TE Bvwg Erkenntnis 2021/7/23 W250 2161901-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.07.2021
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Entscheidungsdatum

23.07.2021

Norm

BFA-VG §22a Abs1
B-VG Art133 Abs4
Dublin III-VO Art28
FPG §76
VwGVG §35
VwGVG §35 Abs2

Spruch


W250 2161901-1/18E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Michael BIEDERMANN als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX alias XXXX , geb. XXXX , StA. Nigeria, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.06.2017, Zl. XXXX , zu Recht:

A)

I. Der Beschwerde wird stattgegeben, der Schubhaftbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.06.2017, Zl. XXXX , sowie die Anhaltung in Schubhaft von 15.06.2017 bis 27.06.2017 für rechtswidrig erklärt.

II. Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in Höhe von EUR 737,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

III. Der Antrag der Behörde auf Kostenersatz wird gemäß § 35 Abs. 2 VwGVG abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Nigerias, stellte am 01.11.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Eine EURODAC-Abfrage ergab zwei Treffer in Italien vom 19.09.2015 und 23.09.2015. Im eingeleiteten Konsultationsverfahren nach den Bestimmungen der Verordnung EU Nr. 604/2013 (Dublin-III-VO) stimmte Italien mit Zustimmungserklärung vom 30.12.2015 dem Aufnahmeersuchen gem. Art. 13 Abs. 1 Dublin-III-VO zu und teilte mit, dass der Beschwerdeführer in Italien unter einem anderen Namen um Asyl angesucht habe.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in weiterer Folge als Bundesamt bezeichnet) vom 15.02.2016 wurde der Antrag auf internationalen Schutz vom 01.11.2015 wegen Nichtzuständigkeit Österreichs gemäß § 5 Asylgesetz 2005 (AsylG) zurückgewiesen und festgestellt, dass Italien für das Asylverfahren zuständig ist. Gleichzeitig wurde eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Italien zulässig ist.

Die gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 04.05.2016 als unbegründet abgewiesen. Dieses Erkenntnis wurde den Verfahrensparteien am 11.05.2016 zugestellt.

2. Am 11.04.2016 wurde der Beschwerdeführer aus der Grundversorgung abgemeldet, da sein Aufenthaltsort unbekannt war, die Abmeldung von seinem Hauptwohnsitz ist am 18.05.2016 erfolgt. Weitere Meldungen nach dem Meldegesetz hat der Beschwerdeführer nicht vorgenommen.

Der Beschwerdeführer hat nach Zustellung des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts vom 04.05.2016 Österreich freiwillig in Richtung Italien verlassen und im Mai 2016 in Italien (erneut) einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

3. Am 10.05.2017 reiste der Beschwerdeführer abermals nach Österreich ein und stellte hier am 11.05.2017 wiederum einen Antrag auf internationalen Schutz. Nach seiner Erstbefragung am selben Tag verhängte das Bundesamt gegen ihn noch am selben Tag Schubhaft zum Zweck der Sicherung seiner Abschiebung. Dies wurde unter anderem damit begründet, dass seine Überstellung nach Italien unmittelbar bevorstehe.

4. Das vom Bundesamt an Italien gestellte Wiederaufnahmegesuch gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b der Verordnung EU Nr. 604/2013 (Dublin-III-VO) vom 04.05.2017 blieb innerhalb der Frist des Art. 25 Abs. 1 Dublin-III-VO unbeantwortet.

5. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 01.06.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 11.05.2017 gemäß § 5 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und festgestellt, dass Italien für die Prüfung dieses Antrages zuständig sei. Gleichzeitig wurde gegen den Beschwerdeführer eine Anordnung zur Außerlandesbringung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Italien zulässig ist. Der Bescheid wurde dem bereits in Schubhaft befindlichen Beschwerdeführer noch am 01.06.2017 zugestellt. Der Beschwerdeführer erklärte am selben Tag auf eine Beschwerde gegen diesen Bescheid zu verzichten und so schnell wie möglich nach Italien zurückkehren zu wollen.

6. Am 15.06.2017 hätte der Beschwerdeführer auf dem Luftweg via Mailand nach Italien überstellt werden sollen und wurde zum Flughafen gebracht. Dort wurde jedoch festgestellt, dass das Flugticket (irrtümlich) storniert worden war. Die Abschiebung konnte daher nicht vollzogen werden. Der Beschwerdeführer wurde gemäß § 40 Abs. 1 Z. 1 BFA-VG in Verbindung mit § 34 Abs. 3 Z 1 BFA-VG neuerlich festgenommen und in ein Polizeianhaltezentrum überstellt.

7. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 15.06.2017 wurde über den Beschwerdeführer erneut Schubhaft gemäß Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin III-VO iVm § 76 Abs. 2 Z 2 FPG zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet. Begründend wurde ausgeführt, dass sich der Beschwerdeführer illegal in Österreich aufhalte, er in Österreich noch nie einen ordentlichen Wohnsitz geführt habe und er derzeit keine Meldeadresse und keine Unterkunft in Österreich besitze, er illegal nach Österreich eingereist sei und kein gültiges Reisedokument besitze, er keiner Erwerbstätigkeit nachgehe und nicht über ausreichende Barmittel zur Finanzierung seines Unterhaltes verfüge, er bereits einmal seine Überstellung nach Italien verhindert habe und er in Österreich nicht integriert sei.

Es sei daher gemäß den Kriterien des § 76 Abs. 3 Z. 6 und 9 FPG von Fluchtgefahr auszugehen. Es stehe fest, dass der Beschwerdeführer bereits vor seiner Einreise nach Österreich in Italien einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt habe und dort aufhältig gewesen sei. Es sei daher begründet davon auszugehen, dass ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union für die Entscheidung über den Asylantrag des Beschwerdeführers zuständig sei.

Die Prüfung der Verhältnismäßigkeit ergebe im Fall des Beschwerdeführers, dass sein privates Interesse an der Schonung seiner persönlichen Freiheit dem Interesse des Staates am reibungslosen Funktionieren der öffentlichen Verwaltung hintanzustehen habe.

Da auf Grund der persönlichen Lebenssituation und auf Grund des bisherigen Verhaltens des Beschwerdeführers ein beträchtliches Risiko des Untertauchens bestehe, liege eine ultima-ratio-Situation vor, die die Anwendung eines gelinderen Mittels ausschließe. Auch wenn die Überstellung des Beschwerdeführers am 15.06.2017 aus nicht vom Beschwerdeführer zu vertretenden Gründen nicht erfolgt sei, liege weiterhin ein Sicherungsbedarf vor.

8. Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer am 19.06.2017 durch seine ausgewiesene Rechtsvertreterin Beschwerde erhoben und im Wesentlichen vorgebracht, dass keine erhebliche Fluchtgefahr vorliege. Der Beschwerdeführer sei ausreisewillig und habe aus diesem Grund sowohl auf eine Beschwerde gegen den Bescheid vom 01.06.2017 verzichtet als auch keine Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid vom 11.05.2017 eingebracht. Im nunmehr angefochtenen Bescheid vom 15.06.2017 mache die belangte Behörde insofern widersprüchliche Angaben, als sie zum einen angäbe, der Beschwerdeführer hätte am 08.04.2016 nach Italien überstellt werden sollen, sei jedoch an seiner Unterkunft nicht angetroffen worden. Zum anderen habe sich der Beschwerdeführer seit 15.02.2016 ohne Meldung im Bundesgebiet aufgehalten und sei davon auszugehen, dass er sich dem gelinderen Mittel entziehen werde, da er angegeben habe, dass er nicht nach Schweden wolle. Dies zeige, wie ungenau sich die belangte Behörde mit dem Fall auseinandergesetzt habe und die erforderliche Einzelfallprüfung nicht mit der gebotenen Sorgfalt durchgeführt habe. Die Argumentation der belangten Behörde, wonach der Beschwerdeführer noch nie über einen ordentlichen Wohnsitz verfügt habe, führe sie selbst ins Leere, da im Bescheid angeführt werde, dass der Beschwerdeführer im Verfahren im Jahr 2015/2016 Unterkunft genommen habe. Der Beschwerdeführer habe zwar die Möglichkeit, bei seiner Lebensgefährtin Unterkunft zu nehmen, habe diesen Umstand jedoch im Zuge seiner Einvernahme nicht angeführt, um seine Außerlandesbringung nicht zu verzögern. Nach seiner erneuten Einreise sei er von sich aus zum Bundesamt gegangen und habe einen neuen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Er habe sich somit aktiv an die österreichischen Behörden gewandt und habe seit seiner Wiedereinreise zu keinem Zeitpunkt versucht, sich vor den Behörden zu verstecken.

Die belangte Behörde habe nicht geprüft, ob erhebliche Fluchtgefahr vorliege. Verwiesen werde auch auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wonach Fremde Anspruch auf Unterbringung im Rahmen der Grundversorgung haben, solange diese nicht mit Bescheid entzogen worden sei. Es sei daher damit zu rechnen, dass der Beschwerdeführer wieder in die Grundversorgung aufgenommen worden wäre. Er wäre daher für die Behörden jedenfalls greifbar, weshalb sich die Schubhaft als nicht notwendig bzw. unverhältnismäßig erweise.

Bei Mittellosigkeit und fehlender sozialer Verankerung sowie der Nichtverfügbarkeit eines Reisedokumentes handle es sich um Umstände, die bei noch nicht lange in Österreich aufhältigen Asylwerbern typischerweise vorlägen und alleine noch keine tragfähigen Argumente für das Bestehen eines Sicherungsbedarfes seien.

Die belangte Behörde führe zwar an, es bestehe auf Grund der aufgezählten Umstände Fluchtgefahr, dabei sei die Behörde jedoch von einem falschen Maßstab ausgegangen, da in Dublin-Fällen erhebliche Fluchtgefahr erforderlich sei, die belangte Behörde jedoch mit keinem Wort geltend mache, aus welchem Verhalten des Beschwerdeführers erhebliche Fluchtgefahr abgeleitet werde. Der angefochtene Bescheid erweise sich daher aus diesem Grund als mangelhaft.

Es lägen keine besonderen Umstände vor und stehe die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft im Hinblick auf sein verfassungsrechtlich gewährleistetes Recht auf persönliche Freiheit außer Verhältnis. Dies insbesondere nach der nicht vollzogenen Überstellung des Beschwerdeführers nach Italien, wobei die Gründe nicht dem Beschwerdeführer anzurechnen seien.

Der Beschwerdeführer habe sich zwar vor Anordnung der Schubhaft nicht in Strafhaft befunden, doch sei die belangte Behörde verpflichtet gewesen, die Außerlandesbringung so zu organisieren, dass Schubhaft nach Möglichkeit unterbleiben könne. Hätte die belangte Behörde die Außerlandesbringung ordentlich organisiert, hätte eine weitere Anhaltung in Schubhaft unterbleiben können. Die Anhaltung in Schubhaft sei daher zumindest seit 15.06.2017 unverhältnismäßig. Selbst wenn man vom Vorliegen von Fluchtgefahr ausgehe, sei die belangte Behörde verpflichtet gewesen, ein gelinderes Mittel anzuwenden. Die Ausführungen in diesem Zusammenhang seien allgemein gehalten ohne auf den konkreten Sachverhalt einzugehen. Alleine der unrechtmäßige Aufenthalt rechtfertige noch nicht den Ausschluss eines gelinderen Mittels.

Die Anordnung von Schubhaft sei gemäß § 76 Abs. 4 FPG nur dann im Mandatsverfahren möglich, wenn sich der Fremde bei Einleitung des Verfahrens nicht bloß kurzfristig in Haft befindet. Genau das sei aber beim Beschwerdeführer der Fall. Der Beschwerdeführer habe sich über einen Zeitraum von einem Monat bis zur neuerlichen Anordnung der Schubhaft durchgehend in Schubhaft befunden. Während dieser Zeit sei es dem Bundesamt möglich gewesen, die Außerlandesbringung ordentlich zu organisieren. Es stehe damit fest, dass die Schubhaft im vorliegenden Fall zu Unrecht mit Mandatsbescheid angeordnet worden sei, die belangte Behörde sei verpflichtet gewesen, ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchzuführen. Die Schubhaft sei somit nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Weise angeordnet worden und erweise sich daher als rechtswidrig.

Der Beschwerdeführer beantragte eine mündliche Verhandlung unter Einvernahme des Beschwerdeführers zur Klärung des maßgeblichen Sachverhaltes durchzuführen, den angefochtenen Bescheid zu beheben und auszusprechen, dass die Anordnung von Schubhaft und die bisherige Anhaltung in Schubhaft in rechtswidriger Weise erfolgt sei, auszusprechen, dass die Voraussetzungen zur weiteren Anhaltung des BF nicht vorliegen und dem Bundesamt den Ersatz der Aufwendungen des Beschwerdeführers gemäß VwG-Aufwandersatzverordnung sowie der Kommissionsgebühren und Barauslagen, für die der Beschwerdeführer aufzukommen hat, aufzuerlegen.

9. Das Bundesamt legte am 20.06.2017 den Verwaltungsakt vor und erstattete eine Stellungnahme, aus der sich neben einer Wiederholung des bisherigen Verfahrensganges im Wesentlichen ergibt, dass der Beschwerdeführer in Österreich und Italien unter Angabe von unterschiedlichen Namen und Geburtsdaten Anträge auf internationalen Schutz gestellt habe. In Italien habe er zuletzt am 27.05.2016 und am 19.07.2016 Asylanträge gestellt. Auf Grund des vom Beschwerdeführer in Österreich am 11.05.2017 gestellten Asylantrages sei das Konsultationsverfahren mit Italien eingeleitet worden. Da Italien nicht geantwortet habe, sei Italien am 29.05.2017 auf die Verfristung hingewiesen worden, die Überstellungsfrist ende am 26.11.2017. Die Überstellung des Beschwerdeführers sei für 15.06.2017 geplant gewesen, habe jedoch auf Grund eines Buchungsfehlers mit der Luftlinie nicht durchgeführt werden können. Da die Anhaltung des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt des Verlassens des Polizei-Anhaltezentrums geendet habe, sei der Beschwerdeführer wieder festgenommen worden und es sei ein neuer Schubhaftbescheid erlassen worden. Die Schubhaft werde nicht als Standard-Maßnahme angewendet. Auf Grund des Verhaltens des Beschwerdeführers sei die Sicherungsmaßnahme gerechtfertigt. Auch die Anwendung eines gelinderen Mittels sei auf Grund der bevorstehenden Außerlandesbringung nicht verfahrenssichernd. Die Überstellung des Beschwerdeführers nach Italien sei für 27.06.2017 vorgesehen und ein Flug gebucht, weshalb von Verhältnismäßigkeit der Schubhaft auszugehen sei. Das Bundesamt beantragte die Beschwerde als unbegründet abzuweisen, festzustellen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlagen und den Beschwerdeführer zum Ersatz für den Vorlageaufwand und den Schriftsatzaufwand zu verpflichten.

10. Das Bundesverwaltungsgericht wies mit Erkenntnis vom 23.06.2017 die Beschwerde als unbegründet ab (Spruchpunkt A.I.) und stellte fest, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen (Spruchpunkt A.II). Der Antrag des Beschwerdeführers auf Kostenersatz wurde abgewiesen (Spruchpunkt A.III) und dem Beschwerdeführer aufgetragen dem Bund seine Aufwendungen binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen (Spruchpunkt A.IV). Der Antrag auf Ersatz der Eingabegebühren wurde als unzulässig zurückgewiesen (Spruchpunkt A.V). Die Revision wurde als nicht zulässig erklärt (Spruchpunkt B.).

11. Der Beschwerdeführer erhob vertreten durch einen Rechtsanwalt erkennbar nur gegen die Spruchpunkte A.I. bis A.IV des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes fristgerecht außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof und brachte vor, dass dieser insofern grundsätzliche Bedeutung zukomme, als Rechtsprechung des VwGH zu Art. 28 Abs. 3 Dublin-III-VO noch fehle. Darüber hinaus würden auch in mehrfacher Hinsicht Abweichungen zur bestehenden Rechtsprechung des VwGH insbesondere zu Art. 28 Abs. 2 Dublin III-VO iVm § 76 Abs. 2 Z 2 FPG vorliegen. Obwohl sowohl das Bundesamt als auch das Bundesverwaltungs-gericht davon ausgegangen seien, dass der Überstellungsversuch des Beschwerdeführers ohne dessen Verschulden scheiterte, seien sie von der Zulässigkeit einer neuerlichen Schubhaftanordnung ausgegangen. Zudem ergebe sich eindeutig, dass die Überstellungsfrist in Bezug auf die Schubhaftdauer nach der Dublin-III-VO im Ausmaß von 6 Wochen zum Zeitpunkt der Überstellung nach Italien abgelaufen sei. Das Bundeverwaltungsgericht scheine anzunehmen, dass die sechswöchige Überstellungsfrist durch eine neuerliche Schubhaftanordnung von Neuem zu laufen beginne. Rechtsprechung des VwGH zur Rechtsfrage, ob im Anschluss an den Ablauf der sechswöchigen Haftdauer nach Art. 28 Abs. 3 Dublin-III-VO neuerlich die Anordnung nach der Schubhaftbestimmung nach derselben Bestimmung zulässig ist, gibt es bisher nicht. Die Auslegung, dass in bestimmten Konstellationen die 6-Wochen-Frist mit der neuerlichen Verhängung der Schubhaft über den Betroffenen neu zu laufen beginne, widerspreche nicht nur dem eindeutigen Wortlaut des Art. 28 Abs. 3 Dublin-III-VO, sondern sei das Bundesverwaltungsgericht selbst auch gar nicht befugt gewesen, eine derartige Auslegung vorzunehmen. Vielmehr wäre das Bundesverwaltungsgericht gemäß Art. 267 I lit b AEUV verpflichtet gewesen, diese Frage dem EuGH vorzulegen.

Darüber hinaus habe der Beschwerdeführer seine Abschiebung weder verzögert noch verhindert, sondern sei die Abschiebung aufgrund eines „Buchungsfehlers mit der Luftlinie“ abgebrochen worden. Da den Beschwerdeführer am fehlgeschlagenen Abschiebeversuch kein Verschulden treffe, wäre dieser nach dem eindeutigen Wortlaut des Art. 28 Abs. 3 Dublin-III-VO sofort zu entlassen gewesen. Es sei die Fortsetzung der Schubhaft im vorliegenden Fall daher rechtswidrig. Rechtsprechung des VwGH zur Rechtsfrage, ob im Anschluss an das Scheitern eines Überstellungsversuches ohne Verschulden des Fremden nach Art. 28 Abs. 3 Dublin-III-VO neuerlich die Anordnung der Schubhaft nach derselben Bestimmung zulässig sei, gebe es bisher nicht.

Das Bundesverwaltungsgericht sei aber im gegenständlichen Fall auch von der Judikatur des VwGH abgewichen, da es keine ausreichende Einzelfallprüfung im Falle des Beschwerdeführers durchgeführt habe.

12. Der Verwaltungsgerichtshof hob das bekämpfte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts mit Erkenntnis vom 31.08.2017 im Umfang seiner Anfechtung (Spruchpunkte A.I. bis A.IV.) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der unter Punkt I. geschilderte Verfahrensgang wird zur Feststellung erhoben.

1.2. Der Beschwerdeführer ist volljährig, nicht österreichischer Staatsbürger und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter.

1.3. Das Scheitern des (ersten) Überstellungsversuches des Beschwerdeführers am 15.06.2017 ist dem Beschwerdeführer nicht zurechenbar.

Der Beschwerdeführer wurde daraufhin mittels Festnahmeauftrags gemäß § 34 Abs. 3 Z 1 BFA-VG wieder festgenommen und in das Polizeianhaltezentrum überstellt.

1.4. Der Beschwerdeführer wurde von 11.05.2017 bis 27.06.2017 in Schubhaft angehalten.

Von 11.05.2017 bis 15.06.2017 erfolgte die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft auf Grundlage des Mandatsbescheides vom 11.05.20175 gemäß Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-III-VO iVm § 76 Abs. 2 Z 2 FPG.

Die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft ab 15.06.2017 erfolgte aufgrund des Mandatsbescheides des Bundesamtes vom 15.06.2017 gemäß Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-III-VO iVm § 76 Abs. 2 Z 2 FPG.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt des Bundesamtes, in den vorliegenden Akt des Bundesverwaltungsgerichtes, in das Zentrale Fremdenregister, in das Strafregister, in das Grundversorgungs-Informationssystem, in das Zentrale Melderegister und in die Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres.

2.2. Die Feststellungen zum Verfahrensgang sowie zur Person des Beschwerdeführers ergeben sich aus dem Verfahrensakt des Bundesamtes, dem Akt des Bundesverwaltungsgerichtes sowie dem Akt des Bundesverwaltungsgerichtes zu W168 2122086-1 die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 01.02.2016 betreffend. Diesen Feststellungen wurde in der vorliegenden Beschwerde nicht entgegengetreten.

2.3. Dass der Beschwerdeführer am 15.06.2017 aufgrund eines Buchungsfehlers mit der Luftlinie nicht nach Italien überstellt werden konnte, ergibt sich aus dem Verwaltungsakt. Dem Bericht vom 15.06.2017 über die versuchte Abschiebung ist zu entnehmen, dass beim Check-In am Flughafen festgestellt wurde, dass die Flugbuchung am 07.06.2017 storniert worden war. Es erfolgte eine Umbuchung des Beschwerdeführers auf einen späteren Flug desselben Tages. Der Beschwerdeführer wurde für diesen Flug gemäß einer Entscheidung des HCC des Flughafens XXXX und des Special Cases XXXX nicht mehr akzeptiert. Selbst das Bundesamt gab in der Stellungnahme am 20.06.2017 an, dass der Beschwerdeführer aufgrund eines Buchungsfehlers mit der Luftlinie den Flug aus ihm nicht anrechenbaren Gründen nicht antreten konnten. Die gescheiterte Überstellung des Beschwerdeführers am 15.06.2017 ist somit offenkundig nicht dem Beschwerdeführer zuzurechnen.

2.4. Dass der Beschwerdeführer von 11.05.2017 bis 27.06.2017 in Schubhaft angehalten wurde, ergibt sich aus dem Verwaltungsakt.

Die der Anhaltung in Schubhaft jeweils zugrundeliegenden Mandatsbescheide ergeben sich aus den Verwaltungsakten.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchteil A. - Spruchpunkt I.- Schubhaftbescheid, Anhaltung in Schubhaft

3.1.1. Gesetzliche Grundlagen

Art. 28 der Dublin-III-VO lautet auszugsweise wie folgt:

„Haft

(1) Die Mitgliedstaaten nehmen eine Person nicht allein deshalb in Haft, weil sie dem durch diese Verordnung festgelegten Verfahren unterliegt.

(2) Zwecks Sicherstellung von Überstellungsverfahren, dürfen die Mitgliedstaaten im Einklang mit dieser Verordnung, wenn eine erhebliche Fluchtgefahr besteht, nach einer Einzelfallprüfung die entsprechende Person in Haft nehmen und nur im Falle dass Haft verhältnismäßig ist und sich weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen.

(3) Die Haft hat so kurz wie möglich zu sein und nicht länger zu sein, als bei angemessener Handlungsweise notwendig ist, um die erforderlichen Verwaltungsverfahren mit der gebotenen Sorgfalt durchzuführen, bis die Überstellung gemäß dieser Verordnung durchgeführt wird.

Wird eine Person nach diesem Artikel in Haft genommen, so darf die Frist für die Stellung eines Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs einen Monat ab der Stellung des Antrags nicht überschreiten. Der Mitgliedstaat, der das Verfahren gemäß dieser Verordnung durchführt, ersucht in derartigen Fällen um eine dringende Antwort. Diese Antwort erfolgt spätestens zwei Wochen nach Eingang des Gesuchs. Wird innerhalb der Frist von zwei Wochen keine Antwort erteilt, ist davon auszugehen, dass dem Aufnahme- bzw. Wiederaufnahmegesuch stattgegeben wird, was die Verpflichtung nach sich zieht, die Person aufzunehmen und angemessene Vorkehrungen für die Ankunft zu treffen.

Befindet sich eine Person nach diesem Artikel in Haft, so erfolgt die Überstellung aus dem ersuchenden Mitgliedstaat in den zuständigen Mitgliedstaat, sobald diese praktisch durchführbar ist und spätestens innerhalb von sechs Wochen nach der stillschweigenden oder ausdrücklichen Annahme des Gesuchs auf Aufnahme oder Wiederaufnahme der betreffenden Person durch einen anderen Mitgliedstaat oder von dem Zeitpunkt an, ab dem der Rechtsbehelf oder die Überprüfung gemäß Artikel 27 Absatz 3 keine aufschiebende Wirkung mehr hat.

Hält der ersuchende Mitgliedstaat die Fristen für die Stellung eines Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs nicht ein oder findet die Überstellung nicht innerhalb des Zeitraums von sechs Wochen im Sinne des Unterabsatz 3 statt, wird die Person nicht länger in Haft gehalten. Die Artikel 21, 23, 24 und 29 gelten weiterhin entsprechend.

(4) Hinsichtlich der Haftbedingungen und der Garantien für in Haft befindliche Personen gelten zwecks Absicherung der Verfahren für die Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat, die Artikel 9, 10 und 11 der Richtlinie 2013/33/EU.

Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2013/33/EU (Aufnahmerichtlinie) lautet wie folgt:

„Garantien für in Haft befindliche Antragsteller

(1) Ein Antragsteller wird für den kürzest möglichen Zeitraum und nur so lange in Haft genommen, wie die in Artikel 8 Absatz 3 genannten Gründe gegeben sind.

Die Verwaltungsverfahren in Bezug auf die in Artikel 8 Absatz 3 genannten Gründe für die Inhaftnahme werden mit der gebotenen Sorgfalt durchgeführt. Verzögerungen in den Verwaltungsverfahren, die nicht dem Antragsteller zuzurechnen sind, rechtfertigen keine Fortdauer der Haft.“

Der mit „Schubhaft“ betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 lautete in der Fassung BGBl. I Nr. 68/2017 zum Zeitpunkt der Erlassung des Schubhaftbescheides:

„Schubhaft

§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur dann angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder der Abschiebung notwendig ist und sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

2. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen oder Meldeverpflichtungen gemäß §§ 56 oder 71 FPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder 15a AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

3.1.2. Der Beschwerdeführer besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft, er ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z. 1 FPG. Er war weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter in Österreich, weshalb die Verhängung der Schubhaft über den Beschwerdeführer grundsätzlich - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen- möglich war.

Voraussetzung für die Verhängung der Schubhaft sind das Vorliegen eines Sicherungsbedarfes hinsichtlich der Durchführung bestimmter Verfahren oder der Abschiebung, das Bestehen von Fluchtgefahr sowie die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft.

3.1.3. Im gegenständlich angefochtenen Bescheid wurde die Schubhaft gemäß Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin III-VO iVm § 76 Abs. 2 Z 2 FPG zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung des Beschwerdeführers angeordnet.

3.1.4. Die in Art. 28 Abs. 4 der Dublin III-VO angesprochene Aufnahmerichtlinie enthält in ihrem Art. 8 Abs. 3 jene Gründe, aus denen ein Asylwerber in Haft genommen werden darf. Gemäß der lit. f dieses Absatzes ist das u. a. dann der Fall, wenn die Haftnahme mit Art. 28 der Dublin III-VO in Einklang steht.

3.1.5. Art. 28 Abs. 3 Unterabs. 2 Dublin III-VO verkürzt für Personen, die nach Art. 28 Dublin III-VO in Haft genommen worden sind, die in Art. 21, 23 und 24 Dublin III-VO vorgesehenen Fristen für die Stellung eines Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuches auf einen Monat ab Stellung des Antrages auf internationalen Schutz und die in Art. 22 bzw. Art. 25 Dublin III-VO normierte Frist für die Antwort auf dieses Gesuch bzw. für den Eintritt der Zustimmungsfiktion durch Verschweigung auf zwei Wochen nach Eingang des Gesuchs. Art. 28 Abs. 3 Unterabs. 3 Dublin III-VO verkürzt in diesen Fällen die in Art. 29 Dublin III-VO vorgesehene Frist für die Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat auf sechs Wochen. Die sechswöchige Frist beginnt mit der stillschweigenden oder ausdrücklichen Annahme des Gesuchs auf Aufnahme oder Wiederaufnahme oder mit dem Zeitpunkt, ab dem der Rechtsbehelf oder die Überprüfung gemäß Art. 27 Abs. 3 Dublin III-VO keine aufschiebende Wirkung mehr hat.

An diese verkürzten Fristen nach Art. 28 Abs. 3 Dublin III-VO knüpft Art. 28 Abs. 3 Unterabs. 4 Dublin III-VO an, indem er anordnet, dass die Haft bei Überschreiten der Fristen nicht aufrechterhalten werden darf (VwGH 26.4.2018, Ro 2017/21/0010, Rn. 12 und 14).

3.1.6. Insoweit enthält die Dublin III-VO also zeitliche Grenzen für die Anhaltung in Schubhaft. Eine weitere Grenze ergibt sich - unabhängig von der Einhaltung der in Art. 28 Abs. 3 Dublin III-VO festgelegten Fristen - aber aus Art. 28 Abs. 4 der Verordnung iVm Art. 9 Abs. 1 der Aufnahmerichtlinie. Demnach rechtfertigen Verzögerungen in den Verwaltungsverfahren, die nicht dem Antragsteller zuzurechnen sind, keine Fortdauer von Schubhaft, sodass also dem Dublin-Regime unterliegende Personen im Fall derartiger, die Unverhältnismäßigkeit der Anhaltung bewirkender Verzögerungen nicht weiter in Schubhaft belassen werden dürfen.

3.1.7. Da Italien innerhalb von zwei Wochen ab Stellung des österreichischen Wiederaufnahmegesuches keine Antwort erteilt hat, ist es mit 26.05.2017 zur stillschweigenden Annahme dieses Gesuchs gekommen. Zu diesem Zeitpunkt befand sich der Beschwerdeführer bereits in Schubhaft, weshalb die sechswöchige Überstellungs- bzw. Haftfrist nach Art. 28 Abs. 3 Unterabs. 3 und 4 Dublin III-VO mit 26.05.2017 zu laufen begonnen hatte (siehe EuGH 13.9.2017, Amayry, C-60/16, Rn. 39). Innerhalb dieser sechswöchigen Frist hätte der Beschwerdeführer am 15.06.2017 auf dem Luftweg nach Italien überstellt werden sollen. Aufgrund eines Buchungsfehlers mit der Luftlinie konnte der Beschwerdeführer aus ihm nicht anrechenbaren Gründen nicht überstellt werden. Der Beschwerdeführer wurde daraufhin mittels Festnahmeauftrags gemäß § 34 Abs. 3 Z 1 BFA-VG wieder festgenommen und in das Polizeianhaltezentrum überstellt. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 15.06.2017 wurde über den Beschwerdeführer erneut Schubhaft gemäß Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin III-VO iVm § 76 Abs. 2 Z 2 FPG zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet. Dabei hat sich das Bundesamt zur Begründung der italienischen Zuständigkeit - nach wie vor - auf die mit 26.05.2017 eingetretene „Zuständigkeit infolge Verfristung“ berufen. Damit diente die Schubhaft des Beschwerdeführers der Sache nach durchgehend der Effektuierung der schon ab 26.05.2017 in die Wege leitbaren Überstellung des Beschwerdeführers nach Italien gemäß der Dublin III-VO.

Jedenfalls liegen aufgrund des Scheiterns des Überstellungsversuches des Beschwerdeführers am 15.06.2017 aufgrund eines Buchungsfehlers mit der Luftlinie maßgebliche ins Gewicht fallende „Verzögerungen in den Verwaltungsverfahren“ vor, die „nicht dem Antragsteller zuzurechnen“ sind und die die Haft als unverhältnismäßig erscheinen lassen, zumal solche Verzögerungen gemäß Art. 9 Abs. 1 der Aufnahmerichtlinie keine Fortdauer der Haft rechtfertigen (vgl. VwGH vom 29.05.2018, Ro 2018/21/0005). Eine Haftverlängerung - und sei es auch im Wege eines wiederholten Schubhaftbescheides - war somit in der vorliegenden Konstellation schon deshalb nicht zulässig, weshalb gemäß Artikel 28 Abs. 2 der Verordnung EU Nr. 604/2013 (Dublin-III-VO) iVm § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG idF BGBl I Nr. 68/2017 iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG der Beschwerde stattzugeben war und der angefochtene Bescheid sowie die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft von 15.06.2017 bis 27.06.2017 rechtswidrig waren.

3.2. Zu Spruchteil A. - Spruchpunkt II. - Kostenersatz

3.2.1. Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist (VwGH vom 11.05.2017, Ra 2015/21/0240).

3.2.2. Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei. Die §§ 52 bis 54 VwGG sind gemäß Abs. 6 auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.

Im gegenständlichen Verfahren wurde sowohl gegen den im Spruch genannten Schubhaftbescheid als auch gegen die Anhaltung in Schubhaft Beschwerde erhoben. Der Beschwerdeführer beantragte den Mandatsbescheid und die Anhaltung für rechtswidrig zu erklären. Das Bundesamt beantrage die Abweisung der Beschwerde.

Sowohl der Beschwerdeführer als auch das Bundesamt haben einen Antrag auf Kostenersatz im Sinne des § 35 VwGVG gestellt. Da der Beschwerde stattgegeben und sowohl der angefochtene Bescheid als auch die Anhaltung in Schubhaft für rechtswidrig erklärt werden, ist der Beschwerdeführer die obsiegende Partei. Ihm gebührt daher gemäß § 35 Abs. 1 und Abs. 2 VwGVG iVm § 1 Z 1 VwG-AufwErsV Kostenersatz in der Höhe von EUR 737,60.

Dem Bundesamt gebührt als unterlegene Partei kein Kostenersatz.

Lediglich der Vollständigkeit halber wird festgehalten, dass gegen Spruchpunkt A.V. des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 23.06.2017 offenkundig keine Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben wurde.

3.3. Entfall einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG. Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn (Z. 1) der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder (Z. 2) die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist. Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Das Verwaltungsgericht kann gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, weil der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor, zumal der vorliegende Fall vor allem im Bereich der Tatsachenfragen anzusiedeln ist. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten zu Spruchteil A wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Dublin III-VO Frist Kostenersatz Rechtsanschauung des VwGH Rechtswidrigkeit Rückkehrentscheidung Schubhaft Überstellung Verzögerung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W250.2161901.1.00

Im RIS seit

16.09.2021

Zuletzt aktualisiert am

16.09.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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