Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé sowie die Hofräte Dr. Nowotny und MMag. Sloboda als weitere Richter in der Pflegschaftssache der minderjährigen Kinder L***** S*****, geboren am ***** 2012, J***** S*****, geboren am ***** 2015 und H***** S*****, geboren am ***** 2017, alle *****, über den „außerordentlichen Revisionsrekurs“ des Vaters J***** B*****, vertreten durch Dr. Ulrike Koller und Dr. Elisabeth Januschkowetz, LL.M., Rechtsanwältinnen in Melk, gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Rekursgericht vom 5. Mai 2021, GZ 23 R 185/21k-76, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Akt wird dem Erstgericht zurückgestellt.
Text
Begründung:
[1] Das Erstgericht verpflichtete den Vater, den Kindern ab 1. 8. 2018 bis auf Weiteres monatliche Unterhaltsbeiträge von 540 EUR (nur für August 2018 400 EUR), 475 EUR bzw 416 EUR zu zahlen.
Rechtliche Beurteilung
[2] Das dagegen vom Vater, der eine Reduktion der Unterhaltszusprüche an die Kinder in unterschiedlichem Ausmaß anstrebt, angerufene Rekursgericht wies den Rekurs wegen Verspätung zurück und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.
[3] Das dagegen vom Vater erhobene, als „außerordentlicher Revisionsrekurs“ bezeichnete Rechtsmittel legte das Erstgericht dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung vor. Diese Vorgangsweise entspricht nicht dem Gesetz:
[4] Als „Revisionsrekurs“ erfasst § 62 AußStrG alle Rekurse gegen „im Rahmen des Rekursverfahrens ergangene“ Beschlüsse des Rekursgerichts und damit auch die Zurückweisung des Rekurses wegen Verspätung (RS0120565 [T3, T14]).
[5] Hat das Rekursgericht nach § 59 Abs 1 Z 2 AußStrG ausgesprochen, dass der (ordentliche) Revisionsrekurs nicht nach § 62 Abs 1 AußStrG zulässig ist, so kann gemäß § 62 Abs 5 AußStrG dennoch ein Revisionsrekurs erhoben werden, wenn der Entscheidungsgegenstand insgesamt 30.000 EUR übersteigt oder soweit er nicht rein vermögensrechtlicher Natur ist (außerordentlicher Revisionsrekurs).
[6] Im Unterhaltsbemessungsverfahren ist der Entscheidungsgegenstand nach ständiger Rechtsprechung rein vermögensrechtlicher Natur und besteht ausschließlich in einem Geldbetrag. Maßgeblich ist gemäß § 58 Abs 1 JN der 36-fache Betrag jenes monatlichen Unterhaltsbeitrags, der zum Zeitpunkt der Entscheidung zweiter Instanz zwischen den Parteien noch strittig war, wobei regelmäßig auf den laufenden Unterhalt abzustellen ist (RS0122735; 10 Ob 44/20y). Der Wert des Entscheidungsgegenstands ist für jedes Kind einzeln zu berechnen; eine Zusammenrechnung der Begehren mehrerer Unterhaltsberechtigter hat nicht stattzufinden (RS0112656; RS0017257). Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt daher im vorliegenden Fall jeweils nicht 30.000 EUR.
[7] Übersteigt der Entscheidungsgegenstand an Geld oder Geldeswert insgesamt nicht 30.000 EUR und hat das Rekursgericht nach § 59 Abs 1 Z 2 AußStrG den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig erklärt, ist nach § 62 Abs 3 AußStrG der Revisionsrekurs – außer im Fall des § 63 Abs 3 AußStrG – jedenfalls unzulässig. Unter diesen Voraussetzungen kann eine Partei nur gemäß § 63 Abs 1 und 2 AußStrG einen – mit der Ausführung des ordentlichen Revisionsrekurses zu verbindenden – Antrag an das Rekursgericht stellen, den Ausspruch dahin abzuändern, dass der ordentliche Revisionsrekurs doch für zulässig erklärt werde (Zulassungsvorstellung).
[8] Da die maßgebliche Wertgrenze bei keinem der Kinder überschritten wird, kommt dem Obersten Gerichtshof im derzeitigen Verfahrensstadium keine Entscheidungskompetenz zu. Das Erstgericht wird zu beurteilen haben, ob es die Eingabe des Vaters als eine (mit einem ordentlichen Revisionsrekurs verbundene) Zulassungsvorstellung an das Rekursgericht (§ 63 AußStrG) oder aber als verbesserungsbedürftig ansieht (RS0109505).
Textnummer
E132453European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2021:0020OB00108.21B.0624.000Im RIS seit
12.09.2021Zuletzt aktualisiert am
12.09.2021