TE Vwgh ErkenntnisVS 1960/5/9 1403/58

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Veröffentlicht am 09.05.1960
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Index

Gerichtsgebühren
001 Verwaltungsrecht allgemein
10/07 Verwaltungsgerichtshof
27/03 Gerichtsgebühren Justizverwaltungsgebühren

Norm

GJGebG 1962 TP4 Anm1
GJGebG 1962 §18 Abs2 Z2
GJGebG 1962 §18 Abs2 Z5
VwGG §13 Z3 implizit
VwRallg

Beachte


Besprechung in:
AnwBl 1985/9 S 481;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsidenten Dr. Ondraczek und die Räte Dr. Chamrath, Dr. Eichler, Dr. Kaupp und Dr. Kadecka als Richter, im Beisein des Sektionsrates Dr. Heinzl als Schriftführer, über die Beschwerde des Ing. Hermann S und des Dr. Erich L, beide in W, gegen den Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 17. Mai 1958, Jv 9690 - 33 a/57, betreffend Vergleichsgebühr, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Der Erstbeschwerdeführer, vertreten durch den Zweitbeschwerdeführer, hatte beim Arbeitsgericht Wien, Karl Anton Str. zu Zl. 8 Cr 181/1953 auf Zahlung eines Betrages von S 35.500,-

- geklagt und war von diesem zu Zl. 9 Cr 128/56 desselben Gerichtes auf Zahlung eines Betrages von S 40.000,-- geklagt worden. In dem letztgenannten Rechtsstreite schränkte der Kläger Karl Anton Str. bei der Verhandlung vom 12. Juni 1957 das Klagebegehren auf den Betrag von S 6.500,-- ein und schloß mit dem Erstbeschwerdeführer einen Vergleich, dessen, wesentliche Punkte wie folgt lauten: "Die beklagte Partei verpflichtet sich, Herrn Karl A. Str. einen Betrag von S 6.500,-- netto zur Bereinigung sämtlicher zwischen den Parteien anhängigen Rechtsstreitigkeiten bzw. sonstiger allfällig noch bestehender Ansprüche in sechs gleichen Monatsraten, beginnend mit 1. 7. 1957 und die folgenden Raten jeweils am 1. der darauffolgenden Monate bei Terminverlust zu Handen des Rechtsanwaltes Dr. Hein G. zu bezahlen. .... Mit diesem Vergleich ist insbesondere auch der Rechtsstreit zu 8 Cr 181/53 des Arbeitsgerichtes Wien bereinigt. ....."

Die Protokollgebühr für die Vergleichstagsatzung ebenso wie die Gebühr für den Vergleich (S 65,--) wurden auf dem Verhandlungsprotokoll in Stempelmarken beigebracht. Die Protokollgebühr war nach dem ursprünglichen bzw. nach dem eingeschränkten Klagebegehren in der Sache 9 Cr 128/56, die Vergleichsgebühr nach dem eingeschränkten Klagebegehren in dieser Sache bemessen worden. In der Folge forderte jedoch der Kostenbeamte die Protokollgebühr und die Vergleichsgebühr vom zusammengerechneten Werte des Streitgegenstandes der beiden Rechtssachen 9 Cr 128/56 und 8 Cr 181/53, weil auch der letztgenannte Rechtsstreit durch den Vergleich miterledigt worden sei. Mit Zahlungsauftrag vom 22. Oktober 1957 verlangte er von beiden Beschwerdeführern neben einer Einhebungsgebühr von S 1,-- noch eine zusätzliche Protokollgebühr von S 6,-- und vom Erstbeschwerdeführer allein noch eine zusätzliche Vergleichsgebühr von S 355,--.

Beide Beschwerdeführer begehrten die Berichtigung dieses Zahlungsauftrages mit der Begründung, die beiden Rechtsstreitigkeiten seien nicht zur gemeinsamen Verhandlung verbunden worden; der Wert des Streitgegenstandes in der Rechtssache 8 Cr 181/53 könne also bei der Ermittlung der Gerichtsgebühren nicht herangezogen werden. Der im Vergleich enthaltene Beisatz, daß auch das Verfahren zu 8 Cr 181/53 desselben Gerichtes durch den Vergleich bereinigt sei, habe lediglich den Zweck verfolgt, völlige Klarheit über den Parteiwillen zu schaffen, und bilde nur "eine Verdeutlichung dieses Generalausgleiches". Prozessual sei aber der Rechtsstreit 8 Cr 181/53 in der Verhandlung vom 12. Juni 1957 nicht bereinigt worden, vielmehr sei in diesem Rechtsstreite noch eine mündliche Verhandlung ausgeschrieben worden, die aber von keinem der Streitteile werde besucht werden.

Der Landesgerichtspräsident wies den Berichtigungsantrag mit der Begründung ab, als Bemessungsgrundlage der Vergleichsgebühr könne dem Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. Oktober 1955, Slg. Nr. 1266/F, zufolge nicht der Wert der verglichenen, sondern nur der der streitig gewesenen Rechte herangezogen werden. Im Zeitpunkte des Vergleichsabschlusses seien aber die in den beiden Streitsachen zur Entscheidung gestellten Ansprüche von S 6.500,-- und von S 35.000,-- streitig gewesen. Die Summe der beiden Beträge ergebe die Bemessungsgrundlage für den Vergleich. Der Rechtsansicht der Beschwerdeführer, daß der Hinweis auf den Rechtsstreit 8 Cr 181/53 im Wortlaute des Vergleiches nur völlige Klarheit über den Parteiwillen habe schaffen sollen und daß er nur eine Verdeutlichung dieses Generalausgleiches darstelle, könne nicht beigepflichtet werden. Ein Generalausgleich habe den Zweck, sämtliche anhängigen Streitsachen zu bereinigen. Namentlich wenn, wie im vorliegenden Fall, eine bestimmte Streitsache genau bezeichnet werde, könne damit nur ausgedrückt werden, daß eine weitere Fortführung dieser Sache nicht beabsichtigt und auch unmöglich gemacht werden sollte. Durch den rechtswirksam abgeschlossenen Vergleich sei die Anberaumung einer Verhandlung in der anderen Rechtssache überflüssig geworden, da auch bei deren Durchführung kein Ergebnis zu erwarten und auch nicht möglich gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Nach Tarifpost 4 des Gerichts- und Justizverwaltungsgebührengesetzes (BGBl. Nr. 75/1950, GJGebG) ist die Gebühr von einem gerichtlichen Vergleich im Zivilprozeß mit 1 % des Wertes des Streitgegenstandes, über den der Vergleich geschlossen wird, zu bemessen. Für die Berechnung des Wertes des Streitgegenstandes sind nach Anmerkung 1 dieser Tarifpost die Bestimmungen der §§ 13 - 18 dieses Gesetzes maßgebend. Auch die Höhe der Protokollgebühr (Tarifpost 2 in Verbindung mit Tarifpost 1 GJGebG) richtet sich nach dem Werte des Streitgegenstandes. Nach § 18 Abs. 1 GJGebG bleibt die Bemessungsgrundlage der Gebühr in der Regel für das ganze Verfahren gleich. Die Ausnahmen von dieser Regel enthält Abs. 2 dieser Gesetzesstelle, der in Z. 5 u.a. von Änderungen der Klage und Einschränkung des Klagebegehrens handelt und in Z. 2 anordnet, daß für die Dauer der Verbindung mehrerer Prozesse zur gemeinsamen Verhandlung ihre Streitwerte vom Zeitpunkte der beschlossenen Verbindung an (§ 187 ZPO) zusammenzurechnen sind. Da im vorliegenden Falle die Rechtsstreitigkeiten 9 Cr-128/56 und Cr 181/53 nicht zur gemeinsamen Verhandlung verbunden worden waren, konnte die Protokollgebühr wie auch die Vergleichsgebühr nur von dem Werte bemessen werden, der sich für jede dieser beiden Gebühren im Rechtsstreite 9 Cr 128/56, in dem der Vergleich geschlossen wurde, ergab. Die Zusammenrechnung der Werte der Streitgegenstände beider Rechtsstreitigkeiten und die Anforderung von Nachtragsgebühren entsprach also nicht dem Gesetze.

Diese Rechtsansicht hat der Verwaltungsgerichtshof für das Gebiet der Protokollgebühren auch bereits in seinem Erkenntnisse vom 9. Juni 1954, Slg. Nr. 963/F, ausgesprochen. Er hat allerdings in demselben Erkenntnisse, das einen dem vorliegenden Fall ähnlichen Fall betraf, die Bemessung der Vergleichsgebühr auch vom Werte des Streitgegenstandes des "mitverglichenen", aber mit dem verglichenen nicht zur gemeinsamen Verhandlung verbundenen Rechtsstreites als gesetzmäßig erklärt. Diesem Erkenntnisse lag die auch in späteren Erkenntnissen dieses Gerichtshofes (z.B. vom 12. Oktober 1955, Slg. Nr. 1266/F) ausgesprochene Ansicht zugrunde, daß die Vergleichsgebühr nicht vom Werte der Leistung, zu deren Erbringung sich eine der Parteien im Vergleiche verpflichtet, sondern vom "Werte des Streitgegenstandes, über den der Vergleich geschlossen wird" zu entrichten sei. An dieser Rechtsansicht hält der Verwaltungsgerichtshof nicht mehr fest. Steht schon bei wörtlicher Auslegung der maßgebenden Tarifbestimmung, wie bereits aufgezeigt wurde, der Einhebung der Vergleichsgebühr auch vom Werte des Streitgegenstandes des "mitverglichenen" Rechtsstreites die Vorschrift des § 18 Abs. 2 Z. 2 GJGebG entgegen, so konnte sich der Verwaltungsgerichtshof weiterhin nicht der Einsicht verschließen, daß der Gesetzgeber, wie dies auch die Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage des Gerichts- und Justizverwaltungsgebührengesetzes 1950 (66 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates,

VI. G.P.) zeigen, an dem bisherigen Rechtszustand, wie er in den Gerichtsgebührennovellen 1926 und 1942 niedergelegt war, nichts ändern wollte. Nach Tarifpost 8 der Gerichtsgebührennovelle 1926, BGBl. Nr. 272/1926, und der gleichen Tarifpost der Gerichtsgebührennovelle 1942 (vom 12. Februar 1942, Reichsministerialblatt S. 37) war aber die Vergleichsgebühr von dem "Werte, auf den sich verglichen wurde", zu bemessen. Diese Fassung hatte klar zum Ausdruck gebracht, daß nicht der "Wert des Streitgegenstandes", sondern der Wert der im Vergleich übernommenen Leistung die Bemessungsgrundlage der Vergleichsgebühr bilden sollte. Die Ausmerzung der unschönen Redewendung "Wert, auf den sich verglichen wurde", ist, wie zugegeben werden muß, nicht geglückt, d.h. es hat die Absicht des Gesetzgebers im neuen Gesetz nicht den entsprechenden klaren Ausdruck gefunden. Da aber, wie bereits dargelegt, die Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage des geltenden Gesetzes erkennen lassen, daß eine Änderung des bisherigen Rechtszustandes nicht beabsichtigt war, und der Gesetzgeber bei der Regelung der Vergleichsgebühr auch nicht von einem "Werte des Streitgegenstandes" schlechthin, sondern vom "Wert des Streitgegenstandes, über den der Vergleich geschlossen wird", spricht, kann in Hinkunft als Bemessungsgrundlage der Vergleichsgebühr nicht der "Wert des Streitgegenstandes", sondern muß der Wert der Leistung angesehen werden, die im Vergleiche versprochen wird. Dementsprechend hat ein verstärkter Senat des Verwaltungsgerichtshofes am heutigen Tage den Rechtssatz beschlossen. "Unter dem Werte des Streitgegenstandes, über den der Vergleich geschlossen wird (Tarifpost 4 des Gerichts- und Justizverwaltungsgebührengesetzes) ist der Wert der Leistung zu verstehen, zu der der Vergleich verpflichtet."

Da sich der angefochtene Bescheid somit seinem Inhalte nach als rechtswidrig erweist, mußte er gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1952 aufgehoben werden.

Wien, 9. Mai 1960

Schlagworte

Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7 Wert des Streitgegenstandes

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1960:1958001403.X00

Im RIS seit

10.09.2021

Zuletzt aktualisiert am

10.09.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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