TE Vwgh Erkenntnis 1997/2/14 95/19/0629

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Veröffentlicht am 14.02.1997
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §3 Abs1;
AufG 1992 §3 Abs5;
VwRallg;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 96/19/0630 96/19/0631 Serie (erledigt im gleichen Sinn): 96/19/1960 E 3. April 1998 96/19/2490 E 12. September 1997 96/19/2491 E 12. September 1997

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens,

Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Böheimer, über die Beschwerde

1.)

der 1970 geborenen BZ, 2.) des 1989 geborenen WA und

3.)

des 1989 geborenen MA, sämtliche in Pakistan, der Zweit- und der Drittbeschwerdeführer vertreten durch die Erstbeschwerdeführerin, diese vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres je vom 28. Juni 1995, 1.) Zl. 112.925/4-III/11/95,

              2.)              Zl. 112.925/6-III/11/95 und 3.) Zl. 112.925/5-III/11/95, sämtliche betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesministerium für Inneres) hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von jeweils S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit den im Instanzenzug ergangenen Bescheiden des Bundesministers für Inneres vom 28. Juni 1995 wurden die Anträge der Beschwerdeführer auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 3 Abs. 5 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde in den angefochtenen Bescheiden im wesentlichen gleichlautend aus, sofern voraussichtlich die Zahl der Anträge nach § 3 Abs. 1 Z. 2 AufG die festgelegte Anzahl von Bewilligungen (§ 2 Abs. 3 Z. 3 leg. cit.) übersteigen werde, seien gemäß § 3 Abs. 5 AufG solche Bewilligungswerber bevorzugt zu berücksichtigen, denen aufgrund persönlicher Umstände eine sofortige Integration möglich oder bei denen eine Familienzusammenführung besonders dringlich sei. Die Erstbeschwerdeführerin sei seit 11. März 1988 mit einem Fremden, dem Vater des Zweit- und des Drittbeschwerdeführers, verheiratet, welcher seit Juli 1990 in Österreich aufhältig sei. Im Falle der Beschwerdeführer sei die angestrebte Familienzusammenführung nicht besonders dringlich, zumal die Trennung ohnedies bereits lange andauere. Nach bisheriger Erfahrung würden wesentlich mehr Erstanträge mit dem Aufenthaltszweck Familienzusammenführung gestellt als Quotenplätze vorhanden seien. Es seien daher jene Fälle bevorzugt zu behandeln, die im § 3 Abs. 5 AufG angeführt seien. Durch den Aufenthalt ihres Gatten bzw. Vaters bestünden unabsprechbare private und familiäre Beziehungen der Beschwerdeführer in Österreich. Ein Eingriff in deren Privat- und Familienleben liege im Hinblick auf die langjährige Trennung von dem in Österreich lebenden Familienmitglied jedoch nicht vor.

Gegen diese Bescheide richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, sie aus diesen Gründen aufzuheben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Hinblick auf das Datum der Zustellung der angefochtenen Bescheide (6. Juli 1995) hatte die belangte Behörde die Rechtslage nach Inkrafttreten der AufG-Novelle 1995, BGBl. Nr. 351/1995, anzuwenden.

§ 3 Abs. 1 und 5 sowie § 9 Abs. 3 AufG in dieser Fassung lauten:

"§ 3. (1) Ehelichen und außerehelichen minderjährigen Kindern und Ehegatten

1.

von österreichischen Staatsbürgern oder

2.

von Fremden, die aufgrund einer Bewilligung, eines vor dem 1. Juli 1993 ausgestellten Sichtvermerks oder sonst gemäß § 1 Abs. 3 Z 1 bis 5 rechtmäßig seit mehr als zwei Jahren ihren Hauptwohnsitz in Österreich haben,

ist nach Maßgabe des § 2 Abs. 3 Z 3 und 4 eine Bewilligung zu erteilen, sofern kein Ausschließungsgrund (§ 5 Abs. 1) vorliegt.

...

(5) Übersteigt die Zahl der Anträge nach Abs. 1 Z 2 voraussichtlich die festgelegte Zahl von Bewilligungen (§ 2 Abs. 3 Z 3), so sind Bewilligungswerber bevorzugt zu berücksichtigen, denen aufgrund persönlicher Umstände eine sofortige Integration möglich ist oder bei denen eine Familienzusammenführung besonders dringlich ist.

§ 9. (1) ...

(2) ...

(3) Sobald die gemäß § 2 Abs. 1 festgelegte Anzahl von Bewilligungen für eine in der Verordnung bestimmte Gruppe erreicht ist, dürfen für solche Personen keine weiteren Bewilligungen erteilt werden. Die Entscheidung über die zu diesem Zeitpunkt anhängigen und danach einlangenden Anträge ist bis zum Inkrafttreten einer nachfolgenden Verordnung gemäß § 2 aufzuschieben, die für solche Personen eine neue Zahl von Bewilligungen vorsieht. § 73 AVG und § 27 VwGG ist in diesem Fall nicht anwendbar."

§ 3 Abs. 5 AufG wurde durch die Novelle BGBl. Nr. 351/1995 geschaffen. § 9 Abs. 3 AufG lautete in seiner Fassung VOR Inkrafttreten dieser Novelle wie folgt:

"(3) Sobald die gemäß § 2 Abs. 1 festgelegte Anzahl erreicht ist, dürfen keine weiteren Bewilligungen erteilt werden. Die Entscheidung über anhängige Anträge gemäß § 3 ist auf das folgende Jahr zu verschieben; andere anhängige Anträge sind abzuweisen."

In den Erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage zur Neufassung des § 3 AufG durch die in Rede stehende Novelle (125 BlgNR 19. GP) heißt es auszugsweise:

"Abs. 5 greift einen von Länderseite geäußerten Wunsch nach der Möglichkeit von Prioritätensetzungen beim Familiennachzug auf: Danach sollten im Fall der Notwendigkeit der Bewirtschaftung einer Quote beispielsweise Personen, die die Sprache bereits beherrschen, Kleinkinder, Familienangehörige besonders lange in Österreich lebender Personen oder der Nachzug des letzten noch im Ausland lebenden Familienmitgliedes Vorrang genießen."

In den genannten Erläuternden Bemerkungen wird die Neufassung des § 9 Abs. 3 AufG durch diese Novelle wie folgt begründet:

"Angesichts der Differenzierung der Quote in § 2 bedarf die Regelung der Quotenausschöpfung einer legistischen Anpassung.

Die Neuregelung des Verfahrens im Fall der Quotenausschöpfung steht in engem Zusammenhang mit den Neuregelungen bei verspäteter Antragstellung und bei der Anrechnung auf die Quote. Es ist infolge dieser Regelungen praktisch nicht mehr mit "unechten Erstanträgen" zu rechnen, sodaß sich § 9 Abs. 3 nur mehr auf Fälle tatsächlicher Neuzuwanderung bezieht.

Hier ist in verwaltungsökonomischer Hinsicht schon im Interesse der Rechtsklarheit für rechtmäßig in Österreich befindliche Fremde darauf zu achten, daß der vermeidbare Verwaltungsaufwand auch tatsächlich vermieden wird. Die Entwicklung des Umfangs der Berufungen gegen aufenthaltsrechtliche Bescheide der ersten Instanz wies ab Mitte 1994 eine ständig steigende Tendenz auf. Gegen Jahresende erreichte sie einen Durchschnitt von mehr als 600 Berufungen pro Woche. Ein großer Teil davon waren Fälle, in denen der Antrag wegen Ausschöpfung der Quote abgewiesen werden mußte und auch die Berufung zu keinem anderen Ergebnis führen konnte. Diese Zahlen werden sich angesichts des großen Kreises von Parteien mit Aufenthalt in Österreich und einer nicht eingrenzbaren Zahl von Parteien im Ausland auch nicht verringern.

Dieser tatsächlichen Entwicklung war nun Rechnung zu tragen. Andererseits war aber auch eine Lösung zu finden, die den Parteien im Fall der Quotenerschöpfung eine Neuantragstellung nach der Festlegung einer neuen Quote erspart. Eine neuerliche Antragstellung ist für die Partei mit Kosten verbunden, die vermieden werden können, wenn ein mangels Quote nicht zu bewilligender Antrag gewissermaßen für die nächste Quote aufrecht bleibt.

Es wurde daher die vorliegende Lösung getroffen, die beiden Aspekten Rechnung trägt und auch den gegen die im Begutachtungsentwurf enthaltene Alternative vorgebrachten Bedenken folgt."

Dem Wortlaut des § 3 Abs. 5 AufG ist - im Gegensatz zu jenem des § 9 Abs. 3 zweiter Satz AufG aF - keine Anordnung zu entnehmen, wonach Anträge von Bewilligungswerbern, welche nicht im Rahmen des § 3 Abs. 5 AufG bevorzugt zu berücksichtigen sind, abzuweisen wären. § 9 Abs. 3 AufG sieht ohne jeden Zweifel vor, daß nach Erschöpfung der Quote (somit auch einer gemäß § 2 Abs. 3 Z. 3 AufG festgelegten) eine Abweisung eines auf § 3 Abs. 1 AufG gestützten anhängigen Antrages unzulässig ist. Fraglich ist jedoch, was mit Anträgen nach § 3 Abs. 1 AufG zu geschehen hat, wenn die Quote zwar offen, jedoch absehbar ist, daß ein bestimmter Fremder im Rahmen dieser offenen Quote nicht zu berücksichtigen sein wird. Dies kann in Ansehung von Anträgen nach § 3 Abs. 1 AufG bei Vorhandensein anderer, dringlicherer Anträge im Sinne des § 3 Abs. 5 AufG der Fall sein.

Ginge man davon aus, daß in einem solchen Fall - bei offener Quote - eine abweisliche Entscheidung zu erfolgen hätte, hätte dies zur Konsequenz, daß nach Erlassung der jeweiligen Quotenverordnung grundsätzlich sämtliche anhängigen Anträge nach § 3 Abs. 1 AufG zu entscheiden wären und der Bestimmung des § 9 Abs. 3 AufG lediglich für nach Erschöpfung der Quote einlangende Anträge und für solche, die - entgegen diesem gedachten Grundsatz - bis dahin nicht entschieden wurden, Bedeutung zukäme.

Diese Interpretation erscheint jedoch unter Berücksichtigung der oben wiedergegebenen Erläuternden Bemerkungen zu § 9 Abs. 3 AufG nicht vertretbar. Man gelangte damit in den Wertungswiderspruch, daß der früher gestellte Antrag, bei dem erst vorauszusehen wäre, daß er im Rahmen der für das betreffende Jahr festgelegten Quote nicht zum Zug kommen werde, abzuweisen wäre, während ein später gestellter Antrag, bei dem schon sicher ist, daß er infolge der bereits eingetretenen Erschöpfung der Quote im jeweiligen Jahr nicht zur Behandlung gelangt, aufrecht und die Entscheidung hierüber aufgeschoben bliebe.

Daraus, daß die in § 3 Abs. 5 letzter Halbsatz AufG näher umschriebenen Fälle besonderer Dringlichkeit bevorzugt zu berücksichtigen sind, darf daher nicht geschlossen werden, in den übrigen Fällen des § 3 Abs. 1 leg. cit. seien die Anträge wegen mangelnder besonderer Dringlichkeit abzuweisen. Mit diesem Gesichtspunkt allein läßt sich daher ein abweisender Bescheid nicht begründen.

Es besteht somit keine Veranlassung, der Bestimmung des § 3 Abs. 5 AufG entgegen ihrem ausdrücklichem Wortlaut die Bedeutung eines Abweisungsgrundes für einen auf § 3 Abs. 1 AufG gestützten Anspruch beizumessen.

Indem die belangte Behörde diese Rechtslage verkannte, belastete sie ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, sodaß dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere auf § 52 Abs. 1 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Da mit der gegenständlichen Beschwerde die Aufhebung dreier Bescheide beantragt wird, waren pro Ausfertigung derselben aus dem Grunde des § 12 Abs. 1 GebG S 360,--, insgesamt sohin S 720,-- an Eingabengebühr beizubringen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Februar 1984, Zl. 83/15/0124). Daher steht jedem der Beschwerdeführer der Ersatz von S 240,-- an Eingabengebühr zu. Dazu kommen je S 30,-- an Beilagengebühr.

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995190629.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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