Entscheidungsdatum
15.07.2021Norm
AsylG 2005 §10Spruch
W227 2191624-2/4Z
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Mag. Karin WINTER über die Beschwerde des iranischen Staatsangehörigen XXXX , geboren am XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 27. Mai 2021, Zl. 1097386101/210048828:
A)
Das Beschwerdeverfahren wird bis zur Vorabentscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) in der Rechtssache C-18/20 über die mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Dezember 2019, EU 2019/0008 (Ro 2019/14/0006), vorgelegten Fragen ausgesetzt.
B)
Die Revision ist nicht zulässig.
Text
Begründung
I. Verfahrensgang
1. Der Beschwerdeführer stellte am 1. Dezember 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Das BFA wies diesen Antrag mit Bescheid vom 1. März 2018 ab, erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung in den Iran zulässig sei und gewährte ihm eine vierzehntägige Frist zur freiwilligen Ausreise.
2. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit am 31. Mai 2019 rechtskräftig gewordenen Erkenntnis vom 28. Mai 2019 ab.
3. Am 13. Jänner 2021 stellte der Beschwerdeführer neuerlich einen Antrag auf internationalen Schutz und brachte im Wesentlichen vor, dass nunmehr zwei seiner Freunde im Iran zu einer langen Haftstrafe bzw. zum Tod verurteilt worden seien.
4. Mit dem (hier) angefochtenen Bescheid wies das BFA den Folgeantrag des Beschwerdeführers gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung in den Iran zulässig sei, gewährte ihm keine Frist für die freiwillige Ausreise und erließ gegen ihn ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot.
5. In seiner rechtzeitigen und mit einem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung verbundenen Beschwerde brachte der Beschwerdeführer u.a. vor, dass das neue Vorbringen nicht von der Rechtskraft des Vorverfahrens erfasst sei.
6. Mit Beschluss vom 17. Juni 2021 erkannte das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Zur Aussetzung des Verfahrens [Spruchpunkt A)]
1.1. Auf der Grundlage des § 38 AVG können Verfahren bis zur (in einem anderen Verfahren beantragten) Vorabentscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Union ausgesetzt werden; eine dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Klärung vorgelegte Frage des Unionsrechts kann nämlich eine Vorfrage i.S.d. § 38 AVG darstellen, die zufolge des im Bereich des Unionsrechts bestehenden Auslegungsmonopols des Gerichtshofes der Europäischen Union von diesem zu entscheiden ist (siehe VwGH 14.04.2021, Ra 2020/19/0379, m.w.N.).
1.2. Mit Beschluss vom 18. Dezember 2019, EU 2019/0008 (Ro 2019/14/0006), hat der Verwaltungsgerichtshof dem Gerichtshof der Europäischen Union folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
„1. Erfassen die in Art. 40 Abs. 2 und Abs. 3 der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (Neufassung), im Weiteren: Verfahrensrichtlinie, enthaltenen Wendungen ‚neue Elemente oder Erkenntnisse‘, die ‚zutage getreten oder vom Antragsteller vorgebracht worden sind‘, auch solche Umstände, die bereits vor rechtskräftigem Abschluss des früheren Asylverfahrens vorhanden waren?
Falls Frage 1. bejaht wird:
2. Ist es in jenem Fall, in dem neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im früheren Verfahren ohne Verschulden des Fremden nicht geltend gemacht werden konnten, ausreichend, dass es einem Asylwerber ermöglicht wird, die Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen früheren Verfahrens verlangen zu können?
3. Darf die Behörde, wenn den Asylwerber ein Verschulden daran trifft, dass er das Vorbringen zu den neu geltend gemachten Gründen nicht bereits im früheren Asylverfahren erstattet hat, die inhaltliche Prüfung eines Folgeantrages infolge einer nationalen Norm, die einen im Verwaltungsverfahren allgemein geltenden Grundsatz festlegt, ablehnen, obwohl der Mitgliedstaat mangels Erlassung von Sondernormen die Vorschriften des Art. 40 Abs. 2 und Abs. 3 Verfahrensrichtlinie nicht ordnungsgemäß umgesetzt und infolge dessen auch nicht ausdrücklich von der in Art. 40 Abs. 4 Verfahrensrichtlinie eingeräumten Möglichkeit, eine Ausnahme von der inhaltlichen Prüfung des Folgeantrages vorsehen zu dürfen, Gebrauch gemacht hat?“
1.3. Der Beantwortung dieser Fragen durch den Gerichtshof der Europäischen Union kommt für die Behandlung der vorliegenden Beschwerde Bedeutung zu. Es liegen daher die Voraussetzungen des gemäß § 17 VwGVG auch vom Bundesverwaltungsgericht anzuwendenden § 38 AVG vor, weshalb das Beschwerdeverfahren auszusetzen ist (vgl. dazu sinngemäß im Revisionsverfahren etwa VwGH 20.11.2020, Ra 2020/20/0100, m.w.N.).
2. Zur Unzulässigkeit der Revision [Spruchpunkt B)]
2.1. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
2.2. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt: Dass auf der Grundlage des § 38 AVG Verfahren bis zur (in einem anderen Verfahren beantragten) Vorabentscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Union ausgesetzt werden können, entspricht der oben angeführten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes.
Schlagworte
Asylverfahren Aussetzung EuGH Folgeantrag Vorabentscheidungsverfahren VorfrageEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W227.2191624.2.00Im RIS seit
16.09.2021Zuletzt aktualisiert am
16.09.2021