Entscheidungsdatum
06.08.2021Norm
ASVG §18bSpruch
W228 2244339-1/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Harald WÖGERBAUER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch die Rechtsanwältin Dr. XXXX , gegen den Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt, Hauptstelle Wien, vom 28.05.2021, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Am 27.04.2021 beantragte XXXX (im Folgenden: Beschwerdeführerin) die Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege eines nahen Angehörigen (ihres Schwiegervaters, geb. XXXX 1943) gemäß § 18b ASVG ab dem 01.10.2012.
Mit Bescheid vom 28.05.2021, Zl. XXXX , hat die Pensionsversicherungsanstalt, Hauptstelle Wien (im Folgenden: PVA), den Anspruch auf Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege des nahen Angehörigen Herrn XXXX , geb. XXXX 1943, ab 01.04.2020 anerkannt. Gleichzeitig wurde festgestellt, dass für die Zeit vom 01.10.2012 bis 31.03.2020 die Berechtigung zur Selbstversicherung in der Pensionsversicherung nicht gegeben ist. Für diese Zeit liege folgender Ablehnungs- bzw. Beendigungsgrund vor: Beiträge zur Selbstversicherung könnten nur für Beitragszeiträume entrichtet werden, welche nicht mehr als zwölf Monate vor der Antragstellung liegen.
Gegen diesen Bescheid wurde mit Schriftsatz der Rechtsvertretung der Beschwerdeführerin vom 18.06.2021 fristgerecht Beschwerde erhoben. Darin wurde ausgeführt, dass der Schwiegervater der Beschwerdeführerin seit dem Jahr 2012 einer umfangreichen Pflege bedürfe. Er habe anfangs Pflegestufe 3 gehabt und habe nunmehr seit geraumer Zeit Pflegestufe 5. Er benötige Pflege und Hilfestellung rund um die Uhr. Es werde die Einvernahme mehrerer Zeugen beantragt, welche bezeugen könnten, dass der Schwiegervater der Beschwerdeführerin seit dem Jahr 2012 umfassender Pflege bedürfe. Gemäß § 18b ASVG stehe ab dem ersten Tag, ab dem die Pflege aufgenommen wurde, die Berechtigung zur Selbstversicherung in der Pensionsversicherung zu.
Die gegenständliche Beschwerde samt Verwaltungsakt wurde dem Bundesverwaltungsgericht am 14.07.2021 vorgelegt.
Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Schreiben vom 19.07.2021 der Rechtsvertretung der Beschwerdeführerin das Beschwerdevorlageschreiben der belangten Behörde vom 14.07.2021 übermittelt. Überdies wurden in diesem Schreiben Ausführungen zur Sach- und Rechtslage getätigt.
Am 29.07.2021 langte beim Bundesverwaltungsgericht eine mit 27.07.2021 datierte Stellungnahme der Rechtsvertretung der Beschwerdeführerin ein. Darin wurde wiederholt, dass der Schwiegervater der Beschwerdeführerin seit dem Jahr 2012 einer umfassenden Betreuung und Pflege bedürfe. Wenn die belangte Behörde im Beschwerdevorlageschreiben ausführe, dass eine Selbstversicherung frühestens mit dem Beginn des Monats, der zwölf Monate vor der Antragstellung liegt, beginnen könne, so handle es sich hierbei um eine Ungleichbehandlung von Versicherten. Dies widerspreche dem Gleichheitsgrundsatz sowie elementaren Bestimmungen der MRK. Der Beschwerdeführerin stehe die Berechtigung zur Selbstversicherung ab dem 01.10.2012 zu.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Am 27.04.2021 beantragte die Beschwerdeführerin die Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege ihres Schwiegervaters XXXX , geb. XXXX 1943, ab dem 01.10.2012.
2. Beweiswürdigung:
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem übermittelten Verwaltungsakt, insbesondere aus dem gegenständlichen Antrag vom 27.04.2021, und ist unstrittig.
Für die in der Beschwerde beantragten Zeugeneinvernahmen hat sich aus Sicht des erkennenden Richters keine Notwendigkeit ergeben, den als geklärt erscheinenden Sachverhalt durch die Einvernahme dieser beantragten Zeugen näher zu erörtern (vgl. VwGH 23.01.2003, 2002/20/0533, VwGH 01.04.2004, 2001/20/0291).
3. Rechtliche Beurteilung:
§ 414 Abs. 1 ASVG normiert die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Entscheidung über Beschwerden gegen Bescheide eines Versicherungsträgers.
Nach § 9 Abs. 2 Z 1 VwGVG ist belangte Behörde in den Fällen des Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG jene Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat.
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. In Ermangelung einer entsprechenden Anordnung der Senatszuständigkeit im ASVG liegt im gegenständlichen Fall Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
Gemäß § 18b Abs. 1 ASVG können sich Personen, die einen nahen Angehörigen oder eine nahe Angehörige mit Anspruch auf Pflegegeld zumindest in Höhe der Stufe 3 nach § 5 des Bundespflegegeldgesetzes oder nach den Bestimmungen der Landespflegegeldgesetze unter erheblicher Beanspruchung ihrer Arbeitskraft in häuslicher Umgebung pflegen, solange sie während des Zeitraumes dieser Pflegetätigkeit ihren Wohnsitz im Inland haben, in der Pensionsversicherung selbstversichern.
Gemäß § 18b Abs. 2 ASVG beginnt die Selbstversicherung mit dem Zeitpunkt, den die pflegende Person wählt, frühestens mit dem ersten Tag des Monats, in dem die Pflege aufgenommen wird, spätestens jedoch mit dem Monatsersten, der dem Tag der Antragstellung folgt.
Gemäß § 18b Abs. 3 ASVG endet die Selbstversicherung mit dem Ende des Kalendermonats, in dem entweder die Pflegetätigkeit oder eine sonstige Voraussetzung nach Abs. 1 weggefallen ist oder in dem die pflegende Person den Austritt aus dieser Versicherung erklärt hat.
Gemäß § 225 Abs. 1 Z 3 ASVG sind Zeiten einer freiwilligen Versicherung, wenn die Beiträge innerhalb von zwölf Monaten nach Ablauf des Beitragszeitraumes, für den sie gelten sollen, oder auf Grund einer nachträglichen Selbstversicherung nach § 18 oder § 18a in Verbindung mit § 669 Abs. 3 wirksam (§ 230) entrichtet worden sind, als Beitragszeiten anzusehen.
Da der Anspruch der Beschwerdeführerin auf Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für den Zeitraum ab 01.04.2020 bereits durch die belangte Behörde anerkannt wurde, ist im vorliegenden Verfahren - unter Zugrundelegung des entsprechenden Beschwerdevorbringens - nur noch strittig, ob dieser Anspruch auch für den Zeitraum vor dem 01.04.2020 besteht.
Zur Frage der zeitlichen Begrenzung der rückwirkenden Anerkennung von Versicherungszeiten hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 04.11.2015, Ro 2015/08/0022, Folgendes ausgesprochen:
"Die Berechtigung einer Person, sich nach § 18b Abs. 1 und 2 ASVG für bestimmte Zeiten in der Pensionsversicherung selbst zu versichern, ist zwar nicht ident mit der Frage, ob die Zeit, die zur Selbstversicherung in der Pensionsversicherung berechtigt hat bzw. hätte, als Beitragszeit im Sinne des § 225 Abs. 1 Z 3 ASVG anzusehen ist. Unter der Berechtigung, sich gemäß § 18b ASVG für bestimmte Zeiten selbst zu versichern, ist aber, wie sich sowohl aus dem Wortlaut dieser Bestimmung im Zusammenhalt mit § 225 Abs. 1 Z 3 ASVG als auch aus ihrem daraus erhellenden Zweck ergibt, nichts anderes gemeint als die Berechtigung, für bestimmte, in § 18b ASVG genannte Zeiten durch Beitragsentrichtung wirksam Beitragszeiten in der Pensionsversicherung zu erwerben. Steht daher im Zeitpunkt der Entscheidung der belangten Behörde fest, dass der (die) Antragsteller (Antragstellerin) für die von ihm (ihr) entsprechend § 18b ASVG gewählte oder danach begrenzte Zeit nach § 225 Abs. 1 Z 3 ASVG Beitragszeiten nicht mehr wirksam erwerben kann, so ist seine (ihre) Berechtigung zur Selbstversicherung zu verneinen. Auch wenn der Versicherte als Zeitpunkt des Beginns der freiwilligen Versicherung auch einen bereits verstrichenen Zeitpunkt wählen kann, ergibt sich aus § 225 Abs. 1 Z 3 ASVG, dass als frühester Beginnzeitpunkt der dem Antragszeitpunkt vorangehende Monatserste des Vorjahres gewählt werden kann" (Verweis auf VwGH 22. 11.1994, Zl. 93/08/0226, sowie 15. 05 2013, Zl. 2011/08/0012).
Auch in den Entscheidungen vom 07.04.2016, Ro 2014/08/0085 und Ro 2015/08/0001, hat der Verwaltungsgerichtshof jeweils die Anwendung des § 225 Abs. 1 Z 3 ASVG auf die Selbstversicherung nach § 18b ASVG bejaht und die damit verbundene zeitliche Begrenzung einer rückwirkenden Anerkennung von Versicherungszeiten im Sinn der allgemeinen Regel auf zwölf Monate (frühestmöglicher Beginn war also jeweils der vor der Antragstellung liegende Monatserste des Vorjahres) klargestellt. Weiters wurde (implizit) auch zum Ausdruck gebracht, dass die im § 225 Abs. 1 Z 3 ASVG enthaltene Sonderregelung für die Fälle des § 18 bzw. § 18a iVm. § 669 Abs. 3 ASVG auf die Selbstversicherung nach § 18b ASVG nicht anzuwenden ist.
Im Hinblick darauf ist auch im hier zu beurteilenden Fall die von der Beschwerdeführerin beantragte rückwirkende Anerkennung von Beitragszeiten lediglich im Umfang von zwölf Monaten zulässig. Für eine darüber hinausgehende Anerkennung von Beitragszeiten besteht keine Rechtsgrundlage.
Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdeführerin ihren verfahrensgegenständlichen Antrag am 27.04.2021 gestellt. Dies bedeutet unter Zugrundelegung der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs, dass der frühestmögliche Zeitpunkt für den Beginn der Selbstversicherung der 01.04.2020 ist. Die belangte Behörde hat daher zu Recht den Anspruch auf Selbstversicherung erst ab diesem Zeitpunkt anerkannt.
Ein, vor dem 27.04.2021 eingebrachter, Antrag auf Selbstversicherung ist weder aktenkundig noch wurde seitens der Beschwerdeführerin behauptet, dass bereits zu einem früheren Zeitpunkt die Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege ihres Schwiegervaters beantragt wurde.
Soweit verfassungsrechtliche Bedenken angeführt werden, ist auf die Entscheidung des VwGH vom 07.04.2016, Ro 2014/08/0085, zu verweisen: „Gegen diese Beurteilung bestehen auch insofern keine Bedenken, als in der unterschiedlichen Behandlung der Selbstversicherung nach § 18a und § 18b im § 225 Abs. 1 Z 3 ASVG keine planwidrige Lücke zu erkennen ist, besteht doch kein Anhaltspunkt, dass der Gesetzgeber bei Schaffung der Sonderregelung für § 18a iVm. § 669 Abs. 3 ASVG durch BGBl. I Nr. 3/2013 die Bestimmung des § 18b ASVG etwa übersehen hätte. In der unterschiedlichen Behandlung der Selbstversicherung nach § 18a und § 18b im § 225 Abs. 1 Z 3 ASVG kann im Hinblick auf die verschiedenen Zugangskriterien (vor allem die unterschiedliche Intensität der Beanspruchung der Arbeitskraft durch die Pflege) auch keine unsachliche Differenzierung erblickt werden. Der Gesetzgeber wollte mit der Sonderregelung für § 18a im § 225 Abs. 1 Z 3 ASVG die sozialrechtliche Stellung von Pflegepersonen behinderter Kinder im Hinblick auf die (damals vorausgesetzte) gänzliche Beanspruchung der Arbeitskraft durch die Pflege, welche eine daneben ausgeübte die Pflichtversicherung begründende Erwerbstätigkeit nicht zuließ, verbessern (vgl. RV 2000 BlgNR 24. GP, S 3, 18, 23). Auf Pflegepersonen nach 18b ASVG traf dies freilich nicht zu, stand doch im Hinblick auf die vorausgesetzte bloß erhebliche Beanspruchung ihrer Arbeitskraft durch die Pflege einer daneben ausgeübten die Pflichtversicherung begründenden Erwerbstätigkeit - wie sie nach den Feststellungen auch von der Mitbeteiligten ab April 2008 (im Umfang von 21 Wochenstunden) ausgeübt wurde - nicht entgegen (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 2012, 2011/08/0050).“
Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
naher Angehöriger Pensionsversicherung Pflege Selbstversicherung ZeitraumbezogenheitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W228.2244339.1.00Im RIS seit
16.09.2021Zuletzt aktualisiert am
16.09.2021