Entscheidungsdatum
04.08.2021Norm
BFA-VG §22a Abs1 Z3Spruch
W282 2172522-5/18E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Florian KLICKA, BA als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit: Afghanistan, vertreten durch BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Schubhaftbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX .2021, Zl. XXXX und hinsichtlich der weiteren Anhaltung in Schubhaft zu Recht:
A)
I. Die Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid und die Anhaltung in Schubhaft bis 04.08.2021 wird gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z 2 und Abs. 6 FPG als unbegründet abgewiesen.
II. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z 2 FPG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.
III. Der Antrag auf Aufwandersatz des Beschwerdeführers wird gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG abgewiesen.
IV. Gemäß § 35 Abs. 1 und 2 VwGVG iVm § 1 Z 3 u. 4 VwG-AufwErsV hat der Beschwerdeführer dem Bund (Bundesminister für Inneres) Aufwendungen in Höhe von € 426,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Feststellungen
1. Zum Verfahrensgang
1.1 Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) reiste unrechtmäßig in das Bundesgebiet ein und stellte am 04.12.2015 erstmalig einen Antrag auf internationalen Schutz. Im Rahmen seiner Erstbefragung am selben Tag gab er vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes an, er sei afghanischer Staatsangehöriger und sei am XXXX geboren. Er stamme aus der afghanischen Provinz Helmand und sei ledig. Seine Erstsprache sei Dari und er habe drei Jahre die Schule besucht. Sein Vater sei bereits verstorben. Im Herkunftsstaat würden noch seine Mutter sowie seine beiden Brüder leben. Vor einem Jahr sei er endgültig aus dem Herkunftsstaat ausgereist. Zu seinen Fluchtgründen gab er an, dass seine beiden Brüder von den Taliban entführt worden seien und er Angst gehabt habe, dass ihm dasselbe geschehe.
1.2. Am 13.09.2017 erfolgte die niederschriftliche Einvernahme des BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA), im Zuge welcher er zu seiner Person angab, dass er keiner medizinischen Behandlung bedürfe und gesund sei. Er gehöre der Volksgruppe der Hazara sowie der schiitischen Religionsgemeinschaft an. Bis zu seinem 15. Lebensjahr habe er im Herkunftsstaat gewohnt. Daraufhin sei er für ein Jahr alleine nach Teheran, Iran, verzogen, da es in seinem Wohnort kaum Arbeit gegeben habe und es aufgrund der Präsenz der Taliban unsicher gewesen sei. In Afghanistan habe er bereits im Alter von fünf oder sechs Jahren begonnen, als Tagelöhner zu arbeiten. Er sei in der Landwirtschaft und im Baubereich tätig gewesen. Der BF habe jeden Tag nach Arbeit gesucht, habe eine solche aber nicht immer gefunden. Für seine Tätigkeiten habe er 40 bis 70 Afghani erhalten. Wenn er nicht gearbeitet habe, sei er zur Schule gegangen. Die Grundschule habe er von 2005 bis 2013 in Helmand besucht. Ferner habe er drei Jahre eine Koran-Schule besucht. Im Iran habe er drei Monate als Wachmann in einer Fabrik gearbeitet. Sein Vater sei verstorben, als er 14 Jahre alt gewesen sei. Er sei im Krieg gegen die Taliban vor circa vier bis fünf Jahren ums Leben gekommen. Mit seiner Mutter und seinen beiden Brüdern habe er seit seiner Ausreise in den Iran keinen Kontakt mehr. Ihren aktuellen Aufenthaltsort kenne er nicht. Vor seiner Ausreise habe er mit seiner Mutter in einem Haus in Helmand gelebt. Seine beiden Brüder seien von den Taliban entführt worden, als sie nach Kabul gehen hätten wollen. Seither habe er nichts mehr von ihnen gehört und wisse nicht, ob sie noch leben würden. Sein jüngerer Bruder sei krank gewesen, weshalb ihn sein älterer Bruder zur Behandlung nach Kabul bringen habe wollen. Am Weg dorthin seien sie aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara von den Taliban angehalten und entführt worden. In der Provinz Helmand könnten sich Hazara nicht frei bewegen und müssten immer Angst haben, von den Taliban entführt oder getötet zu werden. Die Entführung habe etwa einen Monat vor seiner Ausreise in den Iran stattgefunden. Vom Iran aus habe er seiner Mutter Geld geschickt. Was sie jetzt mache, wisse er nicht. Nach seiner Ausreise aus dem Herkunftsstaat habe er neun Monate im Iran gelebt. Davon habe er insgesamt vier Monate für den Iran in Syrien gekämpft. Er sei dazu gezwungen worden. Als er auf dem Weg zur Arbeit gewesen sei, habe ihn die iranische Polizei festgenommen und zu einer Polizeistation gebracht. Sie hätten ihm gesagt, dass er illegal im Iran sei und entweder in Syrien kämpfen oder nach Afghanistan zurückkehren müsse. Mit dem Geld, welches er für seinen Aufenthalt in Syrien erhalten habe, habe er seine Flucht finanziert. Zu extremistischen oder terroristischen Gruppierungen habe er nie Kontakt gehabt. Sonstige Angehörige im Herkunftsstaat habe er nicht. Zu seinen Fluchtgründen führte er an, er habe in Afghanistan keine Zukunft gehabt. Er habe dort nicht leben können, da sein Leben in Gefahr gewesen sei. Jeden Tag sei dort Krieg gewesen, es habe Schießereien gegeben und die Taliban seien dort gewesen. Seine Brüder seien auf dem Weg nach Kabul von den Taliban entführt worden. Als Hazara werde man in Helmand verfolgt und lebe in ständiger Angst. Im Iran sei es ihm zunächst als Wachmann gut gegangen, die Polizei hätte ihn jedoch gezwungen, in Syrien zu kämpfen. Dafür habe er im Iran bleiben dürfen und eine Aufenthaltskarte erhalten. Damit seine Aufenthaltskarte im Iran verlängert werde, hätte er neuerlich in Syrien kämpfen müssen. Da er dies nicht gewollt habe, sei er nach Europa geflüchtet. Sein Zielland sei Schweden gewesen. Zu seinen Rückkehrbefürchtungen gab er an, dass ihn die Taliban in Afghanistan töten würden. Überall in Afghanistan herrsche Krieg und er habe auch keine Verwandten mehr. Auf Nachfrage, warum seine Mutter dort ungefährdet leben könne, gab er an, die Taliban würden Frauen in Ruhe lassen. Sie habe ihn in den Iran geschickt, habe aber selber in Afghanistan bleiben wollen. Wenn in Afghanistan kein Krieg wäre, könne er zurückkehren und dort leben.
1.3. Mit Bescheid vom XXXX .2017, Zl. XXXX , wurde der (erste) Antrag des BF auf internationalen Schutz betreffend die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie betreffend die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nach § 57 AsylG 2005 wurde ihm nicht erteilt. Gegen ihn wurde gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Ferner wurde festgestellt, dass eine Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Als Frist für die freiwillige Ausreise wurden gemäß § 55 Abs. 1 bis Abs. 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Entscheidung festgelegt (Spruchpunkt IV.).
1.4. Gegen diesen Bescheid des BFA erhob der BF fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG).
1.5. Mit Urteil des LG Eisenstadt vom XXXX .2019, XXXX , wurde der BF wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 SMG sowie wegen der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 SMG und Abs. 2 SMG zu einer Freiheitsstrafe von 14 Monaten verurteilt, wobei ein Teil von 10 Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.
1.6. Mit Urteil des LG Wiener Neustadt vom XXXX .2020, XXXX , wurde der BF wegen des Vergehens der Vorbereitung zum Suchtgifthandel nach § 28 Abs. 1 SMG zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten verurteilt. Die mit Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt vom 03.07.2019 zu 11 Hv 25/19a ausgesprochene bedingte Strafnachsicht wurde widerrufen.
1.7. Mit Erkenntnis vom 07.08.2020, W124 2172522-1/52E, wies das BVwG die gegen den Bescheid des BFA vom XXXX .2017 erhobene Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. bis III. gemäß den §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG 2005, § 9 BFA-VG und den §§ 46, 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, 55 Abs. 1 bis 3 FPG als unbegründet ab. Die Beschwerde gegen den Spruchpunkt IV. wurde mit der Maßgabe abgewiesen, dass der Spruch zu lauten hat: „Gemäß § 55 Abs. 2 FPG beträgt die Frist zur freiwilligen Ausreise 14 Tage ab dem Zeitpunkt der Enthaftung.“ Dieses Erkenntnis blieb unbekämpft.
Das BVwG stellte – hier zusammengefasst und verkürzt wiedergegeben – zur Person des BF fest, dass er afghanischer Staatsangehöriger sei, der Volksgruppe der Hazara sowie der schiitischen Glaubensrichtung des Islams angehöre. Der BF stamme aus der afghanischen Provinz Helmand, wo er bis zu seiner endgültigen Ausreise aus dem Herkunftsstaat gelebt habe. Seine Erstsprache sei Dari. Im Herkunftsstaat habe er acht Jahre die Grundschule und drei Jahre eine Koranschule besucht. Neben dem Schulbesuch habe er als Tagelöhner verschiedene Tätigkeiten verrichtet und seiner Familie bei der Arbeit auf deren Landwirtschaft geholfen. Im Alter von circa 14 oder 15 Jahren sei er in den Iran verzogen und habe dort rund ein Jahr auf Baustellen sowie als Wachmann gearbeitet. Durch diese Tätigkeiten habe er nicht nur seinen Lebensunterhalt eigenständig bestritten, sondern habe sich auch ausreichende Ersparnisse angeeignet, um seiner Mutter Geld nach Afghanistan zu schicken und seine Flucht nach Europa zu finanzieren. Weiters wurde festgestellt, dass der BF zu seiner Mutter und seinen Brüdern nach wie vor Kontakt habe. Ihr Aufenthaltsort könne jedoch nicht hinreichend festgestellt werden. Der Vater des BF sei bereits verstorben, wobei die näheren Umstände seines Todes nicht abschließend festgestellt werden hätten können.
Zu den Fluchtgründen des BF hielt das BVwG fest, dass er im Herkunftsstaat nicht in das Blickfeld der Taliban geraten und nie einer konkret gegen seine Person gerichteten Verfolgung ausgesetzt gewesen sei. Es sei nicht glaubhaft, dass der BF als Mitglied der Fatemiyoun Division im Kampfeinsatz in Syrien gewesen sei und ihm aufgrund von Fotos, welche ihn bei diesem Kampfeinsatz zeigten und im Internet veröffentlicht worden seien, im Fall der Rückkehr nach Afghanistan die reale Gefahr einer Verfolgung drohe.
Für ihn bestehe keine reale Gefahr der Verfolgung aufgrund der Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara sowie zur schiitischen Glaubensrichtung des Islams. Ferner sei es nicht wahrscheinlich, dass dem BF aufgrund seines Aufenthalts in Europa und/oder im Iran der Abfall vom islamischen Glauben oder eine feindliche politische Gesinnung unterstellt werde. Der BF habe während seines Aufenthalts in Österreich keine Wertehaltung und/oder Lebensführung verinnerlicht, die von den afghanischen Sozialnormen in einem solchen Ausmaß abweiche, sodass er im Fall der Rückkehr nach Afghanistan der realen Gefahr einer Verfolgung ausgesetzt wäre. Zudem sei es nicht wahrscheinlich, dass der BF in Afghanistan von den Taliban oder einer anderen regierungsfeindlichen Gruppierung zwangsrekrutiert werde.
Zu einer möglichen Rückkehr des BF in den Herkunftsstaat stellte das BVwG fest, dass bei einer Rückkehr in die Provinz Helmand eine Verletzung seiner körperlichen Unversehrtheit aufgrund der instabilen Sicherheitslage sowie der schlechten Erreichbarkeit dieser Provinz nicht ausgeschlossen werden könne. Eine Ansiedlung in der Stadt Mazar-e Sharif sei dem BF zumutbar und sei diese Stadt auch sicher mit dem Flugzeug erreichbar. Die großen Reisebeschränkungen in Afghanistan seien mittlerweile aufgehoben worden und auch der internationale Flugverkehr sei wiederaufgenommen worden. Es stehe nicht fest, dass der BF im Falle einer Ansiedlung in der Stadt Mazar-e Sharif in seinem Recht auf Leben gefährdet werde, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen oder von der Todesstrafe bedroht werde oder für den BF als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen würde.
Der BF leide an keiner schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Krankheit, habe keine Obsorgepflichten und sei arbeitsfähig. Er sei im afghanischen Familienverband aufgewachsen und spreche die in Afghanistan verbreitete Sprache Dari als Erstsprache. Der BF habe den überwiegenden Teil seines Lebens in Afghanistan verbracht, sei mit den kulturellen Traditionen und Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates vertraut und habe Berufserfahrung in der Landwirtschaft, auf Baustellen sowie im Wachdienst gesammelt. Es sei daher anzunehmen, dass er im Herkunftsstaat auch ohne finanzielle Unterstützung seiner Angehörigen in der Lage sein werde, sich – allenfalls mit Hilfstätigkeiten - ein ausreichendes Einkommen zu sichern. Es sei nicht davon auszugehen, dass er bei seiner Rückkehr nach Afghanistan in eine hoffnungslose Lage geraten würde. Zur Überbrückung allfälliger Anfangsschwierigkeiten könne der BF zudem Rückkehrunterstützung in Anspruch nehmen.
Zum Privatleben des BF in Österreich stellte das BVwG fest, dass er in Österreich in keiner Familiengemeinschaft oder einer familienähnlichen Gemeinschaft lebe. Er habe sich einen Freundes- und Bekanntenkreis aufgebaut, über Bindungen besonderer Intensität zu einzelnen Personen im Bundesgebiet verfüge er hingegen nicht. In seiner früheren Unterkunft habe er Hilfstätigkeiten verrichtet. Für die Dauer eines Monats sei er zudem Mitglied in einer Fußballmannschaft gewesen. Während seines Aufenthalts in Österreich habe er sich nicht ehrenamtlich engagiert. Der BF sei in der Lage, einfache Unterhaltungen auf Deutsch zu führen. Er habe die Kurse „Brückenmodul Deutsch, Mathematik und Englisch“ sowie „Basisbildung mit Politischer Bildung“ absolviert. Ferner habe er an einem Pflichtschulabschlusslehrgang teilgenommen, diesen jedoch nicht abgeschlossen. Seinen Lebensunterhalt in Österreich bestreite er aus staatlichen Mitteln. Während seines Aufenthalts sei er zu keinem Zeitpunkt selbsterhaltungsfähig gewesen.
Der BF habe als Mittäter im Zeitraum von Sommer 2017 bis Ende Februar 2019 vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge übersteigenden Menge anderen überlassen, indem er dieses an Personen in stetig wiederkehrenden Tathandlungen verkauft bzw. auch im Rahmen gemeinsamer Konsumation weitergegeben habe. Ferner habe er im Zeitraum von Oktober 2017 bis Ende Februar 2019 in mehrfachen Angriffen sowohl zum Zweck des weiteren Verkaufs bzw. der Weitergabe als auch ausschließlich zum persönlichen Gebrauch Cannabiskraut und XTC-Tabletten erworben und besessen. Mit Urteil des LG Eisenstadt vom XXXX .2019, XXXX , sei der BF aufgrund dieses Verhaltens wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels sowie wegen der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften zu einer Freiheitsstrafe von 14 Monaten verurteilt worden, wobei ein Teil von 10 Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen worden sei. Für die Dauer der Probezeit sei Bewährungshilfe angeordnet worden. Ferner sei ein Betrag von € 265, -- für verfallen erklärt worden. Das Mobiltelefon des BF sei konfisziert worden.
Am 17.01.2020 habe der BF vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge übersteigenden Menge mit dem Vorsatz erworben, besessen und befördert, dass es durch gewinnbringenden Verkauf an Suchtgiftkonsumenten in Verkehr gesetzt werde. Mit Urteil des LG Wiener Neustadt vom XXXX .2020, XXXX , sei der BF aufgrund dieses Verhaltens wegen des Vergehens der Vorbereitung zum Suchtgifthandel nach § 28 Abs. 1 SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 12 Monaten verurteilt worden. Die mit Urteil des LG Eisenstadt vom XXXX .2019 gewährte bedingte Strafnachsicht sei widerrufen worden.
Aktuell verbüße der BF seine Freiheitsstrafe in der Justizanstalt Wiener Neustadt, wo er einen Deutschkurs besuche und als Koch arbeite.
1.8. Der BF stellte am 02.12.2020 aus dem Stande der Strafhaft vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes den ersten Folgeantrag auf internationalen Schutz. Zu den Gründen der neuerlichen Antragstellung befragt, gab er an, dass er keine Familienangehörigen mehr in Afghanistan habe. Seine Mutter lebe seit 2018 im Iran. Alle, die nach Afghanistan abgeschoben worden seien, seien auf der Straße gelandet oder seien zum Militär gegangen, was der BF nicht wolle. Alle weiteren Fluchtgründe habe er bereits im ersten Asylverfahren angegeben und möchte er auf diese verweisen. Im Falle einer Rückkehr würden die Leute glauben, dass er viel Geld habe. Sie wüssten nicht, dass er hier mit € 40,00 in der Woche auskommen müsse. Außerdem habe er Angst vor den Taliban und dem IS.
1.9. Im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA im Beisein des Dolmetschers für die Sprache Dari am 21.01.2021 gab der BF an, dass der Deutschkurs, den er in Strafhaft besuche, seit Corona nicht mehr laufend sei.
Zum Grund für seine neue Asylantragstellung befragt erwiderte er, dass er nicht nach Afghanistan zurückkehren, sondern hierbleiben wolle. An seinen Fluchtgründen habe sich nichts geändert. Er habe niemanden mehr in Afghanistan und wisse nicht, wohin er gehen solle. All seine Verwandten und Bekannten seien irgendwo hingegangen. Das was er angegeben habe, habe er im ersten Verfahren bewiesen. Er habe dazu auch Beweise vorgelegt und es sei nicht gelogen, dass er in Afghanistan etwas im militärischen Bereich zu tun gehabt habe. Als er in Syrien gekämpft habe, seien Fotos gemacht und diese seien auch veröffentlicht worden. Wenn er nun zurückkehre, dann müsse er an seinen Heimatort zurückkehren und dort würden sie wissen, dass er in Syrien gekämpft habe und dann würde man ihn töten. Das habe er nicht im ersten Verfahren erwähnt, da sei ich nicht so viel gefragt worden. Wenn er nicht in Haft gewesen wäre, hätte er seine Mutter kontaktiert und gefragt, was es neues gebe. Er habe auch keine Kontaktdaten seiner Mutter. Über Vorhalt, dass er im Erstverfahren genau befragt worden sei und es auch eine Verhandlung vor dem BVwG gegeben habe, erwiderte der BF, seine Mutter sei 2018 noch in Afghanistan gewesen. Als sie in den Iran gekommen sei, habe er dann nicht mehr gewusst, was in Afghanistan in seiner Heimat los gewesen sei. Dazu befragt, warum eine Rückkehr nach Afghanistan nicht möglich wäre antwortete er, dass er vieles angeben könne, wenn er lügen wolle, vielleicht seinen Glauben wechseln oder sonstige Gründe erfinden. Es sei aber so, dass er nicht lügen wolle und er sagen wolle, dass eine Rückkehr für ihn eine Gefahr wäre. Er sei 6 Jahre in Österreich gewesen, habe hier Toleranz gelernt und man habe ihm viele gute Dinge beigebracht.
1.10. Mit dem Bescheid des BFA vom XXXX .2021 wurde der erste Folgeantrag des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des Asylberechtigten gemäß § 68 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt I.) und dieser Antrag auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt II.), ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.) sowie gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise gesetzt (Spruchpunkt VI.). Darüber hinaus wurde gegen den BF gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG ein auf die Dauer von sieben Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.).
In der Begründung dieses Bescheides wurde festgestellt, dass der BF keinen glaubhaften Sachverhalt vorgebracht habe, welcher nach Abschluss des Erstverfahrens entstanden sei. Es könne nicht festgestellt werden, dass eine besondere Integrationsverfestigung des BF in Österreich bestehe. Er verfüge in Afghanistan nach wie vor über verwandtschaftliche Anknüpfungspunkte. Zu den Gründen für die Erlassung eines Einreiseverbotes stellte das BFA unter anderem fest, dass der BF nunmehr zum zweiten Mal einen unbegründeten und damit missbräuchlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt habe. Er sei wiederholt straffällig geworden und verbüße derzeit die zweite Gefängnisstrafe in Österreich.
1.11. Mit Erkenntnis des BVwG vom 17.03.2021 (W135 2172522-2/4E) wurde die gegen den Bescheid vom XXXX .2021 eingebrachte Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. gemäß § 68 AVG als unbegründet abgewiesen und gegen die Spruchpunkte III. bis VII. gemäß §§ 57, 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG und §§ 52, 53 und 55 FPG als unbegründet abgewiesen. Dieses Erkenntnis blieb unbekämpft.
1.12. Der BF wurde am XXXX .2021 in Schubhaft genommen. Der BF stellte am 19.04.2021 aus dem Stande der Schubhaft einen weiteren (zweiten) Folgeantrag auf internationalen Schutz. Am selben Tag wurde er von einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt. Dort gab er an, dass er in psychologischer Behandlung sei und täglich abends Medikamente nehme.
Zu den Gründen für seine neuerliche Antragstellung brachte er vor, dass seine damaligen Fluchtgründe nach wie vor aufrecht seien. Was er nun jedoch erzähle, habe er noch niemandem erzählt. Zwei Mal sei er von den iranischen Behörden nach Syrien geschickt worden, um gegen den IS zu kämpfen. Er habe einen iranischen Reisepass gehabt. Die Fotos und die Unterlagen, die das bestätigten habe er dem BFA bereits vorgelegt. Als er nach Europa geflüchtet sei habe er den iranischen Reisepass im Iran gelassen. Seine Mutter habe sich während dieser Zeit in Afghanistan aufgehalten. Ein Freund von ihm benutzte seinen iranischen Reisepass um in Syrien gegen den IS zu kämpfen. Sein Freund sei seitdem verschollen. Dessen Familie gebe nun dem BF die Schuld an dessen Verschwinden und er werde deshalb – im Iran und in Afghanistan, wo dessen Familie bzw. Verwandten wohnten – von ihnen bedroht. Als er in Österreich gewesen sei, sei er via Facebook mehrmals von der Familie des Freundes bedroht worden. Seine Mutter sei am 07.08.2019 von Afghanistan in den Iran geflüchtet, weil die Familie des verschollenen Jungen sie in Afghanistan bedroht habe. Sie hätten von seiner Mutter verlangt, dass sie den BF auffordern solle, zurück nach Afghanistan zu kommen, ansonsten würden sie ihr etwas antun. Bei einer Rückkehr in seine Heimat habe er Angst um sein Leben und das seiner Mutter. Er habe außerdem keine Unterkunft und seine Heimatstadt sei vollkommen unter der Kontrolle der Taliban. Wenn die Taliban erfuhren, dass er in Syrien gekämpft habe, würden sie ihn töten. Die afghanische Polizei werde ihn festnehmen, weil er als Spion gelte, da er für die iranische Regierung gekämpft habe. Die Änderungen seiner Fluchtgründe seien ihm seit Ende 2016 bekannt.
1.13. Am XXXX .2021 wurde der BF vom BFA niederschriftlich erneut einvernommen. Er gab an, dass er Medikamente gegen Schlaflosigkeit und Depressionen nehme.
Zur geplanten Vorgehensweise des BFA, seinen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 68 AVG zurückzuweisen und den faktischen Abschiebeschutz aufzuheben, brachte der BF vor, dass er einen Folgeantrag gestellt habe und darin neue Gründe angegeben habe, die er in seinem Vorverfahren nicht angegeben habe. Er habe im Iran einen Reisepass gehabt, dieser sei zehn Jahre gültig gewesen. Der Reisepass sei bei seiner Familie im Iran gewesen. Ein guter Freund habe den BF überredet, dass er diesem seinen Reisepass gebe und einige Informationen über sein Leben. Der Freund sei mit diesem Reisepass zweimal nach Syrien gereist und habe an Kämpfen teilgenommen. Das zweit Mal sei er nicht zurückgekommen. Von seinem Freund lebten drei Brüder in Afghanistan, in der Ortschaft in der auch seine Mutter gelebt habe. Die Brüder hätten den BF angerufen und bedroht, weshalb er seinen Reisepass und Informationen weitergegeben habe. Aus Angst vor ihnen sei seine Mutter aus Afghanistan in den Iran geflüchtet. Aus diesem Grund könne er nicht nach Afghanistan zurückkehren. Der BF würde von der Familie getötet werden. Den Reisepass habe er Ende 2016 weitergegeben.
1.14. Am Ende dieser Einvernahme wurde mit mündlich verkündeten Bescheid des BFA vom XXXX .2021 der faktische Abschiebeschutz des BF gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 aufgehoben. Festgestellt wird, dass das Verfahren über den zweiten Folgeantrag auf internationalen Schutz des BF vom 19.04.2021 nach wie vor dem BFA im Laufen ist und dieser zweite Folgeantrag des BF nicht bescheidmäßig erledigt wurde.
1.15. Mit Beschluss des BVwG vom 11.05.2021, GZ W148 2172522-3/4E wurde die Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes vom XXXX .2021 für rechtmäßig erklärt. Gegen diesen Beschluss wurde vor dem VfGH und dem VwGH die Verfahrenshilfe für eine Beschwerde bzw. Revision beantragt, diese Verfahren laufen noch.
1.16. Am 23.07.2021 legte das Bundesamt den ggst. Verwaltungsakt zur amtswegigen Überprüfung der weiteren Anhaltung in Schubhaft über das vierte Monat hinaus gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG dem BVwG vor. Das vierte Monat der Anhaltung in Schubhaft ist am 06.08.2021 erreicht. Dieses Verfahren wurde beim BVwG zur GZ W282 2172522-4 protokolliert.
1.17. Am 30.07.2021 langte beim BVwG die verfahrensgegenständliche, auf § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG gestützte Schubhaftbeschwerde des BF - eingebracht durch seine Vertretung- ein. Mit Beschluss des BVwG vom 02.08.2021 (W282 2172522-4/9E) wurde das amtswegige Überprüfungsverfahren iSd § 22a Abs. 4 BFA-VG aufgrund der gleichzeitig eingebrachten Schubhaftbeschwerde eingestellt. In der Beschwerde wird vorgebracht, dem BF komme wieder faktischer Abschiebeschutz zu, da er trotz offenen Verfahrens über seinen zweiten Folgeantrag vom 19.04.2021 am 29.07.2021 aus seiner Sicht einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz gestellt habe. Es sei unsicher wann Abschiebungen nach Afghanistan wieder durchgeführt werden könnten.
1.18. Die ggst. Schubhaftbeschwerde wurde dem BFA am 02.08.2021 zur Stellungnahme übermittelt. Eine Stellungnahme langte noch am selben Tag ein. Darin brachte das BFA vor, dass eine begleitete Abschiebung des BF für den 03.08.2021 bereits fixiert worden sei, ein HRZ liege vor. Dieser Termin sei dem BF am 29.07.2021 auch mittels Aktenvermerk mitgeteilt worden. Der BF habe am 02.08.2021 die Durchführung des für eine Flugabschiebung notwendigen PCR-Tests auf COVID-19 verweigert, dies um sein Abschiebung zu vereiteln, er werde nun mit dem Frontex-Charter am 14. September 2021 nach Afghanistan abgeschoben.
1.19. Am 03.08.2021 langte seitens einer weiteren Rechtsvertretung beim BFA eine einstweilige Anordnung (Interim Measure Rule 39, Application no. 38335/21) des EGMR vom 02.08.2021 ein, wonach aufgrund der Angaben im Antrag dieser Vertretung zur Durchführung eines Vorverfahrens die Abschiebung des BF nach Afghanistan bis 31.08.2021 auszusetzen sei. Der Antragsteller (der BF bzw. seine Vertretung) als auch die österr. Bundesregierung wurden aufgefordert bis 24.08.2021 zusätzliche Angaben zu machen, um das Vorliegen der Verfahrensvoraussetzungen prüfen zu können. Mit Schriftsatz der Rechtsvertretung des BF wurde dieses Schriftstück dem BVwG am 03.08.2021 nochmals vorgelegt.
2. Zur Person des Beschwerdeführers:
2.1 Der BF ist nicht österreichischer Staatsangehöriger. Er ist Staatsangehöriger Afghanistans, weiters ist er volljährig und körperlich gesund. Er ist weder Asylberechtigter, noch subsidiär Schutzberechtigter.
2.2 Der BF leidet an einer leichten depressiven Verstimmung und Schlafstörungen und wird in der Schubhaft diesbezüglich vom Verein DIALOG betreut bzw. medikamentös behandelt. Der BF hat in Schubhaft Zugang zu medizinischer Versorgung und zu benötigten Medikamenten. Der BF ist haftfähig.
2.3 Der BF ist in Österreich zweifach vorbestraft:
Der BF hat als Mittäter im Zeitraum von Sommer 2017 bis Ende Februar 2019 vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge übersteigenden Menge anderen überlassen, indem er dieses an Personen in stetig wiederkehrenden Tathandlungen verkauft bzw. auch im Rahmen gemeinsamer Konsumation weitergegeben habe. Ferner habe er im Zeitraum von Oktober 2017 bis Ende Februar 2019 in mehrfachen Angriffen sowohl zum Zweck des weiteren Verkaufs bzw. der Weitergabe als auch ausschließlich zum persönlichen Gebrauch größere Mengen Cannabiskraut und XTC-Tabletten erworben und besessen. Mit Urteil des LG Eisenstadt vom XXXX .2019, XXXX , ist der BF aufgrund dieses Verhaltens wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels sowie wegen der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften zu einer Freiheitsstrafe von 14 Monaten verurteilt worden, wobei ein Teil von 10 Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen worden sei.
Am 17.01.2020 hat der BF vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge übersteigenden Menge mit dem Vorsatz erworben, besessen und befördert, dass es durch gewinnbringenden Verkauf an Suchtgiftkonsumenten in Verkehr gesetzt werde. Mit Urteil des LG Wiener Neustadt vom XXXX .2020, XXXX , wurde der BF aufgrund dieses Verhaltens wegen des Vergehens der Vorbereitung zum Suchtgifthandel nach § 28 Abs. 1 SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 12 Monaten verurteilt. Die mit Urteil des LG Eisenstadt vom XXXX .2019 gewährte bedingte Strafnachsicht wurde in diesem Zuge widerrufen.
3. Zu den Voraussetzungen der Anhaltung in Schubhaft und zur Fluchtgefahr:
3.1 Gegen den BF besteht eine durchsetzbare und rk. aufenthaltsbeendende Maßnahme in Verbindung mit einem 7-jährigen Einreiseverbot in Form des Bescheides des BFA vom XXXX .2021, gerichtlich bestätigt durch das BVwG mit Erkenntnis vom 17.03.2021.
3.2 Der Beschwerdeführer verfügt im Bundesgebiet über keinen nennenswerten Grad der sozialen Verankerung. Er hat keinen gesicherten Wohnsitz, keine sozial verfestigten familiären Kontakte im Bundesgebiet und ging keiner legalen Erwerbstätigkeit zur Bestreitung seiner Existenzmittel nach. Der BF hat lediglich in der Strafhaft als Koch gearbeitet.
3.3. Der BF ist im höchsten Maße vertrauensunwürdig, unkooperativ und nicht zuverlässig:
Der BF unternimmt allergrößte Anstrengungen seine Abschiebung nach Afghanistan zu verzögern bzw. zu vereitelten. Der BF stellte bereits zwei objektiv unbegründete Folgeanträge auf internationalen Schutz um seine Abschiebung zu vereiteln bzw. zu verzögern und seine Vorführung vor eine Delegation der afghanischen Botschaft zu Ausstellung eines Heimreisezertifikats zu verhindern. Nach Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes wurde der BF am 28.05.2021 und nochmals 16.06.2021 der afghanischen Botschaft vorgeführt, wo er dann überraschen angab, freiwillig mit Hilfe der BBU ausreisen zu wollen. Hiernach wurde der BBU von der afghanischen Botschaft ein Heimreisezertifikat (HRZ) für den BF übermittelt und die Ausreise des BF für den 08.07.2021 organisiert. Der BF wurde von einer Sammelabschiebung nach Afghanistan Mitte Juni aufgrund seines Wunsches freiwillig ausreisen zu wollen, abgemeldet. Als Vertreter der BBU am 08.07.2021 den BF zum Flughafen bringen wollten, widerrief der BF plötzlich seinen Ausreiseantrag und verweigerte die Ausreise. Festgestellt wird, dass der BF nur vorgab freiwillig ausreisen zu wollen, um seine bereits für Juni organisierte begleitete Abschiebung mit einem Frontex-Charter zu vereiteln. In Folge wurde das HRZ dem Bundesamt übergeben und von diesem die begleitete Abschiebung des BF für den 03.08.2021 organisiert. Dem BF wurde mittels Aktenvermerk vom 29.07.2021 dieser Abschiebetermin zur Kenntnis gebracht, woraufhin der BF - nach einem Termin bei der Rechtsberatung - angab er wolle trotz laufendem Verfahren über seinen zweiten Folgeantrag einen neuen Antrag auf internationalen Schutz stellen. Ungeachtet dessen wurde die Abschiebung des BF weiter betrieben und der BF am 02.08.2021 aufgefordert, einen PCR-Test auf COVID-19 für die Flugabschiebung vornehmen zu lassen, was der BF jedoch verweigerte; dies erneut nur um seine Abschiebung zu vereiteln.
Der BF wird bei einer Entlassung aus der Schubhaft mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit untertauchen um sich seiner Abschiebung zu entziehen. Der BF strebt einen Verbleib im Bundegebiet mit allen erdenklichen Mitteln an bzw. versucht diesen zu erzwingen.
3.4 Heimreisezertifikate (HRZ) werden von der afghanischen Botschaft laufend ausgestellt, für den BF liegt bereits ein HRZ gültig bis Dezember 2021 vor. Sammelabschiebungen nach Afghanistan fanden bis Juni 2021 laufend statt, der nächste Frontex-Charter ist für 14.September 2021 geplant; der BF ist für diesen Termin bereits angemeldet. Der BF war bereits für eine begleitete Abschiebung am 03.08.2021 verbindlich vorgesehen, hat diese jedoch durch seine Weigerung einen PCR-Test vornehmen zu lassen, vereitelt. Der verpflichtende PCR-Test für eine Flugabschiebung kann durch eine zweiwöchige Quarantäne des Abzuschiebenden ersetzt werden, falls dieser den PCR-Test verweigert.
3.5 Am 03.08.2021 langte beim BVwG über Vorlage der Rechtsvertretung des BF eine einstweilige Anordnung (Interim Measure, Application no. 38335/21) des EGMR vom 02.08.2021 ein, wonach aufgrund der Angaben im Antrag dieser Vertretung zur Durchführung eines Vorverfahrens die Abschiebung des BF nach Afghanistan bis 31.08.2021 auszusetzen sei. Der Antragsteller (der BF bzw. seine Vertretung) als auch die österr. Bundesregierung wurden aufgefordert bis 24.08.2021 zusätzliche Angaben zu machen, um das Vorliegen der Verfahrensvoraussetzungen prüfen zu können.
3.6 Festgestellt wird, dass gegen das Erkenntnis des BVwG vom 17.03.2021 kein Rechtsmittel erhoben wurde. Gegen den Beschluss des BVwG vom 11.05.2021, GZ W148 2172522-3/4E
(Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes) wurde (von einer dritten Vertretung des BF) vor dem VfGH und dem VwGH die Verfahrenshilfe für eine Beschwerde bzw. Revision beantragt. Die Verfahrenshilfe wurde vom VwGH nicht gewährt, eine a.o. Revision wurde vom BF bis dato nicht erhoben. Der Verfahrenshilfeantrag vor dem VfGH behängt derzeit noch, bis dato wurde dort keine Beschwerde samt Antrag auf aufschiebende Wirkung seitens des BF gestellt.
3.7. Dass sich die Sicherheitslage in Afghanistan derart und nachhaltig verschlechtert hat, dass bereits zu diesem Zeitpunkt mit der dauerhaften Unmöglichkeit von Abschiebungen dorthin gerechnet werden muss, ergibt sich für das BVwG zum Entscheidungszeitpunkt nicht.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
2. Beweiswürdigung:
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde zur im Spruch angeführten GZ, sowie in den Beschwerdeschriftsatz und die Stellungnahme der belangten Behörde. Auskünfte aus dem Strafregister (SA), dem Zentralen Melderegister (ZMR), dem Informationsverbundsystem „Zentrales Fremdenregister“ und aus der Anhaltedatei des Bundeministeriums für Inneres wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt. Weiters wurde in die Verfahrensakte des BVwG zu den im Punkt 1. der Feststellungen genannten Verfahrenszahlen Einsicht genommen bzw. die bereits amtswegig vom BFA in Vorlage gebrachten Aktenstücke aus dem Verfahren W282 2172522-4 zum Akt des ggst. Verfahrens genommen.
Die Feststellungen zur Inschubhaftnahme im Anschluss an die Strafhaft und den Folgeantragstellungen durch den BF ergeben sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde und deren glaubwürdigen Stellungnahme. Die Feststellungen zur Straffälligkeit ergeben sich aus den im Verfahrensgang in Punkt 1. genannten Erkenntnis und dem Beschluss des BVwG sowie aus den im Veraltungsakt einliegenden Strafurteilen gegen den BF.
Dass der BF die Folgeanträge ausschließlich zur Behinderung bzw. Verhinderung seiner Abschiebung gestellt hat, ergibt sich aus seinem festgestellten Vorverhalten und seiner mangelnden Vertrauenswürdigkeit bedingt durch seine erhebliche Straffälligkeit. Vor allem aber sind es die Zeitpunkte und die behaupteten (neuen bzw. alten) objektiv unbegründeten Fluchtgründe des BF, die sehr klar die reine Verzögerungsabsicht des BF zeigen, hätte er doch schon während seiner Strafhaft mehr als genug Gelegenheit zur Antragstellung gehabt, wäre er tatsächlich in Furcht vor einer Rückkehr. Erst als die Strafhaft zu Ende ging und somit seine Abschiebung direkt im Raum stand, begann der BF Folgeanträge zu stellen. Nachdem ihm die Möglichkeit zu weiteren Folgeantragstellungen durch Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes und gerichtlicher Bestätigung der Aberkennung im Mai 2021 genommen wurde und der BF somit auch wieder der afghanischen Botschaft vorgeführt werden konnte, änderte der BF plötzlich seine Strategie und gab vor, nun doch freiwillig ausreisen zu wollen. Damit erreichte der BF erneut, dass er von einem Mitte Juni geplanten Frontex-Charter nach Afghanistan abgemeldet wurde, da der freiwilligen Rückkehr Vorrang einzuräumen war. Der BF nahm dann noch im Juni an einem zweiten Delegationstermin teil, spiegelte Kooperationsbereitschaft vor und erreichte somit, dass der BBU ein HRZ ausgestellt wurde und seine Ausreise für den 08.07.2021 organisiert wurde. Als er für die Fahrt zum Flughafen abgeholt werden sollte, verweigerte er jedoch erst an diesem Tag die freiwillige Ausreise und widerrief seinen Antrag. Es bedarf aufgrund des vollständigen Gesamtkontextes keines persönlichen Eindrucks vom BF, um die in der Beschwerde aufgestellte Behauptung, der BF habe nur aufgrund einer sich verschlechternden Sicherheitslage in Afghanistan just am Tag seiner Ausreise ebendiese geradezu verweigern müssen, als haltlos und unwahr abzutun. Der BF hat durch sein obstruktives Vorverhalten, seine aussichtslosen Folgeanträge und seine erhebliche Straffälligkeit schon zuvor seine Glaubwürdigkeit verloren, zumal sich die Sicherheitslage in Afghanistan schon seit Mitte Juni aufgrund des Abzugs der internationalen Truppenkontingente anspannt. Es ist daher völlig unglaubwürdig, dass der BF just bis zum Tag seiner geplanten freiwilligen Ausreise warten musste, um dann überraschend zu erklären, er wolle aus Furcht vor der Sicherheitslage in seinem Herkunftsstaat doch nicht ausreisen.
Dementgegen steht für das BVwG fest, dass der BF keinerlei Respekt vor der österr. Rechtsordnung und fremdenrechtlichen Bestimmungen hat und alles nur Erdenkliche tun wird um seine Außerlandesbringung zu sabotieren. Der BF hat dies im Weiteren auch durch sein obstruktives Verhalten uneingeschränkt bestätigt, da er am 29.07.2021, just nachdem man ihm die begleitete Abschiebung zum 03.08.2021 mitgeteilt hatte, versucht hat trotz des noch offenen erstinstanzlichen Verfahrens vor dem BFA über seinen zweiten Folgeantrag, einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz zu stellen. Letztendlich genügt es noch festzuhalten, dass der BF den obligatorischen PCR-Test auf COVID-19 verweigert hat um auch seine begleitete Abschiebung am 03.08.2021 zu vereiteln.
Zusammengefasst war den Aussagen des BF in keiner Weise Glauben zu schenken und steht vielmehr fest, dass der BF in allerhöchstem Maße vertrauensunwürdig und unkooperativ ist. Es zeigt sich, dass der BF alle zur Verfügung stehenden Mittel ergreifen wird, um seine Abschiebung nach Afghanistan zu verhindern und zu vereiteln, was in höchstem Maße für das Vorliegen von Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf spricht. Wie die Beschwerde diesem offen zur Schau gestellten Obstruktionsverhalten des BF ernstzunehmend entgegenhalten will, dass der BF doch bei einer Einvernahme am XXXX .2021 gesagt habe, er wolle freiwillig ausreisen, ist für das BVwG angesichts des danach demonstrierten Verhaltens, aus dem sich klar und unmissverständlich ergibt, dass der BF diese Kooperationswilligkeit nur vorgespielt hat, nicht nachvollziehbar. Auch ist nicht nachvollziehbar, wie die Beschwerde zur Ansicht gelangt, dass mehrere Termine für die freiwillige Ausreise des BF ohne sein Verschulden abgesagt wurden, wurde dem BF doch erst nach der zweiten Vorführung vor die afghanische Botschaft Mitte Juni ein HRZ ausgestellt. Diese Termine ergeben sich insofern auch zweifelsfrei aus der Anhaltedatei des BMI.
Die Feststellungen zum Grad der sozialen Verankerung des Beschwerdeführers, insbesondere zu seinen fehlenden familiären Anknüpfungspunkten im Bundesgebiet und der Tatsache, dass er keiner legalen Erwerbstätigkeit im Inland nachgegangen ist ergeben sich aus seinen eigenen Angaben in den Einvernahmen vor dem BFA (u.a. jener vom 21.01.2021, OZ 3 und jener zur Schubhaftverhängung am 06.04.2021, AS 78, OZ 7), die im Verwaltungsakt einliegen. Dass diese Angaben letztlich ausreichend aktuell sind ergibt sich schon aus der Tatsache, dass der BF seit diesem Zeitpunkt durchgehend in Straf- bzw. Schubhaft angehalten wurde, was nennenswerte Änderungen vor allem im Bereich der sozialen Verankerung faktisch unmöglich macht. Worauf dementgegen die durch nichts weiter belegten, aktenwidrigen und auch nicht mit Beweisanboten untermauerten Behauptungen in der Beschwerde diesbezüglich basieren, verbleibt im Dunkeln. Dort ist nur von einem „sozialen Netz“ des BF die Rede, dass sich um eine Wohnmöglichkeit für den BF bemühen würde, wodurch aber das aktuelle Fehlen eines gesicherten Wohnsitzes letztlich erst recht zugestanden wird. Aufgrund der langen Aufenthalte in Strafhaft des BF ist aber auch schon aus diesem Grund die Existenz einer Fluchtgefahr mindernden sozialen Verankerung des BF mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu verneinen. Aus der Anhaltedatei ergibt sich auch, dass der BF mittlerweile über keine nennenswerten Barmittel mehr verfügt und aus einem Versicherungsdatenauszug, dass er nie legal (außerhalb der Strafhaft) berufstätig war.
Dass der BF haftfähig ist, ergibt sich aus der Anhaltedatei des BMI, wonach der BF im Hinblick auf depressive Episoden medikamentös behandelt wird aber im Rahmen dessen körperlich und psychisch haftfähig ist; dies wird auch im Rahmen der Beschwerde letztlich nicht maßgeblich bestritten.
Ebenso sind die Behauptungen in der Beschwerde, es könne gar nicht gesagt werden, wann Abschiebungen nach Afghanistan wieder möglich sein werden, da die Sicherheitslage nach Abzug der internationalen Truppen volatil sein, bloß unsubstantiierte Einwendungen. Aus den aktuellen Informationen der Abt. B/II des Bundesamtes geht hervor, dass lediglich eine Charterabschiebung für August 2021 verschoben wurde bzw. diese nun im September 2021 nachgeholt wird. Von einer generellen Unmöglichkeit von begleiteten Abschiebungen nach Afghanistan ist derzeit noch nicht auszugehen, zumal eine solche für den BF ja sogar für den 03.08.2021 organisiert wurde, wobei der BF diese aber durch Verweigerung des PCR-Tests vereitelt hat.
Die Feststellungen zum Stand möglicher Rechtsmittelverfahren zum Beschluss des BVwG vom 11.05.2021 ergeben sich aus der Einsichtnahme in den Bezug habenden Gerichtsakt und dem Aktenvermerk über die Nachfragen bei den Geschäftsstellen der Höchstgerichte am 04.08.2021 (OZ 16).
Die Feststellung zu Punkt 3.7 ergibt sich aus der jüngsten Kurzinformation zur Entwicklung der Sicherheitslage in Afghanistan der Staatendokumentation des BFA, Stand: 2.8.2021 (OZ 17). Hieraus ergibt sich, dass die Kämpfe der afghanischen Armee zwar deutlich zugenommen haben und die Taliban zusätzliche Bezirke erobert haben, sich dennoch aber Herat-Stadt unter der Kontrolle der Regierungstruppen befindet und afghanische Regierung mehr Truppen nach Herat entsandt hat, um die Stadt zu halten. Die weiteren Kämpfe beziehen sich überwiegend auf die Provinz Kandarhar. Weiters haben die Taliban im Juli 2021 erklärt, dass sie der afghanischen Regierung im August ihren Friedensplan vorlegen wollen und dass die Friedensgespräche beschleunigt werden sollen, wodurch eine baldige Entspannung der Lage und ein Abflauen der Kämpfe eintreten könnte. Mit 2.8.2021 werden die Flughäfen von Kabul und Mazar-e Sharif weiterhin national und international angeflogen. Der Flughafen von Herat ist national erreichbar.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 3 BFA-VG erkennt das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Maßnahmen unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt gemäß dem 1. Hauptstück des 2. Teiles des BFA-VG und gemäß dem 7. und 8. Hauptstück des FPG.
Gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG hat der Fremde das Recht das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides anzurufen, wenn gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde. Für diese Beschwerden gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.
Gemäß § 22a Abs. 2 leg. cit. hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.
Nach § 22a Abs. 3 leg. cit hat, sofern die Anhaltung noch andauert, das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.
Gemäß § 28 Abs. 6 VwGVG ist im Verfahren wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG, wenn eine Beschwerde nicht zurückzuweisen oder abzuweisen ist, vom Verwaltungsgericht die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig zu erklären und gegebenenfalls aufzuheben. Dauert die für rechtswidrig erklärte Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt noch an, so hat die belangte Behörde unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Zustand herzustellen.
3.1. Rechtsgrundlagen:
§§ 76 und 77 Fremdenpolizeigesetz (FPG), § 22a Abs 4 Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Verfahrensgesetz (BFA-VG) lauten auszugsweise:
Schubhaft (FPG)
„§ 76 (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.
(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.
Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt
(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.
(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebiets-beschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.
(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.
(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.
(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“
Gelinderes Mittel (FPG)
§ 77 (1) Das Bundesamt hat bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1.
(2) Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel ist, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.
(3) Gelindere Mittel sind insbesondere die Anordnung,
1. in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen,
2. sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder
2. eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen;
(4) Kommt der Fremde seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird
(5) Die Anwendung eines gelinderen Mittels steht der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.
(6) Zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 hat sich der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.
(7) Die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, kann der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.
(8) Das gelindere Mittel ist mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.
(9) Die Landespolizeidirektionen können betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.
Dauer der Schubhaft (FPG)
§ 80. (1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.
(2) Die Schubhaftdauer darf, vorbehaltlich des Abs. 5 und der Dublin-Verordnung, grundsätzlich,
1. drei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen angeordnet wird;
2. sechs Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, angeordnet wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt
(3) Darf ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil über einen Antrag gemäß § 51 noch nicht rechtskräftig entschieden ist, kann die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden.
(4) Kann ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil,
1. die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,
2. eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt,
3. der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt, oder
4. die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint
kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden.
Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft (BFA-VG)
§ 22a (4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.
3.1.2. Zur Judikatur allgemein:
Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).
Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Das Bestehen einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme per se vermag zwar keinen Tatbestand zu verwirklichen, der in tauglicher Weise "Fluchtgefahr" zum Ausdruck br