Entscheidungsdatum
16.07.2021Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W228 2189406-1/37E
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Harald WÖGERBAUER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX 2000, Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch BBU GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.02.2018, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG 2005, § 9 BFA-VG, sowie §§ 46, 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, 55 Abs. 1 bis 3 FPG als unbegründet abgewiesen, mit der Maßgabe, dass die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Haftentlassung beträgt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang
Der Beschwerdeführer (in der Folge auch: BF), ein afghanischer Staatsangehöriger, hat sein Heimatland verlassen, ist illegal in das Bundesgebiet eingereist und hat am 17.05.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. In der am selben Tag durchgeführten Erstbefragung gab der Beschwerdeführer an, Afghanistan verlassen zu haben, weil sein Bruder vor sechs Jahren getötet worden sei sowie aufgrund der unsicheren Lage und der Armut.
Am 04.08.2016 langte beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge auch: BFA oder belangte Behörde) ein Amtsvermerk des Stadtpolizeikommandos Steyr ein. In diesem wird der Beschwerdeführer der sexuellen Belästigung verdächtigt.
Mit Vereinbarung vom 06.09.2016 übertrug das Land Oberösterreich als Kinder- und Jugendhilfeträger die Obsorge über den zu diesem Zeitpunkt minderjährigen Beschwerdeführer der Volkshilfe Oberösterreich.
Am 28.09.2016 langte beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein Auskunftsersuchen ein. Darin ersuchte die gesetzliche Vertretung des Beschwerdeführers um Auskunft bezüglich eines geplanten Zeitpunktes für die Einvernahme, da der Beschwerdeführer sehr unter der Wartezeit leide und sich in psychologischer Betreuung befinde. Im Anhang wurden auch ein Kurzarztbrief sowie ein Ambulanzbefund des Kepler Universitätsklinikum übermittelt.
Am 12.10.2016 langte beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein Abschlussbericht der LPD Oberösterreich ein. Darin wird der BF als Verdächtigter bezüglich sexueller Belästigung und öffentlicher geschlechtlicher Handlungen geführt.
Am 20.03.2017 langte beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Außenstellte Linz ein Abschlussbericht der LPD Oberösterreich ein. Darin wird der Beschwerdeführer der gefährlichen Bedrohung sowie der Sachbeschädigung verdächtigt.
Mit Vereinbarung vom 05.07.2017 wurde erneut vom Kinder- und Jugendhilfeträger die Obsorge an die Volkshilfe Oberösterreich übertragen sowie die Vollmacht erteilt den BF zu vertreten.
Der Beschwerdeführer wurde am 18.01.2018 beim BFA im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er bezüglich seines Fluchtgrundes im Wesentlichen an, am Markt gearbeitet zu haben und auf die Ankunft der Ware gewartet zu haben. Dabei habe er immer zusammen mit dem Sohn seines Chefs am Markt geschlafen. Als sein Chef um ein oder zwei Uhr nachts auf die Ware gewartet habe, habe der BF ein Auto gehört und es sei laut geworden. Als er aus dem Fenster geschaut habe, hätten sich draußen bereits Leute versammelt. Er habe gehört, dass vielleicht jemand gestorben sei, habe Angst bekommen und sei nach Hause gegangen. Zwei Stunden später sei der Sohn des Chefs mit der Polizei gekommen, um ihn zu fragen, was passiert sei. Er sei, nachdem die Polizei Anzeige erstattet habe, mit dieser mitgegangen. Ein Onkel habe für ihn gebürgt und die Anzeige sei fallengelassen worden. Jedoch hätten ihn die Söhne des Chefs nicht mehr in Ruhe gelassen, weil sie wissen wollten, wer ihren Vater getötet habe. Er habe wiederholt gesagt, nichts gesehen zu haben und nichts zu wissen. Sie wären zu ihm nach Hause gekommen und hätten ihn über das Telefon seines Bruders bedroht. Der Bruder habe sich in der Schneiderei, in der er arbeitete, versteckt und der BF bei einer Familie. Als sie wieder telefonisch bedroht wurden, sei sein Vater hingegangen und habe ihnen gesagt, der BF habe nichts gesehen und sie sollen ihn in Ruhe lassen sollen. Er sei wiederholt über das Telefon des Bruders bedroht worden. Auch merkte die gesetzliche Vertretung an, das Verfahren gegen den BF bezüglich der gefährlichen Bedrohung und der Sachbeschädigung sei eingestellt worden. Im Rahmen der Befragung legte der Beschwerdeführer einen weiteren Arztbrief sowie weitere Unterlagen vor.
Am 31.01.2018 langte beim BFA eine Stellungnahme der gesetzlichen Vertretung des BF zum Länderinformationsblatt ein. Auch wird auf die Minderjährigkeit des BF bei seiner Einvernahme hingewiesen und ausgeführt, der BF spreche schon sehr gut Deutsch und sei sehr gut intergiert. Im Anhang wurden erneut der Arztbrief sowie der Kurzarztbrief übermittelt.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde der Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezügliche der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde ihm nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG 2005 erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Dem Beschwerdeführer wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine Frist von 14 Tagen zur freiwilligen Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung eingeräumt (Spruchpunkt VI.).
In der Bescheidbegründung traf die belangte Behörde Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers, zu seinem Fluchtgrund, zu seiner Situation im Falle seiner Rückkehr, zu seinem Privat- und Familienleben und zur Lage in seinem Herkunftsstaat. Eine asylrelevante Verfolgung des Beschwerdeführers im Sinne der Flüchtlingskonvention liege nicht vor. Es habe nicht festgestellt werden können, dass ihm aufgrund des Unfall seines Chefs in Afghanistan eine Verfolgung drohe. Auch ansonsten würde ihm keine Verfolgung drohen. Die Familie des BF lebe in Kabul und könne ihn nach seiner Rückkehr unterstützen. Auch sei er ein junger, arbeitsfähiger Mann, der an keiner schweren, lebensbedrohlichen Krankheit leide.
Die gegen den Bescheid erhobene Beschwerde langte am 12.03.2018 beim BFA ein. Darin wird ausgeführt, die in § 18 Abs. 1 AsylG 2005 normierten Ermittlungspflichten seinen verletzt worden und der bisher vom BFA erhobene Sachverhalt stelle keine ausreichende Entscheidungsgrundlage dar. Weiters wird auf die Sicherheitslage in Afghanistan hingewiesen. Auch sei die Feststellung, dem BF drohe in Afghanistan keine Verfolgung, falsch. Begleitend wurden weitere Unterlagen betreffend den BF vorgelegt.
Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt langten am 15.03.2018 beim Bundesverwaltungsgericht (in der Folge auch: BVwG) ein.
Am 12.04.2018 langte beim BVwG eine gegen den Beschwerdeführer verhängte Strafverfügung der LPD Oberösterreich ein, wonach der BF berechtigtes Ärgernis erregt habe und damit die öffentliche Ordnung gestört habe.
Am 06.08.2018 langte beim BVwG ein Amtsvermerk der LPD Oberösterreich ein. Darin wird der BF des Raufhandels sowie der gefährlichen Drohung verdächtigt. Am 30.07.2018 langte beim BVwG eine Verständigung der Staatsanwaltschaft Linz ein, wonach das Ermittlungsverfahren eingestellt wurde.
Einem am 11.10.2018 beim BVwG eingelangten Abschlussbericht der LPD Oberösterreich entsprechend wird der BF verdächtigt und ist geständig gegen § 27 Abs. 2a Suchtmittelgesetz verstoßen zu haben.
Am 04.12.2018 langte beim BVwG eine weitere gegen den Beschwerdeführer verhängte Strafverfügung der LPD Oberösterreich ein, wonach der BF berechtigtes Ärgernis erregt habe und damit die öffentliche Ordnung gestört habe.
Mit einem am 03.05.2019 erlassenen Bescheid sprach das BFA aus, mit 03.10.2018 habe der Beschwerdeführer sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet verloren. Dies deshalb, weil er aufgrund einer Verurteilung durch das Landesgericht Linz gemäß § 2 Abs. 3 AsylG 2005 straffällig geworden sei.
Am 15.04.2020 langte beim BVwG eine Verständigung der Anklageerhebung gegen den BF ein. Diesbezüglich wurde der Bf am 04.06.2020 vom Landesgericht Linz freigesprochen
Am 21.10.2020 langte beim BVwG eine Verständigung des LG Linz ein, wonach über den Beschwerdeführer die Untersuchungshaft verhängt wurde.
Vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde in der gegenständlichen Rechtssache am 28.12.2020 eine öffentliche mündliche Verhandlung unter Beisein des Beschwerdeführers, seines Rechtsberaters sowie eines Dolmetschers für die Sprache Dari durchgeführt. Die belangte Behörde entschuldigte ihr Fernbleiben.
Am 08.02.2021 langte beim BVwG eine Verständigung der Staatsanwaltschaft Linz ein, wonach gegen Beschwerdeführer Anklage erhoben wurde.
Am 10.02.2021 langte beim BVwG eine Stellungnahme der Rechtsvertretung des BF ein. Darin wird auf die Lage in Afghanistan, auf das Familienleben des Beschwerdeführers sowie auf seinen Gesundheitszustand hingewiesen. Auch wurden Unterlagen betreffend den Gesundheitszustand des Beschwerdeführers übermittelt.
Das BVwG stellte am 08.03.2021 eine Anfrage an die Staatendokumentation bezüglich der Behandlungsmöglichkeiten des Beschwerdeführers in Afghanistan sowie der Verfügbarkeit der notwendigen Medikamente. Am 04.05.2021 langte die Anfragebeantwortung beim BVwG ein und am 05.05.2021 wurde diesbezüglich Parteiengehör gewährt.
Das Bundesverwaltungsgericht hat dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 16.06.2021 Parteiengehör bezüglich des neuen Länderinformationsblattes der Staatendokumention gewährt und dieses übermittelt.
Eine Stellungnahme des BF dazu langte nicht ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer heißt XXXX , ist afghanischer Staatsangehöriger und wurde am XXXX 2000 in der Provinz Parwan geboren. Er gehört der Volksgruppe der Tadschiken an und ist schiitischer Moslem. Seine Muttersprache ist Dari und er spricht auch Paschtu sowie Farsi. Deutsch beherrscht er auf einem Niveau, das ihm ermöglicht seine täglichen Erledigungen zu machen. Seine Identität steht nicht fest.
Die Familie des Beschwerdeführers verließ Afghanistan, um nach Pakistan zu gehen und kehrte nach Afghanistan zurück als der BF sechs Jahre alt war. Dort lebte er mit seiner Familie in Kabul, zuerst im Stadtteil XXXX und später im Stadtteil XXXX . In den letzten drei Jahren vor seiner Ausreise lebte er mit seiner Familie im Bezirk XXXX .
Der Beschwerdeführer besuchte in Afghanistan keine Schule und ist Analphabet, er kann aber ein wenig lesen und schreiben. Mit sieben Jahren begann er zu arbeiten und verkaufte Saft. Bis zu seiner Ausreise arbeitete er unter anderem am Bau als Tischler, Fliesenleger und Maler sowie als Mechaniker. Weiters arbeitete er auf einem Gemüsefeld und bis zu seiner Ausreise auf einem Markt.
Seine Kernfamilie besteht aus seinen Eltern sowie drei Schwestern und zwei Brüdern. Ein weiterer Bruder ist verstorben. Der Vater des BF hat aufgrund eines Unfalles bleibende geistige und körperliche Einschränkungen. Zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Kernfamilie besteht kein Kontakt mehr. Der BF hat mehrere Tanten und Onkel, die in Europa, Pakistan sowie Afghanistan leben. Auch mit diesen besteht kein Kontakt mehr.
Der Beschwerdeführer wurde am XXXX 2019 Vater eines Sohnes. Dieser lebt seit XXXX 2019 bei Pflegeeltern. Mit dem Kind und dessen Mutter besteht kein regelmäßiger Kontakt.
Der Beschwerdeführer befindet sich seit spätestens 17.05.2016 im Bundesgebiet und ist seitdem durchgehend im Bundesgebiet aufhältig. Er ist ein junger und arbeitsfähiger Mann, dem eine Teilnahme am Erwerbsleben in seinem Herkunftsstaat zumutbar ist. Er leidet an keinen schweren körperlichen oder psychischen Erkrankungen. Der Beschwerdeführer leidet an einer Anpassungsstörung mit unterschiedlicher Schwere im Verlauf. Es kam bereits zu selbstverletzendem und suizidalen Verhalten. Zuletzt wurde diese mit täglich einer Sertralin 1a FRBL 50 mg Tablette und zwei Drittel einer Trittico Ret FTBL 150mg behandelt. Auch befand er sich bereits in stationärer Behandlung. Zuletzt vom 11.03.2020 bis 28.03.2020.
In Österreich wurde der Beschwerdeführer bereits strafgerichtlich verurteilt. Am 03.10.2018 wurde er vom Landesgericht Linz wegen unerlaubtem Umgang mit Suchtgift (Tatbegehung am 13.08.2018) zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt, die unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde (37 Hv 107/2018p). Seit 21.10.2020 befindet sich der Beschwerdeführer in der Justizanstalt Linz in Untersuchungshaft (18 HR 262/20z). Von der Staatsanwaltschaft Linz wurde gegen ihn Anklage wegen versuchtem Mord sowie gefährlicher Drohung erhoben (18 St 162/20p). Ein Ermittlungsverfahren gegen ihn wegen gefährlichen Drohung und Sachbeschädigung wurde eingestellt. Ein weiteres gegen den BF wegen Raufhandels und gefährlicher Drohung geführtes Ermittlungsverfahren wurde ebenfalls eingestellt (16 St 156/18p). Vom LG Linz wurde am 04.06.2020 vom Vorwurf des unerlaubten Umganges mit Suchtgift freigesprochen (37 Hv 52/20b). Des Weiteren wurden gegen ihn zwei Strafverfügungen, jeweils aufgrund der Erregung berechtigten Ärgernisses und Störung der öffentlichen Ordnung, erlassen ( XXXX ).
In Österreich hat der Beschwerdeführer keine Personen zu denen ein besonders zu berücksichtigendes Nahe- oder Abhängigkeitsverhältnis besteht und ist nicht selbsterhaltungsfähig. In Österreich hat der Beschwerdeführer die Bildungsveranstaltung „Grundbildung – Fokus Deutsch“ sowie am Kurs „Deutsch als Fremdsprache A1/1“ teilgenommen und die Bildungsveranstaltung „Deutsch A1 Teil 2“ besucht. Die Prüfung „ÖSD Zertifikat A1“ hat er nicht bestanden. Er ist jedoch teilweise in der Lage Fragen auf Deutsch zu beantworten.
Das Bestehen von besonderen Gründen, die für einen Verbleib des Beschwerdeführers im Bundesgebiet sprechen, sind dem vorliegenden Verwaltungsakt nicht zu entnehmen und auch während der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG nicht zu Tage getreten. Das Vorliegen einer insgesamt besonders berücksichtigungswürdigen Integration in Österreich ist nicht festzustellen.
1.2. Zum Fluchtgrund:
Der Beschwerdeführer bezieht sich in seinem Antrag auf internationalen Schutz vom 17.05.2016 darauf, nachdem Tod seines Chefs von dessen Söhnen verfolgt und bedroht worden zu sein, weil er ihnen nicht mitteilte, wer diesen getötet habe.
Dem Beschwerdeführer droht aufgrund des vorgebrachten Vorfalls und Folgen bei einer Rückkehr nach Afghanistan keine Verfolgung. Dies deshalb, weil es nicht zum behaupteten Vorfall gekommen ist und der Chef des Beschwerdeführers nicht gestorben ist. Folglich gab es keine Anzeige deswegen bei der Polizei und wurde der Beschwerdeführer und seine Familie auch nicht von den Söhnen seines Chefs verfolgt oder bedroht.
Dem Beschwerdeführer droht in Afghanistan keine Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung. Somit kann nicht festgestellt werden, dass er im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan Drohungen oder Gewalthandlungen von staatlicher oder privater Seite zu erwarten hätte. Auch kann nicht festgestellt werden, dass er in eine Notlage geraten würde, die seine Existenz bedrohen würde.
1.3. Zur Situation im Falle der Rückkehr
Bei einer Rückkehr in die Provinzen Parwan und Kabul kann eine Verletzung der körperlichen Unversehrtheit des Beschwerdeführers aufgrund der instabilen Sicherheitslage nicht ausgeschlossen werden. Auch kann dort die Verfügbarkeit der vom Beschwerdeführer benötigten Medikamente nicht sichergestellt werden.
Der Beschwerdeführer kann sich stattdessen im Rückkehrfall in Mazar-e Sharif oder Herat niederlassen und sich dort mittelfristig eine Existenz aufbauen. Er ist mit den kulturellen Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates und einer in Afghanistan gesprochenen Sprachen vertraut und wuchs in einem afghanischen Familienverband auf. Der Beschwerdeführer lebte zwar nie in Mazar-e Sharif oder Herat und verfügt dort auch über keine familiären Anknüpfungspunkte. Dennoch könnte er sich angesichts seiner mehrjährigen und vielseitigen Arbeitserfahrung sowie seiner Sprachkenntnisse (Dari, Farsi und Pascht) eine Existenz aufbauen und diese zumindest anfänglich mit Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten sichern. Ihm wäre der Aufbau eine Existenzgrundlage sowohl in Mazar-e Sharif als auch in Herat möglich. Der Beschwerdeführer ist in der Lage, in Mazar-e Sharif oder Herat eine einfache Unterkunft zu finden. Auch ist es ihm möglich, finanzielle Unterstützung im Wege der Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen.
Der Beschwerdeführer leidet an keiner schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Krankheit. Während seiner Zeit in Österreich wurde bei ihm eine Anpassungsstörung mit unterschiedlicher Schwere im Verlauf diagnostiziert. Es kam auch zu selbstverletzendem und suizidalen Verhalten. Zuletzt wurde er mit täglich einer Sertralin 1a FRBL 50 mg Tablette und zwei Drittel einer Trittico Ret FTBL 150mg behandelt. Die vom Beschwerdeführer benötigte weitere Behandlung würde ihm auch in Mazar-e Sharif oder Herat zur Verfügung stehen. Trotz der Diagnose ist seine Arbeitsfähigkeit nicht eingeschränkt und ist er in der Lage, alle seine Angelegenheiten des täglichen Lebens ohne Gefahr für sich selbst zu erledigen. Auch ist es ihm möglich selbständig Arbeit, Unterkunft sowie Verpflegung zu verschaffen und sich in einer fremden Stadt zu orientieren.
Somit ist anzunehmen, dass sich der Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat auch ohne familiäre Anknüpfungspunkte in Mazar-e Scharif oder Herat ein ausreichendes Einkommen, notfalls mit Hilfstätigkeiten, sichern kann.
Festgestellt wird, dass die aktuell vorherrschende Pandemie aufgrund des Corona-Virus kein Rückkehrhindernis darstellt. Der Beschwerdeführer gehört mit Blick auf sein Alter und das Fehlen (chronischer) physischer Vorerkrankungen keiner spezifischen Risikogruppe betreffend COVID-19 an. Es besteht keine hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Afghanistan eine COVID-19-Erkrankung mit schwerwiegendem oder tödlichem Verlauf bzw. mit dem Bedarf einer intensivmedizinischen Behandlung bzw. einer Behandlung in einem Krankenhaus erleiden würde.
Im Falle einer Verbringung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat droht diesem kein reales Risiko einer Verletzung der Art. 2 oder 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958 (in der Folge EMRK).
1.4. Zur Lage im Herkunftsstaat/ maßgebliche Situation in Afghanistan:
Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des BFA zu Afghanistan, Stand 11.06.2021:
Herat
Die Provinz Herat liegt im Westen Afghanistans und teilt eine internationale Grenze mit dem Iran im Westen und Turkmenistan im Norden. Weiters grenzt Herat an die Provinzen Badghis im Nordosten, Ghor im Osten und Farah im Süden (UNOCHA Herat 4.2014). Herat ist in die folgenden Distrikte unterteilt: Adraskan, Chishti Sharif, Enjil, Fersi, Ghoryan, Gulran, Guzera (Nizam-i-Shahid), Herat, Karrukh, Kohsan, Kushk (Rubat-i-Sangi), Kushk-i-Kuhna, Obe, Pashtun Zarghun, Zendahjan und die „temporären“ Distrikte Poshtko, Koh-e-Zore (Koh-e Zawar, Kozeor), Zawol und Zerko (NSIA 1.6.2020; IEC Herat 2019), die aus dem Distrikt Shindand herausgelöst wurden (AAN 3.7.2015; vgl. PAJ 1.3.2015). Ihre Schaffung wurde vom Präsidenten nach Inkrafttreten der Verfassung von 2004 aus Sicherheits- oder anderen Gründen genehmigt, während das Parlament seine Zustimmung (noch) nicht erteilt hat (AAN 16.8.2018). Die Provinzhauptstadt von Herat ist Herat-Stadt (NSIA 1.6.2020). Herat ist eine der größten Provinzen Afghanistans (PAJ Herat o.D.).
Die National Statistics and Information Authority of Afghanistan (NSIA) schätzt die Bevölkerung in der Provinz Herat im Zeitraum 2020-21 auf 2,140.662 Personen, davon 574.276 in der Provinzhauptstadt (NSIA 1.6.2020). Die wichtigsten ethnischen Gruppen in der Provinz sind Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Turkmenen, Usbeken und Aimaqs, wobei Paschtunen in elf Grenzdistrikten die Mehrheit stellen (PAJ Herat o.D.). Herat-Stadt war historisch gesehen eine tadschikisch dominierte Enklave in einer paschtunischen Mehrheits-Provinz, die beträchtliche Hazara- und Aimaq-Minderheiten umfasst (USIP 2015). Umfangreiche Migrationsströme haben die ethnische Zusammensetzung der Stadt verändert. Der Anteil an schiitischen Hazara ist seit 2001 besonders gestiegen, da viele aus dem Iran rückgeführt oder aus den Provinzen Zentralafghanistans vertrieben wurden (AAN 3.2.2019). Der Grad an ethnischer Segregation ist in Herat heute ausgeprägt (USIP 2015; vgl. STDOK 13.6.2019).
Die Provinz ist durch die Ring Road mit anderen Großstädten verbunden (TD 5.12.2017, LCA 4.7.2018). Eine Hauptstraße führt von Herat ostwärts nach Ghor und Bamyan und weiter nach Kabul. Andere Straßen verbinden die Provinzhauptstadt mit dem afghanisch-turkmenischen Grenzübergang bei Torghundi sowie mit der afghanisch-iranischen Grenzüberquerung bei Islam Qala (LCA 4.7.2018), wo sich einer der größten Trockenhäfen Afghanistans befindet (KN 7.7.2020). Die Schaffung einer weiteren Zollgrenze zum Iran ist im Distrikt Ghoryan geplant (TN 11.9.2020). Eine Eisenbahnverbindung zwischen der Stadt Herat und dem Iran, die die Grenze an diesem Punkt überqueren wird, ist derzeit im Bau (1TV 28.10.2020, TN 11.9.2020). Auf der Strecke Herat-Islam-Qala wurde über Tötungen und Entführungen berichtet (UNAMA 7.2020, KN 7.7.2020; vgl. PAJ 6.2.2020) sowie über Sprengfallen am Straßenrand (KN 7.7.2020; vgl. PAJ 6.2.2020), auch auf der Ring Road in Richtung Kandahar (TN 10.10.2020). Darüber hinaus gibt es Berichte über illegale Zolleinhebungen durch Aufständische sowie Polizeibeamte entlang der Strecke Herat-Kandahar (HOA 12.1.2020, PAJ 4.1.2020; vgl. NYT 1.11.2020). Ein Flughafen mit Linienflugbetrieb zu internationalen und nationalen Destinationen liegt in der unmittelbaren Nachbarschaft von Herat-Stadt (STDOK 25.11.2020; vgl. Kam Air o.D., F 24 o.D.).
Hintergrundinformationen zum Konflikt und Akteure
Die Sicherheitslage auf Stadt- und Distriktebene unterscheidet sich voneinander. Während einige Distrikte, wie z.B. Shindand, als unsicher gelten, weil die Kontrolle zwischen der Regierung und den Taliban umkämpft ist, kam es in Herat-Stadt in den letzten Jahren vor allem zu kriminellen Handlungen und kleineren sicherheitsrelevanten Vorfällen, jedoch nicht zu groß angelegten Angriffen oder offenen Kämpfen, die das tägliche Leben vorübergehend zum Erliegen gebracht hätten. Die sicherheitsrelevanten Vorfälle, die in letzter Zeit in der Stadt Herat gemeldet wurden, fielen meist in zwei Kategorien: gezielte Tötungen und Angriffe auf Polizeikräfte (AAN 21.4.2020; vgl. OA 20.7.2020). Darüber hinaus fanden im Juli und September 2020 (UNAMA 10.2020) sowie Oktober 2019 Angriffe statt, die sich gegen Schiiten richteten (AAN 21.4.2020). Bezüglich krimineller Handlungen wurde beispielsweise über bewaffnete Raubüberfälle und Entführungen berichtet (OA 20.7.2020, AAN 21.4.2020, AN 2.1.2020).
Je weiter man sich von der Stadt Herat (die im Januar 2019 als „sehr sicher“ galt) und ihren Nachbardistrikten in Richtung Norden, Westen und Süden entfernt, desto größer ist der Einfluss der Taliban (STDOK 13.6.2019). Pushtkoh und Zerko befanden sich im Februar 2020 einem Bericht zufolge vollständig in der Hand der Taliban (AAN 28.2.2020), während die Kontrolle der Regierung in Obe auf das Distriktzentrum beschränkt ist (AAN 8.4.2020, AAN 20.12.2019). In Shindand befindet sich angeblich das „Taliban-Hauptquartier“ von Herat (AAN 20.12.2019). Nach Schätzungen des Long War Journal befindet sich der Distrikt Fersi mit Stand Mai 2021 unter Talibankontrolle, während Adraskan, Chishti Sharif, Ghoryan, Gulran, Kushk (Rubat-i-Sangi), Kushk-i-Kuhna, Obe, Pashtun Zarghun und Shindand umkämpft sind (LWJ o.D.).
Innerhalb der Taliban kam es nach der Bekanntmachung des Todes von Taliban-Führer Mullah Omar im Jahr 2015 zu Friktionen (SaS 2.11.2018; vgl. RUSI 16.3.2016). Mullah Rasoul, der eine versöhnlichere Haltung gegenüber der Regierung in Kabul einnahm, spaltete sich zusammen mit rund 1.000 Kämpfern von der Taliban-Hauptgruppe ab (SaS 2.11.2018). Die Rasoul-Gruppe, die mit der stillschweigenden Unterstützung der afghanischen Regierung operiert hat, kämpft mit Stand Jänner 2020 weiterhin gegen die Hauptfraktion der Taliban in Herat, auch wenn die Zusammenstöße zwischen den beiden Gruppen laut einer Quelle innerhalb der Rasoul-Fraktion nicht mehr so häufig und heftig sind wie in den vergangenen Jahren. Etwa 15 Kämpfer der Gruppe sind Anfang 2020 bei einem Drohnenangriff der USA gemeinsam mit ihrem regionalen Führer getötet worden (SaS 9.1.2020; vgl. UNSC 27.5.2020).
Während ein UN-Bericht einen Angriff in der Nähe einer schiitischen Moschee im Oktober 2019 dem Islamischen Staat Provinz Khorasan (ISKP) zuschrieb (UNGASC 10.12.2019) und ein Zeitungsartikel vom März 2020 behauptete, dass der ISKP eine Hochburg in der Provinz unterhält (VOA 20.3.2020), gab eine andere Quelle an, dass es unklar sei, ob und welche Art von Präsenz der ISKP in Herat hat. Angriffe gegen schiitische Muslime sind Teil des Modus operandi des ISKP, aber - insbesondere angesichts der Schwäche der Gruppe in Afghanistan - stellt ein Bekenntnis des ISKP zu einem bestimmten Angriff noch keinen vollständigen Beweis dafür dar, dass die Gruppe ihn wirklich begangen hat (AAN 21.4.2020). Ein Bewohner des Distrikts Obe hielt eine ISKP-Präsenz in Herat angesichts der Präsenz der Taliban z.B. im Distrikt Shindand für unwahrscheinlich (AAN 20.12.2019).
Auf Regierungsseite befindet sich Herat im Verantwortungsbereich des 207. Afghan National Army (ANA) „Zafar“ Corps (USDOD 1.7.2020; vgl. ST 2.10.2020), das der NATO-Mission Train Advise Assist Command - West (TAAC-W) untersteht, welche von italienischen Streitkräften geleitet wird (USDOD 1.7.2020).
Jüngste Entwicklungen und Auswirkungen auf die zivile Bevölkerung
[...] Im Jahr 2020 dokumentierte UNAMA 339 zivile Opfer (124 Tote und 215 Verletzte) in der Provinz Herat. Dies entspricht einem Rückgang von 15% gegenüber 2019. Die Hauptursache für die Opfer waren Bodenkämpfe, gefolgt von gezielten Tötungen und improvisierten Sprengkörpern (improvised explosive devices, IEDs; ohne Selbstmordanschläge) (UNAMA 2.2021a). Im Jahr 2020 wurden auch mehrere Fälle von zivilen Opfern aufgrund von Luftangriffen gemeldet (UNAMA 10.2020, AAN 24.2.2020, RFE/RL 22.1.2020).
Es kommt in mehreren Distrikten der Provinz Herat zu Kämpfen zwischen den Regierungstruppen und den Taliban sowie zuAngriffen der Taliban auf Regierungseinrichtungen (KP 20.11.2020; NYTM 29.10.2020; PAJ 15.10.2020; NYTM 1.10.2020; KP 5.9.2020; NYTM 28.8.2020; NYTM 27.2.2.2020; NYTM 30.1.2020). Die Regierungstruppen führen in der Provinz Operationen durch (AN 5.9.2020; AJ 23.7.2020; XI 29.1.2020b, RFE/RL 22.1.2020). Darüber hinaus wird von Explosionen von Sprengfallen am Straßenrand in verschiedenen Distrikten berichtet (KP 22.11.2020, NYTM 29.10.2020; TN 10.10.2020, NYTM 1.10.2020, NYTM 28.8.2020; TN 5.7.2020; NYTM 30.1.2020). Vorfälle mit IEDs, wie Detonationen von an Fahrzeugen befestigten IEDs (VBIED) (AJ 13.3.2021; REU 12.3.2021; KP 1.11.2020; ACCORD 27.1.2021), einer Sprengfalle am Straßenrand (NYTM 28.8.2020) und eines weiteren IEDs kommen auch in der Stadt Herat vor (GW 10.11.2020; vgl. AAN 27.10.2020). Auch werden sowohl in den Distrikten als auch der Stadt Herat gezielte Tötungen durchgeführt (ACCORD 6.5.2021a; AJ 13.3.2021; REU 12.3.202; NYTM 29.10.2020; NYTM 1.10.2020; NYTM 28.8.2020; NYTM 27.2.2.2020; NYTM 30.1.2020) und es kommt zu Angriffen auf Soldaten und Sicherheitskräfte (ACCORD 6.5.2021a; BAMF 15.3.2021; AJ 13.3.2021; REU 12.3.2021; ACCORD 27.1.2021; AN 16.1.2021; ANI 8.1.2021).
Balkh/Mazar-e Sharif
Balkh liegt im Norden Afghanistans und grenzt im Norden an Usbekistan, im Nordosten an Tadschikistan, im Osten an Kunduz und Baghlan, im Südosten an Samangan, im Südwesten an Sar-e Pul, im Westen an Jawzjan und im Nordwesten an Turkmenistan (UNOCHA Balkh 13.4.2014; vgl. GADM 2018). Die Provinzhauptstadt ist Mazar-e Sharif. Die Provinz ist in die folgenden Distrikte unterteilt: Balkh, Char Bolak, Char Kent, Chimtal, Dawlat Abad, Dehdadi, Kaldar, Kishindeh, Khulm, Marmul, Mazar-e Sharif, Nahri Shahi, Sholgara, Shortepa und Zari (NSIA 1.6.2020; vgl. IEC Balkh 2019).
Die National Statistics and Information Authority of Afghanistan (NSIA) schätzt die Bevölkerung in Balkh im Zeitraum 2020-21 auf 1,509.183 Personen, davon geschätzte 484.492 Einwohner in Mazar-e Sharif (NSIA 1.6.2020). Balkh ist eine ethnisch vielfältige Provinz, welche von Paschtunen, Usbeken, Hazara, Tadschiken, Turkmenen, Aimaq, Belutschen, Arabern, sunnitischen Hazara (Kawshi) (PAJ Balkh o.D.; vgl. NPS Balkh o.D.) sowie Mitgliedern der kleinen ethnischen Gruppe der Magat bewohnt wird (AAN 8.7.2020).
Balkh bzw. die Hauptstadt Mazar-e Sharif ist ein Import-/Exportdrehkreuz sowie ein regionales Handelszentrum (SH 16.1.2017). Die Ring Road (auch Highway 1 genannt) verbindet Balkh mit den Nachbarprovinzen Jawzjan im Westen und Kunduz im Osten sowie in weiterer Folge mit Kabul (TD 5.12.2017). Rund 30 km östlich von Mazar-e Sharif zweigt der National Highway (NH) 89 von der Ring Road Richtung Norden zum Grenzort Hairatan/Termiz ab (OSM o.D.; vgl. TD 5.12.2017). Dies ist die Haupttransitroute für Warenverkehr zwischen Afghanistan und Usbekistan (LCA 4.7.2018).
Entlang des Highway 1 westlich der Stadt Balkh in Richtung der Provinz Jawzjan befindet sich der volatilste Straßenabschnitt in der Provinz Balkh, es kommt dort beinahe täglich zu sicherheitsrelevanten Vorfällen. Auch besteht auf diesem Abschnitt in der Nähe der Posten der Regierungstruppen ein erhöhtes Risiko von IEDs - nicht nur entlang des Highway 1, sondern auch auf den Regionalstraßen (STDOK 21.7.2020). In Gegenden mit Talibanpräsenz, wie zum Beispiel in den südlichen Distrikten Zari (AAN 23.5.2020), Kishindeh und Sholgara, ist das Risiko, auf Straßenkontrollen der Taliban zu stoßen, höher (STDOK 21.7.2020; vgl. TN 20.12.2019).
In Mazar-e Sharif gibt es einen Flughafen mit Linienverkehr zu nationalen und internationalen Zielen (Kam Air o.D.; vgl. F 24 o.D.).
Hintergrundinformationen zum Konflikt und Akteure
Balkh zählte zu den relativ friedlichen Provinzen im Norden Afghanistans, jedoch hat sich die Sicherheitslage in den letzten Jahren in einigen ihrer abgelegenen Distrikte verschlechtert (KP 10.2.2020; vgl. STDOK 21.7.2020), da militante Taliban versuchen, in dieser wichtigen nördlichen Provinz Fuß zu fassen (KP 10.2.2020; vgl. AA 16.7.2020). Ziel der Anschläge sind oftmals Sicherheitskräfte, jedoch kommt es auch zu zivilen Opfern. Wie auch in anderen großen Städten Afghanistans ist Kriminalität in Mazar-e Sharif ein Problem. Bewohner der Stadt berichteten insbesondere von bewaffneten Raubüberfällen (STDOK 21.7.2020). Im Jahr 2020 gehörte Balkh zu den konfliktreichsten Provinzen des Landes (UNGASC 9.12.2020; vgl. UNGASC 17.6.2020, UNGASC 17.3.2020, LWJ 10.3.2020) und in der Hauptstadt und den Distrikten kommt auch im Jahr 2021 weiterhin zu sicherheitsrelevanten Vorfällen (ACCORD 27.1.2021; vgl. KP 3.3.2021). Nach Schätzungen des Long War Journal befindet sich der Distrikt Dawlat Abad mit Stand Mai 2021 unter Talibankontrolle, während Balkh, Char Bolak, Char Kent, Chimtal, Dehdadi, Kishindeh, Nahri Shahi, Sholgara, Shortepa und Zari umkämpft sind (LWJ o.D.).
Auf Regierungsseite befindet sich Balkh im Verantwortungsbereich des 209. Afghan National Army (ANA) „Shaheen“ Corps (USDOD 1.7.2020; vgl. TN 22.4.2018), das der NATO-Mission Train Advise Assist Command - North (TAAC-N) untersteht, welche von deutschen Streitkräften geleitet wird (USDOD 1.7.2020). Das Hauptquartier des 209. Afghan National Army (ANA) „Shaheen“ Corps befindet sich im Distrikt Dehdadi (TN 22.4.2018). Die meisten Soldaten der deutschen Bundeswehr sind in Camp Marmal stationiert (SP 7.4.2019). Weiters unterhalten die US-amerikanischen Streitkräfte eine regionale Drehscheibe in der Provinz (USDOD 1.7.2020).
Jüngste Entwicklungen und Auswirkungen auf die zivile Bevölkerung
[..] Im Jahr 2020 dokumentierte UNAMA 712 zivile Opfer (263 Tote und 449 Verletzte) in der Provinz Balkh. Dies entspricht einer Steigerung von 157% gegenüber 2019. Die Hauptursache für die Opfer waren Bodenkämpfe, gefolgt von Luftangriffen und improvisierten Sprengkörpern (IEDs; ohne Selbstmordattentate) (UNAMA 2.2021a).
Ungeachtet der Friedensgespräche finden auch weiterhin sicherheitsrelevante Vorfälle in der Hauptstadt und den Distrikten statt (KP 3.3.2021, ACCORD 27.1.2021). Es kommt zu direkten Kämpfen (KP 3.3.2021;UNOCHA 23.9.2020; AJ 1.5.2020; DH 8.4.2020) und Angriffen der Taliban auf Distriktzentren (UNOCHA 23.7.2020; REU 1.5.2020; UNOCHA 26.2.2020) oder Sicherheitsposten (RFE/RL 14.4.2021; ANI 6.3.2021; NYTM 1.10.2020; NYTM 28.8.2020; AnA 18.3.2020). Die Regierungskräfte führen Räumungsoperationen durch (RFE/RL 14.4.2021;KP 3.3.2021; AN 25.6.2020; MENAFN 24.3.2020; AnA 18.3.2020). Ebenso wird von IED-Explosionen, beispielsweise durch Sprengfallen am Straßenrand (NYTM 28.8.2020), aber auch an Fahrzeugen befestigten Sprengkörpern (vehicle-borne IEDs, VBIEDs) (TN 25.8.2020; RFE/RL 25.8.2020; NYTM 28.8.2020) sowie Selbstmordanschlägen berichtet (TN 25.8.2020; RFE/RL 25.8.2020; RFE/RL 19.9.2020). Auch in Mazar-e Sharif kommt es wiederholt zu IED-Anschlägen (ACCORD 6.5.2021a; BAMF 12.4.2021; ACCORD 27.1.2021; NYTM 1.10.2020; AN 19.9.2020; TN 1.7.2020) sowie Angriffen auf bzw. die Tötung von Sicherheitskräften (ACCORD 6.5.2021a; KP 3.3.2021; ANI 6.3.2021; ACCORD 27.1.2021; BAMF 18.1.2021; PAJ 12.1.2021; AT 12.1.2021). Zudem wird von der Entführung (ACCORD 6.5.2021a; TN 13.3.2021; DH 8.4.2020) und Ermordung von Zivilisten in der Provinz berichtet (ACCORD 6.5.2021a; KP 3.3.2021; ACCORD 27.1.2021; NYTM 1.10.2020; DH 8.4.2020).
COVID-19
Bezüglich der aktuellen Anzahl der Krankheits- und Todesfälle in den einzelnen Ländern empfiehlt die Staatendokumentation bei Interesse/Bedarf folgende Website der WHO: https: //www.who.int/emergencies/diseases/novel-coronavirus-2019/situation-reports oder der Johns-Hopkins-Universität: https://gisanddata.maps.arcgis.com/apps/opsdashboard/index.h tml#/bda7594740fd40299423467b48e9ecf6 mit täglich aktualisierten Zahlen zu kontaktieren.
Entwicklung der COVID-19 Pandemie in Afghanistan
Der erste offizielle Fall einer COVID-19 Infektion in Afghanistan wurde am 24.2.2020 in Herat festgestellt (RW 9.2020; vgl UNOCHA 19.12.2020). Laut einer vom afghanischen Gesundheitsministerium (MoPH) durchgeführten Umfrage hatten zwischen März und Juli 2020 35% der Menschen in Afghanistan Anzeichen und Symptome von COVID-19. Laut offiziellen Regierungsstatistiken wurden bis zum 2.9.2020 in Afghanistan 103.722 Menschen auf das COVID-19-Virus getestet (IOM 23.9.2020). Aufgrund begrenzter Ressourcen des öffentlichen Gesundheitswesens und der Testkapazitäten, der Testkriterien, des Mangels an Personen, die sich für Tests melden, sowie wegen des Fehlens eines nationalen Sterberegisters werden bestätigte Fälle von und Todesfälle durch COVID-19 in Afghanistan wahrscheinlich insgesamt unterrepräsentiert (HRW 14.1.2021; vgl. UNOCHA 18.2.2021, USAID 12.1.2021, UNOCHA 19.12.2020, RFE/RL 23.2.2021a).
Die fortgesetzte Ausbreitung der Krankheit in den letzten Wochen des Jahres 2020 hat zu einem Anstieg der Krankenhauseinweisungen geführt, wobei jene Einrichtungen die als COVID-19- Krankenhäuser in den Provinzen Herat, Kandahar und Nangarhar gelten, nach Angaben von Hilfsorganisationen seit Ende Dezember voll ausgelastet sind. Gesundheitseinrichtungen sehen sich auch zu Beginn des Jahres 2021 großen Herausforderungen bei der Aufrechterhaltung oder Erweiterung ihrer Kapazitäten zur Behandlung von Patienten mit COVID-19 sowie bei der Aufrechterhaltung grundlegender Gesundheitsdienste gegenüber, insbesondere, wenn sie in Konfliktgebieten liegen (BAMF 8.2.2021; vgl. IOM 18.3.2021).
Die WHO äußerte ihre Besorgnis über die Gefahr der Verbreitung mutierter Viren in Afghanistan. In Pakistan ist bereits ein deutlicher Anstieg der Infektionen mit einer neuen Variante, die potenziell ansteckender ist und die jüngere Bevölkerung trifft, festgestellt worden. Das afghanische Gesundheitsministerium bereite sich auf eine potenzielle dritte Welle vor. Die Überwachung an der Grenze soll ausgeweitet und Tests verbessert werden. Angesichts weiterer Berichte über unzureichende Testkapazitäten im Land bleibt die Wirkung der geplanten Maßnahmen abzuwarten (BAMF 29.3.2021).
Laut Meldungen von Ende Mai 2021 haben afghanische Ärzte Befürchtungen geäußert, dass sich die erstmals in Indien entdeckte COVID-19-Variante nun auch in Afghanistan verbreiten könnte. Viele der schwerkranken Fälle im zentralen Krankenhaus für COVID-Fälle in Kabul, wo alle 100 Betten belegt seien, seien erst kürzlich aus Indien zurückgekehrte Personen (BAMF 31.5.2021; vgl. TG 25.5.2021, DW 21.5.2021, UNOCHA 3.6.2021). Seit Ende des Ramadans und einige Woche nach den Festlichkeiten zu Eid al-Fitr konnte wieder ein Anstieg der COVID19 Fälle verzeichnet werden. Es wird vom Beginn einer dritten Welle gesprochen (UNOCHA 3,6,2021; vgl. TG 25.5.2021). Waren die [Anm.: offiziellen] Zahlen zwischen Februar und März relativ niedrig, so stieg die Anzahl zunächst mit April und dann mit Ende Mai deutlich an (WHO 4.6.2021; vgl. TN 3.6.2021, UNOCHA 3.6.2021). Es gibt in Afghanistan keine landeseigenen Einrichtungen, um auf die aus Indien stammende Variante zu testen (UNOCHA 3.6.2021; vgl. TG 25.5.2021).
Mit Stand 3.6.2021 wurden der WHO offiziell 75.119 Fälle von COVID-19 gemeldet (WHO 3.6.2021), wobei die tatsächliche Zahl der positiven Fälle um ein Vielfaches höher eingeschätzt wird (IOM 18.3.2021; vgl. HRW 14.1.2021).
Maßnahmen der Regierung und der Taliban
Das afghanische Gesundheitsministerium (MoPH) hat verschiedene Maßnahmen zur Vorbereitung und Reaktion auf COVID-19 ergriffen. „Rapid Response Teams“ (RRTs) besuchen Verdachtsfälle zu Hause. Die Anzahl der aktiven RRTs ist von Provinz zu Provinz unterschiedlich, da ihre Größe und ihr Umfang von der COVID-19-Situation in der jeweiligen Provinz abhängt. Sogenannte „Fix-Teams“ sind in Krankenhäusern stationiert, untersuchen verdächtige COVID-19-Patienten vor Ort und stehen in jedem öffentlichen Krankenhaus zur Verfügung. Ein weiterer Teil der COVID-19-Patienten befindet sich in häuslicher Pflege (Isolation). Allerdings ist die häusliche Pflege und Isolation für die meisten Patienten sehr schwierig bis unmöglich, da die räumlichen Lebensbedingungen in Afghanistan sehr begrenzt sind (IOM 23.9.2020). Zu den Sensibilisierungsbemühungen gehört die Verbreitung von Informationen über soziale Medien, Plakate, Flugblätter sowie die Ältesten in den Gemeinden (IOM 18.3.2021; vgl. WB 28.6.2020). Allerdings berichteten undokumentierte Rückkehrer immer noch von einem insgesamt sehr geringen Bewusstsein für die mit COVID-19 verbundenen Einschränkungen sowie dem Glauben an weitverbreitete Verschwörungen rund um COVID-19 (IOM 18.3.2021; vgl. IOM 1.2021).
Gegenwärtig gibt es in den Städten Kabul, Herat und Mazar-e Sharif keine Ausgangssperren. Das afghanische Gesundheitsministerium hat die Menschen jedoch dazu ermutigt, einen physischen Abstand von mindestens einem Meter einzuhalten, eine Maske zu tragen, sich 20 Sekunden lang die Hände mit Wasser und Seife zu waschen und Versammlungen zu vermeiden (IOM 18.3.2021). Auch wenn der Lockdown offiziell nie beendet wurde, endete dieser faktisch mit Juli bzw. August 2020 und wurden in weiterer Folge keine weiteren Ausgangsperren erlassen (ACCORD 25.5.2021).
Laut IOM sind Hotels, Teehäuser und andere Unterkunftsmöglichkeiten derzeit [Anm.: März 2021] nur für Geschäftsreisende geöffnet. Für eine Person, die unter der Schirmherrschaft der IOM nach Afghanistan zurückkehrt und eine vorübergehende Unterkunft benötigt, kann IOM ein Hotel buchen. Personen, die ohne IOM nach Afghanistan zurückkehren, können nur in einer Unterkunftseinrichtung übernachten, wenn sie fälschlicherweise angeben, ein Geschäftsreisender zu sein. Da die Hotels bzw. Teehäuser die Gäste benötigen, um wirtschaftlich überleben zu können, fragen sie nicht genau nach. Wird dies durch die Exekutive überprüft, kann diese wenn der Aufenthalt auf der Angabe von falschen Gründen basiert - diesen jederzeit beenden.
Die betreffenden Unterkunftnehmer landen auf der Straße und der Unterkunftsbetreiber muss mit einer Verwaltungsstrafe rechnen (IOM AUT 22.3.2021). Laut einer anderen Quelle gibt es jedoch aktuell [Anm.: März 2021] keine Einschränkungen bei der Buchung eines Hotels oder der Unterbringung in einem Teehaus und es ist möglich, dass Rückkehrer und Tagelöhner die Unterbringungsmöglichkeiten nutzen (RA KBL 22.3.2021).
Indien hat inzwischen zugesagt, 500.000 Dosen seines eigenen Impfstoffs zu spenden, erste Lieferungen sind bereits angekommen. 100.000 weitere Dosen sollen über COVAX (COVID-19 Vaccines Global Access) verteilt werden. Weitere Gespräche über Spenden laufen mit China (BAMF 8.2.2021; vgl. RFE/RL 23.2.2021a).
Die Taliban erlauben den Zugang für medizinische Helfer in Gebieten unter ihrer Kontrolle im Zusammenhang mit dem Kampf gegen COVID-19 (NH 3.6.2020; vgl. Guardian 2.5.2020) und gaben im Januar 2020 ihre Unterstützung für eine COVID-19-Impfkampagne in Afghanistan bekannt, die vom COVAX-Programm der Weltgesundheitsorganisation mit 112 Millionen Dollar unterstützt wird. NachAngaben des Taliban-Sprechers Zabihullah Mudschahid würde die Gruppe die über Gesundheitszentren durchgeführte Impfaktion „unterstützen und erleichtern“ (REU 26.1.2021; vgl. ABC News 27.1.2021, ArN 27.1.2021), wenn der Impfstoff in Abstimmung mit ihrer Gesundheitskommission und in Übereinstimmung mit deren Grundsätzen eingesetzt wird (NH 7.4.2021). Offizielle Stellen glauben, dass die Aufständischen die Impfteams nicht angreifen würden, da sie nicht von Tür zu Tür gehen würden (REU 26.1.2021; vgl. ABC News 27.1.2021, ArN 27.1.2021).
Bei der Bekanntgabe der Finanzierung sagte ein afghanischer Gesundheitsbeamter, dass das COVAX-Programm 20% der 38 Millionen Einwohner des Landes abdecken würde (REU 26.1.2021; vgl. ABC News 27.1.2021, ArN 27.1.2021, IOM 18.3.2021). Das Gesundheitsministerium plant 2.200 Einrichtungen im ganzen Land, um Impfstoffe zu verabreichen, und die Zusammenarbeit mit Hilfsorganisationen, die in Taliban-Gebieten arbeiten (NH 7.4.2021). Die Weltbank und die asiatische Entwicklungsbank gaben laut einer Sprecherin des afghanischen Gesundheitsministeriums an, dass sie bis Ende 2022 Impfstoffe für weitere 20% der Bevölkerung finanzieren würden (REU 26.1.2021; vgl. RFE/RL 23.2.2021a). Um dies zu erreichen, müssen sich die Gesundheitsbehörden sowohl auf lokale als auch internationale humanitäre Gruppen verlassen, die dorthin gehen, wo die Regierung nicht hinkommt (NH 7.4.2021).
Im Februar 2021 hat Afghanistan mit seiner COVID-19-Impfkampagne begonnen, bei der zunächst Mitglieder der Sicherheitskräfte, Mitarbeiter des Gesundheitswesens und Journalisten geimpft werden (RFE/RL 23.2.2021a). Die Regierung kündigte an, 60% der Bevölkerung zu impfen, als die ersten 500.000 Dosen COVID-19-Impfstoff aus Indien in Kabul eintrafen. Es wurde angekündigt, dass zuerst 150.000 Mitarbeiter des Gesundheitswesens geimpft werden sollten, gefolgt von Erwachsenen mit gesundheitlichen Problemen. Die Impfungen haben in Afghanistan am 23.2.2021 begonnen (IOM 18.3.2021). Wochen nach Beginn der ersten Phase der Einführung des Impfstoffs gegen COVID-19 zeigen sich in einige Distrikten die immensen Schwierigkeiten, die das Gesundheitspersonal, die Regierung und die Hilfsorganisationen überwinden müssen, um das gesamte Land zu erreichen, sobald die Impfstoffe in größerem Umfang verfügbar sind. Hilfsorganisationen sagen, dass 120 von Afghanistans rund 400 Distrikten mehr als ein Viertel - als „schwer erreichbar“ gelten, weil sie abgelegen sind, ein aktiver Konflikt herrscht oder mehrere bewaffnete Gruppen um die Kontrolle kämpfen. Ob eine Impfkampagne erfolgreich ist oder scheitert, hängt oft von den Beziehungen zu den lokalen Befehlshabern ab, die von Distrikt zu Distrikt sehr unterschiedlich sein können (NH 7.4.2021).
Mit Stand 2.6.2021 wurden insgesamt 626.290 Impfdosen verabreicht (WHO 4.6.2021; vgl UNOCHA 3.6.2021). Etwa 11% der Geimpften haben beide Dosen des COVID-19-Impfstoffs erhalten. Insgesamt gibt es nach wie vor große Bedenken hinsichtlich des gerechten Zugangs zu Impfstoffen für Afghanen, insbesondere für gefährdete Gruppen wie Binnenvertriebene, Rückkehrer und nomadische Bevölkerungsgruppen sowie Menschen, die in schwer zugänglichen Gebieten leben (UNOCHA 3.6.2021).
Gesundheitssystem und medizinische Versorgung
COVID-19-Patienten können in öffentlichen Krankenhäusern stationär diagnostiziert und behandelt werden (bis die Kapazitäten für COVID-Patienten ausgeschöpft sind). Staatlich geführte Krankenhäuser bieten eine kostenlose Grundversorgung im Zusammenhang mit COVID-19 an, darunter auch einen molekularbiologischen COVID-19-Test (PCR-Test). In den privaten Krankenhäusern, die von der Regierung autorisiert wurden, COVID-19-infizierte Patienten zu behandeln, werden die Leistungen in Rechnung gestellt. Ein PCR-Test auf COVID-19 kostet 3.500 Afghani (AFN) (IOM 18.3.2021).
Krankenhäuser und Kliniken haben nach wie vor Probleme bei der Aufrechterhaltung oder Erweiterung der Kapazität ihrer Einrichtungen zur Behandlung von Patienten mit COVID-19 sowie bei der Aufrechterhaltung wesentlicher Gesundheitsdienste, insbesondere in Gebieten mit aktiven Konflikten. Gesundheitseinrichtungen im ganzen Land berichten nach wie vor über Defizite bei persönlicher Schutzausrüstung, medizinischem Material und Geräten zur Behandlung von COVID-19 (USAID 12.1.2021; vgl. UNOCHA 3.6.2021, HRW 13.1.2021, AA 16.7.2020, WHO 8.2020). Bei etwa 8% der bestätigten COVID-19-Fälle handelt es sich um Mitarbeiter im Gesundheitswesen (BAMF 8.2.2021). Mit Mai 2021 wird vor allem von einem starken Mangel an Sauerstoff berichtet (TN 3.6.2021; vgl. TG 25.5.2021).
Während öffentliche Krankenhäuser im März 2021 weiterhin unter einem Mangel an ausreichenden Testkapazitäten für die gesamte Bevölkerung leiden, können stationäre Patienten während ihres Krankenhausaufenthalts kostenfreie PCR-Tests erhalten. Generell sind die Tests seit Februar 2021 leichter zugänglich geworden, da mehr Krankenhäuser von der Regierung die Genehmigung erhalten haben, COVID-19-Tests durchzuführen. In Kabul werden die Tests beispielsweise im Afghan-Japan Hospital, im Ali Jennah Hospital, im City Hospital, im AlfalahLabor oder in der deutschen Klinik durchgeführt (IOM 18.3.2021). Seit Mai 2021 sind 28 Labore in Afghanistan in Betrieb - mit Plänen zur Ausweitung auf mindestens ein Labor pro Provinz. Die nationalen Labore testen 7.500 Proben pro Tag. Die WHO berichtet, dass die Labore die Kapazität haben, bis zu 8.500 Proben zu testen, aber die geringe Nachfrage bedeutet, dass die Techniker derzeit reduzierte Arbeitszeiten haben (UNOCHA 3.6.2021).
In den 18 öffentlichen Krankenhäusern in Kabul gibt es insgesamt 180 Betten auf Intensivstationen. Die Provinzkrankenhäuser haben jeweils mindestens zehn Betten auf Intensivstationen. Private Krankenhäuser verfügen insgesamt über 8.000 Betten, davon wurden 800 für die Intensivpflege ausgerüstet. Sowohl in Kabul als auch in den Provinzen stehen für 10% der Betten auf der Intensivstation Beatmungsgeräte zur Verfügung. Das als Reaktion auf COVID-19 eingestellte Personal wurde zu Beginn der Pandemie von der Regierung und Organisationen geschult (IOM 23.9.2020). UNOCHA berichtet mit Verweis auf Quellen aus dem Gesundheitssektor, dass die niedrige Anzahl an Personen die Gesundheitseinrichtungen aufsuchen auch an der Angst der Menschen vor einer Ansteckung mit dem Virus geschuldet ist (UNOCHA 15.10.2020) wobei auch die Stigmatisierung, die mit einer Infizierung einhergeht, hierbei eine Rolle spielt (IOM 18.3.2021; vgl. UNOCHA 3.6.2021, UNOCHA 18.2.2021, USAID 12.1.2021).
Durch die COVID-19 Pandemie hat sich der Zugang der Bevölkerung zu medizinischer Behandlung verringert (AAN 1.1.2020). Dem IOM Afghanistan COVID-19 Protection Monitoring Report zufolge haben 53 % der Bevölkerung nach wie vor keinen realistischen Zugang zu Gesundheitsdiensten. Ferner berichteten 23 % der durch IOM Befragten, dass sie sich die gewünschten Präventivmaßnahmen, wie den Kauf von Gesichtsmasken, nicht leisten können. Etwa ein Drittel der befragten Rückkehrer berichtete, dass sie keinen Zugang zu Handwascheinrichtungen (30%) oder zu Seife/Desinfektionsmitteln (35%) haben (IOM 23.9.2020).
Sozioökonomische Auswirkungen und Arbeitsmarkt
COVID-19 trägt zu einem erheblichen Anstieg der akuten Ernährungsunsicherheit im ganzen Land bei (USAID 12.1.2021; vgl. UNOCHA 3.6.2021, UNOCHA 19.12.2020). Die kürzlich veröffentlichte IPC-Analyse schätzt, dass sich im April 2021 12,2 Millionen Menschen - mehr als ein Drittel der Bevölkerung - in einem Krisen- oder Notfall-Niveau der Ernährungsunsicherheit befinden (UNOCHA 3.6.2021; vgl. IPC 22.4.2021). In der ersten Hälfte des Jahres 2020 kam es zu einem deutlichen Anstieg der Lebensmittelpreise, die im April 2020 im Jahresvergleich um rund 17% stiegen, nachdem in den wichtigsten städtischen Zentren Grenzkontrollen und Lockdown-Maßnahmen eingeführt worden waren. Der Zugang zu Trinkwasser war jedoch nicht beeinträchtigt, da viele der Haushalte entweder über einen Brunnen im Haus verfügen oder Trinkwasser über einen zentralen Wasserverteilungskanal erhalten. Die Auswirkungen der Handelsunterbrechungen auf die Preise für grundlegende Haushaltsgüter haben bisher die Auswirkungen der niedrigeren Preise für wichtige Importe wie Öl deutlich überkompensiert. Die Preisanstiege scheinen seit April 2020 nach der Verteilung von Weizen aus strategischen Getreidereserven, der Durchsetzung von Anti-Preismanipulationsregelungen und der Wiederöffnung der Grenzen für Nahrungsmittelimporte nachgelassen zu haben (IOM 23.9.2020; vgl. WHO 7.2020), wobei gemäß dem WFP (World Food Program) zwischen März und November 2020 die Preise für einzelne Lebensmittel (Zucker, Öl, Reis…) um 18-31% gestiegen sind (UNOCHA 12.11.2020). Zusätzlich belastet die COVID-19-Krise mit einhergehender wirtschaftlicher Rezession die privaten Haushalte stark (AA 16.7.2020).
Die Lebensmittelpreise haben sich mit Stand März 2021 auf einem hohen Niveau stabilisiert: Nach Angaben des Ministeriums für Landwirtschaft, Bewässerung und Viehzucht waren die Preise für Weizenmehl von November bis Dezember 2020 stabil, blieben aber auf einem Niveau, das 11 %, über dem des Vorjahres und 27 % über dem Dreijahresdurchschnitt lag. Insgesamt blieben die Lebensmittelpreise auf den wichtigsten Märkten im Dezember 2020 überdurchschnittlich hoch, was hauptsächlich auf höhere Preise für importierte Lebensmittel zurückzuführen ist (IOM 18.3.2021).
Laut einem Bericht der Weltbank zeigen die verfügbaren Indikatoren Anzeichen für eine stark schrumpfende Wirtschaft in der ersten Hälfte des Jahres 2020, was die Auswirkungen der COVID-19-Krise im Kontext der anhaltenden Unsicherheit widerspiegelt. Die Auswirkungen von COVID-19 auf den Landwirtschaftssektor waren bisher gering. Bei günstigen Witterungsbedingungen während der Aussaat wird erwartet, dass sich die Weizenproduktion nach der Dürre von 2018 weiter erholen wird. Lockdown-Maßnahmen hatten bisher nur begrenzte Auswirkungen auf die landwirtschaftliche Produktion und blieben in ländlichen Gebieten nicht durchgesetzt. Die Produktion von Obst und Nüssen für die Verarbeitung und den Export wird jedoch durch Unterbrechung der Lieferketten und Schließung der Exportwege negativ beeinflusst (IOM 18.3.2021; vgl. WB 15.7.2020).
Es gibt keine offiziellen Regierungsstatistiken, die zeigen, wie der Arbeitsmarkt durch COVID-19 beeinflusst wurde bzw. wird. Es gibt jedoch Hinweise darauf, dass die COVID-19-Pandemie erhebliche negative Auswirkungen auf die wirtschaftliche Lage in Afghanistan hat, einschließlich des Arbeitsmarktes (IOM 23.9.2020; vgl. AA 16.7.2020). Die afghanische Regierung warnt davor, dass die Arbeitslosigkeit in Afghanistan um 40% steigen wird. Die Lockdown-Maßnahmen haben die bestehenden prekären Lebensgrundlagen in dem Maße verschärft, dass bis Juli 2020 84% der durch IOM-Befragten angaben, dass sie ohne Zugang zu außerhäuslicher Arbeit (im Falle einer Quarantäne) ihre grundlegenden Haushaltsbedürfnisse nicht länger als zwei Wochen erfüllen könnten; diese Zahl steigt auf 98% im Falle einer vierwöchigen Quarantäne (IOM 23.9.2020). Insgesamt ist die Situation vor allem für Tagelöhner sehr schwierig, da viele Wirtschaftssektoren von den Lockdown-Maßnahmen im Zusammenhang mit COVID-19 negativ betroffen sind (IOM 23.9.2020; vgl. Martin/Parto 11.2020).
Die wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen, die durch die COVID-19-Pandemie geschaffen wurden, haben auch die Risiken für vulnerable Familien erhöht, von denen viele bereits durch lang anhaltende Konflikte oder wiederkehrende Naturkatastrophen ihre begrenzten finanziellen, psychischen und sozialen Bewältigungskapazitäten aufgebraucht hatten (UNOCHA 19.12.2020).
Die tiefgreifenden und anhaltenden Auswirkungen der COVID-19-Krise auf die afghanische Wirtschaft bedeuten, dass die Armutsquoten für 2021 voraussichtlich hoch bleiben werden. Es wird erwartet, dass das BIP im Jahr 2021 um mehr als 5% geschrumpft sein wird (IWF). Bis Ende 2021 ist die Arbeitslosenquote in Afghanistan auf 37,9% gestiegen, gegenüber 23,9% im Jahr 2019 (IOM 18.3.2021).
Nach einer Einschätzung des Afghanistan Center for Excellence sind die am stärksten von der COVID-19-Krise betroffenen Sektoren die verarbeitende Industrie (Non-Food), das Kunsthandwerk und die Bekleidungsindustrie, die Agrar- und Lebensmittelverarbeitung, der Fitnessbereich und das Gesundheitswesen sowie die NGOs (IOM 18.3.2021).
Nach Erkenntnissen der WHO steht Afghanistan [Anm.: mit März 2021] vor einer schleppenden wirtschaftlichen Erholung inmitten anhaltender politischer Unsicherheiten und einem möglichen Rückgang der internationalen Hilfe. Das solide Wachstum in der Landwirtschaft hat die afghanische Wirtschaft teilweise gestützt, die im Jahr 2020 um etwa zwei Prozent schrumpfte, deutlich weniger als ursprünglich geschätzt. Schwer getroffen wurden aber der Dienstleistungs- und Industriesektor, wodurch sich die Arbeitslosigkeit in den Städten erhöhte. Aufgrund des schnellen Bevölkerungswachstums ist nicht zu erwarten, dass sich das Pro-Kopf-Einkommen bis 2025 wieder auf das Niveau von vor der COVID-19-Pandemie erholt (BAMF 12.4.2021).[…]
Bewegungsfreiheit
Im Zuge der COVID-19 Pandemie waren verschiedene Grenzübergänge und Straßen vorübergehend gesperrt (RFE/RL 21.8.2020; vgl. NYT 31.7.2020, IMPACCT 14.8.2020, UNOCHA 30.6.2020), wobei später alle Grenzübergänge geöffnet wurden (IOM 18.3.2021). Seit dem 29.4.2021 hat die iranische Regierung eine unbefristete Abriegelung mit Grenzschließungen verhängt (UNOCHA 3.6.2021; vgl. AnA 29.4.2021). Die Grenze bleibt nur für den kommerziellen Verkehr und die Bewegung von dokumentierten Staatsangehörigen, die nach Afghanistan zurückkehren, offen. Die Grenze zu Pakistan wurde am 20.5.2021 nach einer zweiwöchigen Abriegelung durch Pakistan wieder geöffnet (UNOCHA 3.6.2021).
Die internationalen Flughäfen in Kabul, Mazar-e Sharif, Kandarhar und Herat werden aktuell international wie auch national angeflogen und auch findet Flugverkehr zu nationalen Flughäfen statt (F 24 o.D.; vgl. IOM 18.3.2021). Derzeit verkehren Busse, Sammeltaxis und Flugzeuge zwischen den Provinzen und Städten. Die derzeitige Situation führt zu keiner Einschränkung der Bewegungsfreiheit (IOM 18.3.2021). IOM Österreich unterstützt auch derzeit Rückkehrer im Rahmen der freiwilligen Rückkehr und Teilnahme an Reintegrationsprogrammen. Neben der Reiseorganisation bietet IOM Österreich dabei Unterstützung bei der Ausreise am Flughafen Wien Schwechat an (STDOK 14.7.2020). Von 1.1.2020 bis 22.9.2020 wurden 70 Teilnahmen an dem Reintegrationsprojekt Restart III akzeptiert und sind 47 Personen freiwillig nach Afghanistan zurückgekehrt (IOM 23.9.2020). Mit Stand 18.3.2021 wurden insgesamt 105 Teilnahmen im Rahmen von Restart III akzeptiert und sind 86 Personen freiwillig nach Afghanistan zurückgekehrt (IOM 18.3.2021). Mit Stand 25.5.2021 ist das Projekt Restart III weiter aktiv und Teilnehmer melden sich (IOM AUT 25.5.2021).
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers, zur Staatsangehörigkeit, zum Alter, zur Abstammung aus der Provinz Parwan sowie zur Volksgruppenzugehörigkeit, Religion und Sprachkenntnisse ergeben sich aus den Angaben des Beschwerdeführers im Verfahren vor dem BFA und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht sowie auf die Kenntnis und Verwendung der Sprache Dari in der mündlichen Verhandlung. Sowie darauf, dass er in der mündlichen Verhandlung einige Fragen auf Deutsch beantwortete. Die Identität des BF steht nicht fest. Bei der im Spruch genannten Identität handelt es sich um eine Verfahrensidentität.
Die Feststellung, dass der BF mit seiner Familie Afghanistan verließ, bis zu seinem siebten Lebensjahr dort lebte und in der Folge nach Kabul zog, beruht auf seinen diesbezüglich plausiblen sowie nachvollziehbaren Angaben beim BFA sowie im Zug der mündlichen Verhandlung.
Dass der BF keine Schulbildung hat, Analphabet ist und über verschiedenste Arbeitserfahrung verfügt, gründet ebenfalls auf seine Angaben dazu beim BFA und bei der mündlichen Verhandlung, die im Wesentlichen gleichbleibend sowie nachvollziehbar waren.
Die Feststellung zur Zusammensetzung der Kernfamilie des Beschwerdeführers beruht auf seinen gleichbleibenden Angaben dazu bei der Polizei, beim BFA sowie während der mündlichen Verhandlung. Dass ein Bruder verstorben ist, beruht auf seinen Angaben. Es war allerdings nicht möglich festzustellen, wann dieser gestorben ist, da der Beschwerdeführer diesbezüglich unterschiedliche Angaben machte. Die Beeinträchtigung des Vaters ergibt sich, wie auch die Feststellung zu den weiteren Verwandten, deren Verbleib und des nicht mehr bestehenden Kontaktes, ebenfalls aus den diesbezüglichen plausiblen sowie nachvollziehbaren Angaben des BF beim BFA und in der mündlichen Verhandlung.
Dass der BF Vater eines Sohnes ist, dieser derzeit bei Pflegeeltern lebt sowie dass er keinen regelmäßigen Kontakt zu diesem und dessen Mutter hat, gründet auf seinen substantiierten sowie plausiblen Angaben dazu im Rahmen der mündlichen Verhandlung. Er beantwortete die ihm diesbezüglich gestellten Fragen ausführlich und konkret.
Die Feststellungen zum Aufenthalt des BF im Bundesgebiet ergeben sich aus dem Verwaltungsakt.
Der Gesundheitszustand (Diagnose und Behandlung) des BF war auf Basis seiner Angaben vor der belangten Behörde und während der mündlichen Verhandlung sowie aufgrund der im Laufe des Verfahrens vorgelegten medizinischen Unterlagen des BF (Kurzarztbrief, Arztbriefe, Ambulanzbefunde, Notfallambulanzbefund und vorläufiger Entlassungsbrief des Kepler Universitätsklinikums) sowie einer psychologischen Stellungnahme und eines psychiatrisch-neurologischen Befunds und Gutachten festzustellen. Aus dem vorliegenden Akteninhalt und seinem Aussageverhalten ergab sich kein Hinweis für das Vorliegen schwerwiegender Erkrankungen. Seine Arbeitsfähigkeit ergibt sich aus seinem Alter und seinem Gesundheitszustand im Verfahren vor dem BFA sowie dem BVwG.
Die strafgerichtliche Verurteilung durch das Landesgericht Linz ergibt sich aus dem Strafregisterauszug vom 14.12.2020. Dass sich der BF derzeit in Untersuchungshaft befindet und gegen ihn Anklage erhoben wurde, geht aus den diesbezüglichen Verst