TE Bvwg Beschluss 2021/8/6 W262 2243582-1

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Veröffentlicht am 06.08.2021
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Entscheidungsdatum

06.08.2021

Norm

AlVG §7
AlVG §8
AVG §38
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §17

Spruch


W262 2243582-1/5Z

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Julia JERABEK als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , vertreten durch den Kriegsopfer- und Behindertenverband für Wien, Niederösterreich und das Burgenland, gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice XXXX vom 24.03.2021, nach Beschwerdevorentscheidung vom 04.06.2021, GZ XXXX , betreffend Abweisung des Antrages auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld vom 01.03.2021 gemäß §§ 7 und 8 AlVG beschlossen:

A)       Das Verfahren wird gemäß § 38 AVG iVm § 17 VwGVG bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Landesgerichtes XXXX als Arbeits- und Sozialgericht zu GZ XXXX ausgesetzt.

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin bezog zuletzt seit 24.02.2017 Rehabilitationsgeld.

2. Mit Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt vom 04.01.2021 wurde gemäß §§ 99, 143a, 270b, 271 und 366 ASVG festgestellt, dass vorübergehende Berufsunfähigkeit nicht mehr vorliege, medizinische Maßnahmen der Rehabilitation nicht mehr zweckmäßig seien und das Rehabilitationsgeld daher mit 28.02.2021 entzogen werde. Begründend wurde ausgeführt, dass medizinische Maßnahmen der Rehabilitation nicht mehr zweckmäßig seien und die Zumutbarkeit beruflicher Maßnahmen der Rehabilitation mangels Mitwirkens am Berufsfindungsverfahren nicht festgestellt werden konnten und sohin das Rehabilitationsgeld zu entziehen sei.

3. Am 26.02.2021, Geltendmachung am 01.03.2021, stellte die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Arbeitslosengeld.

4. Mit Bescheid des Arbeitsmarktservice XXXX (in der Folge als „belangte Behörde“ oder AMS bezeichnet) vom 24.03.2021 wurde dem Antrag der Beschwerdeführerin auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld gemäß §§ 7 und 8 AlVG keine Folge gegeben, da sie am Berufsfindungsverfahren der Pensionsversicherungsanstalt nicht mitgewirkt habe.

3. Gegen diesen Bescheid erhob die durch den Kriegsopfer- und Behindertenverband für Wien, Niederösterreich und das Burgenland vertretene Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde und führte zusammengefasst aus, dass es Aufgabe des Gerichtes [gemeint wohl: Landesgericht XXXX als Arbeits- und Sozialgericht] sei zu beurteilen, ob die Beschwerdeführerin ihre Mitwirkungspflichten verletzt habe; daher sei die belangte Behörde derzeit leistungspflichtig. Abschließend stellte sie die Anträge, der Beschwerde stattzugeben, den erstinstanzlichen Bescheid aufzuheben und dem Antrag auf Zuerkennung des Arbeitslosengeldes ab 01.03.2021 stattzugeben sowie der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

4. Mit Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde vom 04.06.2021 wurde gemäß § 14 VwGVG iVm §§ 56 Abs. 2 und 58 AlVG die Beschwerde gegen den Bescheid vom 24.03.2021 als unbegründet abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde nach Darlegung der Rechtsgrundlagen und des Sachverhaltes zusammengefasst aus, dass die Beschwerdeführerin laut Pensionsversicherungsanstalt berufsunfähig iSd § 273 Abs. 1 ASVG sei und insofern eine Arbeitsfähigkeit gemäß § 8 Abs. 1 AlVG (und somit eine primäre Anspruchsvoraussetzung) nicht vorliege.

5. Am 01.04.2021 brachte die Beschwerdeführerin eine Klage beim Landesgericht XXXX als Arbeits- und Sozialgericht betreffend den Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt vom 04.01.2021 ein; diese wurde zur Zahl XXXX protokolliert.

6. Die Beschwerdeführerin stellte fristgerecht einen Vorlageantrag und führte auf das Wesentliche zusammengefasst aus, dass der Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt aufgrund der eingebrachten Klage beim Arbeits- und Sozialgericht nicht rechtskräftig sei und insofern Leistungspflicht der belangten Behörde bestehe.

7. Der Vorlageantrag und die Beschwerde wurden dem Bundesverwaltungsgericht unter Anschluss der Verwaltungsakten am 21.06.2021 vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Zur Klärung der Frage, ob bei der Beschwerdeführerin Berufsunfähigkeit im Sinne des § 273 ASVG vorliegt, ist derzeit ein Verfahren beim zuständigen Arbeits- und Sozialgericht anhängig.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Die Anordnung einer Senatszuständigkeit enthält § 56 Abs. 2 AlVG, wonach das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide einer Geschäftsstelle durch einen Senat entscheidet, dem zwei fachkundige Laienrichter angehören, je einer aus dem Kreis der Arbeitgeber und aus dem Kreis der Arbeitnehmer.

Gemäß § 9 Abs. 1 BVwGG leitet und führt der Vorsitzende eines Senates das Verfahren bis zur Verhandlung. Die dabei erforderlichen Beschlüsse bedürfen keines Senatsbeschlusses.

Hinsichtlich der Beschlüsse (§ 31 VwGVG) ist zwischen verfahrensleitenden und nicht-verfahrensleitenden Beschlüssen zu differenzieren. Verfahrensleitende Beschlüsse kann der Vorsitzende alleine fassen, sofern sie nicht auch verfahrensbeendend sind. Darüber hinaus kann der Vorsitzende auch nicht-verfahrensleitende Beschlüsse, die nicht-verfahrensbeendende Beschlüsse sind, alleine fassen (vgl. Fister/Fuchs/Sachs Verwaltungsgerichtsverfahren 2013, § 9 BVwGG, Anm. 3).

Der Verwaltungsgerichtshof sah keinen sachlichen Grund dafür, eine gemäß § 17 VwGVG iVm § 38 AVG ergangene Aussetzungsentscheidung als (bloß) verfahrensleitende Entscheidung zu beurteilen, die nicht abgesondert bekämpfbar wäre (vgl. VwGH 24.03.2015, Ro 2014/05/0089). Da der Beschluss über die Aussetzung des Verfahrens aber nicht verfahrensbeendend ist, sondern das Verfahren nur unterbricht, und eine Entscheidung iSd § 56 Abs. 2 AlVG über die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid des AMS gerade nicht vorliegt, besteht diesbezüglich die Zuständigkeit der Senatsvorsitzenden als Einzelrichterin.

Zu A) Aussetzung des Verfahrens:

3.2. Gemäß § 38 AVG iVm § 17 VwGVG ist die Behörde (das Verwaltungsgericht), sofern die Gesetze nicht anderes bestimmen, berechtigt, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid (ihrer Entscheidung) zugrunde zu legen. Sie kann aber auch das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. beim zuständigen Gericht bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird.

3.3. Gemäß § 7 Abs. 1 AlVG hat Anspruch auf Arbeitslosengeld, wer der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht. Gemäß Abs. 2 steht der Arbeitsvermittlung zur Verfügung, wer u.a. arbeitsfähig (§ 8) ist. Gemäß § 8 Abs. 1 AlVG ist arbeitsfähig ist, wer nicht invalid und nicht berufsunfähig im Sinne des ASVG ist.

Ob die Beschwerdeführerin berufsunfähig im Sinne des ASVG ist, stellt eine Vorfrage im Sinne des § 38 AVG dar, welche derzeit den Gegenstand eines beim zuständigen Arbeit- und Sozialgericht anhängigen Verfahrens bildet.

Im Fall der Anhängigkeit eines Verfahrens über die Vorfrage steht es im Ermessen der Behörde, das Verfahren zu unterbrechen oder selbst die Vorfrage zu beurteilen. § 38 AVG regelt nun nicht im Einzelnen, unter welchen Voraussetzungen die Behörde die Vorfrage selbst zu beurteilen hat oder von der Möglichkeit der Aussetzung des Verfahrens Gebrauch machen kann. Sie ist aber deswegen nicht völlig ungebunden. Ihre Entscheidung kann nämlich in der Richtung hin auf ihre Rechtmäßigkeit überprüft werden, ob sie diese Entscheidung im Sinne des Gesetzes getroffen hat. Die Überlegungen, von denen sie sich dabei leiten lassen muss, werden vornehmlich solche der Verfahrensökonomie sein (vgl. etwa die bei Hengstschläger/Leeb, AVG, zu § 38 Rz 59 f genannten weiteren Kriterien der möglichsten Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis, der Erzielung möglichst richtiger und einheitlicher Entscheidungen samt Vermeidung von Wiederaufnahmen; demgegenüber das Postulat der möglichst raschen Beendigung des Verfahrens). Der Gesichtspunkt der Verfahrensökonomie könnte dann nicht als vorrangig angesehen werden, wenn die Behörde ohne weiteres Ermittlungsverfahren zur selbstständigen Beurteilung der Vorfrage in der Lage gewesen wäre (VwGH 30.05.2001, 2001/11/0121, mwN; 19.12.2012, 2012/08/0212).

Die Beurteilung der entscheidungswesentlichen Frage, ob die Beschwerdeführerin berufsunfähig im Sinne des ASVG ist, wäre ohne Durchführung eines aufwendigen Ermittlungsverfahrens nicht möglich, weshalb im Sinne der Raschheit und Einfachheit die Aussetzung des Beschwerdeverfahrens bis zum Abschluss des im Spruch genannten Verfahrens zur Feststellung des (Nicht)Vorliegens einer Berufsunfähigkeit zu beschließen war.

3.4. Die Verfahrensparteien sind im Lichte ihrer Mitwirkungspflicht gehalten, dem Bundesverwaltungsgericht nach rechtskräftigem Abschluss des beim zuständigen Arbeits- und Sozialgericht anhängigen Verfahrens dessen Ergebnis unverzüglich mitzuteilen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Vielmehr macht das Bundesverwaltungsgericht von dem ihm eingeräumten Ermessen im Rahmen der gesetzlichen Voraussetzungen des § 38 AVG Gebrauch.

Schlagworte

Arbeits- und Sozialgericht Aussetzung Berufsunfähigkeit Vorfrage

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W262.2243582.1.00

Im RIS seit

15.09.2021

Zuletzt aktualisiert am

15.09.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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