TE Bvwg Erkenntnis 2021/8/3 W154 2244752-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.08.2021
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Entscheidungsdatum

03.08.2021

Norm

BFA-VG §22a Abs1
BFA-VG §22a Abs3
B-VG Art133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z1
VwGVG §35

Spruch


W 154 2244752-1/28E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. KRACHER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , alias XXXX alias XXXX , geb. XXXX alias XXXX , StA: Afghanistan, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU), gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.07.2021, Zahl: 1173339202/210991457, sowie die Anhaltung in Schubhaft seit 22.07.2021 zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z 1 FPG als unbegründet abgewiesen.

II. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z 1 FPG wird festgestellt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen.

III. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Kostenersatz wird gemäß § 35 VwGVG abgewiesen.

IV. Der Beschwerdeführer hat gemäß § 35 VwGVG dem Bund (Bundesministerium für Inneres) den Verfahrensaufwand in Höhe von 426,20 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1. Der Beschwerdeführer (BF), ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste als Minderjähriger unrechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 09.11.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Der BF hat im Rahmen der Erstbefragung am 09.12.2017 als Grund für die Furcht vor Verfolgung genannt, dass die Taliban gekommen seien und ihn in den Krieg mitnehmen haben wollen. Sie hätten Geld von seinem Vater für den Dschihad gewollt, da dieser ihnen jedoch keines gegeben habe, hätten sie gedroht, einen Sohn des Vaters des BF umzubringen.

Im Rahmen der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) am 14.09.2018 gab der BF zusammengefasst an, dass es zwischen den Taliban und dem IS Kämpfe gegeben habe. Sie haben Geld von der Familie haben wollen und vom Vater verlangt, dass er seinen Sohn in den Krieg schicken solle. Der Vater sei von den Taliban mehrere Male geschlagen worden. Die Taliban seien auch bei ihnen zu Hause gewesen. Im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan befürchte der BF, Probleme aufgrund seines Aufenthalts im Ausland mit den Taliban und dem IS zu bekommen. Beide Gruppierungen würden den BF als Ungläubigen ansehen.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.01.2019 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Dem BF wurde gemäß § 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn einen Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und weites gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde als Frist für seine freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt VI.).

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10.07.2020 wurde die dagegen erhobene Beschwerde gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG 2005, § 9 BFA-VG und §§ 52, 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

2. Der BF wurde im Bundesgebiet straffällig und wie folgt strafgerichtlich verurteilt:

Der BF wurde durch das Landesgericht Innsbruck am 14.05.2020, unter der Zahl 027 HV 123/2019b, rechtskräftig mit 14.05.2020, wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 (1) StGB zu einer bedingten Geldstrafe von 80 Tagsätzen zu je 4,00 EUR (320,00 EUR), im Uneinbringlichkeitsfall 40 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, davon unbedingt zu einer Geldstrafe von 40 Tagsätzen zu je 4,00 EUR (160,00 EUR) im Uneinbringlichkeitsfall 20 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, Probezeit 3 Jahre aufgrund Jungendstraftat, verurteilt.

Der BF hat am 01.09.2019 sein Opfer zumindest mit Verletzungen am Körper gefährlich bedroht, um es in Furcht und Unruhe zu versetzen, und zwar erfasste der BF sein Opfer, eine Frau, am linken Unterarm und hielt ihr die geballte Faust vor ihr Gesicht und antwortete auf ihre Frage, ob er sie nun (auch) schlagen werde, damit, dass „dies kein Problem sei“. Weiter hat der BF das zweite Opfer, ebenfalls eine Frau, mit der Äußerung „Schlampe, ich bring dich um!“ gefährlich bedroht.

Der unbedingte Teil der Geldstrafe wurde am 22.06.2020 vollzogen.

21 Tage nach seiner ersten Tat wurde der BF erneut straffällig.

Er wurde durch Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 15.07.2020, Zahl 023 HV 11/2020d, rechtskräftig mit 15.07.2020, wegen des Verbrechens der absichtlich schweren Körperverletzung nach § 15 StGB, § 87 (1) StGB, zu einer Freiheitsstrafe von 6 (sechs) Monaten bedingt, Probezeit 3 (drei) Jahr und zu einer Geldstrafe von 360 Tagsätzen zu je €4,00 (1.440,00€) im Uneinbringlichkeitsfall 180 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, verurteilt.

Aufgrund dessen, dass der BF zum Tatzeitpunkt 17 Jahre alt war, wurde er zu einer Jugendstraftat verurteilt.

Der BF hat am 22.09.2019 seinem Opfer eine schwere Körperverletzung absichtlich versucht zuzufügen, indem der BF ein Küchenmesser (Klingenlänge 10cm) von hinten in den Rücken stach, wobei er dem Opfer eine ca. 15cm lange Stichverletzung im Bereich des Rippenbogens zugefügt hat. Der BF hatte vor der Tat Alkohol konsumiert. Nur durch großes Glück, so das Urteil, traf der Messerstich nicht die Lunge des Opfers, sodass eine schwere Körperverletzung unterblieb. Dem BF kam es, so das Urteil weiter, beim Zustechen mit dem Messer in den Rücken des Opfers gerade darauf an, ihm eine schwere Körperverletzung zuzufügen, was nur durch Zufall unterblieb.

3. Am 22.10.2020 wurde seitens des BFA ein Heimreisezertifikat für den BF beantragt. Aufgrund des Untertauchens des BF konnte eine Vorführung vor die afghanische Delegation nicht stattfinden.

4. Der BF ist illegal in die Schweiz ausgereist und hat in der Schweiz am 03.08.2020 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt, dort wurde er am 05.08.2020 erkennungsdienstlich behandelt.

5. Der BF wurde am 21.07.2021 von der Schweiz nach Österreich rücküberstellt und aufgrund der Asylantragstellung erkennungsdienstlich behandelt und ersteinvernommen. Auf die Frage, was sich seit Rechtskraft gegenüber dem bereits entschiedenen Verfahren verändert habe, gab der BF an, dass der alte Fluchtgrund aufrecht bleibe, die Sicherheitslage schlecht sei, viele Ortschaften von den Taliban eingenommen und viele Soldaten getötet worden seien. Er habe keine Möglichkeit zurückzukehren und würde als ungläubig gelten.

6. Die durch die Behörde am 21.07.2021 erstellte Prognoseentscheidung lautete auf Folgeantrag.

7. Der BF wurde am 21.07.2021 auf Anordnung der Behörde gemäß § 34(3) Z1 BFA-VG festgenommen und in das Polizeianhaltezentrum Wien Hernalser Gürtel eingeliefert.

8. Mit Verfahrensanordnung vom 22.07.2021 wurde dem BF ein Rechtsberater gemäß § 52 BFA-VG zur Seite gestellt.

9. Mittels Mandatsbescheides wurde über den BF gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG iVm. § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung über seinen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeenden Maßnahme angeordnet. Dieser Bescheid wurde dem BF nachweislich am 22.07.2021, um 07:30 Uhr, durch persönliche Übergabe zugestellt.

Die belangte Behörde sah aufgrund der strafgerichtlichen Verurteilungen des BF eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit iSd §§ 67 und 76 Abs. 2 Z 1 FPG. Der BF habe durch sein Verhalten gezeigt, dass er äußerst aggressiv und gewalttätig sei.

Fluchtgefahr sei aufgrund des bisherigen Verhaltens des BF in Hinblick auf § 76 Abs. 3 Z 1,3 und 9 FPG gegeben. Die Anordnung eines gelinderen Mittels sei bereits aufgrund der finanziellen Situation des BF und des Untertauchens des BF in der Vergangenheit zu versagen gewesen. Verhältnismäßigkeit sei in Hinblick auf die strafgerichtlichen Verurteilungen des BF gegeben. Darüber hinaus sei von der Haftfähigkeit des BF auszugehen gewesen.

10. Am 22.07.2021 wurde das BFA EASt-Ost von der Schubhaft in Kenntnis gesetzt und ersucht, den faktischen Abschiebeschutz aufzuheben.

11. Gegen den Mandatsbescheid, die Schubhaftanordnung sowie die fortdauernde Anhaltung in Schubhaft erhob der BF durch seine bevollmächtigte Vertretung am 27.07.2021 Beschwerde und begründete diese mit dem Nichtvorliegen von Fluchtgefahr sowie der Nichtanwendung eines gelinderen Mittels. In der Beschwerde wurde beantragt, auszusprechen, dass die Anordnung von Schubhaft und die bisherige Anhaltung in Schubhaft in rechtswidriger Weise erfolgt sei, sowie auszusprechen, dass die Voraussetzungen zur weiteren Anhaltung des BF nicht vorlägen. Weiters wurde die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung sowie Kostenersatz beantragt.

12. Am 28.07.2021 legte die belangte Behörde die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Stellungnahme. Darin führte sie nach Darlegung des Sachverhaltes aus:

„Neuerungen seit der Erlassung der Schubhaft:

Am 26.07.2021 erfolgte im PAZ Wien Hernalser Gürtel eine Rückkehrberatung durch die BBU. Bis dato ist kein Antrag auf freiwillige Ausreise eingelangt. Daher geht die hs. Behörde davon aus, dass der BF nicht gewillt ist, nach Afghanistan auszureisen.

Die Behörde wartet den Abschluss des laufenden Asylverfahrens zwecks einer Außerlandesbringung ab. Afghanistan – Charter werden laufend organisiert. Es steht fest, dass der BF die freiwillige Rückkehr bis dato nicht beantragt hat. Der BF wurde bereits 2 (zwei) Mal von einem österreichischen Gericht zu einer Freiheitsstrafe bzw. Geldstrafe verurteilt. Aufgrund der Strafdelikte – absichtlich schwere Körperverletzung und gefährliche Drohung – ist von einem erhöhten Gewaltpotential des BF auszugehen. Nach den Verurteilungen und der rechtskräftigen Rückkehrentscheidung ist der BF untergetaucht und in die Schweiz geflüchtet. Dadurch hat der BF gezeigt, dass er ist nicht gewillt nach Afghanistan zurückzureisen. Der BF ist noch in einem laufenden Asylverfahren; daher konnte bis dato kein Vorführtermin zur afghanischen Delegation organisiert werden. Da Schubhäftlinge äußerste Priorität im Bezug auf Charterbuchungen haben, ist der Aspekt, die Schubhaft so kurz als nötig zu halten, erfüllt.

ALIAS – Identitäten sind der Behörde folgende bekannt.

XXXX geb., Afghanistan


XXXX geb., Afghanistan


XXXX geb., Afghanistan

Angemerkt wird, dass der BF unter der Identität XXXX geb., StA. Afghanistan in der Schweiz einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat. Der Fremde versuchte unter Täuschung seiner wahren Identität Asyl in der Schweiz zu bekommen.

Zu der in der Beschwerde aufgestellten Behauptungen:

1. Nichtvorliegen von Fluchtgefahr gemäß § 76 Abs 2 Z 1 FPG

Gemäß § 76 Abs 2 Z 1 FPG ist die Verhängung der Schubhaft nur bei Vorliegen von Fluchtgefahr und Verhältnismäßigkeit zulässig. Im gegenständlichen Fall liegen weder Fluchtgefahr noch Verhältnismäßigkeit vor:

Der BF wurde von einem inländischen Gericht bereits 2 (zwei) Mal verurteilt. Der BF war zuletzt vom 20.01.2020 bis zum 15.10.2020 beim österreichischen Kreuz meldeamtlich erfasst.

Wie in der Beschwerde behauptet, dass der BF mehrere Wohnmöglichkeiten hat, kann nicht ausgegangen werden. Der BF tauchte, obwohl er angeblich mehrere Wohnmöglichkeiten hat, in Österreich unter und flüchtete in einen anderen Mitgliedsstaat. Obwohl eine Verpflichtung zur Ausreise bestand, missachtete der BF diese, wurde straffällig und tauchte unter. Der BF ist nicht gewillt nach Afghanistan ausreisen.

Der BF ist bereits am 14. (vierzehnten) Tag nach seinem negativen Asylantrag in Österreich in der Schweiz gewesen, wo er erneut einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

2. Zur Nicht-Anwendung eines gelinderen Mittels

Der Fremde kam der wiederholten Aufforderung zur Ausreise nicht nach, tauchte unter und reiste illegal in ein anderes Mitgliedsland aus.

Der Fremde setzte und setzt somit zahlreiche Handlungen um nicht nur am illegalen Aufenthalt im Bundesgebiet festhalten zu können, sondern auch um seine Abschiebung zu vereiteln um offenbar erneut in die Illegalität abtauchen zu können.

Von einer Kooperationsbereitschaft des Fremden gegenüber den Behörden kann somit keine Rede sein. Ebenso wenig kann von einer Ausreisewilligkeit des Fremden gesprochen werden. Die Anhaltung des Fremden in der Schubhaft ist somit jedenfalls notwendig, gerechtfertigt und verhältnismäßig.

Eine Anhaltung des Fremden im gelinderen Mittel ist zur Durchsetzung der Abschiebung nicht geeignet, hat sich doch der Fremde durch sein zuvor beschriebenes Verhalten nicht als vertrauenswürdig und rechtschaffen erwiesen.

Im Hinblick auf das gesetzten Verhalten ist erhebliche Fluchtgefahr und die Fortsetzung der Anhaltung in der Schubhaft jedenfalls zur Sicherung der Abschiebung dringend geboten.

Weitere Neuerungen/Änderungen im Verfahrensgang haben sich seit Erlassung des Schubhaftbescheides vom 22.07.2021 nicht ergeben

Auf die im Bescheid vom 22.07.2021 getätigten Ausführungen, insbesondere auf jene in Bezugnahme auf die bestehende Fluchtgefahr, wird verwiesen.“

Am Ende der Stellungnahme beantragte die belangte Behörde die Abweisung der Beschwerde sowie den Ersatz der verzeichneten Kosten.

13. Dem BF wurde die Stellungnahme der belangten Behörde zum Parteiengehör übermittelt und ihm die Möglichkeit einer Stellungnahme eingeräumt. In der erstatteten Stellungnahme geht der BF davon aus, dass das BFA keine ordnungsgemäße Gefährdungsprognose durchgeführt habe. Der Umstand, dass er im Bundesgebiet straffällig geworden sei, lasse nicht den Schluss zu, dass Fluchtgefahr bestehe und dürfe auch nicht als Kriterium für die Beurteilung, ob Fluchtgefahr bestehe, herangezogen werden. Ein allfälliges strafrechtliches Fehlverhalten könne bloß im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten herangezogen werden. Den BF würden seine Straftaten sehr leidtun und er wolle von nun an kooperativ sein und seinen Verpflichtungen nachkommen. Er sei bereit, mit den Behörden zu kooperieren und an einem von der Behörde angesetzten Abschiebungstermin nach Afghanistan auszureisen. Des Weiteren verwies der BF in Hinblick auf die Anordnung eines gelinderen Mittels auf bestehende Wohnmöglichkeiten bei seinen Freunden bei einer möglichen Entlassung aus der Schubhaft sowie die Möglichkeit der Zuweisung eines Quartiers im Rahmen der Grundversorgung. Abschließend hielt der BF fest, stellte die Schubhaft in seinem Fall ein unverhältnismäßiges Mittel dar und würde die Anordnung eines gelinderen Mittels an Stelle der Schubhaft ein ausreichendes Mittel zur Erfüllung des Sicherungszweckes darstellen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1. Zum Verfahrensgang:

Die im Verfahrensgang als Feststellung gefassten Punkte werden der Entscheidung zu Grunde gelegt.

2. Zur Person des Beschwerdeführers und zu den Voraussetzungen der Schubhaft:

2.1. Der Beschwerdeführer ist nicht österreichischer Staatsangehöriger, seine Identität steht nicht fest. Der Beschwerdeführer ist gesund und haftfähig. Der BF ist aufgrund seines am 03.08.2020 in der Schweiz gestellten Folgeantrages Asylwerber.

2.2. Gegen den Beschwerdeführer besteht seit 20.07.2020 eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung (W163 2215198-1/12E).

2.3. Der BF wurde am 21.07.2021 zu seinem am 03.08.2020 in der Schweiz gestellten Asylfolgeantrag ersteinvernommen. Gegenwärtig verfügt der BF über faktischen Abschiebeschutz.

2.4. Der Beschwerdeführer war zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung und Anhaltung in Schubhaft am 22.07.2021 haftfähig und gesund.

2.5. Der Beschwerdeführer wird seit dem 22.07.2021 in Schubhaft angehalten.

3. Zum Sicherungsbedarf, zur Fluchtgefahr und zur Verhältnismäßigkeit:

3.1. Gegen den Beschwerdeführer besteht seit 20.07.2020 eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung (W163 2215198-1/12E).

3.2. Der Beschwerdeführer ist nicht vertrauenswürdig.

3.3. Der Beschwerdeführer befand sich von seiner Antragstellung am 09.11.2017 bis zur rechtskräftigen, negativen Entscheidung seines Antrages auf internationalen Schutz am 20.07.2020 durchgehend in Österreich. Danach reiste der BF in die Schweiz weiter und stellte dort am 03.08.2020 einen Asylfolgeantrag. Der BF wurde am 21.07.2021 nach Österreich rücküberstellt.

3.4. Der BF hat keine Verwandten oder Familienangehörige im Bundesgebiet. Er führt keine Beziehung in Österreich. Der BF ging bis zu seiner Ausreise aus Österreich im Juli 2020 keiner Erwerbstätigkeit nach und lebt von der Grundversorgung. Er betätigte sich aber ehrenamtlich in einer Gemeinde, indem er beim Säubern des Parks half und rasenmähte. Er nahm an einem Werte- und Orientierungskurs teil. Er besuchte zumindest für kurze Zeit einen Deutschkurs, erlangte jedoch kein Sprachzertifikat. Er versteht einfache Fragen des Alltags in deutscher Sprache und kann diese auf einfachem Niveau sinnzusammenhängend beantworten.

Bis zu seiner Weiterreise in die Schweiz war der BF zuletzt in einer Unterkunft des Roten Kreuzes meldeamtlich erfasst. Gegenwärtig befindet sich der BF in behördlicher Anhaltung und verfügt über keine gesicherte Unterkunft, an der er sich der Behörde zu seiner Abschiebung bereithalten kann.

Der BF verfügt über ein soziales Netz in Österreich, das ihn jedoch nicht von einem Untertauchen abhalten wird. Der BF ist mittellos.

3.5. Der BF wurde in Österreich strafgerichtlich verurteilt:

Der BF wurde durch das Landesgericht Innsbruck am 14.05.2020, unter der Zahl 027 HV 123/2019b, wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 (1) StGB zu einer bedingten Geldstrafe von 80 Tagsätzen zu je 4,00 EUR (320,00 EUR), im Uneinbringlichkeitsfall 40 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, davon unbedingt zu einer Geldstrafe von 40 Tagsätzen zu je 4,00 EUR (160,00 EUR) im Uneinbringlichkeitsfall 20 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, Probezeit 3 Jahre aufgrund Jungendstraftat, verurteilt.

Der BF hat am 01.09.2019 sein Opfer zumindest mit Verletzungen am Körper gefährlich bedroht, um es in Furcht und Unruhe zu versetzen, und zwar erfasste der BF sein Opfer, eine Frau, am linken Unterarm und hielt ihr die geballte Faust vor ihr Gesicht und antwortete auf ihre Frage, ob er sie nun auch schlagen werde, damit, dass dies kein Problem sei. Weiter hat der BF das zweite Opfer, ebenfalls eine Frau, mit der Äußerung „Schlampe, ich bring dich um!“ gefährlich bedroht.

Der unbedingte Teil der Geldstrafe wurde am 22.06.2020 vollzogen.

21 Tage nach seiner ersten Tat wurde der BF erneut straffällig.

Er wurde durch Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 15.07.2020, Zahl 023 HV 11/2020d, wegen des Verbrechens der absichtlich schweren Körperverletzung nach § 15 StGB, § 87 (1) StGB, zu einer Freiheitsstrafe von 6 (sechs) Monaten bedingt, Probezeit 3 (drei) Jahr und zu einer Geldstrafe von 360 Tagsätzen zu je €4,00 (1.440,00€) im Uneinbringlichkeitsfall 180 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, verurteilt.

Aufgrund dessen, dass der BF zum Tatzeitpunkt 17 Jahre alt war, wurde er zu einer Jugendstraftat verurteilt.

Der BF hat am 22.09.2019 seinem Opfer eine schwere Körperverletzung absichtlich versucht zuzufügen, indem der BF ein Küchenmesser (Klingenlänge 10cm) von hinten in den Rücken stach, wobei er dem Opfer eine ca. 15cm lange Stichverletzung im Bereich des Rippenbogens zugefügt hat. Der BF hatte vor der Tat Alkohol konsumiert. Nur durch großes Glück, so das Urteil, traf der Messerstich nicht die Lunge des Opfers, sodass eine schwere Körperverletzung unterblieb. Dem BF kam es, so das Urteil weiter, beim Zustechen mit dem Messer in den Rücken des Opfers gerade darauf an, ihm eine schwere Körperverletzung zuzufügen, was nur durch Zufall unterblieb.

Der BF gefährdet die öffentliche Ordnung und Sicherheit.

3.6. Am 22.10.2020 wurde seitens des BFA ein Heimreisezertifikat für den BF beantragt. Aufgrund des Untertauchens des BF konnte eine Vorführung vor die afghanische Delegation nicht stattfinden.

Gegenwärtig befindet sich der BF in einem laufenden Asylverfahren und kann der afghanischen Botschaft nicht vorgeführt werden.

Die realistische Möglichkeit der Erlangung eines Heimreisezertifikates für den BF sowie einer Überstellung des BF innerhalb der höchstzulässigen Schubhaftdauer in seinen Herkunftsstaat besteht jedenfalls.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungs- und Gerichtsakt, in den Akte des Bundesverwaltungsgerichtes das bisherigen Asylverfahren des BF betreffend (W163 2215198-1), in das Grundversorgungs-Informationssystem, in das Strafregister, in das Zentrale Fremdenregister, in das Zentrale Melderegister sowie in die Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung des Bundesministeriums für Inneres.

1. Zum Verfahrensgang:

1.1. Die Feststellungen zum Verfahrensgang ergeben sich aus dem Akt des Bundesamtes sowie aus den Akten des Bundesverwaltungsgerichtes das bisherige Asylverfahren des BF betreffend sowie aus der Beschwerde und sind unstrittig. Sämtliche zitierten Entscheidungen liegen im Akt ein.

2. Zur Person des Beschwerdeführers und zu den Voraussetzungen der Schubhaft:

Die Feststellungen zur Identität des BF gründen darauf, dass der BF keine Dokumente in Vorlage gebracht hat, die seine Identität zweifelsfrei belegen können. Der BF stellte seine Anträge auf internationalen Schutz unter verschiedenen Identitäten.

Aufgrund seiner Folgeantragstellung ist der BF Asylwerber.

Die Feststellung hinsichtlich des Gesundheitszustandes des BF geht aus den expliziten Aussagen des BF in der Erstbefragung am 21.07.2021 hervor, wodurch auch die Haftfähigkeit gegeben ist.

2.2. Dass gegen den BF eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung zum Zeitpunkt der Asylfolgeantragstellung vorgelegen ist, ergibt sich aus dem im Gerichtsakt einliegenden Erkenntnis (W163 2215198-1).

2.3. Die Feststellungen zu seiner Asylfolgeantragstellung und zum Bestehen des faktischen Abschiebeschutzes ergibt sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt des BFA.

2.4. Die Feststellung hinsichtlich des Gesundheitszustandes des BF ergibt sich aus den expliziten Aussagen des BF in der Erstbefragung am 21.07.2021, auch aus der Beschwerde geht nichts Gegenteiliges hervor, wodurch auch die Haftfähigkeit gegeben ist.

2.5. Dass der Beschwerdeführer seit 22.07.2021 in Schubhaft angehalten wird, ergibt sich aus dem Verwaltungsakt und den damit übereinstimmenden Angaben in der Anhaltedatei.

3. Zum Sicherungsbedarf, zur Fluchtgefahr und zur Verhältnismäßigkeit:

3.1. Dass gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung besteht, die mit 20.07.2020 in Rechtskraft erwuchs, war aufgrund der Einsichtnahme in den Gerichtsakt festzustellen.

3.2. Die fehlende Vertrauenswürdigkeit des BF ergibt sich bereits aus der Tatsache, dass der BF aufgrund seines Vorverhaltens, wonach er von einem österreichischen Gericht einmal wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 (1) StGB zu einer - wegen seines jugendlichen Alters - bedingten Geldstrafe, verurteilt wurde. Hervorzuheben ist dabei, dass sich die gefährliche Drohung des BF gegen Frauen gerichtet hat, was in besonderem Maß zu verpönen ist, zumal die Frauen einem am Boden liegenden, durch Gewalteinwirkung schwer verletzten jungen Mann zu Hilfe kommen wollten und dann vom BF attackiert wurden, der anstatt dem verletzten Mann Erste Hilfe zu leisten gegen zwei wehrlose Frauen durch gefährliche Drohung vorgegangen ist. Nur wenige Tage nach der Setzung dieser strafbaren Handlung wurde der BF ein weiteres Mal straffällig. Auch diese Tat war durch besonders aggressives und brutales Vorgehen seitens des BF gekennzeichnet. Der BF hat seinem Opfer eine schwere Körperverletzung absichtlich versucht zuzufügen, indem er ein Küchenmesser (Klingenlänge 10cm) von hinten in den Rücken stach, wobei er dem Opfer eine ca. 15cm lange Stichverletzung im Bereich des Rippenbogens zugefügt hat. Der BF hatte vor der Tat Alkohol konsumiert. Nur durch großes Glück, so das Strafurteil, traf der Messerstich nicht die Lunge des Opfers, sodass eine schwere Körperverletzung unterblieb. Dem BF kam es, so das Urteil weiter, beim Zustechen mit dem Messer in den Rücken des Opfers gerade darauf an, ihm eine schwere Körperverletzung zuzufügen, was nur durch Zufall unterblieb.

Aufgrund dessen in Zusammenschau mit dem Umstand, dass der BF nach rechtskräftigem Abschluss seines (ersten) Asylverfahrens untergetaucht ist, sich in die Schweiz abgesetzt hat und dort unter einer anderen Identität für sich Asyl erlangen wollte, wird er für sich keine Vertrauenswürdigkeit in Anspruch nehmen können.

3.3. Die Feststellungen zur Asylantragstellung in Österreich und in der Schweiz ergeben sich aus dem Verwaltungsakt des BFA.

3.4. Die Feststellungen zu mangelnden familiären, sozialen und beruflichen Anknüpfungspunkten in Österreich ergeben sich aus dem Verwaltungsakt sowie aus dem Gerichtsakt zu W163 2215198-1. Diesbezüglich sind keine gefestigten sozialen Anknüpfungspunkte in Österreich zu entnehmen. Aufgrund des vom BF in der Vergangenheit gezeigten Verhaltens ist auch der Grad der sozialen Verankerung nicht geeignet, um den BF vom Untertauchen – wenn die Abschiebung tatsächlich und unmittelbar bevorsteht – abzuhalten, zumal das soziale Netz des BF diesen bereits in der Vergangenheit ebenfalls nicht von einem Untertauchen hatte abhalten können.

Die Angaben betreffend die Wohnsitzmeldung des BF gehen aus einem Auszug aus dem Zentralen Melderegister hervor. Die Mittellosigkeit des BF ergibt sich aus der Anhaltedatei, hieraus ist ersichtlich, dass der BF über keine Barmittel verfügt.

3.5. Die Feststellungen zu den strafgerichtlichen Verurteilungen des BF beruhen auf einer Einsichtnahme in das Strafregister sowie auf die im Akt aufliegenden Urteilsausfertigungen.

Hinsichtlich der Feststellung, dass der BF eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellt, ist auf die im Akt einliegenden Urteile des Landesgerichtes Innsbruck zu verweisen, aus denen sich - wie oben dargestellt - die Aggressivität und Gewalttätigkeit des BF ergibt.

3.6. Die Feststellungen zum seinerzeit eingeleiteten HRZ – Verfahren, das aufgrund des Umstandes, dass der BF untergetaucht war, nicht fortgesetzt werden konnte sowie die Tatsache, dass aufgrund des laufenden Asylverfahrens eine Weiterführung des HRZ-Verfahrens zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht möglich ist, gründen auf den Verwaltungsakt.

Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb eine Abschiebung des BF nach Abschluss des Asylfolgeantragsverfahrens und der Ausstellung eines Heimreisezertifikats nicht erfolgen können soll. Es ist notorisch, dass der Flugverkehr aufrecht ist und die Zusammenarbeit mit der afghanischen Botschaft problemlos funktioniert. Dass die Abschiebung des BF innerhalb der höchstzulässigen Schubhaftfristen effektuiert wird, ist jedenfalls möglich.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchteil A. – Spruchpunkt I. und II. – Schubhaftbescheid, Anhaltung in Schubhaft seit 22.07.2021 und Fortsetzungsausspruch

3.1.1. Zu den gesetzlichen Grundlagen

Der mit „Schubhaft“ betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

„§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c.es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

§ 77 Gelinderes Mittel

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat das Bundesamt bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1 FPG.

Gemäß § 77 Abs. 2 FPG ist Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

Gemäß § 77 Abs. 3 FPG sind gelindere Mittel insbesondere die Anordnung, (Z 1) in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen, (Z 2) sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder (Z 3) eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.

Kommt der Fremde gemäß § 77 Abs. 4 FPG seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.

Gemäß § 77 Abs. 5 FPG steht die Anwendung eines gelinderen Mittels der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

Gemäß § 77 Abs. 6 FPG hat sich zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

Gemäß § 77 Abs. 7 FPG können die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

Gemäß § 77 Abs. 8 FPG ist das gelindere Mittel mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

Gemäß § 77 Abs. 9 FPG können die Landespolizeidirektionen betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.

Der mit „Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft“ überschriebene § 22a des BFA-Verfahrensgesetzes lautet:

㤠22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig.“

§ 67 FPG

(1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

(2) Ein Aufenthaltsverbot kann, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.

(3) Ein Aufenthaltsverbot kann unbefristet erlassen werden, wenn insbesondere

1. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

2. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB);

3.auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder

4.der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

(4) Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes ist auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist des Aufenthaltsverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise.

3.1.2. Zur Judikatur:

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 Bundesverfassungsgesetz vom 29. November 1988 über den Schutz der persönlichen Freiheit und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der – aktuelle – Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis E 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde (VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, vgl. auch VwGH vom 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22.05.2007, Zl. 006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29.04.2008, Zl. 2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom 28.02.2008, Zl. 2007/21/0512, und Zl. 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

3.2. Zu Spruchpunkt I. – Schubhaftbescheid und Anhaltung in Schubhaft seit 22.07.2021

Gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG darf die Schubhaft angeordnet werden, wenn dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist.

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 Bundesverfassungsgesetz vom 29. November 1988 über den Schutz der persönlichen Freiheit und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043). Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Bei Schubhaftbeschwerden ist die Entscheidung in der Sache selbst im Fortsetzungsausspruch nach § 22a Abs. 3 BFA-VG 2014 zu erblicken, wobei Änderungen der Sach- und Rechtslage zu berücksichtigen sind (vgl. VfGH 12.3.2015, G 151/2014 ua, VfSlg. 19970/2015). In Gestalt dieses Fortsetzungsausspruches schafft das VwG - wenn er "positiv" auszufallen hat - einen neuen Schubhafttitel (vgl. VwGH 5.10.2017, Ra 2017/21/0161, 0162). Von daher besteht auch kein Erfordernis, den vorangegangenen Schubhaftbescheid zu "sanieren". In Bezug auf die Überprüfung des Schubhaftbescheides ist das VwG daher, zumal dem Gesetz keine Verpflichtung zu einer zweiten "Entscheidung in der Sache" zu entnehmen ist, auf eine reine Kontrolltätigkeit beschränkt, was letztlich darin seinen Ausdruck findet dass durch § 22a Abs. 1a BFA-VG 2014 für Schubhaftbeschwerden das für Maßnahmenbeschwerden geltende Verfahrensrecht für anwendbar erklärt wird. Im Maßnahmenbeschwerdeverfahren stellt sich die Frage einer Sanierung des zu beurteilenden Aktes nämlich regelmäßig nicht (vgl. auch § 28 Abs. 6 VwGVG 2014; VwGH vom 05.10.2017, Ro 2017/21/0007).

§ 76 Abs. 2 Z 1 FPG in der durch das FrÄG 2018 geänderten Fassung stellt sich als Umsetzung des Haftgrundes des Art. 8 Abs. 3 lit. e der Aufnahme-RL (Richtlinie 2013/33/EU) in seiner Ausprägung Erfordernis der Haft aus Gründen der öffentlichen Ordnung dar, sodass in dessen Rahmen nunmehr (auch außerhalb von durch die Z 3 des § 76 Abs. 2 FPG erfassten „Dublin-Konstellationen“) Schubhaft grundsätzlich auch gegen Asylwerber mit „Bleiberecht“ in Betracht kommt. Der genannte Schubhaftgrund verlangt als Tatbestandsvoraussetzung nicht nur die Annahme von Fluchtgefahr, sondern auch das Vorliegen einer vom Aufenthalt des Fremden ausgehenden Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gemäß § 67 FPG, somit eine „tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt“ (vgl. VwGH 27.04.2020, Ra 2019/21/0367, mwN).

In Bezug auf Gefährdungsprognosen ist es ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass bei deren Erstellung das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen ist, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils anzuwendende Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 67 Abs. 1 FPG zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dessen Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das „persönliche Verhalten“ des Fremden abzustellen ist und strafrechtliche Verurteilungen allein nicht ohne Weiteres die erforderliche Gefährdungsprognose begründen können (VwGH 27.04.2020, Ra 2019/21/0367, mwN).

Der BF wurde durch das Landesgericht Innsbruck am 14.05.2020 wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 (1) StGB zu einer bedingten Geldstrafe von 80 Tagsätzen zu je 4,00 EUR (320,00 EUR), im Uneinbringlichkeitsfall 40 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, davon unbedingt zu einer Geldstrafe von 40 Tagsätzen zu je 4,00 EUR (160,00 EUR) im Uneinbringlichkeitsfall 20 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, Probezeit 3 Jahre aufgrund Jungendstraftat, verurteilt.

Der BF hat am 01.09.2019 sein Opfer zumindest mit Verletzungen am Körper gefährlich bedroht, um es in Furcht und Unruhe zu versetzen, und zwar erfasste der BF sein Opfer, eine Frau, am linken Unterarm und hielt ihr die geballte Faust vor ihr Gesicht und antwortete auf ihre Frage, ob er sie nun auch schlagen werde, damit, dass dies kein Problem sei. Weiter hat der BF das zweite Opfer, ebenfalls eine Frau, mit der Äußerung „Schlampe, ich bring dich um!“ gefährlich bedroht.

Hervorzuheben ist dabei, dass sich die gefährliche Drohung des BF gegen Frauen gerichtet hat, was in besonderem Maß zu verpönen ist, zumal die Frauen einem am Boden liegenden, durch Gewalteinwirkung schwer verletzten jungen Mann zu Hilfe kommen wollten und dann vom BF attackierten wurden, der anstatt dem verletzten Mann Erste Hilfe zu leisten gegen zwei wehrlose Frauen durch gefährliche Drohung vorgegangen ist.

Nur wenige Tage nach der Setzung dieser strafbaren Handlung wurde der BF ein weiteres Mal straffällig. Er wurde durch Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 15.07.2020 wegen des Verbrechens der absichtlich schweren Körperverletzung nach § 15 StGB, § 87 (1) StGB, zu einer Freiheitsstrafe von 6 (sechs) Monaten bedingt, Probezeit 3 (drei) Jahr und zu einer Geldstrafe von 360 Tagsätzen zu je €4,00 (1.440,00€) im Uneinbringlichkeitsfall 180 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, verurteilt.

Aufgrund dessen, dass der BF zum Tatzeitpunkt 17 Jahre alt war, wurde er zu einer Jugendstraftat verurteilt.

Der BF hat am 22.09.2019 seinem Opfer eine schwere Körperverletzung absichtlich versucht zuzufügen, indem der BF ein Küchenmesser (Klingenlänge 10cm) von hinten in den Rücken stach, wobei er dem Opfer eine ca. 15cm lange Stichverletzung im Bereich des Rippenbogens zugefügt hat. Der BF hatte vor der Tat Alkohol konsumiert. Nur durch großes Glück, so das Urteil, traf der Messerstich nicht die Lunge des Opfers, sodass eine schwere Körperverletzung unterblieb. Dem BF kam es, so das Urteil weiter, beim Zustechen mit dem Messer in den Rücken des Opfers gerade darauf an, ihm eine schwere Körperverletzung zuzufügen, was nur durch Zufall unterblieb. Auch diese Tat war durch besonders aggressives und brutales Vorgehen seitens des BF gekennzeichnet.

Dass der BF seit seiner Verurteilung im Juli 2020 keine weiteren Straftaten gesetzt hat, kann angesichts der hier in Rede stehenden Delikte die vom BF ausgehende Gefahr für Staat und Gesellschaft nicht mindern, zumal sich der BF kurz danach in die Schweiz abgesetzt hat und erst am 21.07.2021 – sohin vor wenigen Tagen - nach Österreich rücküberstellt wurde. Im angefochtenen Mandatsbescheid (S 13 ff des Bescheides) hat das Bundesamt nachvollziehbar begründet, warum beim BF von einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit auszugehen ist.

Ein Gesinnungswandel eines Straftäters ist grundsätzlich daran zu messen, ob und wie lange er sich - nach dem Vollzug einer Haftstrafe - in Freiheit wohlverhalten hat. Dieser Zeitraum ist nach den Grundsätzen der Judikatur umso länger anzusetzen, je nachdrücklicher sich die Gefährlichkeit des Fremden - etwa in Hinblick auf das der strafgerichtlichen Verurteilung zu Grunde liegende Verhalten oder einen raschen Rückfall - manifestiert hat (VwGH vom 26.06.2019, Ra 2019/21/0118). Im gegenständlichen Fall ist ein Zeitraum von 12 Monaten als Beurteilungszeitraum für das strafrechtliche Wohlverhalten des BF jedenfalls als zu kurz anzusehen, zumal der BF kurze Zeit nach seiner Verurteilung in die Schweiz ausgereist ist.

Wie festgestellt gefährdet der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung und Sicherheit gemäß § 67 FPG, weshalb die Verhängung der Schubhaft über den BF grundsätzlich – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen – möglich ist. Voraussetzung für die Verhängung der Schubhaft sind das Vorliegen eines Sicherungsbedarfes hinsichtlich der Durchführung bestimmter Verfahren oder der Abschiebung, das Bestehen von Fluchtgefahr sowie die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft.

Zur Fluchtgefahr:

Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kann immer nur dann verhältnismäßig sein, wenn mit dem der Möglichkeit einer Abschiebung auch tatsächlich zu rechnen ist. Ergibt sich, dass diese fremdenpolizeiliche Maßnahme innerhalb der Schubhafthöchstdauer nicht durchführbar ist, so darf die Schubhaft nicht verhängt werden bzw. ist – wenn sich das erst später herausstellt – umgehend zu beenden (VwGH 28.08.2012, 2010/21/0517; vgl. VwGH 19.04.2012, 2009/21/0047).

Die „Fluchtgefahr“ ist in Österreich im § 76 Abs. 3 FPG (oben wiedergegeben) gesetzlich definiert.

Über den BF wurde die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung über seinen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeenden Maßnahme angeordnet. Die belangte Behörde sah aufgrund der strafgerichtlichen Verurteilungen des BF eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit iSd §§ 67 und 76 Abs. 2 Z 1 FPG. Der BF habe durch sein Verhalten gezeigt, dass er äußerst aggressiv und gewalttätig sei.

Fluchtgefahr sei aufgrund des bisherigen Verhal

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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