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19/05 Menschenrechte;Norm
AsylG 1991;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens,
Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Böheimer, über die Beschwerde der M in W, vertreten durch den zur Verfahrenshilfe beigegebenen Rechtsanwalt Dr. P in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 22. März 1995, Zl. 104.973/2-III/11/94, betreffend Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesministerium für Inneres) Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 22. März 1995 wurde der vom Inland aus gestellte Antrag der Beschwerdeführerin vom 19. Juli 1993 auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 6 Abs. 2 und § 13 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) abgewiesen.
Begründend führte die belangte Behörde aus, das Asylverfahren der Beschwerdeführerin sei am 25. Mai 1993 rechtskräftig durch Abweisung ihres Antrages abgeschlossen worden. Sie habe den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung nicht ohne unnötigen Aufschub, sondern erst am 19. Juli 1993 gestellt. Die Bestimmung des § 13 AufG komme daher nicht zur Anwendung. Die Antragstellung habe folglich aus dem Grunde des § 6 Abs. 2 AufG vor der Einreise in das Bundesgebiet vom Ausland aus zu erfolgen.
Durch den Aufenthalt des Gatten und des Sohnes der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet bestünden unabsprechbare Bindungen in Österreich. Aufgrund der Unzulässigkeit der Antragstellung vom Inland aus seien diese geltend gemachten persönlichen Verhältnisse der Beschwerdeführerin nicht beachtlich.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, ihn aus diesen Gründen aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Hinblick auf das Datum der Zustellung des angefochtenen Bescheides (28. März 1995) hatte die belangte Behörde die Rechtslage vor Inkrafttreten der AufG-Novelle, BGBl. Nr. 351/1995, anzuwenden.
§ 1 Abs. 3, § 3 Abs. 1, § 6 Abs. 2 und § 13 AufG in der Fassung vor der genannten Novelle lauteten auszugsweise:
"§ 1. (1) ...
...
(3) Keine Bewilligung brauchen Fremde, wenn sie
...
6. aufgrund des Asylgesetzes 1991, BGBl. Nr. 8/1992, zum Aufenthalt in Österreich berechtigt sind.
§ 3. (1) Ehelichen und außerehelichen minderjährigen Kindern und Ehegatten
1.
von österreichischen Staatsbürgern oder
2.
von Fremden, die aufgrund einer Bewilligung, oder sonst gemäß § 1 Abs. 3 Z 1 bis 5 rechtmäßig ohne Bewilligung seit mehr als zwei Jahren ihren Hauptwohnsitz in Österreich haben, ist eine Bewilligung zu erteilen, sofern kein Ausschließungsgrund (§ 5 Abs. 1) vorliegt.
...
§ 6. (1) ...
(2) Der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung ist vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. Der Antrag auf Verlängerung kann auch vom Inland aus gestellt werden.
§ 13. (1) Die Berechtigungen zum Aufenthalt von Fremden, auf die dieses Bundesgesetz Anwendung findet und die sich zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, bleiben unberührt. Sie können mit Ablauf der Geltungsdauer dieser Berechtigung die Erteilung einer Bewilligung unter sinngemäßer Anwendung der für die Verlängerung von Bewilligungen geltenden Vorschriften (§ 4 Abs. 2) beantragen.
(2) Abs. 1 findet auf die in § 1 Abs. 3 genannten Fremden keine Anwendung."
§ 7 Abs. 7 des Fremdengesetzes (FrG) lautet:
"(7) Ergibt sich aus den Umständen des Falles, daß der Antragsteller für den Aufenthalt eine Bewilligung gemäß den §§ 1 und 6 des Bundesgesetzes, mit dem der Aufenthalt von Fremden in Österreich geregelt wird (Aufenthaltsgesetz), BGBl. Nr. 466/1992, benötigt, so darf dem Fremden kein Sichtvermerk nach diesem Bundesgesetz erteilt werden. Das Anbringen ist als Antrag gemäß § 6 des Aufenthaltsgesetzes unverzüglich an die zuständige Behörde weiterzuleiten. Der Antragsteller ist davon in Kenntnis zu setzen."
§ 4 und § 7 des Asylgesetzes 1991 (AsylG 1991) lauten:
"§ 4. Die Gewährung von Asyl ist auf Antrag auf die ehelichen und außerehelichen minderjährigen Kinder und den Ehegatten auszudehnen, sofern sich diese Personen in Österreich aufhalten und die Ehe schon vor der Einreise nach Österreich bestanden hat. Solche Familienangehörigen haben im Verfahren über die Gewährung von Asyl dieselbe Rechtsstellung wie der Asylwerber.
§ 7. (1) Ein Asylwerber, der gemäß § 6 eingereist ist, ist ab dem Zeitpunkt, zu dem ein Asylantrag gestellt wurde, zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt, wenn der Asylantrag innerhalb von einer Woche ab dem Zeitpunkt der Einreise in das Bundesgebiet oder innerhalb von einer Woche ab dem Zeitpunkt gestellt wurde, in dem er im Bundesgebiet von der Gefahr einer Verfolgung Kenntnis erlangt hat (vorläufige Aufenthaltsberechtigung). Der Asylwerber hat sich den Asylbehörden für Zwecke des Verfahrens nach diesem Bundesgesetz zur Verfügung zu halten."
Die Beschwerdeführerin tritt der Tatsachenannahme der belangten Behörde, ihr Asylverfahren sei am 25. Mai 1993 rechtskräftig abgeschlossen worden, nicht entgegen. Aus dem Grunde des § 7 Abs. 1 AsylG 1991 kam ihr daher lediglich bis zu diesem Zeitpunkt eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung zu. Die Anwendung der Übergangsbestimmung des § 13 Abs. 1 AufG scheitert im vorliegenden Fall schon daran, daß die Beschwerdeführerin sich im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Aufenthaltsgesetzes am 1. Juli 1993 nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhielt. Überdies fände § 13 Abs. 1 AufG aus dem Grunde des Abs. 2 leg. cit. auf die in § 1 Abs. 3 Z. 6 AufG genannten Fremden keine Anwendung. Der abgewiesene Asylwerber hat seinen Antrag betreffend Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz vor einer weiteren Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. November 1995, Zl. 95/19/0666). Eine vom Antragsteller und von der belangten Behörde angenommene Frist für eine zulässige Antragstellung im Inland besteht nicht, sodaß die umfangreichen Beschwerdeausführungen darüber, nach welchen Kriterien sich eine solche Frist zu bemessen hätte, ins Leere gehen. Gleiches gilt für die unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Rüge, die Verwaltungsbehörden hätten es unterlassen, die Gründe, die zur "Säumnis" der Beschwerdeführerin mit der Antragstellung geführt hätten, zu erheben und festzustellen, bzw. sie auf die Möglichkeit und Notwendigkeit, einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung dieser Frist zu stellen, hinzuweisen.
Die Beschwerdeführerin vertritt den Standpunkt, im Zeitraum zwischen dem Inkrafttreten des Fremdengesetzes zum 1. Jänner 1993 und jenem des Aufenthaltsgesetzes zum 1. Juli 1993 habe ein "aufenthaltsrechtliches Vakuum" bestanden. Habe der Fremde einen Antrag auf Erteilung eines gewöhnlichen Sichtvermerkes gestellt und habe sich aus den Umständen des Falles ergeben, daß er eine Aufenthaltsbewilligung benötige, so sei die Erteilung dieses Sichtvermerkes aus dem Grunde des § 7 Abs. 7 FrG ausgeschlossen gewesen. Das Anbringen sei als Antrag gemäß § 6 des Aufenthaltsgesetzes unverzüglich an die zuständige Behörde weiterzuleiten gewesen. Aus dem Ausschußbericht zu dieser Gesetzesstelle, AB 869 BlgNR 18. GP, sei abzuleiten, daß man im Zeitraum 1. Jänner 1993 bis 1. Juli 1993 vom Erfordernis der Erteilung eines Sichtvermerkes habe Abstand nehmen wollen. Der Mangel eines Sichtvermerkes bzw. einer Aufenthaltsbewilligung in diesem Zeitraum sei "vom Gesetz substituiert worden". In dem von der Beschwerdeführerin zitierten Ausschußbericht heiße es wörtlich:
"Die Abgrenzung der Aufenthaltsberechtigung nach dem Fremdengesetz (Sichtvermerk) einerseits und dem Aufenthaltsgesetz (Aufenthaltsberechtigung) andererseits soll in jede Richtung abgesichert sein."
Dieser Argumentation der Beschwerde ist zunächst zu entgegnen, daß sich weder aus dem Gesetzeswortlaut noch aus der zitierten Stelle des Ausschußberichtes Anhaltspunkte für die vom Beschwerdeführer getroffene Annahme ergeben, der Mangel eines Sichtvermerkes bzw. einer Aufenthaltsbewilligung (bestimmter Fremder) sei im Zeitraum zwischen 1. Jänner 1993 und 1. Juli 1993 vom Gesetz "substituiert" worden. § 7 Abs. 7 FrG ist auch nicht zu entnehmen, daß der Fremdenpolizeibehörde vor Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes die Erteilung eines Sichtvermerkes an Fremde, die ihren ordentlichen Wohnsitz im Bundesgebiet begründen wollten, verwehrt gewesen wäre. Das Vorliegen des in § 7 Abs. 7 FrG umschriebenen Tatbestandsmerkmales, ein Fremder benötige eine Bewilligung gemäß §§ 1 und 6 AufG, erscheint vor Inkrafttreten des letztgenannten Gesetzes nicht möglich. Die sachliche Zuständigkeit zur Entscheidung über einen Antrag auf Erteilung eines Sichtvermerkes, der erst mit Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes als Antrag gemäß § 6 dieses Gesetzes anzusehen war, ging auch erst mit dem Zeitpunkt dieses Inkrafttretens auf die in § 6 Abs. 4 AufG genannte Behörde über (vgl. das hg. Erkenntnis vom 10. Februar 1994, Zl. 93/18/0557, mit weiteren Hinweisen). Vor dem 1. Juli 1993 waren daher die Bundespolizeibehörden zur Behandlung und Entscheidung derartiger Anträge sehr wohl berufen.
Die Beschwerdeführerin vertritt die Auffassung, § 6 Abs. 2 erster Satz AufG sei in ihrem Fall nicht anzuwenden, weil sie schon während ihres anhängigen Asylverfahrens einen ordentlichen Wohnsitz im Bundesgebiet rechtmäßig begründet habe, weshalb eine erstmalige Erteilung einer Bewilligung hiezu im Sinne des § 1 Abs. 1 AufG gar nicht erforderlich sei oder angestrebt werde.
Diese Interpretation verbietet sich jedoch vor dem Hintergrund der Bestimmung des § 13 Abs. 2 AufG in Verbindung mit § 1 Abs. 3 Z. 6 AufG im Zusammenhang mit der vom Gesetzgeber mit dem Aufenthaltsgesetz ausdrücklich verfolgten Intention, die Umgehung von Einwanderungsvorschriften durch Stellung von Asylanträgen zu verhindern (vgl. RV 525 BlgNR 18. GP). Aus diesen Erwägungen kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie die Auffassung vertrat, die Beschwerdeführerin habe aus dem Grunde des § 6 Abs. 2 erster Satz AufG ihren Antrag vom Ausland aus zu stellen gehabt.
Die Beschwerdeführerin macht schließlich auch private und familiäre Interessen in Österreich geltend. Sie führt aus, sie sei am 16. November 1992 in das Bundesgebiet eingereist. Sie habe am 11. Jänner 1993 einen Fremden geehelicht, welcher seinerseits am 8. November 1989 nach Österreich geflüchtet sei und dessen Flüchtlingseigenschaft mit Bescheid vom 5. Februar 1991 rechtskräftig festgestellt worden sei. Am 6. Februar 1994 sei ein gemeinsames Kind der Ehegatten geboren worden, welches ebenfalls Flüchtlingsstatus genieße. Die Familiengemeinschaft mit ihrem nunmehrigen Ehemann bestehe seit der Flucht der Beschwerdeführerin im November 1992, jene mit ihrem Kind seit dessen Geburt. Die Voraussetzungen des § 3 AufG lägen im Falle der Beschwerdeführerin vor.
Die aus den zitierten Erläuternden Bemerkungen abzuleitende Zielvorstellung des Aufenthaltsgesetzes, die Umgehung von Einwanderungsvorschriften durch Stellung von Asylanträgen zu verhindern, welche zum Schutze der öffentlichen Ordnung auch im Sinne des Art. 8 Abs. 2 MRK gerechtfertigt erscheint, verbietet es, einen abgewiesenen Asylwerber in Ansehung seiner privaten und familiären Interessen im Inland besser zu stellen als einen Fremden, der erstmals eine Aufenthaltsbewilligung beantragt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. September 1996, Zl. 95/19/0396). Eine Einschränkung des - allenfalls - durch Art. 8 Abs. 1 MRK geschützten Rechtes auf FamilienNACHZUG durch die in Rede stehende Bestimmung des § 6 Abs. 2 AufG wäre hier - ebenfalls aus dem Gesichtspunkt der öffentlichen Ordnung und des damit verbundenen Rechtes des Staates auf Regelung der Neuzuwanderung - aus dem Grunde des Art. 8 Abs. 2 MRK gerechtfertigt (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 10. Dezember 1996, Zl. 95/19/0578).
Insoweit die Beschwerdeführerin meint, ihr stünde ein Rechtsanspruch auf Familiennachzug aus dem Grunde des § 3 AufG zu, ist ihr zu entgegnen, daß ihr Gatte nicht aufgrund einer Bewilligung, eines vor dem 1. Juli 1993 ausgestellten Sichtvermerks oder sonst gemäß § 1 Abs. 3 Z. 1 bis 5 AufG seinen Hauptwohnsitz in Österreich hat, sondern gemäß § 1 Abs. 3 Z. 6 leg. cit zum Aufenthalt im Inland berechtigt ist. Die Beschwerdeführerin gehört daher dem in § 3 Abs. 1 AufG umschriebenen Personenkreis nicht an. Ob die von der Beschwerdeführerin geltend gemachten familiären Interessen aus dem Grunde des Art. 8 Abs. 1 MRK im Falle einer zulässigen Erstantragstellung vom Ausland aus die Erteilung einer Bewilligung nach Maßgabe der gemäß § 2 Abs. 1 AufG eröffneten Quote (in absehbarer Zeit) gebietet, ist hier nicht zu prüfen, wird aber möglicherweise zu bejahen sein, wenn ein gemeinsames Leben der Familie im Heimatstaat der Beschwerdeführerin und ihres Gatten nicht möglich ist.
Anzumerken ist in diesem Zusammenhang weiters, daß (auch) das Vorliegen der Voraussetzungen des § 3 AufG die Anwendung des § 6 Abs. 2 AufG nicht hindern würde (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 20. Juni 1996, Zlen. 95/19/0701, 1010).
Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
sachliche Zuständigkeit in einzelnen Angelegenheiten Änderung der ZuständigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1995190371.X00Im RIS seit
07.06.2001