TE Vwgh Erkenntnis 1997/2/14 95/19/0457

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Veröffentlicht am 14.02.1997
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §5 Abs1;
FrG 1993 §10 Abs1 Z2;

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn): 95/19/0460 E 25. April 1997

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Bachler, Dr. Zens, Dr. Bayjones und Dr. Schick als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Böheimer, über die Beschwerden 1.) der G, und 2.) der P, beide in W, die Zweitbeschwerdeführerin vertreten durch die Erstbeschwerdeführerin, diese vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres je vom 3. Mai 1995,

1.) Zl. 108.678/3-III/11/94, und 2.) Zl. 108.678/5-III/11/94, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesministerium für Inneres) hat der Erstbeschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.800,-- und der Zweitbeschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.830,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit den im Instanzenzug ergangenen Bescheiden des Bundesministers für Inneres je vom 3. Mai 1995 wurden die Anträge der Beschwerdeführerinnen vom 13. September 1993 auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung jeweils gemäß § 5 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz (AufG) abgewiesen.

Die belangte Behörde begründete die beiden Bescheide gleichlautend damit, daß die Erstbeschwerdeführerin über ein monatliches Nettoeinkommen von S 14.500,-- verfüge. Mit diesem Einkommen habe sie den Lebensunterhalt für eine fünfköpfige Familie zu bestreiten. Der Sozialhilferichtsatz des Bundeslandes Niederösterreich für das Jahr 1995 für eine fünfköpfige Familie betrage S 12.315,--. Da den Beschwerdeführerinnen nach Abzug der monatlichen Mietkosten von S 5.000,-- nur noch S 9.500,-- zur Bestreitung des Lebensunterhaltes zur Verfügung stünden, erreichten sie den Sozialhilferichtsatz nicht und es könne daher nicht von einem gesicherten Lebensunterhalt ausgegangen werden.

Zu den persönlichen Verhältnissen sei zu sagen, daß durch den Aufenthalt der Familie im Bundesgebiet unabsprechbare private und familiäre Beziehungen zu Österreich bestünden. Ein Eingriff in das Privat- und Familienleben scheine nicht vorzuliegen, da die Familie über keine Aufenthaltsberechtigung gemäß § 15 Fremdengesetz (FrG) verfüge. Ein Eingriff in die durch Art. 8 MRK geschützte Rechtssphäre sei daher ausgeschlossen.

In den dagegen erhobenen Beschwerden bekämpfen die Beschwerdeführerinnen sowohl die Berechnung der für den Lebensunterhalt verfügbaren Mittel als auch die Abwägung im Hinblick auf Art. 8 MRK. Zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung habe zwar nur das Arbeitsverhältnis zur Firma M Ges.m.b.H. (Cafe W) bestanden, woraus die Erstbeschwerdeführerin ein monatliches Nettoeinkommen von S 14.500,-- ohne Urlaubs- und Weihnachtsremuneration ins Verdienen gebracht habe; es sei neben den drei Kindern der Erstbeschwerdeführerin auch deren Mutter bei ihr wohnhaft gewesen, sodaß die Berechnung des Sozialhilferichtsatzes für das Bundesland Niederösterreich von S 12.315,-- durch die belangte Behörde nicht unrichtig gewesen sei, jedoch habe die belangte Behörde die Urlaubs- und Weihnachtsremuneration nicht berücksichtigt. Bei deren Berücksichtigung ergebe sich das tatsächliche monatliche Einkommen der Erstbeschwerdeführerin bei vereinfachter Berechnung von S 14.500,-- x 14 : 12 mit S 16.916,66. Die Urlaubs- und Weihnachtsremuneration sei jedoch wesentlich günstiger besteuert als das normale Monatsgehalt, weshalb unter Miteinbeziehung der günstigeren Besteuerung von einem Monatsgehalt von jedenfalls über S 17.500,-- auszugehen sei. Abzüglich monatlicher Mietkosten in Höhe von S 5.000,-- liege das Familieneinkommen zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung jedenfalls über S 12.315,--. Würde man auch noch die Möglichkeit der Erstbeschwerdeführerin auf Durchführung eines Lohnsteuerausgleiches (Alleinverdienerabsetzbetrag etc.) mitberücksichtigen und die sodann zurückzuerstattende Lohnsteuer dem monatlichen Anteil zumessen, so ergäbe sich ein monatliches Einkommen von netto jedenfalls über S 18.000,-- für die Erstbeschwerdeführerin.

Die belangte Behörde erstattete hiezu eine Äußerung vom 26. Februar 1996, in welcher sie zur Berechnung des Familieneinkommens ausführte:

"Durch den Gesetzgeber ist in § 5 Abs. 1 AufG normiert, daß eine Aufenthaltsbewilligung nur erteilt werden darf, wenn ein gesicherter Lebensunterhalt vorliegt. Dieser Diktion ist von den befaßten Behörden ein Mindestlimit für die Einkunftshöhe der Antragsteller in Form der Sozialhilferichtsätze des jeweiligen Bundeslandes zugeordnet worden. Die Niederösterreichische Landesregierung hat mit Verordnung mit Wirksamkeit vom 1.1.1995, LGBl. 9200/1, festgelegt, daß die monatliche Geldleistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes für Alleinstehende S 5.729,--, für Haushaltsvorstände S 5.032,-- und für Haushaltsangehörige ohne Anspruch auf Familienbeihilfe S 2.618,-- beträgt.

Die Berechnungsbasis für das Familieneinkommen der Beschwerdeführer ergibt unter Berücksichtigung dieser Systematik folgendes:

         1 Haushaltsvorstand...............S  5.032,--

         1 Haushaltsangehöriger o.A........S  2.618,--

         3 Haushaltsangehörige mit A.......S  4.665,--

                 Gesamt                    S 12.315,--

Von diesem monatlichen Mindesteinkommen wurde von der belangten Behörde das Mietaufkommen von S 5.000,-- (gerundet) subtrahiert (Zwischensumme S 7.315,--) und die Sonderzahlungen des 13. und 14. Monatsgehalts der Familienerhalterin einbezogen. Somit wurde von der belangten Behörde ein Endbetrag von S 9.500,-- für den fünfköpfigen Haushalt als zur Verfügung stehendes Monatseinkommen zur Deckung des Lebensunterhaltes im Sinne des § 5 Abs. 1 AufG der Beschwerdeführer ermittelt."

Die belangte Behörde legte nach Einleitung des Vorverfahrens trotz erfolgter Betreibung der Aktenvorlage nicht die den angefochtenen Bescheiden zugrundeliegenden Verwaltungsakten vor, sondern Verwaltungsakten, welche aus Anlaß (neuerlicher) Anträge der Beschwerdeführerinnen vom 7. September 1995 angelegt wurden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Verbindung der Beschwerden aufgrund ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung erwogen:

Da die belangte Behörde sowohl anläßlich der Aufforderung zur Aktenvorlage vom 22. April 1996 als auch in der Betreibung der Aktenvorlage vom 11. November 1996 (letztere zugestellt am 25. November 1996) auf die Bestimmungen des § 38 Abs. 2 und 3 VwGG hingewiesen wurde, erkennt der Verwaltungsgerichtshof nunmehr gemäß § 38 Abs. 2 VwGG aufgrund der Behauptung der Beschwerdeführerinnen.

Die in den Beschwerden über die bereits wiedergegebenen Ausführungen hinaus enthaltene Behauptung, die Erstbeschwerdeführerin habe NACH ERLASSUNG DER ANGEFOCHTENEN BESCHEIDE eine weitere Beschäftigung angenommen und ihre Mutter sei nach Polen ausgereist, sind schon aus dem Grund irrelevant, weil es allein auf die Tatsachen- und Rechtslage im Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Bescheide ankommt.

Dennoch ist den Beschwerden Erfolg beschieden.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung erkennt, sind sämtliche Ressourcen des privaten und des öffentlichen Rechtes, die einer Verwertung für die Bestreitung des Lebensunterhaltes zugänglich sind - mit Ausnahme jener, die aus der Fürsorge erfließen könnten - in die Berechnung der Gesamteinkünfte, welche zur Sicherung des Lebensunterhaltes zur Verfügung stehen, einzubeziehen. Dies trifft auch auf Einkünfte zu, welche etwa durch eigene Arbeit erwirtschaftet werden oder auf die ein Rechtsanspruch besteht (vgl. zB. die

hg. Erkenntnisse vom 10. Februar 1994, Zl. 93/18/0549, und vom 3. Oktober 1996, Zlen. 95/19/0104, 0106 und 0107). Daher sind auch Sonderzahlungen, wie das Urlaubs- und Weihnachtsgeld, zur Sicherung des laufenden Lebensunterhaltes verfügbare eigene Mittel (vgl. zB. die hg. Erkenntnisse vom 20. März 1996, Zl. 95/21/0482, und vom 26. September 1996, Zl. 95/19/0489). Die belangte Behörde gibt in ihrer Äußerung vom 26. Februar 1996 auch vor, bei ihrer Berechnung die Sonderzahlungen des 13. und 14. Monatsgehaltes der Erstbeschwerdeführerin einbezogen zu haben. Die in der genannten Äußerung diesbezüglich angestellte Berechnung ist jedoch mit einem Denkfehler behaftet. Denn die belangte Behörde hat ihre Berechnung der Summe, welche der Familie der Erstbeschwerdeführerin zur Sicherung des Lebensunterhaltes zur Verfügung steht, nicht ausgehend vom monatlichen Nettoeinkommen zuzüglich anteiliger Sonderzahlungen vorgenommen, von denen die tatsächlich geleistete Miete von S 5.000,-- abgerechnet worden wäre, vielmehr wurde die Miete statt von diesem zur Verfügung stehenden Einkommen von dem nach dem Niederösterreichischen Sozialhilferichtsatz für die Familie der Erstbeschwerdeführerin (als Maßstab für den gesicherten Lebensunterhalt) heranzuziehenden Betrag von S 12.315,-- abgezogen. (Abgesehen davon wäre auch in diesem Falle die Summe von S 9.500,-- rein rechnerisch falsch.) Die Berechnung der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid ist - im Gegensatz zur Berechnung in der Äußerung vom 26. Februar 1996 - nur dann (auch rechnerisch) nachvollziehbar, wenn die belangte Behörde vom monatlichen Nettoeinkommen von S 14.500,-- als Berechnungsgrundlage ausging, ohne die Sonderzahlungen berücksichtigt zu haben.

Die von den Beschwerdeführerinnen angestellte Rechnung ist hingegen nachvollziehbar und richtig. Selbst bei Nichtberücksichtigung der gemäß § 67 EStG 1988 günstigeren Besteuerung von Urlaubs- und Weihnachtsremunerationen - weshalb das von diesen sonstigen Bezügen verbleibende Nettoeinkommen höher ist als zwei Monatsbezüge nach Abzug der Tarifsteuer - wäre sohin von einem zur Verfügung stehenden Familieneinkommen (ohne Hinzurechnung der Familienbeihilfe) von S 11.916,-- auszugehen, welches dem korrespondierenden Sozialhilferichtsatz (für die Kinder daher der Richtsatz für Haushaltsangehörige mit Anspruch auf Familienbeihilfe, das ist je S 1.555,--) von S 12.315,-- gegenüberzustellen ist.

Die Heranziehung des Maßstabes des Sozialhilferechtes des betreffenden Bundeslandes zur Beurteilung der Frage des gesicherten Unterhaltes für die Geltungsdauer der angestrebten Bewilligung im Sinne des § 5 Abs. 1 AufG begegnet keinen Bedenken (vgl. zB. das hg. Erkenntnis vom 9. November 1995, Zl. 95/18/0828). Bei einer derart geringfügigen Unterschreitung des als Orientierungshilfe heranzuziehenden Richtsatzes, wie sie im konkreten Fall bei Nichtberücksichtigung der günstigeren Besteuerung der Urlaubs- und Weihnachtsremuneration gegeben wäre, kann ohne weitere Ermittlungen bzw. nähere Begründung nicht von einem nicht gesicherten Lebensunterhalt der Beschwerdeführerinnen ausgegangen werden. Die belangte Behörde hat offenbar aufgrund ihrer dem Bescheid zugrundeliegenden unrichtigen Rechtsansicht, die Sonderzahlungen nicht in die Berechnung des verfügbaren Einkommens miteinbeziehen zu müssen, solche Ermittlungen bzw. Ausführungen in der Begründung unterlassen und damit die angefochtenen Bescheide mit einem sogenannten sekundären Verfahrensmangel belastet.

Bereits deshalb erweisen sich die angefochtenen Bescheide als mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben waren.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Das jeweilige Mehrbegehren hinsichtlich der Umsatzsteuer war abzuweisen, weil neben dem Ersatz des pauschalierten Schriftsatzaufwandes ein Kostenersatz unter dem Titel der Umsatzsteuer nicht zusteht (vgl. Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, 686). Das jeweilige Mehrbegehren hinsichtlich des Stempelgebührenersatzes war abzuweisen, weil nach dem Gesetz lediglich die Einbringung zweier Ausfertigungen der Beschwerde sowie die Vorlage der angefochtenen Bescheide in nur einfacher Ausfertigung notwendig gewesen wäre. Von den Beilagen dienten nur die Mitteilung über den Bezug von Familienbeihilfe, bei der Zweitbeschwerdeführerin darüber hinaus die sie selbst betreffende Schulbesuchsbestätigung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung, indem sie zur Klärung der Sachlage im Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Bescheide beitrugen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995190457.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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