TE Vwgh Erkenntnis 1997/2/14 95/19/0714

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Veröffentlicht am 14.02.1997
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §5 Abs1;
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Bachler, Dr. Zens, Dr. Bayjones und Dr. Schick als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Böheimer, über die Beschwerde der M in W, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 4. Juli 1995, Zl. 107.310/3-III/11/94, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesministerium für Inneres) Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 4. Juli 1995 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom 11. Mai 1994 auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 5 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz (AufG) und § 10 Abs. 1 Z. 4 Fremdengesetz (FrG) abgewiesen.

Die belangte Behörde begründete den angefochtenen Bescheid folgendermaßen:

"§ 5 Abs. 1 AufG besagt, daß Fremden eine Bewilligung nicht erteilt werden darf, bei denen ein Grund für die Versagung eines Sichtvermerkes gemäß § 10 Abs. 1 FrG vorliegt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 4 FrG ist die Erteilung eines Sichtvermerkes zu versagen, wenn der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährden würde.

Die Aufnahme einer Beschäftigung durch den Ausländer darf nur erfolgen, wenn dieser zum Aufenthalt in Österreich nach dem Aufenthaltsgesetz berechtigt ist. Bis dato wurde Ihnen keine Aufenthaltsbewilligung erteilt. Diese Tatsache erfährt auch keine Änderung, daß Sie durch die Eheschließung mit einem österreichischen Staatsangehörigen im Besitz eines bis 18.01.1998 gültigen Befreiungsscheines sind.

Sie arbeiten bereits seit 1993 in Österreich; seit 09.05.1994 sind sie als Verkäuferin beschäftigt. Diese nicht erlaubten Beschäftigungen rechtfertigen die Annahme, daß der Aufenthalt in Österreich die öffentliche Ruhe, näherhin das öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen, gefährdet.

Sie sind mit einem österreichischen Staatsangehörigen verheiratet und bestehen somit Bindungen zum Bundesgebiet. Nach Abwägung der öffentlichen Interessen mit Ihren privaten Interessen gelangt die erkennende Behörde zur Ansicht, daß die öffentlichen Interessen unverhältnismäßig schwerer wiegen als ihre Auswirkungen auf Ihre Lebenssituation. Es wurde bei der Entscheidung auf Ihre private und familiäre Situation Rücksicht genommen und somit dem Artikel 8 Abs. 2 EMRK vollinhaltlich Rechnung getragen."

In der dagegen erhobenen Beschwerde bestätigt die Beschwerdeführerin, daß sie - aus näher angeführten Gründen - bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht im Besitz eines Sichtvermerkes bzw. nach Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes einer Aufenthaltsbewilligung gewesen sei. Sie habe am 9. Dezember 1992 einen österreichischen Staatsbürger geheiratet. Sie leitet daraus einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung ab. Unbestritten bleibt, daß die Beschwerdeführerin seit 1993 (konkret lt. Verwaltungsakt S. 20, 23, seit 5. April 1993) in Österreich

arbeitet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 3 Abs. 1 AufG ist ehelichen und außerehelichen minderjährigen Kindern und Ehegatten 1. von österreichischen Staatsbürgern ... nach Maßgabe des § 2 Abs. 3 Z. 3 und 4 eine Bewilligung zu erteilen, sofern kein Ausschließungsgrund (§ 5 Abs. 1) vorliegt.

Nach § 3 Abs. 2 AufG setzt die Erteilung einer Bewilligung gemäß Abs. 1 für Ehegatten voraus, daß die Ehe zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits mindestens ein halbes Jahr besteht.

Die Beschwerdeführerin verkennt die Auswirkungen der Tatsache, daß ihr bisher keine Aufenthaltsbewilligung erteilt war. Die Eheschließung der Beschwerdeführerin mit einem österreichischen Staatsbürger allein konnte ihr keinen legalen Aufenthalt im Bundesgebiet ermöglichen. Denn gemäß § 1 Abs. 1 AufG benötigt jeder Fremde zur Begründung eines Hauptwohnsitzes in Österreich eine Aufenthaltsbewilligung. Ein Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung nach Stellung eines auf § 3 AufG gestützten Antrages besteht nur nach Maßgabe des § 3 Abs. 1 und 2 AufG. Bei Aufnahme der Erwerbstätigkeit am 5. April 1993 erfüllte die Beschwerdeführerin noch nicht die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 AufG. Von Fremden, die sich zur Ausübung einer selbständigen oder unselbständigen Erwerbstätigkeit in Österreich aufhalten, wird § 1 Abs. 2 Z. 2 AufG für Zwecke dieses Bundesgesetzes jedenfalls angenommen, daß sie in Österreich einen ordentlichen Wohnsitz (seit BGBl. Nr. 505/1994: einen Hauptwohnsitz) begründen. Mit der Arbeitsaufnahme am 5. April 1993 trifft diese gesetzliche Annahme auf die Beschwerdeführerin zu. Die belangte Behörde ist daher zu Recht davon ausgegangen, daß der Aufenthalt der Beschwerdeführerin unrechtmäßig ist. Der insgesamt lang andauernde gesetzwidrige Aufenthalt der Beschwerdeführerin gefährdet die öffentliche Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens.

Die belangte Behörde ist daher zutreffend vom Vorliegen des Sichtvermerksversagungsgrundes nach § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG und damit auch vom Vorliegen eines Auschließungsgrundes im Sinne des § 5 Abs. 1 AufG ausgegangen.

Liegt aber dieser Ausschließungsgrund vor, so ist der Beschwerdeführerin auf ihr Vorbringen, daß sie infolge Eheschließung mit ihrem in Österreich lebenden Gatten, der österreichischer Staatsbürger sei, gemäß § 3 einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung habe, zu erwidern, daß bei Vorliegen eines Ausschließungsgrundes eine Aufenthaltsbewilligung an die in § 3 Abs. 1 AufG genannten Personen nicht erteilt werden darf (vgl. zB die

hg. Erkenntnisse vom 20. Juli 1995, Zl. 95/18/1125, und vom 26. März 1996, Zl. 95/19/0555).

Auf die Rüge der Beschwerdeführerin, der angefochtene Bescheid verletze ihr Privat- und Familienleben (Art. 8 MRK), ist zu entgegnen, daß auf die aus der am 9. Dezember 1992 geschlossenen Ehe abgeleiteten familiären und auf die sonstigen privaten Interessen der Beschwerdeführerin am weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet nur insofern Bedacht zu nehmen wäre, als sie aus einem rechtmäßigen Aufenthalt resultierten, der nicht nur an eine sichtvermerksfreie Einreise im Sinne des § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG anschlösse. Sollte die Beschwerdeführerin bereits zum Zeitpunkt ihrer Eheschließung ihren Hauptwohnsitz in Österreich begründet haben, ohne daß ihr eine Aufenthaltsbewilligung erteilt war, so war auch die Zeit ihres Aufenthaltes zwischen Eheschließung und Arbeitsaufnahme nicht rechtmäßig.

Sollte sich die Beschwerdeführerin in dieser Zeit, gestützt auf Art. 1 Abs. 1 des Abkommens zwischen der österreichischen Bundesregierung und der Regierung der Volksrepublik Polen über die gegenseitige Aufhebung der Sichtvermerkspflicht, BGBl. Nr. 330/1972, im Anschluß an sichtvermerksfreie Einreisen in Österreich aufgehalten haben, so ist ihr entgegenzuhalten, daß eine Bedachtnahme auf private und familiäre Interessen des Fremden, die aus solchen Aufenthalten resultieren, aus den vom Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 1. Juli 1993, B 338/93, B 445/93, Slg. Nr. 13.497, dargelegten Gründen nicht in Betracht kommt (vgl. auch die hg. Erkenntnisse vom 6. Oktober 1994, Zl. 94/18/0640, und vom 14. Dezember 1995, Zl. 95/19/1404).

Berücksichtigte man während eines unberechtigten Aufenthaltes entstandene familiäre und sonstige private Bindungen zu Österreich, enstünde ein Wertungswiderspruch zu § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG, wonach die Erteilung eines Sichtvermerkes u. a. zu versagen ist, wenn der Sichtvermerk nach sichtvermerksfreier Einreise erteilt werden soll (vgl. zB. die hg. Erkenntnisse vom 26. März 1996, Zl. 95/19/0555, und vom 30. Mai 1996, Zl. 96/19/0836). Es liefe dem Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens entgegen, wenn ein Fremder bloß aufgrund von Tatsachen, die von ihm geschaffen wurden, als er rechtens nicht mit einem längeren Aufenthalt in Österreich rechnen durfte, die Voraussetzungen für die Bewilligung eines Aufenthaltes herbeiführen könnte (vgl. zB die hg. Erkenntnisse vom 23. Juni 1994, Zl. 94/18/0340

= ZfVB 1995/5/1729, und vom 20. Juni 1996, Zlen. 96/19/1046, 1047).

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Beschwerdeführerin verkennt die Grundsätze des Verfahrens über Bescheidbeschwerden vor dem Verwaltungsgerichtshof, wenn sie zudem beantragt, in Stattgebung ihrer Beschwerde inhaltlich über ihren Antrag auf Aufenthaltsbewilligung zu entscheiden ("den Aufenthalt zu bewilligen"). Dieses Verfahren dient der nachprüfenden Kontrolle der Rechtmäßigkeit von Bescheiden der Verwaltungsbehörden; eine Entscheidung in der Sache ist nicht vorgesehen, ebensowenig eine "Zurückverweisung" an die erste Instanz.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995190714.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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