spezielle Gerichte wie Verwaltungsgerichte und Handelsgerichte. Im Belgrader Bezirksgericht existiert eine Sonderkammer für die Verfolgung von Kriegsverbrechen, daneben existiert eine Staatsanwaltschaft für Kriegsverbrechen - beiden zusammen obliegt die juristische Aufarbeitung der Kriegsverbrechen aus den Balkankriegen der 1990er Jahre. Ihre Einrichtung ist Teil des Prozesses der Schließung des UN-Kriegsverbrechertribunals für das ehemalige Jugoslawien (Den Haag) und der Überführung seiner Aufgaben auf die nationalen Justizbehörden in den Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawien (LIPortal 6.2019).
Serbien hat im Bereich Justiz einige Fortschritte erzielt; während die Empfehlungen des Vorjahres nur teilweise umgesetzt wurden, wurden bei der Reduzierung alter Vollstreckungsfälle und der Weiterverfolgung von Maßnahmen zur Harmonisierung der Gerichtspraxis Fortschritte erzielt. Einige Änderungen der Regeln für die Ernennung von Richtern und Staatsanwälten und für die Bewertung der Arbeit von Richtern und Staatsanwälten wurden angenommen, aber das System muss nach der Annahme der Verfassungsänderungen grundlegend überarbeitet werden, um eine leistungsbezogene Stellenbesetzungen und Beförderungen von Richtern zu ermöglichen. Politische Einflussnahme im Bereich der Justiz bleibt weiterhin ein Problem. Die Verfassungsreform befindet sich im Gange (EK 25.9.2019).
Das Parlament hat am 21.5.2019 eine umstrittene Änderung des Strafrechts gebilligt, gemäß der Straftäter, die wegen Vergewaltigung und Ermordung eines Minderjährigen oder einer schwangeren oder behinderten Person zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt werden, zukünftig keine Möglichkeit einer frühzeitigen Entlassung mehr haben. Bislang belief sich die Höchststrafe in Serbien auf 40 Jahre. Der Europarat kritisierte den Gesetzesentwurf und sprach von einem Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention (BN 27.5.2019).
Prinzipiell kann sich jede Person in Serbien, die sich privaten Verfolgungshandlungen ausgesetzt sieht, sowohl an die Polizei wenden als auch direkt bei der Staatsanwaltschaft persönlich oder schriftlich eine Anzeige einbringen. Auch können entsprechende Beschwerden an die Ombudsmann Institutionen getätigt werden. Darüber hinaus besteht auch für solche Personen, die Möglichkeit der Aufnahme in das Zeugen- bzw. Opferschutzprogramm. Die Bevölkerung hat die Möglichkeit, sich wegen rechtswidriger Akte der Sicherheitsdienste an den serbischen Ombudsmann oder den serbischen Datenschutzbeauftragten zu wenden (VB 29.9.2019).
Quellen:
- Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (27.5.2019): Briefing Notes (BN) 27. Mai 2019, Serbien, Parlament beschließt lebenslange Haft ohne vorzeitige Entlassung in besonders
schweren Fällen, https://www.ecoi.net/en/file/local/2010482/briefingnotes-kw22-2019.pdf, Zugriff 20.9.2019
- EK - Europäische Kommission (29.5.2019): Serbia 2019 Report [SWD(2019) 219 final], Fortschrittsbericht zum Stand der Vorbereitungen auf die EU-Mitgliedschaft (Demokratie und Rechtsstaatlichkeit; Justiz, Freiheit und Sicherheit; wirtschaftliche Lage, einschließlich Freiheiten und Sozialpolitik), https://www.ecoi.net/en/file/local/2010473/20190529-serbia-report.pdf, Zugriff 20.9.2019
- LIPortal - Das Länder-Informations-Portal (6.2019): Serbien, Geschichte & Staat,
https://www.liportal.de/serbien/geschichte-staat/#c19777, Zugriff 20.9.2019
- USDOS - US Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Serbia, 11. März 2020, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026363.html, Zugriff 13.5.2020
- VB des BM.I in Serbien (29.9.2019): Auskunft des VB, per E-Mail
4. Sicherheitsbehörden
Letzte Änderung: 5.6.2020
Die Polizei des Landes untersteht der Aufsicht des Innenministeriums, wobei die Behörden eine wirksame Kontrolle über die Sicherheitskräfte ausüben. Die Effektivität der Polizei variiert. Die meisten Beamten sind ethnische Serben, jedoch sind auch Angehörige von Minderheiten als Polizeibeamte tätig. Korruption und Straffreiheit in der Polizei sind ein Problem. Im Laufe des Jahres 2019 stellten Experten der Zivilgesellschaft fest, dass sich die Qualität der polizeilichen internen Ermittlungen weiter verbessert hat. Die neu geschaffene Antikorruptionsabteilung im Innenministerium wurde geschaffen, um schwere Korruption zu untersuchen. Es gibt keine spezialisierte Regierungsstelle, die Morde durch die Sicherheitskräfte untersuchen kann. Die Polizei, das Sicherheitsinformationszentrum (BIA) und die Direktion für die Vollstreckung strafrechtlicher Sanktionen untersuchen solche Fälle durch interne Kontrollen. In den ersten acht Monaten 2019 reichte die interne Kontrolle des Innenministeriums 136 Strafanzeigen gegen 285 Personen wegen 388 Verbrechen ein; 124 waren Polizisten und 161 Zivilbeamte. In 45 der Fälle wurden die Täter zu Haftstrafen verurteilt (USDOS 13.3.2020).
Durch eine unsystematische Umsetzung der Reform, ohne größeren Plan und Strategie, sind die eigentlichen Ziele, die Polizei zu de-kriminalisieren, de-politisieren, de-militarisieren und eine Dezentralisierung einzuleiten, bis heute nur bedingt erreicht. Gegenwärtig unterstehen die etwa 43.000 Polizisten des Landes dem Innenministerium und sind u.a. unterteilt in Zoll, Kriminalpolizei, Grenzpolizei sowie zwei Anti-Terroreinheiten, die „Special Antiterrorist Unit“ und die „Counterterrorist Unit“ (BICC 6.2019).
Es kommt in Einzelfällen immer noch vor, dass die Sicherheitsbehörden ihre Vollmachten überschreiten oder Anträge und Anfragen nicht so effizient bearbeiten. Dies beschränkt sich jedoch nicht auf bestimmte Personengruppen, sondern bezieht sich auf alle Einwohner der Republik Serbien. Alle Einwohner bzw. Bürger der Republik Serbien haben den gleichen Zugang zum Justizwesen, zu den Gerichten und den Polizeibehörden. Rechtsschutzmittel gegen polizeiliche Übergriffe sind vorgesehen, nämlich Strafanzeige und/oder Disziplinarverfahren. Jedoch gibt es keine „besonderen“ Rechtsschutzmittel betreffend Übergriffe gegen Roma-Angehörige. Diese sind, wie alle Einwohner der Republik Serbien, vor dem Gesetz gleich (VB 29.9.2019).
Quellen:
- BICC - Bonn International Center for Conversion (6.2019): Länderbericht Serbien, http://ruestungsexport.info/user/pages/04.laenderberichte/serbien/2019_Serbien.pdf, Zugriff 20.9.2019
- VB des BM.I in Serbien (29.9.2019): Auskunft des VB, per E-Mail
- USDOS - US Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Serbia, 11. März 2020, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026363.html, Zugriff 13.5.2020
5. Folter und unmenschliche Behandlung
Letzte Änderung: 5.6.2020
Obwohl die Verfassung Folter verbietet, soll diese bei Festnahmen und in Untersuchungshaft zur Erpressung von Geständnissen gelegentlich angewandt werden. Die Straflosigkeit bei Missbrauch oder Folter ist bei der Festnahme oder Erstinhaftierung weit verbreitet. Es gibt nur wenige strafrechtliche Verfolgungen und noch weniger Verurteilungen wegen Missbrauch oder Folter (USDOS 13.3.2020).
Der Ausschuss des Europarates zur Verhütung von Folter und unmenschlicher und erniedrigender Behandlung oder Strafe (CPT) veröffentlichte im Mai 2018 einen Bericht, in dem der Ausschuss Bedenken hinsichtlich der Misshandlung von Personen in Polizeigewahrsam äußerte und die Behörden aufforderte, die Misshandlung der Polizei zu bekämpfen (HRW 17.1.2019).
Quellen:
- HRW - Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 - Serbia/Kosovo, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002219.html, Zugriff 25.9.2019
- USDOS - US Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Serbia, 11. März 2020, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026363.html, Zugriff 13.5.2020
6. Korruption
Letzte Änderung: 17.10.2019
Korruption gehört zu den zentralen politischen Problemen in Serbien, mit weitreichenden, negativen Auswirkungen auf das Funktionieren von politischem System, staatlichen Institutionen und die serbische Wirtschaft. Systemische Korruption findet sich heute vor allem bei der Vergabe öffentlicher Aufträge und der Verteilung anderer staatlicher Haushaltsmittel, sowie im Gesundheits- und Bildungswesen. Korruption in der Wirtschaft findet v.a. an den Schnittstellen zu staatlichen Institutionen statt. Abgenommen hat die Korruption in den letzten Jahren bei der Polizei. Auf staatlicher Seite ist eine eigenständige Institution, die Anti-Korruptionsagentur mit dem Kampf gegen Korruption befasst; in der serbischen Zivilgesellschaft beschäftigt sich Transparency International mit dem Phänomen Korruption. Druck auf serbische Behörden zu effektiverer Bekämpfung der systemischen Korruption kommt v.a auch von der EU. Unterstützung bei der Bekämpfung der Korruption in Serbien leistet außerdem das UN Development Program (UNDP). Die Bekämpfung der Korruption gehört zu den zentralen Reformbedingungen der EU in Serbiens Beitrittsverhandlungen bzw. in den Justizkapiteln 23 und 24 (LIPortal 6.2019).
Serbien rangiert im Transparency Corruption Perceptions Index (2018) am 87. Platz von 180 Ländern (TI 2018).
Quellen:
- LIPortal - Das Länder-Informations-Portal (6.2019): Serbien, Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/serbien/geschichte-staat/#c19777, Zugriff 20.9.2019
- TI - Transparency International (2018): Corruption Perceptions Index 2018, https://www.transparency.org/cpi2018, Zugriff 25.9.2019
7. NGOs und Menschenrechtsaktivisten
Letzte Änderung: 5.6.2020
Eine Vielzahl unabhängiger nationaler und internationaler Menschenrechtsgruppen operiert im Allgemeinen ohne staatliche Einschränkung, untersucht und veröffentlicht ihre Ergebnisse zu Menschenrechtsfällen. Während Regierungsbeamte im Allgemeinen kooperativ sind und auf ihre Fragen reagieren, werden die Gruppen von nicht staatlichen Akteuren, einschließlich der Pro-Regierungs-Medien, kritisiert, belästigt und bedroht, weil sie sich kritisch gegenüber der Regierung oder entgegen den nationalistischen Ansichten zum Kosovo, dem Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) und den Kriegen der 90er Jahre äußern. Im Laufe des Jahres 2019 veröffentlichten mehrere Medien Artikel, in denen zahlreichen Journalisten, NGO-Aktivisten und unabhängige Einrichtungen vorgeworfen wurde, "Verräter" des Landes zu sein, die versuchen, die Verfassungsordnung gewaltsam zu stürzen (USDOS 13.3.2020).
Ausländische und inländische Nichtregierungsorganisationen (NGO) agieren in der Regel frei, aber diejenigen, die offen kritische Positionen gegenüber der Regierung vertreten oder sensible oder kontroverse Themen ansprechen, sind in den letzten Jahren mit Bedrohungen und Belästigungen konfrontiert worden. Während des gesamten Jahres 2018 war die Direktorin der NGO Center for Euro-Atlantic Studies, Gegenstand einer anhaltenden Schmutzkampagne in den Medien als Reaktion auf ihre Unterstützung von Kriegsverbrecherverfolgungen und die Mitgliedschaft Serbiens in der NATO (FH 4.2.2019).
Quellen:
- FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Serbia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2006457.html, Zugriff 20.2019
- USDOS - US Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Serbia, 11. März 2020, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026363.html, Zugriff 13.5.2020
8. Ombudsmann
Letzte Änderung: 5.6.2020
Der Bürgerbeauftragte spielt eine Schlüsselrolle bei der Gewährleistung des Rechts der Bürger auf eine gute Verwaltungspraxis und die Behörden sind verpflichtet, über die Umsetzung seiner Empfehlungen zu berichten. Im vierten Jahr in Folge diskutierte das Parlament jedoch nicht in der Plenarsitzung den Jahresbericht des Bürgerbeauftragten, sodass keine Schlussfolgerungen im Hinblick auf die Überprüfung der Regierung gezogen wurden (EK 29.5.2019).
Im Jahr 2018 haben insgesamt 9.120 Bürgerinnen und Bürger die Dienste des Bürgerbeauftragten in Anspruch genommen, von denen 2.432 durch persönliche und 3.350 durch Telefongespräche. Es gab insgesamt 3.338 eingereichte Beschwerden, davon 56 auf eigene Initiative des Bürgerbeauftragten. 2.346 Fälle wurden abgeschlossen. Gleichzeitig wurden rund 2.720 Fälle aus den Vorjahren bearbeitet und davon 1.443 Fälle abgeschlossen, sodass 2018 insgesamt 3.789 Fälle abgeschlossen wurden. Der Anteil der Beschwerden hinsichtlich Minderheitenangelegenheiten ist im Jahresbericht des Ombudsmann Büros 2018 mit 64 unter 3.338 Beschwerden mittlerweile gering und macht lediglich 1,92 % aller Beschwerden aus (Protector of Citizens 15.3.2019).
In Serbien gibt es entsprechende Stellen auf Republiksebene (Ministerium für Menschen- und Minderheitenrechte, Staatsverwaltung und lokale Selbstverwaltungs-Abteilung für Menschen- und Minderheitenrechte), als auch auf der lokalen Ebene (Stadtgemeinden-Ombudsmann), an die sich Bürger im Falle erlittenen Unrechts wenden können. Weiters bestehen auch zahlreiche NGOs, welche sich mit Rechten der nationalen Gemeinschaften befassen, u.a. Helsinki Committee for Human Rights, The Humanitarian Law Centre, The Lawyers Committee for Human Rights, Belgrade Centre for Human Rights, als auch zahlreiche Roma Organisationen in ganz Serbien (VB 29.9.2019).
In drei Gemeinden mit signifikantem albanischem Bevölkerungsanteil gibt es eigene Zweigstellen der nationalen Ombudsmanninstitution. In der Provinz Wojwodina kann ein eigenständiges Ombudsmannsbüro seinen Aktivitäten unabhängig nachgehen (USDOS 13.3.2020).
Quellen:
- EK - Europäische Kommission (29.5.2019): Serbia 2019 Report [SWD(2019) 219 final], Fortschrittsbericht zum Stand der Vorbereitungen auf die EU-Mitgliedschaft (Demokratie und Rechtsstaatlichkeit; Justiz, Freiheit und Sicherheit; wirtschaftliche Lage, einschließlich Freiheiten und Sozialpolitik), https://www.ecoi.net/en/file/local/2010473/20190529-serbia-report.pdf, Zugriff 20.9.2019
- Republik of Serbia - Protector of Citizens (15.3.2019): Regular annual Report of the Protector of Citizens for 2018, https://www.ombudsman.org.rs/attachments/article/141/Regular%20Annual%20Report%20of%20the%20Protector%20of%20Citizens%20for%202018.pdf, Zugriff 9.10.2019
- USDOS - US Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Serbia, 11. März 2020, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026363.html, Zugriff 13.5.2020
- VB des BM.I in Serbien (29.9.2019): Auskunft des VB, per E-Mail
[…]
10. Allgemeine Menschenrechtslage
Letzte Änderung: 17.10.2019
Die rechtlichen und institutionellen Rahmen für die Wahrung der Grundrechte sind weitgehend vorhanden. Es wurden Änderungen zur Verbesserung des Rechtsrahmens für nationale Minderheiten angenommen. Eine konsequente und effiziente Umsetzung der Rechtsvorschriften und der politischen Maßnahmen muss jedoch sichergestellt werden (EK 29.5.2019).
Die Lage der Menschenrechte in Serbien ist insgesamt gut. Serbien hat die wichtigsten internationalen Menschenrechtskonventionen in nationales Recht übernommen. 2013 hat die serbische Regierung eine Anti-Diskriminierungsstrategie verabschiedet. Ein effektiver gesetzlicher Rahmen zum Schutz von Serbiens zahlreichen ethnischen Minderheiten existiert. Trotzdem existieren verschiedene Schwächen im Menschenrechts- und Minderheitenschutz. Probleme in der Verwirklichung der Menschenrechte bestehen etwa durch die Schwäche des Rechtsstaats und die noch immer unzureichende juristische Aufarbeitung der Kriegszeit (GIZ Geschichte & Staat 6.2019).
In Serbien gibt es entsprechende Stellen auf Republiksebene (Ministerium für Menschen- und Minderheitenrechte, Staatsverwaltung und lokale Selbstverwaltungs-Abteilung für Menschen- und Minderheitenrechte), als auch auf der lokalen Ebene (Stadtgemeinden-Ombudsmann), an die sich Bürger im Falle erlittenen Unrechts wenden können. Weiters bestehen auch zahlreiche NGOs, welche sich mit Rechten der nationalen Gemeinschaften befassen, u.a. Helsinki Committee for Human Rights, The Humanitarian Law Centre, The Lawyers Committee for Human Rights, Belgrade Centre for Human Rights, als auch zahlreiche Roma Organisationen in ganz Serbien (VB 29.9.2019).
Quellen:
- EK - Europäische Kommission (29.5.2019): Serbia 2019 Report [SWD(2019) 219 final], Fortschrittsbericht zum Stand der Vorbereitungen auf die EU-Mitgliedschaft (Demokratie und Rechtsstaatlichkeit; Justiz, Freiheit und Sicherheit; wirtschaftliche Lage, einschließlich Freiheiten und Sozialpolitik), https://www.ecoi.net/en/file/local/2010473/20190529-serbia-report.pdf, Zugriff 20.9.2019
- LIPortal - Das Länder-Informations-Portal (6.2019): Serbien, Geschichte & Staat,
https://www.liportal.de/serbien/geschichte-staat/#c19777, Zugriff 20.9.2019
- VB des BM.I in Serbien (29.9.2019): Auskunft des VB, per E-Mail
[…]
14. Todesstrafe
Letzte Änderung: 5.6.2020
Die Gesetzte sehen für keine Straftat die Todesstrafe vor (AI 10.4.2019).
Die in der serbischen Verfassung integrierte Menschenrechtscharta verbietet die Todesstrafe (Art. 24 Abs. 1). Das gilt auch für Militärstraftaten. Die Bundesrepublik Jugoslawien hat das Zweite Fakultativprotokoll zum Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte zur Abschaffung der Todesstrafe unterzeichnet. Das Protokoll trat am 6.12.2001 in Kraft und gilt - im Wege der Rechtsnachfolge - auch für Serbien (AA 3.11.2019).
Quellen:
- AI - Amnesty International (10.4.2019): Death Sentences and Executions 2018, https://www.ecoi.net/en/file/local/2006174/ACT5098702019ENGLISH.PDF, Zugriff 27.9.2019
- AA - Auswärtiges Amt (3.11.2019): Bericht im Hinblick auf die Einstufung der Republik Serbien als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylG (Stand: August 2019), https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/683266/684671/10074631/10075491/10075545/21601316/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_im_Hinblick_auf_die_Einstufung_der_Republik_Serbien_als_sicheres_Herkunftsland_im_Sinne_des_%C2%A7_29_a_AsylVfG_%28Stand_August_2019%29%2C_03%2E11.2019.pdf?nodeid=21601317&vernum=-2, Zugriff 13.5.2020
15. Religionsfreiheit
Letzte Änderung: 17.10.2019
Im Allgemeinen herrscht in Serbien Religionsfreiheit. Die serbische Verfassung und Gesetze erkennen allerdings nur sieben „traditionelle“ Konfessionen an, woraus eine gewisse Diskriminierung anderer religiöser Gruppen und ihrer Angehöriger resultiert, etwa bei der Registrierung von Religionsgruppen - ein Bereich, in dem es jüngst Fortschritte gegeben hat. Zugleich genießt die Serbisch-Orthodoxe Kirche eine klare Bevorzugung gegenüber anderen Konfessionen. Die überwiegende Mehrheit der Einwohner Serbiens sind Christen. Etwa 6,3 Millionen (ca. 84%) der Einwohner bekennen sich zur serbisch-orthodoxen Kirche, ferner gibt es noch religiöse Minderheiten, insbesondere Katholiken (5%), Protestanten (1%), Atheisten (1,1%), nicht deklarierte oder unbekannte (4,5%) und einige wenige neuapostolische Christen. Etwa 3% der Einwohner sind Muslime. Sie leben im südserbischen Sandschak, wo sie eine knappe Mehrheit bilden (LIPortal Gesellschaft & Kultur 9.2019; vgl. CIA 24.9.2019).
Die Verfassung untersagt die Errichtung einer Staatsreligion, garantiert die Gleichheit aller religiösen Gruppen, verbietet die Aufstachelung zum Religionshass und religiöse Diskriminierung. Einige nicht-traditionelle religiöse Gruppen erklären, dass die Umsetzung von Gesetzen durch die staatlichen Behörden diskriminierend ist. Wegen Anstiftung zur Diskriminierung, zum Hass oder zur Gewalt gegen eine Person oder Gruppe aus religiösen Gründen sieht das Gesetz Freiheitsstrafen von einem bis zehn Jahren vor (USDOS 21.6.2019).
Quellen:
- CIA (24.9.2019): The World Factbook, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/ri.html, Zugriff 26.9.2019
- LIPortal - Das Länder-Informations-Portal (9.2019): Serbien, Gesellschaft & Kultur,
https://www.liportal.de/serbien/gesellschaft/#c19593, Zugriff 27.9.2019
- USDOS - US Department of State (21.6.2019): 2018 Report on International Religious Freedom: Serbia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2011064.html, Zugriff 20.9.2019
16. Ethnische Minderheiten
Letzte Änderung: 5.6.2020
Die 2006 erlassende Verfassung garantiert allen in der Republik Serbien lebenden Menschen (insbesondere Minderheiten) alle Rechte, im Einklang mit den höchsten internationalen Standards (VB 29.9.2019).
Die nationalen Minderheitenräte vertreten die ethnischen Minderheiten des Landes und verfügen über eine breite Kompetenz in den Bereichen Bildung, Medien, Kultur und Minderheitensprachen. Ethnische albanische Führer in den südlichen Gemeinden Presevo, Medvedja und Bujanovac sowie Bosniaken in der südwestlichen Region Sandzak beklagen, dass sie in staatlichen Institutionen auf lokaler Ebene unterrepräsentiert seien. Nach Angaben des Direktors des Regierungsbüros für Menschen- und Minderheitenrechte haben mehr als 60.000 Schüler aus Minderheitengruppen eine muttersprachliche Ausbildung absolviert. Die Regierung machte einige Fortschritte bei der Genehmigung neuer muttersprachlicher Lehrbücher, obwohl zu Beginn des Schuljahres 2019/20 nicht alle Lehrbücher in Minderheitensprachen verfügbar waren (USDOS 13.3.2020).
Die Volkszählung von 2011 ergab folgende ethnische Struktur – 83,32% der Bevölkerung bezeichneten sich als Serben. Der überwiegende Teil des Rests bezeichnet sich als zu einer der Minderheiten zugehörig, die zahlenmäßig größten darunter sind: Ungarn - 3,53%, Bosniaken (v.a. in der Region Sandschak) - 2,02%, Roma - 2,05%, Jugoslawen - 1,08%, Kroaten - 0,81%, Albaner (überwiegend: Südserbien) - 0,82% (letzte verfügbare Zahl aus 2002, da die Mehrzahl der Albaner die Volkszählung 2011 boykotiert hatten). In der Provinz Vojvodina gibt es die größte Anzahl ethnischer Minderheiten, über 25. Sie machen rund ein Drittel der Bevölkerung aus. Die größten Gruppen sind: Ungarn – 13%, Slowaken – 2,60%, Kroaten – 2,43%, Montenegriner – 1,15%, Jugoslawen – 0,63%. Der serbische Staat garantiert gewisse Minderheitenrechte hinsichtlich der offiziellen Verwendung von Minderheitensprachen, der Gründung von Minderheitenräten als nationale Vertretung sowie der Aufhebung der Sperrklausel für ethnische Minderheitenparteien im serbischen Parlament (LIPortal Gesellschaft & Kultur 9.2019).
Serbien hat das Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten sowie die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen des Europarats ratifiziert. Die serbische Verfassung enthält ausführliche Bestimmungen zum Schutz nationaler Minderheiten. Die Minderheitengesetzgebung entspricht internationalem Standard. Die serbische Regierung hat Anfang März 2016 einen Aktionsplan für Minderheiten (als Teil des Aktionsplans zum EU-Verhandlungskapitel) verabschiedet. Ein am 26.3.2009 verabschiedetes allgemeines Antidiskriminierungsgesetz stärkt u.a. auch die Rechte nationaler Minderheiten. Probleme ergeben sich aber immer wieder bei der Implementierung. Die Antidiskriminierungsstrategie der Regierung ist im Januar 2018 ausgelaufen, eine neue Strategie wurde bislang noch nicht verabschiedet. In der serbischen Öffentlichkeit sind Vorbehalte und Vorurteile gegen Angehörige bestimmter Minderheiten (Roma, Albaner, Bosniaken, LGBTI) unverändert weit verbreitet. Allerdings sind in bestimmten Bereichen auch Fortschritte zu verzeichnen (z.B. höhere Einschulungsquote von Roma-Kindern, Einsatz pädagogischer Assistenten und Roma-Mediatorinnen oder Anerkennung von Schulbüchern in Minderheitensprachen). Menschen mit Behinderungen erfahren zudem faktische Benachteiligung und zählen zu den am stärksten benachteiligten Bevölkerungsgruppen in Serbien. In Serbien gibt es 21 nationale und ethnische Minderheiten mit mehr als 2000 Angehörigen. Aus der letzten Volkszählung 2011 ergibt sich, dass rund 1 Mio. (von 7,18 Mio.) einer Minderheit angehören, darunter 4.064 Angehörige der deutschen Minderheit. Laut OSZE bezeichnen die meisten Minderheitenvertreter ihre eigene Situation als grundsätzlich zufriedenstellend (AA 3.11.2019).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (3.11.2019): Bericht im Hinblick auf die Einstufung der Republik Serbien als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylG (Stand: August 2019), https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/683266/684671/10074631/10075491/10075545/21601316/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_im_Hinblick_auf_die_Einstufung_der_Republik_Serbien_als_sicheres_Herkunftsland_im_Sinne_des_%C2%A7_29_a_AsylVfG_%28Stand_August_2019%29%2C_03%2E11.2019.pdf?nodeid=21601317&vernum=-2, Zugriff 13.5.2020
- LIPortal - Das Länder-Informations-Portal (9.2019): Serbien, Gesellschaft & Kultur,
https://www.liportal.de/serbien/gesellschaft/#c19593, Zugriff 27.9.2019
- USDOS - US Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Serbia, 11. März 2020, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026363.html, Zugriff 13.5.2020
- VB des BM.I in Serbien (29.9.2019): Auskunft des VB, per E-Mail
16.1. Roma
Letzte Änderung: 5.6.2020
Roma sind, wie alle Einwohner der Republik Serbien, vor dem Gesetz gleich. In Serbien gibt es entsprechende Stellen auf Republiksebene (Ministerium für Menschen- und Minderheitenrechte, Staatsverwaltung und lokale Selbstverwaltungs-Abteilung für Menschen- und Minderheitenrechte), als auch auf der lokalen Ebene (Stadtgemeinden-Ombudsmann), an die sich Roma im Falle erlittenen Unrechts wenden können. Weiters bestehen auch zahlreiche NGOs, welche sich mit Rechten der nationalen Gemeinschaften befassen, u.a. Helsinki Committee for Human Rights, The Humanitarian Law Centre, The Lawyers Committee for Human Rights, Belgrade Centre for Human Rights, als auch zahlreiche Roma Organisationen in ganz Serbien (VB 29.09.2019).
Laut Recherchen des UNHCR sind vertriebene Roma die am stärksten gefährdete und marginalisierte Bevölkerung des Landes. 98% der 20.000 intern vertriebenen Roma leben unterhalb der Armutsgrenze. Bei den vertriebenen Roma zeichnet sich eine Arbeitslosenquote von 74% ab. Laut UNHCR leben fast 90% der vertriebenen Roma in minderwertigen Wohnungen und die überwiegende Mehrheit kann sich nicht integrieren oder nach Hause zurückkehren. Nach Angaben des SCRM [the Serbian Commissariat for Refugees and Migration; Anm.] hat die Regierung in den letzten 18 Jahren mit Unterstützung der internationalen Gemeinschaft Maßnahmen und Aktivitäten im Zusammenhang mit der Aufnahme und Betreuung von Vertriebenen aus dem Kosovo durchgeführt, um angemessene Lebensbedingungen zu schaffen. Ihre jüngste Studie ergab, dass mehr als 4.700 Wohneinheiten, die im Allgemeinen als Wohnräume für eine Familie definiert sind, bereitgestellt wurden. Es ist nicht klar, wie viele dieser Einheiten den Roma-Vertriebenen zur Verfügung gestellt wurden, da diese sich oft nicht als Roma bezeichnen (USDOS 13.3.2020).
In der serbischen Öffentlichkeit sind Vorbehalte und Vorurteile gegen Angehörige bestimmter Minderheiten, darunter auch Roma, unverändert weit verbreitet. Allerdings sind in bestimmten Bereichen auch Fortschritte zu verzeichnen (z.B. höhere Einschulungsquote von Roma-Kindern, Einsatz pädagogischer Assistenten und Roma-Mediatorinnen oder Anerkennung von Schulbüchern in Minderheitensprachen). Im März 2016 verabschiedete die Regierung eine neue Strategie für die Inklusion von Roma (2016-2025), im Juni 2017 den zugehörigen Aktionsplan. Dieser ist Teil der Verpflichtungen aus EU-Verhandlungskapitel 23 (Justiz und Grundrechte). Die Strategiedokumente gelten als gut ausgearbeitet, die Umsetzung (und Finanzierung) bleibt fraglich. Roma haben, s