Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten Univ.-Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Bernhard Kirchl (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Nicolai Wohlmuth (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei E*****, vertreten durch Mag. Karlheinz Amann, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, vertreten durch Dr. Anton Ehm und Mag. Thomas Mödlagl, Rechtsanwälte in Wien, wegen Ausgleichszulagenbonus/Pensionsbonus, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 23. Februar 2021, GZ 12 Rs 10/21h-10, mit dem das Urteil des Landesgerichts Wels als Arbeits- und Sozialgericht vom 23. September 2020, GZ 10 Cgs 140/20w-6, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 418,78 EUR (darin enthalten 69,80 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
[1] Gegenstand des Revisionsverfahrens ist die Frage, ob der Kläger einen Anspruch auf Ausgleichszulagenbonus/Pensionsbonus (§ 299a Abs 1 ASVG iVm § 726 Abs 3 ASVG idF BGBl I 2019/84) hat.
[2] Der am 18. 9. 1955 geborene Kläger hat 380 Beitragsmonate der Pflichtversicherung aufgrund einer Erwerbstätigkeit, 98 Beitragsmonate der Pflichtversicherung-Teilversicherung (davon 12 Monate Kindererziehung) sowie 32 Monate einer Ersatzzeit (davon 8 Monate Präsenzdienstzeit) erworben.
[3] Im Jahr 2019 bezog er eine Invaliditätspension von 1.130,86 EUR zuzüglich eines Kinderzuschusses für ein Kind von 29,07 EUR und eine Ausgleichszulage von 32,61 EUR. Im Jahr 2020 erhielt er eine Invaliditätspension von 1.171,28 EUR und den Kinderzuschuss für ein Kind von 29,07 EUR.
[4] Mit Bescheid vom 21. 4. 2020 lehnte die beklagte Pensionsversicherungsanstalt den Antrag des Klägers vom 27. 1. 2020 auf Gewährung des Ausgleichszulagenbonus/Pensionsbonus mit der Begründung ab, dass das maßgebliche monatliche Gesamteinkommen die Höhe des in Betracht kommenden Grenzwerts übersteige.
[5] In seiner Klage begehrte der Kläger mit Hinweis auf die neue Rechtslage nach dem Bundesgesetz BGBl I 2019/84 ab 1. 1. 2020 die Gewährung einer Ausgleichszulage unter Berücksichtigung der Richtsatzerhöhung für ein Kind. Im Jahr 2020 habe er eine de facto im Vergleich zum Vorjahr geringere Ausgleichszulage erhalten.
[6] Nach Meinung der Beklagten besteht nach Wegfall des erhöhten Richtsatzes nach § 293 Abs 1 lit a sublit cc ASVG kein Anspruch mehr auf Ausgleichszulage. Der Kläger überschreite die Grenzwerte für den Ausgleichszulagenbonus/Pensionsbonus nach § 299a ASVG. Aus der Schutzbestimmung des § 726 Abs 3 ASVG ergebe sich kein Leistungsanspruch.
[7] Das Erstgericht verpflichtete die Beklagte, dem Kläger ab 1. 1. 2020 einen Pensionsbonus von monatlich 35,12 EUR zu zahlen. Es sei zwar der erhöhte Einzelrichtsatz nach § 293 Abs 1 lit a sublit cc ASVG („Langzeitversicherten-Richtsatz“) abgeschafft worden. Um aber eine flexible, dem Gleichheitsgrundsatz entsprechende Lösung zu finden, sei die Vergleichsrechnung nach § 726 Abs 3 ASVG mit den um den Pensionsanpassungsfaktor erhöhten Werten vorzunehmen.
[8] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. In seiner ausführlichen rechtlichen Beurteilung legte es – nach Darstellung der Rechtslage zum Ersatz des Langzeitversichertenrichtsatzes durch den Ausgleichszulagenbonus/Pensionsbonus in § 299a Abs 1 und 2 ASVG idF BGBl I 2019/84 – die Bestimmung des § 299a Abs 8 Z 1 ASVG (relevantes Gesamteinkommen) nach den Intentionen des Gesetzgebers so aus, dass Langzeitversicherten ein Bonus auch dann gebühren solle, wenn ihre Pension über dem jeweiligen Ausgleichszulagenrichtsatz liege, und die Systemumstellung vom Langzeitversicherten-Richtsatz auf den Bonus abgesehen vom Wegfall des besonderen Richtsatzes an diesem Ausgleichszulagenrecht nichts ändern sollte. Dieses Verständnis führe zur gleichen Behandlung von Leistungsbeziehern, unabhängig davon, ob sie ihr relevantes Pensionseinkommen ausschließlich aus einer Pension oder aus einer Kombination aus Pension und Ausgleichszulage einschließlich Richtsatzerhöhung beziehen. Eine Beschränkung des Kreises der Bonus-Anspruchsberechtigten auf langzeitversicherte Personen, die eine Pension (einschließlich allfälliger Ausgleichszulage) in der maximalen Höhe des Ausgleichszulagenrichtsatzes beziehen, hätte zur Folge, dass diese Personen Anspruch auf den Bonus hätten, der jedoch zur Gänze entfiele, sobald die „Pension“ den Ausgleichszulagenrichtsatz auch nur um einen Cent übersteige. Ausgehend von dieser weiten Interpretation des § 299a Abs 8 Z 1 ASVG würde sich ein Bonus von 28,80 EUR errechnen. Die Frage einer engen oder weiten Auslegung müsse aber nicht abschließend geklärt werden. Es müsse geprüft werden, ob § 726 Abs 3 ASVG, auf den sich der Kläger (auch) berufen habe, zu einem höheren Bonus führe. Diese Bestimmung sehe für eine bestimmte Gruppe von Pensionsbeziehern die weitere Anwendbarkeit des Langzeitversicherten-Richtsatzes vor. Dieser sei für das Jahr 2020 nach § 728 Abs 5 ASVG mit dem Faktor 1,036 aufzuwerten. Bei Ausschluss der Aufwertung würde § 726 Abs 3 ASVG jeder Anwendungsbereich entzogen. Nach „Altrecht“ betrage der Ausgleichszulagen-Richtsatz des Klägers einschließlich Richtsatzerhöhung für ein Kind insgesamt 1.235,47 EUR (1.086,32 EUR + 149,15 EUR). Abzüglich der Pension samt Kinderzuschuss von 1.200,35 EUR habe der Kläger nach § 726 Abs 3 iVm § 299a ASVG Anspruch auf einen Bonus in Höhe von 35,12 EUR.
[9] Die Revision sei zulässig, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Auslegung des § 726 Abs 3 ASVG bzw allenfalls § 299a Abs 8 Z 1 ASVG fehle.
[10] Die – beantwortete – Revision der Beklagten ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig. Sie ist aber nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
[11] 1. Erreicht die Pension zuzüglich eines aus übrigen Einkünften des Pensionsberechtigten erwachsenden Nettoeinkommens und der gemäß § 294 ASVG zu berücksichtigenden Beträge nicht die Höhe des für ihn geltenden Richtsatzes (§ 293 ASVG), so hat der Pensionsberechtigte, solange er seinen rechtmäßigen, gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, gemäß § 292 Abs 1 ASVG Anspruch auf eine Ausgleichszulage zur Pension. Die Ausgleichszulage gebührt nach § 296 Abs 1 ASVG in der Höhe des Unterschieds zwischen der Summe aus Pension, Nettoeinkommen (§ 292 ASVG) und den gemäß § 294 ASVG zu berücksichtigenden Beträgen einerseits und dem Richtsatz (§ 293 ASVG) andererseits.
[12] 2.1 Mit dem Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2016 (SRÄG 2016, BGBl I 2017/29), wurde für Pensionsberechtigte aus eigener Pensionsversicherung in § 293 Abs 1 lit a ASVG – neben den bereits geltenden Richtsätzen für Alleinstehende (sublit bb) und für Ehepaare bzw eingetragene Partner im gemeinsamen Haushalt (sublit aa) – ab 1. 1. 2017 in sublit cc ein weiterer Ausgleichszulagenrichtsatz („Langzeitversicherten-Richtsatz“) geschaffen. Dieser Richtsatz betrug damals 1.000 EUR, wenn die Voraussetzungen nach sublit aa nicht zutreffen und die pensionsberechtigte Person mindestens 360 Beitragsmonate der Pflichtversicherung aufgrund einer Erwerbstätigkeit erworben hat. Der aufgewertete Richtsatz betrug im Jahr 2019 unstrittig 1.048,57 EUR.
[13] 2.2 Mit dem Bundesgesetz BGBl I 2019/84 wurde mit Wirksamkeit ab 1. 1. 2020 (§ 726 Abs 1 ASVG) in § 299a ASVG ein neuer Ausgleichszulagenbonus/Pensionsbonus für langzeitversicherte Personen eingeführt: Diese Bestimmung lautet auszugsweise:
§ 299a. (1) Langzeitversicherten Personen gebührt, solange sie ihren rechtmäßigen, gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben, zur Ausgleichszulage nach § 293 Abs. 1 lit. a sublit. bb oder zur Pension aus eigener Pensionsversicherung ein Bonus (Ausgleichszulagenbonus/Pensionsbonus), wenn sie
1. bis zum Stichtag (§ 223 Abs. 2) mindestens 360 Beitragsmonate der Pflichtversicherung aufgrund einer Erwerbstätigkeit erworben haben und
2. ihr Gesamteinkommen (Abs. 8) 1080 € nicht übersteigt.
(2) Die Höhe des Bonus nach Abs. 1 ergibt sich nach § 299a Abs. 2 ASVG aus der Differenz von 1080 € und dem Gesamteinkommen und ist mit 146,94 € begrenzt.
(3) Langzeitversicherten Personen gebührt, solange sie ihren rechtmäßigen, gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben, zur Ausgleichszulage nach § 293 Abs. 1 lit. a sublit. bb oder zur Pension aus eigener Pensionsversicherung ein Bonus (Ausgleichszulagenbonus/Pensionsbonus), wenn sie
1. bis zum Stichtag (§ 223 Abs. 2) mindestens Personen 480 Beitragsmonate in der Pflichtversicherung auf Grund einer Erwerbstätigkeit erworben haben und
2. ihr Gesamteinkommen (Abs. 8) 1315 € nicht übersteigt.
(8) Das Gesamteinkommen nach Abs. 1 Z 2, Abs. 3 Z 2 und Abs. 5 Z 2 besteht aus
1. der Pension samt einer allfälligen Ausgleichszulage, mit Ausnahme des auf die Richtsatzerhöhung nach § 293 Abs. 1 letzter Satz entfallenden Teiles,
2. dem Nettoeinkommen aus sonstigen Einkünften der pensionsberechtigten Person nach § 292 Abs. 3 bis 13 und
3. den auf Grund von Unterhaltsansprüchen der pensionsberechtigten Person nach § 294 Abs. 1 bis 3 zu berücksichtigenden Beträgen.
(9) An die Stelle der in den Abs. 1 bis 6 genannten Beträge treten ab 1. Jänner eines jeden Jahres, erstmals ab 1. Jänner 2021, die unter Bedachtnahme auf § 108 Abs. 6 mit dem Anpassungsfaktor (§ 108f) vervielfachten Beträge.
[14] 2.3 Für das Kalenderjahr 2021 wurden die Beträge nach (auch) § 299a Abs 1 Z 2 ASVG mit § 744 Abs 6 Z 1 ASVG außertourlich um den Anpassungsfaktor 1,031 erhöht (Ziegelbauer in Sonntag ASVG12 § 299a ASVG Rz 2). Der Grenzbetrag für das Gesamteinkommen (§ 299a Abs 1 Z 2 ASVG) erhöhte sich auf 1.113,48 EUR, der Grenzbetrag für den Bonus auf 151,50 EUR.
[15] 3.1 Mit der Einführung des Ausgleichszulagenbonus/Pensionsbonus sollte zum einen der mit dem SRÄG 2016, BGBl I 2017/29, geschaffene besondere Ausgleichszulagenrichtsatz bei Vorliegen von 360 Beitragsmonaten der Pflichtversicherung aufgrund einer Erwerbstätigkeit durch einen Bonus zur Ausgleichszulage bzw zu kleinen Pensionen ersetzt werden und zum anderen – als weitere Verbesserung für Personen mit langen Versicherungszeiten und kleinen Pensionen – ein höherer Bonus (auch an Ehepaare oder eingetragene Partner/innen) gewährt werden, wenn mindestens 480 solcher Beitragsmonate vorliegen. Der Ausgleichszulagenbonus/Pensionsbonus tritt somit zum Teil an die Stelle des früheren erhöhten Richtsatzes nach § 293 Abs 1 lit a sublit cc ASVG idF vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl I 2019/84, entwickelt diesen aber durch die Einführung einer zweiten Stufe und deren Ausweitung auf Paare weiter (Erl zum IA 905/A 26. GP 6; Pfeil in Mosler/Müller/Pfeil, SV-Komm § 299a ASVG Rz 1; Pfeil, Der neue „Ausgleichszulagenbonus/Pensionsbonus, ÖZPR 2019, 124 [126]).
[16] 3.2 Da die neuen Obergrenzen über den Ausgleichszulagenrichtsätzen nach § 293 Abs 1 ASVG liegen, gebührt der Bonus nicht nur bei Bezug einer Ausgleichszulage (also bei einer entsprechend niedrigen Pension, die die Richtsätze nach § 293 Abs 1 ASVG nicht erreicht), sondern auch bei Bezug von Pensionen, die diese Richtsätze überschreiten, soweit diese zusammen mit den anderen Einkünften als „Gesamteinkommen“ nach § 299a Abs 8 ASVG den jeweiligen Grenzbetrag in § 299a Abs 1 Z 2 bzw Abs 3 Z 2 bzw Abs 5 Z 2 ASVG nicht übersteigen. Für Personen, die bereits eine Ausgleichszulage beanspruchen konnten, wird diese nun nach Maßgabe der neuen Bestimmungen durch einen „Ausgleichszulagenbonus“ erhöht. Für jene, deren Gesamteinkommen über dem bisher maßgebenden Ausgleichszulagenrichtsatz, aber noch unter den neuen Höchstgrenzen liegt, stellt sich die Leistung als „Pensionsbonus“ dar (Pfeil in Mosler/Müller/Pfeil, SV-Komm § 299a ASVG Rz 2, 18). Der Bonus soll also entweder eine gebührende Ausgleichszulage ergänzen oder eine geringe Pensionsleistung verbessern (Beck, Pensionsanpassung, Pensionsbonus, abschlagfreie „Frühpension“ sowie Beitragsentlastung versus Sachlichkeitsgebot und Generationengerechtigkeit [Teil II], SozSi 2020, 63 [64]).
[17] 4.1 Der Kläger hat 380 Beitragsmonate der Pflichtversicherung aufgrund einer Erwerbstätigkeit erworben und erfüllt damit die in § 299a Abs 1 Z 1 ASVG geregelte Voraussetzung für einen Bonus.
[18] 4.2 Divergierende Standpunkte bestehen hinsichtlich der konkreten Ermittlung des Gesamteinkommens nach § 299a Abs 8 Z 1 ASVG:
[19] Nach dieser Bestimmung besteht das Gesamteinkommen nach § 299a Abs 1 Z 2 ASVG aus der Pension samt einer allfälligen Ausgleichszulage, mit Ausnahme des auf die Richtsatzerhöhung nach § 293 Abs 1 letzter Satz entfallenden Teils. Nach § 293 Abs 1 letzter Satz ASVG erhöht sich der Richtsatz nach § 293 Abs 1 lit a ASVG um 149,15 EUR (2020) für jedes Kind (§ 252 ASVG), dessen Nettoeinkommen den Richtsatz für einfach verwaiste Kinder bis zur Vollendung des 24. Lebensjahres nicht erreicht.
[20] Das Berufungsgericht legt § 299a Abs 8 Z 1 ASVG so aus, dass bei der Ermittlung des Gesamteinkommens der Erhöhungsbetrag für jedes Kind jedenfalls nicht zu berücksichtigen ist, unabhängig davon, ob und in welcher Höhe der oder die Pensionsberechtigte eine Ausgleichszulage bezogen hat. Damit sei bei Ermittlung des Gesamteinkommens des Klägers für das Jahr 2020 die Richtsatzerhöhung von 149,15 EUR von seinem übrigen Einkommen (Pension 1.171,28 EUR + Kinderzuschuss 29,07 EUR) abzuziehen. Daraus ergebe sich ein für den Bonus maßgebliches Gesamteinkommen von 1.051,20 EUR, das unter der Höchstgrenze von 1.080 EUR (§ 299a Abs 1 Z 2 ASVG) liege.
[21] Nach Meinung der Beklagten soll hingegen der Erhöhungsbetrag nach § 293 Abs 1 letzter Satz ASVG nur dann außer Betracht bleiben, wenn auch tatsächlich eine Ausgleichszulage samt Richtsatzerhöhung bezogen wird.
[22] 4.3 Wie bereits das Berufungsgericht ausgeführt hat, muss die Frage der Ermittlung des Gesamteinkommens nach § 299a Abs 8 Z 1 ASVG nicht abschließend erklärt werden, wenn dem Kläger nach § 726 Abs 3 ASVG eine weitere Ausgleichszulagenleistung in Höhe des – von ihm unbekämpften – Betrags von 35,12 EUR zusteht.
[23] 5.1 Nach § 726 Abs 2 ASVG trat der bisherige erhöhte Ausgleichszulagenrichtsatz für Langzeitversicherte nach § 293 Abs 1 lit a sublit cc ASVG mit Ablauf des 31. 12. 2019 außer Kraft (Pfeil, Der neue „Ausgleichszulagenbonus/Pensionsbonus“, ÖZPR 2019, 124 [126]).
[24] 5.2 Nach § 726 Abs 3 ASVG gebührt Pensionsbeziehern, die Anspruch auf eine Leistung nach § 293 Abs 1 lit a sublit cc ASVG bis zum 31. 12. 2019 gehabt haben oder hätten, der Bonus nach § 299a ASVG in der Höhe, die sich aus § 293 Abs 1 lit a sublit cc ergibt, wenn dies günstiger ist und spätestens im Jahr 2020 beantragt wird.
[25] 5.3 Demnach ist für eine versicherte Person, die in den Anwendungsbereich des § 726 Abs 3 ASVG fällt, ein Günstigkeitsvergleich vorzunehmen: Einerseits ist zu ermitteln, ob (und, wenn ja, in welcher Höhe) ihm nach § 299a Abs 1, Abs 3 oder Abs 5 ASVG ein Ausgleichszulagenbonus/Pensionsbonus gebührt. Andererseits ist zu bestimmen, ob die Anwendung des § 726 Abs 3 ASVG zu einem höheren Bonus („günstiger“) führen würde. Selbst wenn sich bei einer Berechnung nach § 299a Abs 1, Abs 3 oder Abs 5 ASVG kein Anspruch auf einen Bonus ergibt, könnte einem Versicherten also ein Bonus nach § 726 Abs 3 ASVG gebühren.
[26] 5.4 Der Kläger hatte im Jahr 2019 Anspruch auf eine Ausgleichszulage nach § 293 Abs 1 lit a sublit cc ASVG idF vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl I 2019/84, in Höhe von 32,61 EUR und bezog diese auch. Die Ausgleichszulage errechnet sich nach § 296 Abs 1 ASVG aus der Differenz zwischen seiner Pension samt Kinderzuschuss (1.130,86 EUR + 29,07 EUR) und dem besonderen Ausgleichszulagenrichtsatz für Langzeitversicherte nach § 293 Abs 1 lit a sublit cc ASVG idF vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl I 2019/84 zuzüglich der Richtsatzerhöhung für ein Kind nach § 293 Abs 1 letzter Satz ASVG von insgesamt 1.192,44 EUR (1.048,57 EUR + 143,97 EUR). Damit erfüllt der Kläger die erste Anspruchsvoraussetzung des § 726 Abs 3 ASVG.
[27] 5.5 Im sozialgerichtlichen Verfahren begehrt der Kläger (ohne Einschränkung auf den von ihm errechneten Bonusbetrag von 28,80 EUR) die Gewährung einer Ausgleichszulage unter Berücksichtigung der Richtsatzerhöhung für ein Kind und der Bestimmungen über den Ausgleichszulagenbonus/Pensionsbonus gemäß § 299a ASVG bei Vorliegen von 360 Beitragsmonaten der Pflichtversicherung aufgrund einer Erwerbstätigkeit. Das Berufungsgericht hat dieses Klagebegehren so ausgelegt, dass ein allenfalls höherer, sich aus der Berechnung nach § 726 Abs 3 ASVG ergebender Bonus umfasst ist. Diese Beurteilung wird in der Revision auch nicht bekämpft. Der Kläger hat den Antrag auf Gewährung der Ausgleichszulagenleistung rechtzeitig im Jänner 2020 gestellt und die in § 726 Abs 3 ASVG geregelte Frist eingehalten.
[28] 6.1 Umstritten ist die Auslegung des Satzteils in § 726 Abs 3 ASVG: „... gebührt der Bonus nach § 299a in der Höhe, die sich aus § 293 Abs. 1 lit. a sublit. cc ergibt“.
[29] 6.2 Das Berufungsgericht sieht § 726 Abs 3 ASVG als lex specialis, die für die dort genannte Gruppe von Pensionsbeziehern die weitere Anwendbarkeit des Langzeitversicherten-Richtsatzes vorsieht. Für die vorgesehene Parallelberechnung des Bonus für das Jahr 2020 sei der Richtsatz nach § 293 Abs 1 lit a sublit cc ASVG idF vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl I 2019/84 mit dem Faktor 1,036 für die Pensionsanpassung 2020 (§ 728 Abs 5 ASVG) aufzuwerten. Bei Ausschluss der Aufwertung wäre § 726 Abs 3 ASVG von vornherein jeder Anwendungsbereich entzogen, weil im Zeitpunkt der Schaffung dieser Bestimmung der Langzeitversicherten-Richtsatz niedriger als der Bonus-Zielwert nach § 299a ASVG gewesen sei.
[30] 6.3 Dagegen argumentiert die Beklagte in der Revision, dass § 726 Abs 3 ASVG nicht die weitere Anwendbarkeit des Langzeitversicherten-Richtsatzes anordne. Die Bestimmung sei daher nicht als lex specialis zur Außerkrafttretensbestimmung in § 726 Abs 2 ASVG, sondern zu den Berechnungsvorschriften in § 299a ASVG zu sehen.
[31] 6.4 Tatsächlich ordnet § 726 Abs 3 ASVG keine Weitergeltung des § 293 Abs 1 lit a sublit cc ASVG aF an. Diese Bestimmung tritt nach dem eindeutigen Wortlaut des § 726 Abs 2 ASVG mit Ablauf des 31. 12. 2019 außer Kraft. § 726 Abs 3 ASVG ordnet für eine bestimmte Personengruppe einen Günstigkeitsvergleich durch Vornahme einer parallelen Berechnung des Bonus nach alter und neuer Rechtslage an. Es wird nach alter Rechtslage berechnet, ob und in welcher Höhe die versicherte Person eine Ausgleichszulagenleistung bezogen hätte („Anspruch auf eine Leistung nach § 293 Abs 1 lit a sublit cc ASVG bis zum 31. Dezember 2019 gehabt haben oder hätten...“). Diese Leistung ist dem nach § 299a ASVG zu ermittelnden neuen Bonus gegenüberzustellen.
[32] 6.5 Aus dieser Anordnung folgt aber entgegen der Ansicht der Beklagten nicht, dass der neue Bonus nach § 299a ASVG mit dem „alten“ Langzeitversicherten-Richtsatz für das Jahr 2019 zu vergleichen ist.
[33] 6.6 Der neu eingeführte Bonus sollte grundsätzlich zugunsten von Versicherten mit langer Versicherungsdauer am bisherigen Ausgleichszulagenrecht nichts ändern (Erl zum IA 905/A 26. GP 6). Nach dem Abänderungsantrag zum Initiativantrag (AA-92 26. GP 5), mit dem unter anderem die Regelung des § 726 Abs 3 ASVG hinzugefügt wurde, sollte für Bezieher/innen von Ausgleichszulagen nach § 293 Abs 1 lit a sublit cc ASVG, die einen solchen Anspruch bis zum 31. 12. 2019 erworben haben oder hätten, vorgesehen werden, dass bei diesen Personen der Bonus nicht zu einem niedrigeren Bezug führen kann als nach geltendem Recht, um eine im Einzelfall denkbare Schlechterstellung zu vermeiden (AA-92 26. GP 5).
[34] 6.7 Der neue Bonus in § 299a ASVG wurde erst mit 1. 1. 2020 wirksam eingeführt (§ 726 Abs 1 ASVG). Seine Voraussetzungen sind – wie im bisherigen Ausgleichszulagenrecht – nach dem durch Antragstellung bestimmten Stichtag (§ 223 Abs 2 ASVG) zu beurteilen. Dasselbe gilt für einen Bonus, der nach dem Günstigkeitsvergleich des § 726 Abs 3 ASVG zu ermitteln ist. Der Gesetzgeber hat die Möglichkeit der Antragstellung iSd § 726 Abs 3 ASVG zeitlich mit dem Ablauf des Jahres 2020 beschränkt. Eine Gegenüberstellung von Leistungen iSd § 726 Abs 3 ASVG war erst ab 1. 1. 2020 möglich und zielführend. Mit dem Abänderungsantrag zum Initiativantrag (AA-92 26. GP) sollte offensichtlich verhindert werden, dass Langzeitversicherte, die bisher Anspruch auf die Ausgleichszulage nach § 293 Abs 1 lit a sublit cc ASVG hatten (oder gehabt hätten), auch für die Zukunft – und nicht nur bezogen auf das Jahr 2019 – schlechter gestellt werden, als bei Fortführung der bisherigen Rechtslage.
[35] 6.8 Ausgehend von einem fiktiven Weiterbezug des alten Langzeitversicherungs-Richtsatzes nach dem 31. 12. 2019 ist dieser nach dem Pensionsanpassungsfaktor für das Jahr 2020 (§ 728 Abs 5 ASVG) aufzuwerten, um eine (spätestens) im Jahr 2020 zu beantragende günstigere Leistung nach Gegenüberstellung mit dem neuen Bonus nach § 299a ASVG zu ermitteln.
[36] 6.9 Im konkreten Fall würde der Ausgleichszulagenrichtsatz des Klägers nach § 293 Abs 1 lit a sublit cc ASVG idF vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl I 2019/84 einschließlich der Richtsatzerhöhung und unter Fortschreibung der Aufwertung um den Faktor 1,036 (§ 728 Abs 5 ASVG) insgesamt 1.235,47 EUR betragen (1.086,32 EUR + 149,15 EUR). Abzüglich der Pension samt Kinderzuschuss von insgesamt 1.200,35 EUR ergibt sich bei der Vergleichsrechnung des § 726 Abs 3 ASVG nach altem Recht eine Ausgleichszulagenleistung von 35,12 EUR. Dieser Betrag übersteigt den Bonus, den die Vorinstanzen – auf Basis ihrer Auslegung des § 299a Abs 1 Z 8 ASVG – ermittelt haben.
[37] 7. Der Revision der Beklagten ist aus diesen Erwägungen nicht Folge zu geben.
[38] 8. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a iVm Abs 2 ASGG.
Textnummer
E132617European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2021:010OBS00083.21K.0729.000Im RIS seit
13.09.2021Zuletzt aktualisiert am
13.09.2021