Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé und die Hofräte Dr. Nowotny und MMag. Sloboda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C***** D*****, vertreten durch Dr. Stephan Duschel und Mag. Klaus Hanten, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei A***** P*****, vertreten durch Mag. Herbert Premur, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen 80.375 EUR sA und Auskunft (Streitwert 5.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 13. April 2021, GZ 12 R 105/20d-49, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
[1] Der am 15. 2. 2016 verstorbene Vater der Streitteile war Unterpächter einer Kleingartenparzelle, auf der er in den 1970er- und 1980er-Jahren ein Haus samt Zubau errichtet hatte. Im Jahr 2008 traf er mit dem Generalpächter eine Vereinbarung, wonach er das Unterpachtverhältnis unter Verzicht auf den ihm nach § 16 KlGG zustehenden Aufwandersatz beendete. Bedingung dafür war die Bereitschaft des Generalpächters, mit dem Beklagten einen neuen Unterpachtvertrag abzuschließen, was in der Folge auch geschah. Der Beklagte übernahm den Kleingarten und das darin errichtete Haus „entgeltfrei“. Bei Aufgabe des Bestandrechts durch den Vater betrug der Verkehrswert des Gebäudes 63.218 EUR.
[2] Nach einer Vereinbarung zwischen dem Beklagten und seinen Eltern stand diesen weiterhin die Nutzung des Gartens und des Hauses zu. Im Jahr 2011 verstarb die Mutter der Streitteile, der Vater übersiedelte 2014 in ein Pflegeheim. An seinem Todestag betrug der Verkehrswert des Gebäudes 60.942 EUR. Der Nachlass nach dem Vater war überschuldet. Die nach Abzug der Verfahrenskosten und der Bestattungskosten verbleibenden Aktiva wurden auf die Gläubiger quotenmäßig verteilt. Der Beklagte hat der Klägerin im Jahr 2011 „zur Abgeltung ihres Anteils“ 20.144 EUR bezahlt.
[3] Die Klägerin begehrte den Schenkungspflichtteil (§ 951 ABGB idF vor dem ErbRÄG 2015), dessen Berechnung sie einen Wert der dem Beklagten übertragenen Nutzungsrechte an der Kleingartenparzelle samt Baulichkeit und Inventar von „jedenfalls 300.000 EUR“ zugrunde legt.
[4] Die Vorinstanzen vertraten dazu die Ansicht, dass dem KlGG unterliegende Unterpachtrechte nicht vererbbar und deshalb dem Verlassenschaftsvermögen nicht zurechenbar seien. Der (nicht ermittelte) Wert des auf den Beklagten übertragenen Unterpachtrechts sei daher in die Berechnung des Pflichtteilsanspruchs der Klägerin nicht einzubeziehen. Eine zu berücksichtigende Schenkung an den Beklagten liege zwar im Verzicht des Erblassers auf den Aufwandersatzanspruch nach § 16 Abs 1 KlGG, insoweit sei der Pflichtteilsanspruch der Klägerin durch die Zahlung des Beklagten aber ohnedies bereits erfüllt.
[5] Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision nicht zu.
[6] Die Klägerin zeigt in ihrer außerordentlichen Revision keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf:
Rechtliche Beurteilung
[7] 1. Nach dem aufgrund des Zeitpunkts des Todes des Erblassers nach der Rechtslage vor dem ErbRÄG 2015 (§ 1503 Abs 7 Z 1 und 2 ABGB) anzuwendenden § 784 ABGB aF waren für die Pflichtteilsbemessung alle zur Verlassenschaft gehörenden beweglichen und unbeweglichen Sachen, alle Rechte und Forderungen, welche der Erblasser auf seine Nachfolger frei zu vererben befugt war, zu ermitteln. Den Nachlass iSd § 531 ABGB aF bildeten daher die vererblichen Vermögenswerte, Rechte und Pflichten des Erblassers im Todeszeitpunkt (2 Ob 195/12h = RS0128702).
[8] 2. Das Bestandrecht ist grundsätzlich ein vererbliches Vermögensrecht (§ 14 Abs 1 MRG; § 1116a ABGB). Davon abweichend bestimmt allerdings § 15 Abs 1 KlGG, dass der Unterpachtvertrag über einen Kleingarten durch den Tod des Unterpächters aufgelöst wird, es sei denn, dass binnen zwei Monaten der Ehegatte, Verwandte in gerader Linie oder Wahlkinder des Verstorbenen oder eine andere Person, die an der Bewirtschaftung des Kleingartens in den letzten fünf Jahren maßgeblich mitgewirkt hat, schriftlich die Bereitschaft erklären, den Unterpachtvertrag fortzusetzen.
[9] Das KlGG sieht demnach keinen Übergang des Unterbestandrechts im Erbweg auf die Verlassenschaft und in weiterer Folge auf die Erben vor, sondern ermöglicht eine Sonderrechtsnachfolge aufgrund gesetzlicher Anordnung, die im Grundsätzlichen jener des § 14 Abs 2 und 3 MRG entspricht (so bereits 6 Ob 2/14h; 5 Ob 162/20i). Zu dieser vertritt der Oberste Gerichtshof die Auffassung, dass die Sonderrechtsnachfolge die allgemeine Erbfolge ausschließt und die Bestandrechte demnach nicht dem Verlassenschaftsvermögen zugehörig sind (6 Ob 2/14h mwN; vgl RS0069664). Die Bestandrechte zählen dann auch nicht zu den frei vererblichen Rechten iSd § 784 ABGB aF, die der Bemessung des Pflichtteils als Aktivum zugrunde zu legen sind (7 Ob 273/98t SZ 71/189).
[10] 3. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, das zu Lebzeiten des Erblassers auf den Beklagten übertragene Unterpachtrecht sei in die Bemessungsgrundlage des Pflichtteils der Klägerin nicht einzubeziehen, stimmt mit dieser Rechtsprechung überein. Ihre Anwendung auf dem KlGG unterliegende Objekte unterliegt keinem Zweifel, zumal nach dessen § 15 Abs 1 die Übertragung von Unterpachtrechten im Wege der allgemeinen Erbfolge gesetzlich überhaupt ausgeschlossen ist (der Vertrag wird mangels Sonderrechtsnachfolge mit dem Tod aufgelöst).
[11] Zwar ist es zulässig, in den Grenzen des § 14 KlGG über die Rechte aus dem Unterpachtvertrag zu verfügen (vgl 7 Ob 698/80 JBl 1982, 44 [Schenkung auf den Todesfall]). Der Berücksichtigung einer Übertragung der Rechte nach dieser Bestimmung als Schenkung iSd § 785 ABGB aF steht jedoch entgegen, dass dadurch aus den vom Berufungsgericht richtig erkannten, oben genannten Gründen eine Verminderung des Verlassenschaftsvermögens nicht eintreten kann (zu diesem Kriterium RS0127009, zuletzt auch 2 Ob 110/20w).
[12] 4. Die im Verzicht des Erblassers auf den Entschädigungsanspruch gemäß § 16 Abs 1 erster Satz KlGG gelegene unentgeltliche Zuwendung an den Beklagten (vgl § 11 Abs 5 KlGG) wurde von den Vorinstanzen ohnehin berücksichtigt, was die Klägerin in der Revision auch nicht mehr in Frage stellt.
[13] 5. Angesichts der bestehenden Judikatur zu § 14 MRG und der insoweit vergleichbaren Rechtslage nach dem KlGG ist daher keine erhebliche Rechtsfrage zu beantworten (RS0042656).
Textnummer
E132628European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2021:0020OB00097.21K.0805.000Im RIS seit
15.09.2021Zuletzt aktualisiert am
04.11.2021