TE Bvwg Erkenntnis 2021/8/17 I404 2242318-1

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Veröffentlicht am 17.08.2021
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Entscheidungsdatum

17.08.2021

Norm

AlVG §14
AlVG §7
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §15

Spruch


I404 2242318-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin MMag. Alexandra JUNKER als Senatsvorsitzende und den fachkundigen Laienrichter Franz OPBACHER und die fachkundige Laienrichterin Edith STIMPFL als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice Innsbruck vom 20.04.2021 betreffend Zurückweisung des Vorlageantrages gegen die Beschwerdevorentscheidung vom 11.03.2021 betreffend die Abweisung des Antrages auf Arbeitslosengeld nach nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde gegen den Bescheid vom 20.04.2021, mit dem der Vorlageantrag als verspätet zurückgewiesen wurde, wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

II. Die Beschwerde gegen den Bescheid vom 10.12.2020 betreffend die Abweisung des Antrages auf Arbeitslosengeld wird in Bestätigung der Beschwerdevorentscheidung vom 11.03.2021 gemäß § 28 Abs. 1 iVm Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Am 09.10.2020 stellte Herr XXXX (in der Folge: Beschwerdeführer) beim Arbeitsmarktservice Innsbruck (in der Folge: belangte Behörde) einen Antrag auf Arbeitslosengeld.

2. Mit Schreiben vom 16.10.2020 und 16.11.2020 forderte die belangte Behörde den Beschwerdeführer jeweils auf, ein spanisches PDU1 Formular bzw. sämtliche Unterlagen zur Anforderung eines solchen (Arbeitsverträge, Lohnzettel, spanische Sozialversicherungsnummer, Adressen der Dienstgeber) unter Verwendung eines beiliegenden Formulars vorzulegen. Am 21.10.2020 und am 18.11.2020 sprach der Beschwerdeführer jeweils persönlich bei der belangten Behörde vor, die angeforderten Unterlagen legte er jedoch nicht vor.

3. Mit Bescheid vom 10.12.2020 gab die belangte Behörde dem Antrag des Beschwerdeführers auf Zuerkennung des Arbeitslosengeldes mangels Erfüllung der Anwartschaft keine Folge. Begründend führt die belangte Behörde aus, dass das Ermittlungsverfahren ergeben habe, dass der Beschwerdeführer in der gesetzlichen Rahmenfrist nur 189 Tage arbeitslosenversicherungspflichtige Beschäftigung bzw. anwartschaftsbegründende Zeiten nachweisen könne.

4. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 07.01.2021, bei der belangten Behörde eingelangt am 08.01.2021, Beschwerde und führte im Wesentlichen aus, dass er wegen der Corona-Pandemie im März/April 2020 nicht mehr in der Lage gewesen sei, die Anwartschaft zu erfüllen. Da er trotz Verfügbarkeit für den österreichischen Arbeitsmarkt die anwartschaftsbegründenden Zeiten in Österreich nicht erfüllen habe können, begehre er die Anrechnung der unverschuldeten Monate als Anwartschaft iSd § 14 Abs. 3 und Abs. 4 AlVG.

5. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 11.03.2021 wies die belangte Behörde diese Beschwerde ab und begründete dies neuerlich damit, dass der Beschwerdeführer nur 189 Tage einer arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgewiesen habe und somit die Anwartschaft nicht erfüllt sei.

6. Gegen diese Beschwerdevorentscheidung erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 10.04.2021, bei der Behörde eingelangt am 12.04.2021, „Beschwerde“ und begehrte im Wesentlichen gleichlautend neuerlich die Zuerkennung von Arbeitslosengeld.

7. Mit Bescheid vom 20.04.2021, Zl. XXXX , wies die belangte Behörde den Vorlageantrag als verspätet zurück. Begründend wurde ausgeführt, dass die Beschwerdevorentscheidung vom 11.03.2021 dem Beschwerdeführer am 16.03.2021 durch Hinterlegung zugestellt worden sei. Die zweiwöchige Rechtsmittelfrist habe daher am 30.03.2021 geendet, darauf sei der Beschwerdeführer auch in der Rechtsmittelbelehrung hingewiesen worden. Der am 12.04.2021 eingelangte Vorlageantrag sei daher als verspätet zurückzuweisen.

8. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 04.05.2021, bei der Behörde eingelangt am 05.05.2021, Beschwerde und führte dazu im Wesentlichen aus, über das XXXX Innsbruck keine Verständigung über die Hinterlegung eines behördlichen Dokumentes erhalten zu haben, da er sich dort nicht regelmäßig aufhalte. Ihm sei das Schriftstück erst am 29.03.2021 ausgehändigt worden, weshalb der Vorlageantrag vom 11.03.2021 rechtzeitig erfolgt sei.

9. Mit Schreiben vom 10.05.2021 legte die belangte Behörde die Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht vor. Ergänzend verwies die belangte Behörde zunächst erneut darauf, dass die Beschwerdevorentscheidung vom 11.03.2021 dem Beschwerdeführer laut RSb-Rückschein am 16.03.2021 durch Hinterlegung zugestellt worden sei. Weiters wurde ausgeführt, dass die belangte Behörde nur die Möglichkeit habe, dem Beschwerdeführer alles per Post zu übermitteln wie es von diesem auch gewünscht werde, da er keinen Drucker zur Verfügung habe. Auch telefonisch sei der Beschwerdeführer nicht zu erreichen, da er kein Telefon habe. Zugestellt werde immer an die im ZMR gemeldete Adresse bei XXXX . Auf die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung werde seitens der belangten Behörde verzichtet.

10. Mit Schreiben vom 20.05.2021 ersuchte das Bundesverwaltungsgericht das Magistrat für Melde- und Einwohnerwesen der Stadt Innsbruck um Mitteilung dahingehend, ob bei der Wohnsitzmeldung des Beschwerdeführers eine Zustimmung iSd § 19a Abs. 2 MeldeG vorliegt, woraufhin am selben Tag mitgeteilt wurde, dass im konkreten Fall die Meldeadresse nicht als Abgabestelle im Sinne des Zustellgesetzes gelte.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der Beschwerdeführer hat am 09.10.2020 erstmalig bei der belangten Behörde einen Antrag auf Arbeitslosengeld gestellt.

1.2. Diesem Antrag gab die belangte Behörde mit Bescheid vom 10.12.2020 keine Folge, und bekämpfte der Beschwerdeführer diesen Bescheid mit Beschwerde vom 07.01.2021. Über diese Beschwerde erließ die belangte Behörde am 11.03.2021 eine Beschwerdevorentscheidung, welche sie an die Meldeadresse des Beschwerdeführers adressierte.

1.3. An dieser Adresse ist der Beschwerdeführer seit 07.10.2020 durchgehend „Obdachlos“ gemeldet. Eine Zustimmung des für diese Stelle Verfügungsberechtigten zur Verwendung als Abgabestelle iSd § 19a Abs. 2 MeldeG liegt nicht vor. Die Beschwerdevorentscheidung wurde dem Beschwerdeführer am 29.03.2021 ausgehändigt. Der gegen die Beschwerdevorentscheidung gerichtete, mit „Beschwerde“ bezeichnete, Vorlageantrag wurde am 12.04.2021 persönlich bei der belangten Behörde abgegeben.

1.4. Im Zeitraum 17.03.2020 bis 02.05.2020 war der Beschwerdeführer arbeitssuchend gemeldet.

1.5. Innerhalb der gesetzlichen Rahmenfrist gemäß § 14 Abs. 1 AlVG iVm § 15 Abs. 1 Z. 2 AlVG können folgende anwartschaftsbegründende Zeiten für die Berechnung des Anspruchs des Beschwerdeführers auf Zuerkennung des Arbeitslosengeldes herangezogen werden:

23.08.2018 - 26.08.2018 (4 Tage)  Arbeiter/Hotel XXXX GmbH 
10.12.2018 - 22.01.2019 (44 Tage)          Arbeiter/Hotel XXXX GmbH 
23.01.2019 - 24.01.2019 (2 Tage)          UA/UE pflichtv./Hotel XXXX GmbH
06.02.2019 - 24.02.2019 (19 Tage)           Arbeiter/ XXXX GmbH 
25.02.2019 - 25.02.2019 (1 Tag)          UA/UE pflichtv./ XXXX GmbH 
08.06.2019 - 29.06.2019 (22 Tage)          Arbeiter/ XXXX  
30.06.2019 - 30.06.2019 (1 Tag)          UA/UE pflichtv./ XXXX  
18.07.2019 - 09.09.2019 (54 Tage)          Arbeiter/ XXXX  
10.09.2019 - 13.09.2019 (4 Tage)          UA/UE pflichtv./ XXXX
08.10.2019 - 11.10.2019 (4 Tage)          Arbeiter/ XXXX  
29.11.2019 - 06.12.2019 (8 Tage)          Arbeiter/ XXXX GmbH 
17.12.2019 - 19.12.2019 (3 Tage)           Arbeiter/ XXXX  
31.12.2019 - 31.12.2019 (1 Tag)          Arbeiter/ XXXX GmbH 
20.07.2020 - 10.08.2020 (22 Tage)          Arbeiter/ XXXX

Innerhalb der Rahmenfrist war der Beschwerdeführer somit 189 Tage (27 Wochen) im Inland arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt. Der Beschwerdeführer hat keine ausländischen Beschäftigungs- oder Versicherungszeiten geltend gemacht.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Der am 09.10.2020 gestellte Antrag auf Arbeitslosengeld liegt im Verwaltungsakt ein und ist unbestritten.

2.2. Ebenso ergeben sich die Feststellungen zum Bescheid vom 10.12.2020, zur Beschwerde vom 07.01.2021 und zur Beschwerdevorentscheidung vom 11.03.2021 unzweifelhaft aus dem Inhalt des vorliegenden Verwaltungsaktes.

2.3. Dass der Beschwerdeführer an seiner Meldeadresse seit 07.10.2020 durchgehend „Obdachlos“ gemeldet ist, ergibt sich aus dem eingeholten Auszug aus dem Zentralen Melderegister. Aus der Mitteilung des Magistrats für Melde- und Einwohnerwesen der Stadt Innsbruck vom 21.05.2021 ergibt sich, dass keine Zustimmung iSd § 19a Abs. 2 MeldeG vorliegt.

Der Beschwerdeführer hat in seinem Schreiben vom 04.05.2021 angegeben, dass ihm der Bescheid vom am 29.03.2021 persönlich ausgehändigt wurde. Dies blieb von der belangten Behörde unbestritten, weshalb die Feststellung so getroffen werden konnte.

Dass der Vorlageantrag am 12.04.2021 persönlich bei der belangten Behörde abgegeben wurde, ist aus dem entsprechenden Eingangsstempel ersichtlich.

2.4. Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer von 17.03.2020 bis 02.05.2020 arbeitssuchend war, wurde der Beschwerdevorentscheidung entnommen und wurde vom Beschwerdeführer nicht bestritten. Außerdem ist auch dem Versicherungsdatenauszug keine Erwerbstätigkeit des Beschwerdeführers in diesem Zeitraum zu entnehmen.

2.5. Die Feststellung der heranzuzuziehenden anwartschaftsbegründenden Zeiten ergibt sich aus dem im Verwaltungsakt einliegenden Auszug über die Versicherungszeiten des Beschwerdeführers vom 08.03.2021. Diese wurden vom Beschwerdeführer auch nicht bestritten.

Aus diesen Zeiten ergibt sich eine Gesamtdauer von 189 Tagen einer arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigung. Der Beschwerdeführer hat im gesamten Verfahren und trotz mehrfacher Aufforderungen der belangten Behörde keinen Nachweis für ausländische Beschäftigungs- oder Versicherungszeiten erbracht und solche auch nicht behauptet, weshalb die entsprechende Feststellung zu treffen war.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht

§ 6 BVwGG lautet wie folgt:

„Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.“

§ 56 Abs. 2 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977 (AlVG) in der geltenden Fassung lautet wie folgt:

„Über Beschwerden gegen Bescheide einer Geschäftsstelle entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch einen Senat, dem zwei fachkundige Laienrichter angehören, je einer aus dem Kreis der Arbeitgeber und aus dem Kreis der Arbeitnehmer. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung durch die Geschäftsstelle beträgt zehn Wochen.“

Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Die §§ 1, 17, 28 Abs. 1 und Abs. 2 sowie 58 Abs. 1 und 2 VwGVG lauten wie folgt:

㤠1. Dieses Bundesgesetz regelt das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes.

§ 17. Soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.“

„§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1.der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.“

„§ 58. (1) Dieses Bundesgesetz tritt mit 1. Jänner 2014 in Kraft.

(2) Entgegenstehende Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht sind, bleiben unberührt.“

3.2. Zu Spruchpunkt A)

3.2.1. Zur Behebung des Bescheides vom 20.04.2021 (Spruchteil I.):

3.2.1.1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Zustellgesetzes (ZustG) lauten wie folgt:

Begriffsbestimmungen

§ 2 Im Sinne dieses Bundesgesetzes bedeuten die Begriffe:

4. „Abgabestelle“: die Wohnung oder sonstige Unterkunft, die Betriebsstätte, der Sitz, der Geschäftsraum, die Kanzlei oder auch der Arbeitsplatz des Empfängers, im Falle einer Zustellung anlässlich einer Amtshandlung auch deren Ort, oder ein vom Empfänger der Behörde für die Zustellung in einem laufenden Verfahren angegebener Ort;

Heilung von Zustellmängeln

§ 7. Unterlaufen im Verfahren der Zustellung Mängel, so gilt die Zustellung als in dem Zeitpunkt dennoch bewirkt, in dem das Dokument dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist.

Physische Zustellung

Zustellung an den Empfänger

§ 13 (1) Das Dokument ist dem Empfänger an der Abgabestelle zuzustellen. Ist aber auf Grund einer Anordnung einer Verwaltungsbehörde oder eines Gerichtes an eine andere Person als den Empfänger zuzustellen, so tritt diese an die Stelle des Empfängers.

Hinterlegung

§ 17 (1) Kann das Dokument an der Abgabestelle nicht zugestellt werden und hat der Zusteller Grund zur Annahme, daß sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, so ist das Dokument im Falle der Zustellung durch den Zustelldienst bei seiner zuständigen Geschäftsstelle, in allen anderen Fällen aber beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in derselben Gemeinde befindet, zu hinterlegen.

(2) Von der Hinterlegung ist der Empfänger schriftlich zu verständigen. Die Verständigung ist in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (Briefkasten, Hausbrieffach oder Briefeinwurf) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen. Sie hat den Ort der Hinterlegung zu bezeichnen, den Beginn und die Dauer der Abholfrist anzugeben sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisen.

(3) Das hinterlegte Dokument ist mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Dokumente gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem das hinterlegte Dokument behoben werden könnte.

(4) Die im Wege der Hinterlegung vorgenommene Zustellung ist auch dann gültig, wenn die im Abs. 2 genannte Verständigung beschädigt oder entfernt wurde.

Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung

§ 25 (1) Zustellungen an Personen, deren Abgabestelle unbekannt ist, oder an eine Mehrheit von Personen, die der Behörde nicht bekannt sind, können, wenn es sich nicht um ein Strafverfahren handelt, kein Zustellungsbevollmächtigter bestellt ist und nicht gemäß § 8 vorzugehen ist, durch Kundmachung an der Amtstafel, daß ein zuzustellendes Dokument bei der Behörde liegt, vorgenommen werden. Findet sich der Empfänger zur Empfangnahme des Dokuments (§ 24) nicht ein, so gilt, wenn gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, die Zustellung als bewirkt, wenn seit der Kundmachung an der Amtstafel der Behörde zwei Wochen verstrichen sind.

(2) Die Behörde kann die öffentliche Bekanntmachung in anderer geeigneter Weise ergänzen.

3.2.1.2. Die maßgebliche Bestimmung des Meldegesetz 1991 (MeldeG) lautet wie folgt:

Hauptwohnsitzbestätigung

§ 19a (1) Die Meldebehörde hat einem Obdachlosen auf Antrag nach dem Muster der Anlage D in zwei Ausfertigungen zu bestätigen, dass er den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in dieser Gemeinde hat (Hauptwohnsitzbestätigung), wenn er

1. glaubhaft macht, dass er seit mindestens einem Monat den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen ausschließlich im Gebiet dieser Gemeinde hat, und

2. im Gebiet dieser Gemeinde eine Stelle bezeichnen kann, die er regelmäßig aufsucht (Kontaktstelle).

(2) Die Kontaktstelle gilt als Abgabestelle im Sinne des Zustellgesetzes, BGBl. Nr. 200/1982, sofern der Obdachlose hiezu die Zustimmung des für diese Stelle Verfügungsberechtigten nachweist.

3.2.1.3. Mit Bescheid vom 20.04.2021 wies die belangte Behörde den Vorlageantrag des Beschwerdeführers vom 10.04.2021 (eingelangt am 12.04.2021) als verspätet zurück und begründete dies damit, dass dem Beschwerdeführer die Beschwerdevorentscheidung vom 11.03.2021 am 16.03.2021 durch Hinterlegung zugestellt worden sei.

Die belangte Behörde adressierte die Beschwerdevorentscheidung vom 11.03.2021 an die Meldeadresse des Beschwerdeführers. Dabei übersieht sie jedoch, dass der Beschwerdeführer an dieser Adresse „Obdachlos“ gemeldet ist. In diesem Fall sieht § 19a MeldeG vor, dass eine solche Kontaktstelle als Abgabestelle iSd Zustellgesetzes gilt, sofern der Obdachlose hiezu die Zustimmung des für diese Stelle Verfügungsberechtigten nachweist. Wie umseits festgestellt, liegt eine solche Zustimmung nicht vor.

Die Behörde hätte in diesem Fall eine Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung (§ 25 MeldeG) vornehmen, oder die Beschwerdevorentscheidung allenfalls bei einem persönlichen Termin übergeben müssen, um eine rechtswirksame Zustellung zu erwirken. Da dies nicht erfolgt ist, war die Zustellung mangelhaft. Gemäß § 7 ZustG gilt in einem solchen Fall die Zustellung als in dem Zeitpunkt dennoch bewirkt, in dem das Dokument dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist.

Da dem Beschwerdeführer der Bescheid vom 11.03.2021 am 29.03.2021 persönlich ausgehändigt wurde, gilt er mit diesem Tag als zugestellt, weshalb die zweiwöchige Frist zur Einbringung eines Vorlageantrages am 12.04.2021 geendet hat.

Der Vorlageantrag vom 12.04.2021 langte somit binnen offener Frist bei der belangten Behörde ein, weshalb die Zurückweisung durch die belangte Behörde zu Unrecht erfolgte, und ist daher der Bescheid vom 20.04.2021, mit dem der Vorlageantrag als verspätet zurückgewiesen wurde, ersatzlos zu beheben.

3.2.2. Abweisung des Antrages auf Arbeitslosengeld (Spruchteil II.):

3.2.2.1. Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die Zuständigkeit, verspätete oder unzulässige Vorlageanträge zurückzuweisen nach § 15 Abs. 3 VwGVG zunächst der Behörde zukommt. Die bescheidmäßige Zurückweisung durch die Behörde ist jedoch beim Verwaltungsgericht mit Beschwerde bekämpfbar, wobei die Beschwerde bei der Behörde einzubringen ist (§ 12 VwGVG). Beschwerdegegenstand des Verfahrens vor dem VwG ist diesfalls allein die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung. (vgl. Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte² [2017], § 15 VwGVG K 5.). Ist die Zurückweisung des Vorlageantrags durch die Behörde verfehlt, hat das VwG um zwei Entscheidungen in derselben Sache zu vermeiden die Verfahren über den Zurückweisungsbescheid und die Vorentscheidung zu verbinden (vgl. Goldstein/Neudorfer in Raschauer/Wessely (Hrsg), VwGVG § 15 (Stand 31.3.2018, rdb.at Rz 7 mit Verweis auf Müllner, ZfV 2013, 887), weshalb gegenständlich auch über den Antrag auf Arbeitslosengeld abzusprechen ist.

3.2.2.2. Die maßgeblichen Bestimmungen des Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (AlVG) lauten wie folgt:

Arbeitslosengeld

Voraussetzungen des Anspruches

§ 7 (1) Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, wer

1. der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht,

2. die Anwartschaft erfüllt und

3. die Bezugsdauer noch nicht erschöpft hat.

Anwartschaft

§ 14 (1) Bei der erstmaligen Inanspruchnahme von Arbeitslosengeld ist die Anwartschaft erfüllt, wenn der Arbeitslose in den letzten 24 Monaten vor Geltendmachung des Anspruches (Rahmenfrist) insgesamt 52 Wochen im Inland arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt war. Handelt es sich jedoch um einen Arbeitslosen, der das Arbeitslosengeld vor Vollendung des 25. Lebensjahres beantragt, ist die Anwartschaft auf Arbeitslosengeld auch dann erfüllt, wenn der Arbeitslose in den letzten zwölf Monaten vor Geltendmachung des Anspruches (Rahmenfrist) insgesamt 26 Wochen im Inland arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt war.

(3) In Zeiten empfindlicher Arbeitslosigkeit kann durch Verordnung der Bundesministerin oder des Bundesministers für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz für einzelne Berufsgruppen, in denen die Beschäftigungslage besonders ungünstig ist, bestimmt werden, daß die Anwartschaft auch dann erfüllt ist, wenn der Arbeitslose in den letzten 24 Monaten vor Geltendmachung des Anspruches auf Arbeitslosengeld im Inland insgesamt 26 Wochen arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt war.

(5) Ausländische Beschäftigungs- oder Versicherungszeiten sind auf die Anwartschaft anzurechnen, soweit dies durch zwischenstaatliche Abkommen oder internationale Verträge geregelt ist.

(Rahmenfristerstreckung)

§ 15 (1) Die Rahmenfrist (§ 14 Abs. 1 bis 3) verlängert sich um höchstens fünf Jahre um Zeiträume, in denen der Arbeitslose im Inland

2. arbeitsuchend bei der regionalen Geschäftsstelle gemeldet gewesen ist, Sondernotstandshilfe bezogen hat oder als Vorschuss auf eine nicht zuerkannte Pension Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe bezogen hat;

(8) Die Rahmenfrist verlängert sich um Zeiträume einer Erwerbstätigkeit im Ausland, die auf Grund eines zwischenstaatlichen Abkommens in der Pensionsversicherung zu berücksichtigen sind, wenn davor mindestens fünf Jahre arbeitslosenversicherungspflichtiger Beschäftigung liegen. In den übrigen Fällen verlängert sich die Rahmenfrist um höchstens fünf Jahre um Zeiträume einer Erwerbstätigkeit im Ausland, die auf Grund eines zwischenstaatlichen Abkommens in der Pensionsversicherung zu berücksichtigen sind.

3.2.2.3. Der Beschwerdeführer hat am 09.10.2020 bei der belangten Behörde erstmalig einen Antrag auf Arbeitslosengeld gestellt.

Voraussetzung für die Inanspruchnahme des Arbeitslosengeldes ist gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AlVG unter anderem die Erfüllung der Anwartschaft. In dieser Anspruchsvoraussetzung zeigt sich das Versicherungsprinzip, nach dem die Arbeitslosenversicherung konzipiert ist. Anwartschaftszeiten werden grundsätzlich durch arbeitslosenversicherungspflichtige Beschäftigungszeiten oder sonstige Versicherungszeiten innerhalb festgelegter Rahmenfristen erworben (vgl. Krapf/Keul, Praxiskommentar Arbeitslosenversicherungsgesetz, Jänner 2015, § 14 Rz 339).

Gemäß § 14 Abs. 1 AlVG ist bei erstmaliger Inanspruchnahme von Arbeitslosengeld die Anwartschaft dann erfüllt, wenn innerhalb einer Rahmenfrist von 24 Monaten vor Geltendmachung (§ 46 AlVG) des Anspruchs 52 arbeitslosen versicherungspflichtige Beschäftigungswochen (52 x 7 = 364 Versicherungstage) vorliegen (vgl. Krapf/Keul, Praxiskommentar Arbeitslosenversicherungsgesetz, Jänner 2015, § 14 Rz 340).

3.2.2.4. In der Beschwerde bringt der Beschwerdeführer sinngemäß vor, dass er wegen der Corona-Pandemie die Anwartschaft nicht erfüllen habe können, jedoch die unverschuldeten Monate gemäß § 14 Abs. 3 AlVG anzurechnen seien.

Nach dieser Bestimmung kann in Zeiten empfindlicher Arbeitslosigkeit durch Verordnung der Bundesministerin oder des Bundesministers für Arbeit für einzelne Berufsgruppen, in denen die Beschäftigungslage besonders ungünstig ist, bestimmt werden, dass die Anwartschaft auch dann erfüllt ist, wenn der Arbeitslose in den letzten 24 Monaten vor Geltendmachung des Anspruches auf Arbeitslosengeld im Inland insgesamt 26 Wochen arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt war. Eine solche Verordnung wurde jedoch nicht erlassen.

3.2.2.5. Gemäß § 14 Abs. 4 AlVG müssen die anwartschaftsbegründenden Zeiten grundsätzlich im Inland zurückgelegt oder zumindest aufgrund inländischer Vorschriften erworben worden sein. § 14 Abs. 5 AlVG sieht eine Anrechnung auch von ausländischen Versicherungs- oder Beschäftigungszeiten vor und macht dies vom Vorliegen einer Regelung durch zwischenstaatliche Abkommen oder internationale Verträge abhängig.

Solche Abkommen bestehen mit sämtlichen Mitgliedstaaten und einer Reihe anderer europäischer Staaten. Die Abkommen mit außereuropäischen Staaten erfassen jedoch durchgängig nicht die Arbeitslosenversicherung (vgl. Spiegel in Spiegel 29. Lfg Abkommen Allgemeiner Teil Rz 12 ff.)

Der Beschwerdeführer hat trotz mehrmaliger Aufforderung durch die belangte Behörde weder im verfahrensgegenständlichen Antrag noch bei einer anderen Gelegenheit anwartschaftsbegründenden Zeiten in anderen Staaten geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat zutreffend ausgeführt, dass der Beschwerdeführer in den letzten 24 Monaten vor Geltendmachung des Anspruches nicht insgesamt 52 Wochen (364 Tage), sondern lediglich 185 Tage arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt war.

Auch durch die zutreffende Rahmenfristverlängerung gemäß § 15 Abs. 1 Z 2 AlVG (arbeitsuchend bei der regionalen Geschäftsstelle gemeldet) sind im Ergebnis nur 189 Tage einer arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigung zu berücksichtigen.

Da somit innerhalb der gesetzlichen Rahmenfrist zu geringe anwartschaftsbegründende Zeiträume bzw. arbeitslosenversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse vorliegen, hat die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers zu Recht mangels Erfüllung der Anwartschaft abgewiesen.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

3.2.3. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß Abs. 3 hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden. Gemäß Abs. 4 kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Gemäß Abs. 5 kann das Verwaltungsgericht von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Im gegenständlichen Verfahren hat keine Partei eine Verhandlung beantragt. Der für diesen Fall maßgebliche Sachverhalt konnte als durch die Aktenlage hinreichend geklärt erachtet werden. In der Beschwerde wurden keine noch zu klärenden Tatsachenfragen in konkreter und substantiierter Weise aufgeworfen und war gegenständlich auch keine komplexe Rechtsfrage zu lösen (VwGH 31.07.2007, Zl. 2005/05/0080). Dem Absehen von der Verhandlung stehen hier auch Art 6 Abs. 1 EMRK und Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union nicht entgegen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Da sich die Entscheidung auf eindeutige Rechtsvorschriften (§§ 14, 15 AlVG, § 19a MeldeG) stützt, liegt jedenfalls keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vor (vgl. etwa VwGH 26.2.2015, Ra 2015/11/0008 und VwGH 11.12.2017, Ra 2015/11/0102).

Schlagworte

Abgabestelle Anwartschaft Arbeitslosengeld Hinterlegung Meldeadresse Versicherungszeiten Verspätung Vorlageantrag Zustellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:I404.2242318.1.00

Im RIS seit

10.09.2021

Zuletzt aktualisiert am

10.09.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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