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GewerberechtNorm
AVG §56Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsidenten Dr. Werner und die Räte Dr. Hrdlitzka, Dr. Krzizek, Penzinger und Dr. Striebl als Richter, im Beisein des Regierungsoberkommissärs der NÖ Landesregierung Kinscher als Schriftführer, über die Beschwerde des MH in K gegen den Bescheid des Amtes der Kärntner Landesregierung, mittelbare Bundesverwaltung, vom 9. Oktober 1956, Zl. Ge- 1314/4/56, betreffend Verhängung einer Verwaltungsstrafe wegen Übertretung der Gewerbeordnung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Mit dem Straferkenntnis des Magistrates der Landeshauptstadt Klagenfurt vom 10. Juli 1956 wurde der Beschwerdeführer einer Übertretung nach der § 11 Abs. 2 Gewerbeordnung für schuldig befunden, weil er nach der Annahme der Behörde seit dem Herbst 1953 bis zum 21. April 1956 mit dem Standort in A das Sägewerksgewerbe ohne Gewerbeberechtigung hiefür betrieben hat; gemäß dem § 132 lit. a Gewerbeordnung wurde über ihn eine Geldstrafe von 1000,-- S verhängt (Ersatzfreiheitsstrafe 10 Tage Arrest). Zu der Verantwortung des Beschwerdeführers, mit dem Inhaber einer entsprechenden Gewerbeberechtigung RR eine Erwerbsgesellschaft bürgerlichen Rechtes eingegangen zu sein, wurde einerseits festgestellt, dass eine Gewerbeanmeldung dieses R als Einzelfirma erfolgt sei, andererseits wurde angenommen, dass bei einer Gesellschaft der bezeichneten Art jeder der Gesellschafter die Befugnis zum Betrieb des Gewerbes haben müsse. Auf zwei Vorstrafen des Beschwerdeführers wegen gleichartiger Übertretungen wurde verwiesen und festgestellt, dass dieser dessen ungeachtet seine unbefugte Tätigkeit fortgesetzt habe, weshalb mit dem Bescheid vom 17. Februar 1956 die Schließung des Betriebes verfügt worden sei.
Der gegen dieses Straferkenntnis eingebrachten Berufung wurde mit dem nun angefochtenen, namens des Landeshauptmannes vom Amt der Kärntner Landesregierung erlassenen Bescheid nicht Folge gegeben. Zur Begründung des Bescheides wurde ausgeführt, es habe im Zuge des Ermittlungsverfahrens einwandfrei festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer "bis Ende September 1955 bzw. Anfang Jänner 1956" in A ohne entsprechende Gewerbeberechtigung das Sägewerksgewerbe ausgeübt habe; die von R erstattete Meldung über die Standortverlegung des Sägewerksgewerbes desselben nach A sei gewerbebehördlich nicht zur Kenntnis genommen worden. Das Berufungsvorbringen hinsichtlich der gewerberechtlichen Gleichstellung einer Erwerbsgesellschaft bürgerlichen Rechts mit einer offenen Handelsgesellschaft hielt die belangte Behörde für unrichtig, weil ihrer Ansicht nach Gesellschaften bürgerlichen Rechtes als Träger von Gewerberechten nicht in Betracht kommen können.
In seiner Beschwerde gegen diesen Bescheid macht der Beschwerdeführer inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Aus dem Gesichtspunkt der inhaltlichen Rechtswidrigkeit wendet sich der Betschwerdeführer gegen die Rechtsansicht, dass jeder der Gesellschafter einer Erwerbsgesellschaft nach bürgerlichem Recht gewerbeberechtigt sein müsse, wie auch dagegen, dass in einem vorangegangenen Falle seine Assoziierung mit einem gewissen T von der Gewerbebehörde zur Kenntnis genommen worden sei, ohne mit der Verhängung einer Strafe vorzugehen; damit will der Beschwerdeführer wohl auch für den gegenständlichen Fall geltend machen, dass Verjährung eingetreten sei.
Der Verwaltungsgerichtshof kann der erhobenen Rechtsrüge insoweit nicht folgen, als nach seiner ständigen Judikatur (zur Vermeidung von Wiederholungen vgl. das Erkenntnis vom 31. Jänner 1958, Zl. 613/56, wie auch die darin angeführten Erkenntnisse) die Erwerbsgesellschaft nach bürgerlichem Recht (§ 1175 ABGB) im Bereich des Gewerberechtes nicht als gewerberechtsfähige Personenverbindung angesehen werden kann; bei Vorliegen einer solchen Gesellchaft bedarf jeder der Gesellschafter, der ja in ihrem Rahmen eine wirtschaftlich selbstständige Tätigkeit entfaltet, einer eigenen Gewerbeberechtigung.
Was die Frage anlangt, ob der Beschwerdeführer deshalb nicht habe bestraft werden dürfen, weil bereits Verjährung eingetreten sei, hatte sich der Verwaltungsgerichtshof zunächst die Frag vorzulegen, welche Bedeutung dem Umstand zukommt, dass die Gewerbebehörde erster Instanz in dem von der belangten Behörde vollinhaltlich aufrechterhaltenen Straferkenntnis den Beginn des von ihr geahndeten strafbaren Verhaltens des Beschwerdeführers mit März 1953 angenommen hat, die erste Verfolgungshandlung (Beschuldigtenladungsbescheid) aber erst am 9. März 1956 gesetzt worden ist. Dies deshalb, weil nach der in dem Erkenntnis vom 29. November 1949, Slg. Nr. 1118/A, ausgesprochenen Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes auch bei einer als fortgesetztes Delikt zu qualifizierenden unbefugten Gewerbeausübung nur jene Handlungen der Bestrafung zu unterziehen seien, die nicht mehr als drei Monate hinter der ersten Verfolgungshandlung zurückliegen: Danach hätten nämlich vor dem 9. Dezember 1955 gelegene Handlungen in das Straferkenntnis nicht einbezogen werden dürfen. Da die in dem oben zitierten Erkenntnis geäußerte und auch in späteren Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes (so u.a. in dem Erkenntnis vom 19. Dezember 1949, Slg. 1155/A) aufrecht erhaltene Rechtsansicht Bedenken begegnete, wurde sie in einem verstärkten Senat zur Prüfung unterbreitet, der folgenden Rechtssatz beschlossen hat:
"Bei der Bestrafung wegen unbefugten Gewerbebetriebes, soweit dieser als fortgesetztes Delikt zu qualifizieren ist, dürfen auch jene Handlungen einbezogen werden, die mehr als 3 Monate hinter der ersten Verfolgungshandlung zurückliegen."
Hiefür waren im wesentlichen nachstehende Erwägungen maßgebend: Es ist davon auszugehen, dass jene Erscheinungsformen deliktischen Verhaltens, die in der Strafrechtslehre und in der strafgerichtlichen Praxis als fortgesetztes Delikt bezeichnet werden, auch im Bereich des Verwaltungsstrafrechtes vorkommen, diese Rechtsfigur somit auch in der Verwaltungsrechtspraxis und Rechtsprechung anerkannt ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. April 1953, Slg. Nr. 2931/A). Sein Wesen besteht darin, dass eine Reihe von Einzelhandlungen vermöge der Gleichartigkeit der Begebungsform, der Ähnlichkeit der äußeren Begleitumstände und der zeitlichen Kontinuität eine Deliktseinheit bilden. Der Verwaltungsgerichtshof ist nun entgegen der bisher vertretenen Auffassung der Meinung, dass, was immer der Grund für die Anerkennung der Rechtsfigur des fortgesetzten Deliktes sein mag, die rechtliche Gleichstellung eines solchen Deliktes mit einem einfachen Begehungsdelikt Platz zu greifen hat. Mithin liegt im Falle des fortgesetzten Deliktes nicht nur lediglich eine selbstständig strafbare Handlung vor - was die Anwendung des § 22 VStG ausschließt -, sondern es ist auch die Verjährungsfrist unabhängig davon, wann die strafbare Tätigkeit begonnen hat, im Sinne des § 31 Abs. 2 VStG erst von dem Zeitpunkt an zu berechnen, an dem diese abgeschlossen worden ist. Da es sich im vorliegenden Fall unbestrittenermassen um ein fortgesetztes Delikt handelt, könnte unter der Annahme, dass zu diesem Zeitpunkt die strafbare Tätigkeit noch nicht abgeschlossen war, die Bestrafung des Beschwerdeführers wegen eines vor dem 9. Dezember 1955 gelegenen Verhaltens nicht als rechtswidrig angesehen werden.
Die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides ergibt sich jedoch aus einer anderen Erwägung:
Zwischen dem Spruch des Straferkenntnisses vom 10. Juli 1956, wonach der Beschwerdeführer den unbefugten Gewerbebetrieb bis zum 21. April 1956 ausgeübt hatte, und dessen Begründung, wonach der gegenständliche Gewerbebetrieb am 17. Februar 1956 behördlich geschlossen worden ist, besteht ein Widerspruch. Widersprüche in sich weist auch der angefochtene Bescheid selbst auf. Darin, und zwar im Spruch, wurde einerseits die Feststellung der strafbaren Tätigkeit des Beschwerdeführers bis zum 21. April 1956 bestätigt, andrerseits in der Begründung des Bescheides als Endtermin dieser Tätigkeit "Ende September 1955 bzw. Anfang Jänner 1956" angeführt; auch Widersprüche zwischen Spruch und Begründung eines Bescheides oder innerhalb der Begründung desselben belasten diesen, wie der Verwaltungsgerichtshof schon in seine Erkenntnis vom 9. November 1951, Slg. Nr. 494/F, ausgesprochen hat und woran er festhält, mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Es kann in diesem Zusammenhange bemerkt werden, dass für das Ende der unbefugten Tätigkeit des Beschwerdeführers nur einer der beiden angegebenen Termine zutreffen konnte, das Wort "beziehungsweise" hier also keinen Sinn ergibt; im Falle des erstgenannten Endtermines aber wäre das gesamte Verhalten des Beschwerdeführers gegen den der Aktenlage nach die erste Verfolgungshandlung am 9. März 1956 statthatte, gemäß dem § 31 Abs. 2 VStG verjährt.
Wegen der jedoch schon zuvor festgestellten inhaltlichen Rechtswidrigkeit war der angefochtene Bescheid gemäß dem § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1952 aufzuheben.
Wien, 17. Juni 1958
Schlagworte
Grundsätzliches zur Rechtmäßigkeit und zur Rechtsverletzungsmöglichkeit Spruch und Begründung VerfahrensbestimmungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1958:1956002374.X00Im RIS seit
10.09.2021Zuletzt aktualisiert am
10.09.2021