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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
BFA-VG 2014 §21 Abs7Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser sowie die Hofräte Dr. Pürgy und Dr. Chvosta als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Seiler, in der Revisionssache des L O L, vertreten durch Mag. Christian Lackner, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Lederergasse 16/3, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Februar 2021, G301 2223677-2/4E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein kubanischer Staatsangehöriger, der von 2005 bis 2011 bei seiner Mutter in Österreich gelebt hatte, stellte am 13. August 2019 einen Antrag auf internationalen Schutz. Diesen Antrag begründete er damit, dass ihm sein in Kuba lebender Vater, den er im Jahr 2011 besucht habe, seine Rückreise nach Österreich nicht erlaubt habe. Nun wolle er zu seiner in Österreich lebenden Mutter zurückkehren und der in Kuba vorherrschenden allgemeinen Gewalt entgehen.
2 Mit Bescheid vom 26. August 2019 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten als auch des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.
3 Mit Erkenntnis vom 14. Jänner 2020 hob das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) diesen Bescheid in Stattgebung der dagegen erhobenen Beschwerde unter anderem mit der Begründung auf, dass das BFA im Spruch des Bescheides weder die Zulässigkeit der Abschiebung des Revisionswerbers festgestellt noch auf seinen Herkunftsstaat Bezug genommen habe.
4 Nach nochmaliger Einvernahme des Revisionswerbers am 25. Juni 2020 wies das BFA den Antrag mit Bescheid vom 10. Juli 2020 erneut hinsichtlich des Status des Asylberechtigten sowie bezüglich des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Kuba zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.
5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das BVwG die dagegen erhobene Beschwerde ohne Durchführung einer Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision nicht zulässig sei.
6 Begründend führte das BVwG - soweit hier maßgeblich - aus, der Revisionswerber habe ausschließlich persönliche und wirtschaftliche Gründe für das Verlassen des Herkunftsstaates geltend gemacht. Aus seinem Vorbringen, wonach sein Vater sich nicht um ihn gekümmert habe, sei keine asylrelevante Verfolgung abzuleiten. Der Revisionswerber habe im gesamten Verfahren das Vorliegen allfälliger Probleme mit staatlichen Behörden verneint. Entgegen der Beschwerdebehauptung lasse sich den Angaben des Revisionswerbers auch nicht entnehmen, dass sein Vater bei der kubanischen Auswanderungsbehörde gearbeitet habe und mithilfe seiner Kontakte zu früheren Kollegen dazu beitragen könnte, dass der Revisionswerber wegen seines Asylantrages in Österreich auf eine „schwarze Liste“ gesetzt und infolge der damit verbundenen Beschränkungen beim Zugang zum Arbeitsmarkt die Existenzgrundlage verlieren werde. Der Revisionswerber habe lediglich angegeben, dass sein Vater 2011 bei der Auswanderungsbehörde vorgesprochen und dadurch die Ausreise des damals minderjährigen Revisionswerbers verhindert habe. Im Übrigen sei nicht davon auszugehen, dass der gesunde und arbeitsfähige Revisionswerber bei einer Rückkehr in eine existenzbedrohende Notlage geraten würde, zumal er im Besitz einer Bestätigung seiner Mutter sei, wonach er ihr Haus in Havanna verkaufen dürfe, und in Kuba weiterhin durch seine Mutter, Tante und Großmutter finanziell unterstützt werden könnte.
7 Mit Beschluss vom 29. April 2021, E 1056/2021-5, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis gerichteten Beschwerde ab und trat die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
8 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
11 Zu ihrer Zulässigkeit bringt die Revision zunächst vor, das BVwG habe eine unvertretbare Beweiswürdigung vorgenommen, indem es nicht berücksichtigt habe, dass der Revisionswerber auf eine „schwarze Liste“ gesetzt und dadurch Schwierigkeiten beim Zugang zu Beschäftigung oder Sozialleistungen bekommen werde, sollten die kubanischen Behörden von seiner Asylantragstellung in Österreich erfahren. Eine diesbezügliche konkrete Gefahr bestehe insofern, als der Revisionswerber angegeben habe, dass sein Vater bei der kubanischen Auswanderungsbehörde gewesen sei. Die Annahme des BVwG, der Revisionswerber könne vom Verkaufserlös des Hauses seiner Mutter in Havanna leben, stelle eine vorgreifende Beweiswürdigung dar.
12 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser - als Rechtsinstanz - zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 8.6.2021, Ra 2021/19/0156, mwN).
13 Das BVwG gelangte im Rahmen seiner Beweiswürdigung zum Ergebnis, dass der Revisionswerber eine asylrelevante Verfolgung nicht glaubhaft gemacht habe. Es setzte sich mit den Aussagen des Revisionswerbers bei seiner Erstbefragung und vor dem BFA auseinander und legte dar, weshalb daraus keine Verfolgung aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen abzuleiten sei. Was die Befürchtung anbelangt, der Revisionswerber könne wegen seiner Asylantragstellung in Österreich im Herkunftsstaat auf eine „schwarze Liste“ gesetzt werden, konstatierte das BVwG eine Steigerung des Vorbringens, weil diese Behauptung erstmals in der Beschwerde erstattet wurde. Es legte im Detail dar, weshalb nicht davon auszugehen sei, dass dem Revisionswerber in seiner Heimat der gänzliche Entzug seiner Lebensgrundlage drohe. Angesichts dessen ist weder eine unvertretbare noch eine unzulässige vorgreifende Beweiswürdigung ersichtlich.
14 Die Revision wendet sich überdies gegen das Absehen von einer mündlichen Verhandlung und rügt eine Verletzung des Parteiengehörs.
15 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein Absehen von der mündlichen Verhandlung gemäß dem - hier maßgeblichen - ersten Tatbestand des ersten Satzes des § 21 Abs. 7 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) („wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint“) dann gerechtfertigt, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des BVwG immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das BVwG die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt (vgl. VwGH 30.3.2021, Ra 2021/19/0007, mwN).
16 Das BFA kam nach Einvernahme des Revisionswerbers zum Ergebnis, dass sich weder aus den Länderfeststellungen noch aus dem Vorbringen des Revisionswerbers eine asylrelevante Verfolgung ableiten lasse. Das BVwG übernahm in diesem Punkt die entscheidungswesentlichen Feststellungen des BFA. In der Beschwerde, in der die Gefährdung des Revisionswebers wegen seiner Asylantragstellung in Österreich erstmals behauptet wurde, wurde kein Vorbringen erstattet, welches das BVwG zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung verpflichtet hätte. Ein Abweichen von den Leitlinien der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann von der Revision damit nicht aufgezeigt werden.
17 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 26. August 2021
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021190258.L00Im RIS seit
15.09.2021Zuletzt aktualisiert am
04.10.2021