TE Bvwg Erkenntnis 2021/9/3 L511 2244520-1

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Veröffentlicht am 03.09.2021
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Entscheidungsdatum

03.09.2021

Norm

AlVG §25
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §13

Spruch


2244520–/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Sandra Tatjana JICHA als Vorsitzende und die fachkundigen LaienrichterInnen Mag. Peter Sighartner als Beisitzer und Mag.a Iris WOLTRAN als Beisitzerin über die Beschwerde von XXXX , gegen Spruchpunkt B des Bescheides des Arbeitsmarktservice XXXX vom XXXX , Zahl: XXXX , betreffend Ausschluss der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde zur Rückforderung einer Leistung in der Höhe von EUR 2.031,12, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 13 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwGVG) als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I.       Verfahrensgang und Verfahrensinhalt

1.       Verfahren vor dem Arbeitsmarktservice [AMS]

1.1.    Um Wiederholungen zu vermeiden, wird einleitend auf das dem gegenständlichen Verfahren vorangegangene Verwaltungsverfahren hg. GZ L503 2240775-1 verwiesen. Es handelte sich um ein Verfahren bezüglich der Verhängung einer Sperrfrist mangels Arbeitswilligkeit gemäß § 10 Abs. 1 Z1 AlVG. Der Beschwerde kam von Gesetzes wegen aufschiebende Wirkung zu, weshalb die Notstandshilfe für die Dauer des Verfahrens (vorläufig) weiter ausbezahlt wurde. Dieses Verfahren wurde mit Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 01.06.2021, GZ L503 2240775-1/5E, beendet. Die Beschwerde wurde als unbegründet abgewiesen und festgestellt, dass die Verhängung der Sperrfrist durch das AMS zu Recht erfolgt war.

1.2.    Mit Bescheid des AMS vom Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden., Zahl: XXXX , verpflichtet das AMS Beschwerdeführer gemäß § 25 Abs. 1 letzter Satz AlVG zur Rückzahlung der unberechtigt empfangenen Leistung in der Höhe von EUR 2.031,12 und hielt fest, dass, sofern der Beschwerdeführer im Leistungsbezug stehe, die Rückforderung von seinen Ansprüchen einbehalten werde; stehe er nicht im Leistungsbezug, so sei der Rückforderungsbetrag dem AMS binnen 14 Tagen zu bezahlen (Spruchteil A). Unter einem wurde die aufschiebende Wirkung einer dagegen erhobenen Beschwerde gem. § 13 Abs. 2 VwGVG ausgeschlossen (Spruchteil B) (Aktenzahl der elektronisch übermittelten Aktenteile [AZ] 1).

Zu Spruchpunkt A wurde begründend ausgeführt, dass aufgrund der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes (sic) vom 01.06.2021 die Verpflichtung zum Rückersatz des angeführten Betrages bestehe.

Zu Spruchpunkt B wurde ausgeführt, dass eine Entscheidung über die Beschwerde in der Hauptsache vorliege, so dass die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid ausschließlich dazu führen würde, dass die Eintreibung der offenen Forderung zu Lasten der Versichertengemeinschaft verzögert würde, obwohl mit einer anderslautenden Entscheidung in der Sache zu Gunsten der Beschwerdeführerin nicht mehr zu rechnen sei. Aus diesem Grunde überwiege das öffentliche Interesse an der Einbringlichkeit der offenen Forderung.


1.3.    Mit Schreiben vom 13.07.2021 erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde gegen den oben bezeichneten Bescheid des AMS (AZ 3).

Darin beantragt der Beschwerdeführer die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde und die Aufhebung des Bescheides und führt im Wesentlichen aus, der Betrag sei nicht transparent, weshalb er um einen Bescheid mit Begründung ersuche. Er habe einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe an den Verwaltungsgerichtshof gesendet, habe aber keine Verhandlung beim Verwaltungsgerichtshof, sondern beim Bundesverwaltungsgericht gehabt.

2.       Das AMS legte dem Bundesverwaltungsgericht [BVwG] am 20.07.2021 die Beschwerde samt Auszügen aus dem Verwaltungsakt in elektronischer Form vor (OZ 1 [=AZ 1-7]).

2.1.    Am 01.09.2021 wurde seitens des AMS eine Beschwerdevorentscheidung im Hinblick auf Spruchpunkt A erlassen (OZ 4).

II.      Zu A) Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.1.    Anzuwendendes Verfahrensrecht

1.1.1.  Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch einen Senat ergeben sich aus § 6 Bundesgesetz über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes [BVwGG] iVm § 56 Abs. 2 AlVG (vgl. VwGH vom 07.09.2017, Ra2017/08/0081). Das Verfahren des Bundesverwaltungsgerichts ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) geregelt. Verfahrensgegenständlich sind demnach neben dem VwGVG auch die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, sowie jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen sinngemäß anzuwenden, die das AMS im erstinstanzlichen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte (§ 17 VwGVG).

1.1.2.  Die Beschwerde ist rechtzeitig und auch sonst zulässig (§§ 7 und 9 VwGVG).


1.2.    Abweisung der Beschwerde gegen den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung

1.2.1.  Gemäß § 13 Abs. 1 VwGVG hat eine rechtzeitig eingebrachte und zulässige Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z1 B-VG aufschiebende Wirkung. Diese kann gemäß Abs. 2 leg.cit. mit Bescheid von der Behörde ausgeschlossen werden, wenn nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides oder die Ausübung der durch den angefochtenen Bescheid eingeräumten Berechtigung wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist. Ein solcher Ausspruch ist tunlichst schon in den über die Hauptsache ergehenden Bescheid aufzunehmen. Gemäß § 13 Abs. 5 VwGVG hat die Beschwerde gegen einen Bescheid gemäß Abs. 2 oder 3 keine aufschiebende Wirkung. Sofern die Beschwerde nicht als verspätet oder unzulässig zurückzuweisen ist, hat die Behörde dem Verwaltungsgericht die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verfahrens unverzüglich vorzulegen. Das Verwaltungsgericht hat über die Beschwerde ohne weiteres Verfahren unverzüglich zu entscheiden und der Behörde, wenn diese nicht von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung absieht, die Akten des Verfahrens zurückzustellen.

1.2.2.  Die Entscheidung über die Zuerkennung oder die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung kann nur das Ergebnis einer im Einzelfall vorzunehmenden Interessenabwägung sein, welche die berührten öffentlichen Interessen UND die Interessen von Verfahrensparteien berücksichtigt (VwGH 01.09.2014, Ra2014/03/0028, VfGH 02.12.2014, G74/2014). Es muss sich um ein besonderes öffentliches Interesse handeln, aus dem wegen der "triftigen Gründe" des konkreten Falles die vorzeitige Vollstreckung des Bescheides sachlich geboten ist (Hengstschläger/Leeb1, AVG § 64 Rz 29 mHa VfSlg 11.196/1986; 16.460/2002; 17.346/2004).

1.2.3.  Ein im öffentlichen Interesse gelegener Bedarf nach einer Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ist im Allgemeinen insbesondere bei der Verhängung einer Sperrfrist mangels Arbeitswilligkeit gemäß § 10 Abs. 1 Z1 AlVG (iVm § 38 AlVG) gegeben, deren disziplinierender Zweck weitgehend verloren ginge, wenn sie erst Monate nach ihrer Verhängung in Kraft treten würde. Die Interessenabwägung kann vor allem dann zu Gunsten einer Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ausschlagen, wenn für den Fall einer vorläufigen Weitergewährung einer Leistung die Einbringlichkeit des Überbezuges gefährdet ist. Ob eine solche Gefährdung vorliegt, hat das AMS zu ermitteln und gegebenenfalls auf Grund konkret festzustellender Tatsachen über die wirtschaftlichen Verhältnisse der betroffenen Partei festzustellen (Müller in Pfeil AlVG-Komm Rz 3f und 19 zu § 56). Wirkt der Notstandshilfebezieher an den Feststellungen über die Einbringlichkeit nicht mit, kann von einer Gefährdung derselben ausgegangen werden (Müller in Pfeil AlVG-Komm Rz 19 zu § 56). Eine maßgebliche Gefährdung der Einbringlichkeit des Überbezuges wäre allerdings dann nicht anzunehmen, wenn die prima facie beurteilten Erfolgsaussichten der Beschwerde eine Rückforderung der weiter gezahlten Notstandshilfe unwahrscheinlich machen (VwGH 11.04.2018, 2017/08/0033 mwN zur Interessenabwägung VwGH 14.02.2014, Ro2014/02/0053 und zur Erfolgsprognose VwGH 09.05.2016, Ra2016/09/0035).

1.2.3.1. Gegenständlich wurde der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung seitens des AMS damit begründet, dass im Verfahren bezüglich der Verhängung einer Sperrfrist gemäß § 10 Abs. 1 Z1 AlVG bereits eine rechtskräftige Entscheidung (durch das Bundesverwaltungsgericht) vorliege. Die Aberkennung diene dazu die Eintreibung der offenen Forderung nicht zu Lasten der Versichertengemeinschaft zu verzögern und es sei darüber hinaus auch nicht mit einer anderslautenden Entscheidung zu rechnen.

Diese Begründung steht im Einklang mit der bereits zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes wonach insbesondere in Verfahren zur Verhängung einer Sperrfrist ein im öffentlichen Interesse gelegener Bedarf nach einer Aberkennung der aufschiebenden Wirkung vorliegt. Insbesondere im verfahrensgegenständlichen Fall, in dem die Rechtmäßigkeit der Verhängung der Sperrfrist bereits rechtskräftig entschieden wurde.

1.2.4.  Um die vom Gesetzgeber geforderte Interessenabwägung vornehmen zu können, hat ein Notstandshilfebezieher insbesondere die nicht ohne weiteres erkennbaren Umstände, die sein Interesse an einer Weitergewährung untermauern, sowie die in seiner Sphäre liegenden Umstände, die entgegen entsprechender Feststellungen des AMS für die Einbringlichkeit einer künftigen Rückforderung sprechen, spätestens in der Begründung (§ 9 Abs. 1 Z3 VwGVG) seiner Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung konkret darzutun und zu bescheinigen, zumal das Verwaltungsgericht gemäß § 13 Abs. 5 VwGVG über die Beschwerde ohne weiteres Verfahren unverzüglich zu entscheiden hat (VwGH 11.04.2018, 2017/08/0033 mwN).

1.2.4.1. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes trifft den Beschwerdeführer hinsichtlich des unverhältnismäßigen Nachteils jedoch eine Konkretisierungspflicht (VwGH 11.04.2018, Ro2017/08/0033; 14.02.2014, Ro2014/02/0053). Die Dartuung eines unverhältnismäßigen wirtschaftlichen Nachteils erfordert die nachvollziehbare Darlegung der konkreten wirtschaftlichen Folgen der behaupteten Einbußen auf dem Boden der gleichfalls konkret anzugebenden gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse der beschwerdeführenden Partei. Denn erst die tunlichst ziffernmäßigen Angaben über die finanziellen Verhältnisse versetzen das erkennende Verwaltungsgericht in die Lage, zu beurteilen, ob der Vollzug des angefochtenen Bescheides für den Betroffenen einen unverhältnismäßigen Nachteil mit sich brächte, und ermöglichen so erst die vom Gesetz gebotene Interessenabwägung (vgl. für viele VwGH 02.03.2017, Ra2017/08/0009 mwN; 24.02.2016, Ra2016/08/0043).

1.2.4.2. Der Beschwerdeführer hat nicht begründet, inwiefern ihm aus der Begleichung der Forderung des AMS ein unverhältnismäßiger Nachteil erwachsen würde, insbesondere auch, da gemäß § 25 Abs. 4 AlVG grundsätzlich die Möglichkeit besteht die offene Forderung im Wege von Ratenzahlungen oder der teilweisen Einbehaltung eines laufenden Notstandshilfebezuges zu bedienen.

1.2.5.  Das Bundesverwaltungsgericht hat gemäß § 13 Abs. 5 VwGVG ohne weiteres Verfahren unverzüglich zu entscheiden. Dies bedeutet, dass das BVwG gleichsam einem Eilverfahren ohne Setzung der sonstigen üblichen Verfahrensschritte, etwa Gewährung von Parteiengehör oder Durchführung einer Verhandlung, aber auch ohne jede Möglichkeit, ergänzende Sachverhaltsfeststellungen zu treffen, über den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung zu erkennen hat (vgl. Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, § 13 VwGVG, K17; Verwaltungsgerichtsverfahren (2013) [§13 VwGVG, Anm 8]). Das BVwG hat somit ausschließlich aufgrund der vorgelegten Aktenteile zu entscheiden.

Unter Berücksichtigung dieses eingeschränkten Prüfungsmaßstabes vermag der erkennende Senat weder die Erwägungen der belangten Behörde über den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung – insbesondere vor dem Hintergrund des gegenständlichen Verfahrens (Rückforderung nach abgeschlossenem Sperrfristverfahren) –als unschlüssig zu erkennen, noch Anhaltspunkte für einen unverhältnismäßigen Nachteil für den Beschwerdeführer erkennen.

1.2.6.  Im Ergebnis erfolgte der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde somit zu Recht, und ist spruchgemäß zu entscheiden.

2.       Da das Bundesverwaltungsgericht nach der Regelung des § 13 Abs. 5 VwGVG verpflichtet ist, über die Beschwerde "ohne weiteres Verfahren unverzüglich zu entscheiden", ist grundsätzlich keine mündliche Verhandlung durchzuführen (VwGH 09.06.2015, Ra2015/08/0049).


III.    ad B) Unzulässigkeit der Revision:

Die gegenständliche Entscheidung stützt sich auf die jeweils wiedergegebene Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes und weicht von dieser auch nicht ab. Zur Konkretisierungspflicht VwGH 14.02.2014, Ro2014/02/0053; 11.04.2018, Ro2017/08/0033; zur Interessenabwägung insbesondere in Verfahren bezüglich der Verhängung einer Sperrfrist gemäß § 10 Abs. 1 Z1 AlVG VwGH 11.04.2018, Ro2017/08/0033. Der Entfall der mündlichen Verhandlung ergibt sich aus der gesetzlichen Regelung, siehe dazu explizit VwGH 09.06.2015, Ra2015/08/0049, und es ergeben sich auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage, so dass insgesamt die Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht vorliegen.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung - Entfall Interessenabwägung Konkretisierung Notstandshilfe öffentliche Interessen Sperrfrist

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:L511.2244520.1.00

Im RIS seit

15.09.2021

Zuletzt aktualisiert am

15.09.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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