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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AufG 1992 §3 Abs1 Z2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens,
Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Böheimer, über die Beschwerde des S in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 12. Juli 1995, Zl. 301.976/2-III/11/95, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesministerium für Inneres) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren an Stempelgebührenersatz wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer verfügte über eine am 14. Juli 1994 zum Zweck eines privaten Aufenthaltes ausgestellte Aufenthaltsbewilligung für den Zeitraum vom 28. Juni 1994 bis 14. Jänner 1995. Er beantragte am 16. Dezember 1994 die Verlängerung dieser Bewilligung. Als Aufenthaltszweck gab er zunächst die beabsichtigte Aufnahme einer Tätigkeit als Taxifahrer an. In seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der erstinstanzlichen Behörde am 6. Februar 1995 erklärte er, als Veterinärtechniker in Österreich arbeiten zu wollen. Er legte die Verpflichtungserklärung seines Cousins vor, welcher zufolge einer ebenfalls vorgelegten Gehaltsbestätigung über ein monatliches Nettoeinkommen von S 18.240,49 verfügt. Über Anfrage des Landeshauptmannes von Wien teilte die Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice am 1. März 1995 mit, daß die Unbedenklichkeit für die vom Beschwerdeführer angestrebte Erwerbstätigkeit als Veterinärtechniker nicht bestätigt werde. Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 7. März 1995 wurde der Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 5 Abs. 2 AufG abgewiesen.
Der Beschwerdeführer erhob am 29. März 1995 (Datum des Einlangens) Berufung, in der er vorbrachte, sein Vater und sein Bruder lebten in Österreich. Er selbst wolle nicht in seine Heimat (die Bundesrepublik Jugoslawien) zurückkehren, weil er nicht als Wehrpflichtiger an den dort herrschenden kriegerischen Ereignissen teilnehmen wolle.
Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 12. Juli 1995 wurde diese Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 5 Abs. 1 und 2 AufG abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, gemäß § 5 Abs. 2 AufG dürfe eine Bewilligung zum Zweck der Aufnahme einer Beschäftigung gemäß § 2 Abs. 2 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes nur erteilt werden, wenn die nach dem beabsichtigten Aufenthalt zuständige Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice auf Anfrage durch die gemäß § 6 AufG zuständige Behörde mitgeteilt habe, daß im Hinblick auf die Aufnahmefähigkeit des Arbeitsmarktes keine Bedenken gegen die Aufnahme der vom Antragsteller angestrebten Beschäftigung bestünden. Im Falle des Beschwerdeführers habe die zuständige Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice am 1. März 1995 mitgeteilt, daß derartige Bedenken bestünden, woraus sich die gesetzliche Verpflichtung ergeben habe, seinen Antrag abzulehnen.
Insoweit sich der Beschwerdeführer auf Familiengemeinschaft berufe, sei ihm zu entgegnen, daß lediglich in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen, wenn dies zur Vermeidung einer besonderen Härte geboten sei, eine Bewilligung auch volljährigen Kindern erteilt werden könne. Solche berücksichtigungswürdigen Gründe bestünden nach der Aktenlage nicht. Wie sich aus der Mitteilung der zuständigen Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice ergebe, sei der Beschwerdeführer nicht in der Lage, einer unselbständigen Erwerbstätigkeit nachzugehen. Sein Unterhalt solle allein durch seinen Cousin bestritten werden, der überdies an einer anderen Adresse wohne. Es sei nicht glaubhaft, daß es dem Verpflichter möglich sei, mit einem Einkommen zwei Haushalte zu finanzieren.
Im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen überwögen die öffentlichen Interessen die privaten Interessen des Beschwerdeführers im Sinne des Art. 8 Abs. 2 MRK.
Der Beschwerdeführer bekämpft diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Hinblick auf das Datum der Zustellung des angefochtenen Bescheides (25. Juli 1995) hatte die belangte Behörde die Rechtslage nach Inkrafttreten der AufG-Novelle, BGBl. Nr. 351/1995, anzuwenden.
§ 3 und § 5 AufG in der Fassung dieser Novelle lauten auszugsweise:
"§ 3. (1) Ehelichen und außerehelichen minderjährigen Kindern und Ehegatten
1.
...
2.
von Fremden, die aufgrund einer Bewilligung, eines vor dem 1. Juli 1993 ausgestellten Sichtvermerks oder sonst gemäß § 1 Abs. 3 Z 1 bis 5 rechtmäßig seit mehr als zwei Jahren ihren Hauptwohnsitz in Österreich haben,
ist nach Maßgabe des § 2 Abs. 3 Z 3 und 4 eine Bewilligung zu erteilen, sofern kein Ausschließungsgrund (§ 5 Abs. 1) vorliegt.
...
(4) In besonders berücksichtigungswürdigen Fällen und unter denselben Voraussetzungen kann, wenn dies zur Vermeidung einer besonderen Härte geboten ist, eine Bewilligung auch volljährigen Kindern und Eltern der in Abs. 1 genannten Personen erteilt werden, wenn sie von diesen wirtschaftlich abhängig sind.
...
§ 5. (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, insbesondere aber, wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist.
(2) Zum Zweck der Aufnahme einer Beschäftigung gemäß § 2 Abs. 2 AuslBG darf eine Bewilligung nur erteilt werden, wenn die zuständige Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice auf Anfrage durch die gemäß § 6 zuständige Behörde mitgeteilt hat, daß im Hinblick auf die Aufnahmefähigkeit des Arbeitsmarktes keine Bedenken gegen die Aufnahme der vom Antragsteller angestrebten Beschäftigung bestehen. Anträge auf Erteilung solcher Bewilligungen sind unverzüglich und ohne unnötigen Aufschub zu erledigen. Der Antragsteller hat mit dem Antrag die Art der angestrebten Beschäftigung anzugeben und die hiefür erforderliche entsprechende Qualifikation glaubhaft zu machen.
..."
Der Beschwerdeführer hat sich auf mehrere Aufenthaltszwecke berufen. Eine solche Vorgangsweise ist zulässig (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1997, Zl. 96/19/2134, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird). Die Geltendmachung der weiteren Aufenthaltszwecke der Familiengemeinschaft und des privaten Aufenthaltes erstmals in der am 29. März 1995 eingelangten Berufung ist ebenfalls zulässig (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 1996, Zl. 95/19/1837, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird).
Bei begründeten Bedenken gegen die Aufnahme der vom Beschwerdeführer angestrebten Beschäftigung wäre gemäß § 5 Abs. 2 AufG lediglich die Erteilung einer Bewilligung zum Zweck der Aufnahme einer unselbständigen Erwerbstätigkeit ausgeschlossen. Aus den im hg. Erkenntnis vom 22. März 1996, Zl. 96/18/0046, dargelegten Gründen, welche auch für die Rechtslage nach Inkrafttreten der AufG-Novelle, BGBl. Nr. 351/1995, gelten (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 1. März 1996, G 1409/95 und Folgezahlen), war die belangte Behörde allerdings nicht, wie sie rechtsirrtümlich annahm, an die diesbezügliche Feststellung der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice gebunden.
Die Versagung aus dem Grunde des § 5 Abs. 1 AufG ist vorliegendenfalls von der oben dargelegten Rechtswidrigkeit in Ansehung des Versagungsgrundes nach § 5 Abs. 2 AufG mitumfaßt. Im Falle der die arbeitsmarktpolitische Unbedenklichkeit der Aufnahme der angestrebten Beschäftigung voraussetzenden Erteilung der beantragten Bewilligung zum Zwecke der Aufnahme einer unselbständigen Erwerbstätigkeit wäre der Beschwerdeführer nach dem zweiten Satz des § 5 Abs. 3 AufG zur Arbeitssuche unter Zuhilfenahme des Arbeitsmarktservice berechtigt. Er wäre dadurch in die Lage versetzt, seinen Lebensunterhalt aus den Einkünften einer unselbständigen Erwerbstätigkeit zu bestreiten (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 10. Dezember 1996, Zl. 96/19/2032, sowie das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 10. Juni 1996, B 3294/95). Er wäre diesfalls nicht auf die Verpflichtungserklärung seines Cousins angewiesen.
Diese Verpflichtungserklärung wäre aus den im hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 1995, Zl. 95/19/0612, dargelegten Erwägungen nicht grundsätzlich ungeeignet, den Unterhalt des Beschwerdeführers zu sichern. Der Sozialhilferichtsatz für das Bundesland Wien für den Alleinunterstützten im Jahr 1995 betrug gemäß § 1 Abs. 1 Z. 1 der Verordnung der Wiener Landesregierung, LGBl. Nr. 68/1994, S 4.770,-- monatlich. Das im Verwaltungsverfahren bescheinigte Nettoeinkommen des Cousins des Beschwerdeführers beträgt S 18.240,49. Feststellungen darüber, daß ersterem dieses Einkommen nicht zur Gänze zur Verfügung stünde, hat die belangte Behörde nicht getroffen (vgl. hiezu allerdings den Hinweis auf Seite 9 des Verwaltungsaktes). Ihre Argumentation, es sei unglaubwürdig, daß der Cousin des Beschwerdeführers in der Lage sei, zwei selbständige Haushalte (Mindestbedarf 2 x S 4.770,-- = S 9.540,--) zu finanzieren, erscheint daher nicht nachvollziehbar.
Beizupflichten ist der belangten Behörde insoweit, als sie darlegt, die Voraussetzungen für die Erteilung einer Bewilligung gemäß § 3 AufG seien nach dem Antragsvorbringen nicht gegeben. Unter die Bestimmung des § 3 Abs. 1 Z. 2 AufG fällt der Beschwerdeführer schon deshalb nicht, weil er bereits volljährig ist. Die Voraussetzungen für die Anwendung der Ausnahmebestimmung des § 3 Abs. 4 AufG sind ebenfalls nicht gegeben, weil der Beschwerdeführer eine wirtschaftliche Abhängigkeit von seinem Vater nicht behauptete (Verpflichtungserklärung durch seinen Cousin) und auch nicht vorbrachte, daß sich sein Vater bereits aufgrund der in § 3 Abs. 1 Z. 2 AufG genannten Berechtigungen seit mehr als zwei Jahren in Österreich aufgehalten hat. Die bloße Erwähnung der Anwesenheit seines Vaters in Österreich in der Berufung reicht hiefür nicht aus.
Damit ist aber für den hier vorliegenden Antrag lediglich ausgesagt, daß aus § 3 Abs. 1 AufG kein Rechtsanspruch des Beschwerdeführers auf die Verlängerung seiner Aufenthaltsbewilligung abgeleitet werden kann und es der belangten Behörde überdies verwehrt ist, im Wege einer gesonderten Ermessensentscheidung gemäß § 3 Abs. 4 AufG eine Bewilligung im Sinne des § 3 Abs. 1 AufG dennoch zu erteilen und damit in Ansehung der Bewilligungsdauer die (privilegierende) Bestimmung des § 4 Abs. 3 AufG anzuwenden (vgl. für die Rechtslage vor Inkrafttreten der AufG-Novelle, BGBl. Nr. 351/1995, auch Bezdeka-Graser, AufG, Anm. zu § 3 Abs. 3). Hingegen war der belangten Behörde nicht verwehrt, im Wege einer Ermessensentscheidung gemäß § 4 Abs. 2 AufG dem Beschwerdeführer auch aus den geltend gemachten privaten und familiären Gründen eine Verlängerung seiner Bewilligung zu erteilen.
Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Nach dem VwGG war die Vorlage der Beschwerde in zweifacher Ausfertigung sowie einer Ausfertigung des angefochtenen Bescheides, nicht aber jene der im Verwaltungsakt bereits enthaltenen Berufung, erforderlich.
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert werden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
Schlagworte
Ermessen Ermessen VwRallg8European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1996192101.X00Im RIS seit
11.07.2001