TE Bvwg Erkenntnis 2021/8/2 W283 2244800-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.08.2021
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Entscheidungsdatum

02.08.2021

Norm

BFA-VG §22a Abs1
BFA-VG §22a Abs1 Z1
BFA-VG §22a Abs1 Z2
BFA-VG §22a Abs3
B-VG Art133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z1
VwG-AufwErsV §1 Z3
VwG-AufwErsV §1 Z4
VwGVG §35
VwGVG §35 Abs1
VwGVG §35 Abs3

Spruch


W283 2244800-1/15E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Stefanie OMENITSCH als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. AFGHANISTAN, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Gregor KLAMMER gegen die Festnahme und Anhaltung von 17.06.2021 bis 18.06.2021, den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.06.2021, Zl. 1031246605/210807591 und die Anhaltung in Schubhaft, zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde gegen die Festnahme und Anhaltung von 17.06.2021 bis 18.06.2021 wird gemäß § 22a Abs. 1 Z 1 und Z 2 BFA-VG als unbegründet abgewiesen.

II. Die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.06.2021, Zl. 1031246605/210807591 und die Anhaltung des Beschwerdeführers seit 18.06.2021 in Schubhaft wird gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen.

III. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z 1 FPG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

IV. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Kostenersatz wird gemäß § 35 VwGVG abgewiesen.

V. Gemäß § 35 Abs. 1 und 3 VwGVG iVm § 1 Z 3 und Z 4 VwG-AufwErsV hat die beschwerdeführende Partei dem Bund (Bundesminister für Inneres) hinsichtlich der Festnahme Aufwendungen in Höhe von € 426,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

VI. Gemäß § 35 Abs. 1 und 3 VwGVG iVm § 1 Z 3 und Z 4 VwG-AufwErsV hat die beschwerdeführende Partei dem Bund (Bundesminister für Inneres) hinsichtlich der Schubhaft Aufwendungen in Höhe von € 426,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (BF), ein Staatsangehöriger von Afghanistan, stellte am 10.09.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) vom 10.09.2014 wurde der Antrag abgewiesen, eine Rückkehrentscheidung erlassen und die Abschiebung für zulässig erklärt. Weiters wurde eine Frist zur freiwilligen Ausreise gewährt. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 09.10.2020 wurde eine Beschwerde gegen diesen Bescheid als unbegründet abgewiesen.

Der BF wurde in Österreich straffällig und mit Urteil eines Landesgerichts vom 31.01.2019 wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 18 Monaten, davon 12 Monate unter Bestimmung einer Probezeit, verurteilt.

Am 04.11.2020 wurde der BF aus der Grundversorgung abgemeldet, da er untergetaucht war. Der BF reiste unrechtmäßig nach Deutschland weiter und stellte dort am 09.11.2020 einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz.

Am 17.06.2021 wurde der BF von Deutschland nach Österreich rücküberstellt und von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes aufgrund seiner Asylantragstellung erstbefragt. Dabei gab der BF an, dass er seine Asylgründe aus dem Jahr 2014 aufrecht halte und diese noch immer bestehen würden, weshalb er nicht nach Afghanistan zurückkehren könne.

Am 17.06.2021 wurde der BF aufgrund eines Festnahmeauftrages festgenommen und in ein Polizeianhaltezentrum eingeliefert.

Mit Bescheid des Bundesamtes vom 18.06.2021 wurde über den BF die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme angeordnet. Der BF befindet sich seit dem 18.06.2021 in Schubhaft.

Der faktische Abschiebeschutz wurde mit Bescheid des Bundesamtes vom 01.07.2021 gemäß § 12a Abs. 2 AsylG aufgehoben und die Rechtmäßigkeit der Aufhebung mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 13.07.2021 bestätigt.

Mit Schriftsatz vom 28.07.2021 brachte der BF eine Schubhaftbeschwerde ein und führte darin aus, dass mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 08.10.2020 der am 10.09.2014 eingebrachte Asylantrag zur Gänze abgewiesen und ein Einreiseverbot im Hinblick auf die Verurteilung wegen Suchtgifthandels erlassen worden sei. Der BF habe in Deutschland eine Verlobte, weshalb er versuchte dort ein Aufenthaltsrecht durch seine Asylantragstellung am 09.11.2020 zu erlangen. Der BF wurde nach Österreich überstellt. Der faktische Abschiebeschutz des BF sei vom Bundesamt aufgehoben worden und diese Entscheidung mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts bestätig worden. Gegen diese Entscheidung beabsichtige der BF die Erhebung einer Revision.

Die vom Bundesamt herangezogenen Länderberichte seien angesichts der sich rasch ändernden Verhältnisse in Afghanistan veraltet. Unter der Anführung von Medienberichten, wies der BF darauf hin, dass die Übernahme des Landes durch die Taliban bevorstehe. Mehrere europäische Städte hätten die Rückführungen nach Afghanistan vorerst eingestellt, weshalb die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes eine verfehlte Entscheidung sei.

Der BF erhob gegen die Festnahme, den Schubhaftbescheid und die andauernde Schubhaft Haftbeschwerde. Es bestehe bereits eine aufenthaltsbeendende Maßnahme, weshalb die Aufrechterhaltung der Schubhaft zur Verfahrenssicherung nicht mehr notwendig sei. Die Schubhaft diese grundsätzlich der Abschiebung. Wenn eine solche nicht zulässig ist, darf die Schubhaft nicht verhängt werden. Aufgrund der zitierten Medienberichte gehe hervor, dass Afghanistan gerade in einen Bürgerkrieg „abtrifte“ und stünden auch die Städte Herat, Mazar e-Sharif und Kabul vor Kämpfen bzw. der Einnahme durch die Taliban. Dabei werde auch auf die in Afghanistan ausufernde Situation im Zusammenhang mit der Covid-19 Pandemie hingewiesen, weshalb die Gesundheit des BF im Falle seiner Rückkehr gefährdet sei. Der BF begehrte Kostenersatz.

Mit Stellungnahme vom 29.07.2021 verweis das Bundesamt im Hinblick auf das Vorbringen in der Beschwerde, wonach die Aufrechterhaltung der Schubhaft aufgrund des Vorliegens einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nicht mehr notwendig sei, auf § 76 Abs. 5 FPG. Im Hinblick auf die Ausfrührungen in der Beschwerde, wonach keine Abschiebungen nach Afghanistan stattfinden würden oder könnten, gab das Bundesamt an, das nach wie vor Abschiebungen nach Afghanistan durchgeführt und Charter organisiert werden. Die Abschiebung des BF sei für die 31. Kalenderwoche in Aussicht genommen.

Mit Schreiben des Bundesamtes vom 29.07.2021 wurde der BF über die am 03.08.2021 bevorstehende Abschiebung in Kenntnis gesetzt.

Dem Rechtsanwalt des BF wurde die Stellungnahme des Bundesamtes vom 29.07.2021 übermittelt und eine Frist zur Abgabe einer Stellungnahme eingeräumt.

Mit Schreiben vom 31.07.2021 führte der Rechtsanwalt des BF aus, dass eine Abschiebung in der Kalenderwoche 31 unglaubwürdig sei, da Afghanistan die Europäische Union ersucht habe, auf Abschiebeflüge derzeit aus Sicherheitsgründen zu verzichten, weshalb davon auszugehen sei, dass die afghanische Regierung Abschiebeflüge derzeit auch keine Landeerlaubnis erteile. Das Bundesamt habe sich nicht mit der aktuellen Situation in Afghanistan auseinandergesetzt und auf sei das Bundesamt in der Pflicht vor der Durchführung die abschieberelevante Lage in Afghanistan tagesaktuell zu prüfen. Es bestehe eine sehr hohe Gefahr, nach der Ankunft in Afghanistan rasch ums Leben gebracht zu werden. Nachdem die Abschiebung unzulässig sei, sei auch die Schubhaft aufzuheben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Der BF wurde am 17.06.2021 aufgrund eines Festnahmeauftrages festgenommen und in ein Polizeianhaltezentrum eingeliefert. Der BF befindet sich seit 18.06.2021 in Schubhaft. Die Schubhaft wurde gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG mit Mandatsbescheid des Bundesamtes vom 18.06.2021 verhängt. Zu prüfen ist, ob die in der Beschwerde angeführten Gründe zutreffen: ob die Festnahme des BF rechtmäßig war, ob die rechtlichen Voraussetzungen für die Anordnung und Aufrechterhaltung der Schubhaft vorliegen und ob eine Abschiebung des BF innerhalb der zur Verfügung stehenden Schubhaftdauer bewerkstelligt werden kann.

1.1. Zur Person des BF und zu den Voraussetzungen der Schubhaft

1.1.1 Der BF besitzt die österreichische Staatsbürgerschaft nicht, er besitzt auch keine Staatsbürgerschaft eines EU-Mitgliedstaates, er ist afghanischer Staatsangehöriger. Der Beschwerdeführer ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter.

1.1.2. Der BF ist stellte am 10.09.2014 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Das Verfahren wurde rechtskräftig negativ beendet (W174 2126212-1/20E vom 08.10.2020). Der BF stellte am 09.11.2020 in Deutschland einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz. Der BF wurde am 17.06.2021 von Deutschland nach Österreich rücküberstellt (AS 97 ff). Am 17.06.2021 erfolgte die Erstbefragung aufgrund der Folgeantragstellung des BF (AS 115 ff).

1.1.3. Am 17.06.2021 wurde ein Festnahmeauftrag gemäß § 34 Abs. 3 Z 1 BFA-VG erlassen, da die Voraussetzungen zur Verhängung der Schubhaft oder zur Anordnung eines gelinderen Mittels vorlagen und nicht aus anderen Gründe eine Vorführung vor das Bundesamt erfolgte. Der BF wurde am 17.06.2021 aufgrund des Festnahmeauftrages festgenommen und in ein Polizeianhaltezentrum eingeliefert (AS 129 ff; Anhaltedatei).

1.1.4. Der BF wird seit 18.06.2021 in Schubhaft angehalten (AS 141 bis 173; AS 187; Anhaltedatei).

1.1.5. Der Beschwerdeführer ist gesund und haftfähig. Es liegen keine die Haftfähigkeit ausschließenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder Erkrankungen beim BF vor. Der BF hat in der Schubhaft Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Versorgung (Anhaltedatei).

1.2. Zur Fluchtgefahr und zum Sicherungsbedarf

1.2.1. Der Beschwerdeführer reiste nach negativem rechtskräftigen Abschluss seines ersten Asylverfahrens in Österreich unrechtmäßig nach Deutschland weiter. Er versuchte sich dadurch vor den Behörden verborgen zu halten und sich seiner Abschiebung nach Afghanistan zu entziehen.

1.2.2. Der BF stellte in Deutschland einen Folgeantrag auf internationalen Schutz, um seine Abschiebung zu verhindern und ein Aufenthaltsrecht zu erhalten. Der BF hielt bei der Folgeantragstellung am 17.06.2021 dieselben Fluchtgründe aus dem Jahr 2014 aufrecht. Neue oder andere Asylgründe hat der BF nicht (AS 121).

1.2.3. Der faktische Abschiebeschutz wurde mit Bescheid des Bundesamtes vom 01.07.2021 gemäß § 12a Abs. 2 AsylG aufgehoben und die Rechtmäßigkeit der Aufhebung mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 13.07.2021 bestätigt (W235 2126212-3/5E). Eine Revision gegen diese Entscheidung wurde in Aussicht gestellt. Eine maßgebliche Lageänderung im Hinblick auf eine Verletzung nach Artikel 3 EMRK seit dem 13.07.2021 liegt nicht vor. Eine maßgebliche Verschlechterung der Sicherheits- oder Versorgungslage in den Städten Herat oder Mazar-e Sharif seit dem 13.07.2021 liegt nicht vor.

1.2.4. Der Beschwerdeführer hat in Österreich keine Familienangehörigen. Er hat er keine engen sozialen Anknüpfungspunkte in Österreich. Er ist beruflich in Österreich nicht verankert. Er verfügt über keine Barmittel und keinen eigenen gesicherten Wohnsitz (AS 119; Anhaltedatei; Melderegister).

1.3. Zur Verhältnismäßigkeit und Dauer

1.3.1. Der Beschwerdeführer ist in Österreich vorbestraft:

Der BF wurde mit Urteil eines Landesgerichts vom 31.01.2019 wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels gemäß § 28a Abs. 1 fünfter Fall Suchtmittelgesetz (SMG) zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 18 Monaten verurteilt, 12 Monate wurde unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Der Verurteilung lag zugrunde, dass der BF im Zeitraum von Mai 2017 bis 12.07.2018 vorschrfitswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b) übersteigenden Menge, nämlich insgesamt zumindest 1.000 Gramm Cannabiskraut mit einer Reinsubstanz von mindestens 100 Gramm Delta-9-THC (angenommener durchschnittlicher Reinsubstanzgehalt von 10,4 %, 5-fache Grenzmenge) durch wiederholte Weitergaben an sieben Personen entgeltlich überlassen hat, wobei er von Anfang an mit dem Vorsatz der kontinuierlichen Tatbegehung über einen längeren Zeitraum und den daran geknüpften Additionseffekt handelte.

Der BF überließ im angegebenen Zeitraum an die sieben Personen Cannabiskraut in wiederholten Angriffen in den angeführten Mengen. Er wusste, dass die Weitergabe von Cannabiskraut vorschriftswidrig ist und richtete schon aufgrund des langen Deliktszeitraums und der Vielzahl seiner AbnehmerInnen die Weitergabe auf eine die Grenzmenge übersteigende Menge.

Bei der Strafbemessung wurden der bisherige untadelige Lebenswandel und das teilweise Geständnis mildernd, erschwerend hingegen das 5-fache Überschreiten der Grenzmenge, der lange Deliktszeitraum und die Weitergabe an eine Minderjährige, gewertet (OZ 13).

1.3.2. Am 29.07.2021 wurde der BF nachweislich über seine am 03.08.2021 geplante Abschiebung informiert (OZ 12). Der Beschwerdeführer ist nicht vertrauenswürdig. Bei einer Entlassung aus der Schubhaft wird der Beschwerdeführer abermals untertauchen und sich vor den Behörden verborgen halten, um sich einer Abschiebung zu entziehen.

1.3.3. Das Bundesamt ist seiner Verpflichtung, auf eine möglichst kurze Dauer der Schubhaft hinzuwirken, nachgekommen. Die Abschiebung des BF steht unmittelbar bevor.

2. Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem vorliegenden Akt des Bundesamtes und den Gerichtsakten zu den Asylverfahren (W174 2126212-1; W174 2126212-2; W235 2126212-3). Einsicht genommen wurde in das Strafregister, das Zentrale Fremden- und Melderegister sowie in die Anhaltedatei.

2.1. Zu den Feststellungen zur Person des BF und zu den Voraussetzungen der Schubhaft

2.1.1 Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des BF und der Volljährigkeit ergeben sich aus dem unstrittigen Akteninhalt, insbesondere aufgrund des Vorliegens eines gültigen afghanischen Reisepasses, ausgestellt am 12.11.2019 in Deutschland (AS 115). Dass der BF weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter ist, war aufgrund des negativen Verfahrensausgangs im ersten Asylverfahren festzustellen (W174 2126212-1).

2.1.2. Die Feststellungen zur ersten Asylantragstellung und dem Verfahrensausgang, fußen auf dem diesbezüglichen Gerichtsakt (W174 2126212-1). Die Feststellungen zur Folgeantragstellung am 09.11.2020, der Rücküberstellung nach Österreich und der Erstbefragung fußen auf dem unstrittigen Akteninhalt (AS 97 ff und AS 115 ff).

2.1.3. Die Feststellungen zur Erlassung eines Festnahmeauftrages und der darauf gegründeten Festnahme des BF am 17.06.2021 waren aufgrund des im Akt aufliegenden Festnahmeauftrages und den damit in Einklang stehenden Eintragungen in der Anhaltedatei zu treffen (AS 129 ff; Anhaltedatei).

2.1.4. Dass der BF seit 18.06.2021 in Schubhaft angehalten wird, war aufgrund des im Akt aufliegenden Schubhaftbescheides und der unterfertigten Übernahmebestätigung und den damit in Einklang stehenden Eintragungen in der Anhaltedatei festzustellen (AS 141 bis 173; AS 187; Anhaltedatei).

2.1.5. Dass der Beschwerdeführer gesund und haftfähig ist war festzustellen, da sich aus dem Akt sich keinerlei Hinweise für eine Haftunfähigkeit des BF ergeben. Dem Polizeianhaltezentrum obliegt der Vollzug der Anhalteordnung. Bereits aufgrund der gesetzlichen Bestimmung, wonach Personen, deren Haftunfähigkeit festgestellt oder offensichtlich ist, nicht angehalten werden dürfen, war festzustellen, dass der Beschwerdeführer haftfähig ist und keine die Haftfähigkeit ausschließenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder Erkrankungen beim Beschwerdeführer vorliegen. Dass der Beschwerdeführer Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Versorgung hat, ist unzweifelhaft.

2.2. Zu den Feststellungen zur Fluchtgefahr und zum Sicherungsbedarf

2.2.1. Dass der Beschwerdeführer nach negativem Abschluss seines ersten Asylverfahrens in Österreich nach Deutschland weiterreiste, um sich dadurch vor den Behörden verborgen zu halten und sich einer Abschiebung nach Afghanistan zu entziehen, war aufgrund der unbegründeten Asylantragstellung am 09.11.2020 in Deutschland festzustellen und steht mit den eigenen Angaben des BF in Einklang, wonach er sich ein Aufenthaltsrecht in Deutschland erhofft hatte.

2.2.2. Dass der BF in Deutschland einen Folgeantrag auf internationalen Schutz stellte, um seine Abschiebung zu verhindern, war aufgrund des Akteninhaltes und des Zeitpunkts der Folgeantragstellung, wenige Wochen nach rechtskräftig negativem Verfahrensausgang in Österreich festzustellen. Dass der BF keine neuen oder anderen Asylgründe bei seiner Folgeantragstellung vorgebracht hat, fußt auf den eigenen Angaben des BF in der Erstbefragung (AS 121).

2.2.3. Die Feststellungen zur Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes waren aufgrund des diesbzgl. Gerichtsakts zu treffen (W235 2126212-3/5E). Dass eine Revision dagegen in Aussicht gestellt wurde, war aufgrund der Angaben im Beschwerdeschriftsatz festzustellen. Dass eine maßgebliche Lageänderung im Hinblick auf eine Verletzung nach Artikel 3 EMRK seit dem 13.07.2021 nicht vorliegt war festzustellen, da die vorgelegten Berichte dies nicht dargelegt haben bzw. zum Teil auch aus der Zeit bis 13.07.2021 stammten. Aus den vorgelegten Berichten ergibt sich keine maßgebliche Änderung der Versorgungs- und Sicherheitslage in Herat und Mazar-e Sharif als angeführten innerstaatlichen Fluchtalternativen (W235 2126212-3/5E).

2.2.4. Die Feststellungen zu den mangelnden familiären, sozialen und beruflichen Anknüpfungspunkten des BF in Österreich ergeben sich aus dem Akteninhalt, dass der BF über keine Barmittel verfügt, aufgrund seiner eigenen Angaben im Zuge seiner Erstbefragung vom 17.06.2021 und der Eintragung in der Anhaltedatei (AS 119). Anhaltspunkte dafür, dass der BF über einen eigenen gesicherten Wohnsitz verfügt, liegen nicht vor, insbesondere verfügte er im Bundesgebiet über keine Meldeadresse außerhalb eines Polizeianhaltezentrums, wie sich aus dem Melderegister ableiten lässt.

2.3. Zur Verhältnismäßigkeit und Dauer

2.3.1. Die Feststellungen zur Verurteilung des BF wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels waren aufgrund des im Akt aufliegenden Urteil eines Landesgerichts vom 31.01.2019 festzustellen (OZ 13).

2.3.2. Dass der BF am 29.07.2021 über seine unmittelbar bevorstehende Abschiebung informiert wurde, ergibt sich aufgrund des Akteninhalts. Dass der BF nicht vertrauenswürdig ist, war aufgrund seines Vorverhaltens festzustellen, zumal er wenige Wochen nach rechtskräftig negativer Entscheidung im ersten Asylverfahren in Österreich untergetaucht ist und unrechtmäßig nach Deutschland weitergereist ist, um sich seiner drohenden Abschiebung zu entziehen. Das Gericht gelangt daher zur Überzeugung, dass der BF in Freiheit belassen abermals untertauchen wird, um seine Abschiebung zu verhindern.

2.3.3. Dass das Bundesamt seiner Verpflichtung, auf eine möglichst kurze Dauer der Schubhaft hinzuwirken, nachgekommen ist, war festzustellen, da die bisher gesetzten Verfahrensschritte (Aufhebung faktischer Abschiebeschutz, Organisation der Abschiebung) in wenigen Wochen erfolgt sind und die Abschiebung des BF zum Entscheidungszeitpunkt nach unmittelbar bevorsteht.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

3.1. Maßgebliche Rechtslage

3.1.1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lauten:

„Schubhaft

§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c.es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“


„Aufenthaltsverbot

§ 67 (1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

(2) Ein Aufenthaltsverbot kann, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.

(3) Ein Aufenthaltsverbot kann unbefristet erlassen werden, wenn insbesondere

1. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

2. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB);

3. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder

4. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

(4) Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes ist auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist des Aufenthaltsverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise.“

„Gelinderes Mittel

§ 77. (1) Das Bundesamt hat bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1.

(2) Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel ist, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

(3) Gelindere Mittel sind insbesondere die Anordnung,

1. in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen,

2. sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder

3. eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.

(4) Kommt der Fremde seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.

(5) Die Anwendung eines gelinderen Mittels steht der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

(6) Zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 hat sich der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

(7) Die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, kann der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

(8) Das gelindere Mittel ist mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(9) Die Landespolizeidirektionen können betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.“

„Dauer der Schubhaft

§ 80. (1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

(2) Die Schubhaftdauer darf, vorbehaltlich des Abs. 5 und der Dublin-Verordnung, grundsätzlich

1. drei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen angeordnet wird;

2. sechs Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, angeordnet wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt.

(3) Darf ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil über einen Antrag gemäß § 51 noch nicht rechtskräftig entschieden ist, kann die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden.

(4) Kann ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil

1. die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,

2. eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt,

3. der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt, oder

4. die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint,

kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden.

(5) Abweichend von Abs. 2 und vorbehaltlich der Dublin-Verordnung darf die Schubhaft, sofern sie gegen einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, angeordnet wurde, bis zum Zeitpunkt des Eintritts der Durchsetzbarkeit der aufenthaltsbeendenden Maßnahme die Dauer von 10 Monaten nicht überschreiten. Wird die Schubhaft über diesen Zeitpunkt hinaus aufrechterhalten oder nach diesem Zeitpunkt neuerlich angeordnet, ist die Dauer der bis dahin vollzogenen Schubhaft auf die Dauer gemäß Abs. 2 oder 4 anzurechnen.

(5a) In den Fällen des § 76 Abs. 2 letzter Satz ist auf die Schubhaftdauer gemäß Abs. 5 auch die Dauer der auf den Festnahmeauftrag gestützten Anhaltung anzurechnen, soweit sie nach Stellung des Antrags auf internationalen Schutz gemäß § 40 Abs. 5 BFA VG aufrechterhalten wurde. Die Anrechnung gemäß Abs. 5 letzter Satz bleibt davon unberührt.

(6) Das Bundesamt hat von Amts wegen die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung in Schubhaft längstens alle vier Wochen zu überprüfen. Ist eine Beschwerde gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG anhängig, hat diesfalls die amtswegige Überprüfung zu entfallen.

(7) Das Bundesamt hat einen Fremden, der ausschließlich aus den Gründen des Abs. 3 oder 4 in Schubhaft anzuhalten ist, hievon unverzüglich schriftlich in Kenntnis zu setzen.“

3.1.2. Die maßgeblichen Bestimmungen des BFA-Verfahrensgesetzes idgF, lauten:

„Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft

§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig.“


„Festnahmeauftrag

§ 34. (1) Das Bundesamt kann die Festnahme eines Fremden anordnen (Festnahmeauftrag), wenn dieser

1.

Auflagen gemäß §§ 56 Abs. 2 oder 71 Abs. 2 FPG verletzt, oder

2.

sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.

(2) Das Bundesamt kann die Festnahme eines Fremden auch ohne Erlassung eines Schubhaftbescheides anordnen, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass die Voraussetzungen für die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme vorliegen und

1.

der Fremde ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zu eigenen Handen zugestellten Ladung, in der dieses Zwangsmittel angedroht war, nicht Folge geleistet hat oder

2.

der Aufenthalt des Fremden nicht festgestellt werden konnte.

(3) Ein Festnahmeauftrag kann gegen einen Fremden auch dann erlassen werden,

1.

wenn die Voraussetzungen zur Verhängung der Schubhaft nach § 76 FPG oder zur Anordnung gelinderer Mittel gemäß § 77 Abs. 1 FPG vorliegen und nicht aus anderen Gründen die Vorführung vor das Bundesamt erfolgt;

2.

wenn er seiner Verpflichtung zur Ausreise (§§ 52 Abs. 8 und 70 Abs. 1 FPG) nicht nachgekommen ist;

3.

wenn gegen den Fremden ein Auftrag zur Abschiebung (§ 46 FPG) erlassen werden soll oder

4.

wenn eine aufgrund eines Bescheides gemäß § 46 Abs. 2b FPG erlassene Vollstreckungsverfügung nicht vollzogen werden konnte oder der Fremde ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zu eigenen Handen zugestellten Ladung gemäß § 46 Abs. 2b FPG, in der dieses Zwangsmittel angedroht war, zur Befragung zur Klärung seiner Identität und Herkunft, insbesondere zum Zweck der Einholung einer Bewilligung gemäß § 46 Abs. 2a FPG bei der zuständigen ausländischen Behörde durch die Behörde, nicht Folge geleistet hat.

(4) Das Bundesamt kann die Festnahme eines Asylwerbers anordnen, wenn er sich dem Verfahren entzogen hat (§ 24 Abs. 1 AsylG 2005).

(5) Der Festnahmeauftrag ergeht in Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehlsgewalt; er ist aktenkundig zu machen. Die Anhaltung auf Grund eines Festnahmeauftrages darf 72 Stunden nicht übersteigen und ist nach Durchführung der erforderlichen Verfahrenshandlungen zu beenden.

(6) In den Fällen der Abs. 1 bis 4 ist dem Beteiligten auf sein Verlangen sogleich oder binnen der nächsten 24 Stunden eine Durchschrift des Festnahmeauftrages zuzustellen.

(7) Die Anhaltung eines Fremden, gegen den ein Festnahmeauftrag erlassen wurde, ist dem Bundesamt unverzüglich anzuzeigen. Dieses hat mitzuteilen, ob der Fremde in eine Erstaufnahmestelle oder Regionaldirektion vorzuführen ist.

(8) Ein Festnahmeauftrag ist zu widerrufen, wenn

1.

das Verfahren zur Zuerkennung des Status des Asylberechtigten eingestellt wurde und die Fortsetzung des Verfahrens nicht mehr zulässig ist (§ 24 Abs. 2 AsylG 2005) oder

2.

der Asylwerber aus eigenem dem Bundesamt oder dem Bundesverwaltungsgericht seinen Aufenthaltsort bekannt gibt und nicht auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, er werde sich wieder dem Verfahren entziehen.

 

(Anm.: Z 3 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 70/2015)

(9) Das Bundesamt hat die Erlassung und den Widerruf eines Festnahmeauftrags den Landespolizeidirektionen bekannt zu geben.“

„Festnahme

§ 40. (1) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind ermächtigt, einen Fremden zum Zweck der Vorführung vor das Bundesamt festzunehmen,

1. gegen den ein Festnahmeauftrag (§ 34) besteht,

2. wenn dieser Auflagen gemäß §§ 56 Abs. 2 oder 71 Abs. 2 FPG verletzt oder

3. der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.

(2) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind ermächtigt, Asylwerber oder Fremde, die einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben, zum Zwecke der Vorführung vor das Bundesamt festzunehmen, wenn

1. dieser Fremde nicht zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt ist,

2. gegen diesen eine durchsetzbare – wenn auch nicht rechtskräftige – aufenthaltsbeendende Maßnahme gemäß dem 8. Hauptstück des FPG erlassen wurde,

3. gegen diesen nach § 27 AsylG 2005 ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme eingeleitet wurde,

4. gegen diesen vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme gemäß dem 8. Hauptstück des FPG erlassen wurde oder

5. auf Grund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Antrag des Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird.

(3) In den Fällen der Abs. 1 und 2 kann die Festnahme unterbleiben, wenn gewährleistet ist, dass der Fremde das Bundesgebiet unverzüglich über eine Außengrenze verlässt.

(4) Das Bundesamt ist ohne unnötigen Aufschub über die erfolgte Festnahme zu verständigen. Die Anhaltung eines Fremden ist in den Fällen der Abs. 1 Z 2 und 3 und Abs. 2 bis zu 48 Stunden und in den Fällen des Abs. 1 Z 1 bis zu 72 Stunden zulässig; darüber hinaus ist Freiheitsentziehung nur gemäß § 77 Abs. 5 FPG oder in Schubhaft gemäß § 76 FPG möglich. Dem festgenommenen Fremden ist die Vornahme der Festnahme über sein Verlangen schriftlich zu bestätigen.

(5) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung auf Grund eines Festnahmeauftrags gemäß § 34 Abs. 3 Z 1 oder 3 einen Antrag auf internationalen Schutz, kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 gelten dabei sinngemäß.

(6) Während der Zulässigkeit der Sicherung der Zurückweisung im Flughafenverfahren sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ermächtigt, zu verhindern, dass ein zurückgewiesener Asylwerber in das Bundesgebiet einreist, soweit es ihm nicht gestattet ist.“

3.2. Zur Judikatur

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 des Bundesverfassungsgesetzes vom 29. November 1988 über den Schutz der persönlichen Freiheit und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 30.08.2007, 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der – aktuelle – Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis E 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde (VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, vgl. auch VwGH vom 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22.05.2007, Zl. 006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29.04.2008, Zl. 2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom 28.02.2008, Zl. 2007/21/0512, und Zl. 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

In Verfahren nach § 22a Abs. 4 BFA-VG vom BFA erstattete Stellungnahmen sind einem Parteiengehör zu unterziehen. Dies kann schriftlich oder auch im Rahmen einer mündlichen Verhandlung erfolgen. Jedenfalls ist dem in Schubhaft angehaltenen Fremden Gelegenheit zu geben, sich zu der Stellungnahme und zum maßgeblichen Sachverhalt zu äußern (vgl. VwGH 27.08.2020, Ro 2020/21/0010, mwN).

3.3. Zu Spruchpunkt I. – Festnahme und Anhaltung von 17.06.2021 bis 18.06.2021

Gemäß § 34 Abs. 3 Z 1 BFA-VG kann gegen einen Fremden ein Festnahmeauftrag erlassen werden, die Voraussetzungen zur Verhängung der Schubhaft nach § 76 FPG oder zur Anordnung gelinderer Mittel gemäß § 77 Abs. 1 FPG vorliegen und nicht aus anderen Gründen die Vorführung vor das Bundesamt erfolgt.

Am 17.06.2021 erließ das Bundesamt einen Festnahmeauftrag gemäß § 34 Abs. 3 Z 1 BFA-VG, da die Voraussetzungen zur Verhängung der Schubhaft nach § 76 FPG vorlagen und nicht aus anderen Gründen die Vorführung vor das Bundesamt erfolgt. Am 18.06.2021 wurde in weiterer Folge – nach Durchführung der Erstbefragung im Asylverfahren und erfolgter Prognoseentscheidung – mit Mandatsbescheid die Schubhaft verhängt. Der Tatbestand für das Vorliegen des § 34 Abs. 3 Z 1 BFA-VG war daher gegeben und erfolgte die Erlassung des Festnahmeauftrages durch das Bundesamt zu Recht. Zum Zeitpunkt der Erlassung des Festnahmeauftrages war für das Bundesamt das Untertauchen des BF nach Deutschland wenige Wochen nach rechtskräftig negativem Abschluss des ersten Asylverfahrens aktenkundig.

Gemäß § 40 Abs. 1 Z 1 BFA-VG sind Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ermächtigt, einen Fremden zum Zweck der Vorführung vor das Bundesamt festzunehmen, gegen den ein Festnahmeauftrag (§ 34) besteht.

Da gegen den Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Festnahme am 17.06.2021, um 11:01 Uhr ein Festnahmeauftrag gemäß § 34 Abs. 3 Z 1 BFA-VG bestanden hat, waren die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes auch ermächtigt, den Fremden zum Zweck der Vorführung vor das Bundesamt festzunehmen. Die Festnahme am 17.06.2021 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes einer Landespolizeidirektion erfolgte daher gemäß § 40 Abs. 1 Z 1 iVm § 34 Abs. 3 Z 1 BFA-VG zu Recht.

Die zulässige Anhaltedauer gemäß § 34 Abs. 5 BFA-VG von 72 Stunden wurde gegenständlich nicht überschritten, da der Beschwerdeführer bereits am 18.06.2021, ab 11:15 Uhr in Schubhaft angehalten wurde. Die Anhaltedauer war auch verhältnismäßig. In der gegenständlichen Beschwerde wurden im Hinblick auf die Festnahme keine gesonderten Beschwerdegründe geltend gemacht. Nachdem die Tatbestandsmerkmale des § 40 Abs. 1 Z 1 iVm § 34 Abs. 3 Z 1 BFA-VG vorliegen, waren die Festnahme und die Anhaltung rechtmäßig. Da keine Umstände vorgebracht wurden, aus welchen sich eine Rechtswidrigkeit der Festnahme oder Anhaltung ergeben und auch von Amts keine derartigen Gründe festgestellt wurden, war die Beschwerde gegen die Festnahme und Anhaltung gemäß § 22a Abs. 1 Z 1 und Z 2 BFA-VG als unbegründet abzuweisen.

Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.

3.4. Zu Spruchpunkt II. – Schubhaftbescheid und Anhaltung in Schubhaft von 18.06.2021 bis 02.08.2021

3.4.1. Allgemeine Voraussetzungen

Der Beschwerdeführer besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft und ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG. Er ist volljährig und war zum Zeitpunkt der Erlassung des bekämpften Schubhaftbescheides weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter. Der Beschwerdeführer war zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung Asylwerber iSd § 2 Abs. 1 Z 14 AsylG 2005, zumal sein Antrag auf internationalen Schutz noch nicht rechtkräftig abgeschlossen ist.

Daher war die Anordnung der Schubhaft gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG grundsätzlich – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen – möglich. Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt. Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt gemäß § 76 Abs. 5 FPG die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

Seit dem 08.10.2020 besteht gegen den Beschwerdeführer eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung. Gemäß § 76 Abs. 2 zweiter Satz FPG steht diese der Anwendung von Z 1 leg. cit. nicht entgegen.

Der Beschwerdeführer wurde wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels rechtskräftig verurteilt. Gerade an der Einhaltung der Bestimmungen des Suchtmittelgesetzes liegt ein besonders hohes staatliches Interesse. Diesem Interesse hat der Beschwerdeführer massiv zuwidergehandelt, weshalb sein weiterer Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet und ein besonders hohes öffentliches Interesse an der baldigen Außerlandesbringung des Beschwerdeführers besteht.

3.4.2. Fluchtgefahr

Das Verfahren hat ergeben, dass der Beschwerdeführer nicht ausreisewillig ist. Fluchtgefahr ist dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird.

Im vorliegenden Fall ging das Bundesamt von Fluchtgefahr im Sinne des § 76 Abs. 3 FPG aus:

Bei der Beurteilung ob Fluchtgefahr vorliegt, ist gemäß § 76 Abs. 3 Z 1 FPG zu berücksichtigen, ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert.

Bei der Beurteilung ob Fluchtgefahr vorliegt, ist gemäß § 76 Abs. 3 Z 3 FPG zu berücksichtigen, ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat. Das Bestehen einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme per se vermag zwar keinen Tatbestand zu verwirklichen, der in tauglicher Weise "Fluchtgefahr" zum Ausdruck bringt. Der Existenz einer solchen Maßnahme kommt jedoch im Rahmen der gebotenen einzelfallbezogenen Bewertung der Größe der auf Grund der Verwirklichung eines anderen tauglichen Tatbestandes des § 76 Abs.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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