TE Lvwg Erkenntnis 2021/8/5 LVwG-2021/23/1870-1

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Veröffentlicht am 05.08.2021
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Entscheidungsdatum

05.08.2021

Index

82/02 Gesundheitsrecht allgemein
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

EpidemieG 1950 §25
EpidemieG 1950 §25a
EpidemieG 1950 §40
COVID-19-EinreiseV §4 Abs2
VStG §45 Abs1 Z4

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Vizepräsidenten Dr. Larcher über die Beschwerde des AA, vertreten durch BB, Adresse 1, **** Z, Deutschland, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Y vom 09.03.2021, Zl ***, betreffend Verwaltungsübertretungen nach dem Epidemiegesetz und der COVID-19-Einreiseverordnung,

zu Recht:

1.       Der Beschwerde wird insofern Folge gegeben, dass das Straferkenntnis im Umfang des Schuldspruches behoben wird und im Hinblick auf die Strafe gemäß § 45 Abs 1 Z 4 VStG von der Verhängung einer Strafe abgesehen und eine Ermahnung erteilt wird.

2.       Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang und Sachverhalt:

Ausgehend von einer Anzeige der PI Y zur Zahl *** leitet die Bezirkshauptmannschaft Y ein Verwaltungsstrafverfahren gegen den nunmehrigen Beschwerdeführer ein.

Am 9.3.2021 erließ die Bezirkshauptmannschaft Y zu Zahl *** eine Strafverfügung die dem Beschwerdeführer am 13.3.2021 zugestellt worden ist.

In dieser Strafverfügung wurde der Beschwerdeführerin folgende Tat vorgeworfen:

„Tatzeit: 31.01.2021, 11.18 Uhr

Tatort:          Y, Richtung/Kreuzung: Süden B***, km ***

Fahrzeug(e): PKW UL-YS555

Sie sind am 31.01.2021 aus Deutschland kommend nach Österreich eingereist und haben sich zum angeführten Zeitpunkt am angeführten Ort aufgehalten, obwohl Sie aus keinem der nach Anlage A der Covid-Einreise-Verordnung ausgenommenen Gebiete eingereist waren und deshalb unverzüglich nach der Einreise eine zehntätige Quarantäne anzutreten gehabt hätten; Sie hatten auch keinen negativen molekularbiologischen Test oder Antigen-Test mitgeführt, der die Heimquarantäne vorzeitig beendet hätte.“

Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 40 lit c iVm § 25 und § 25a EpiG iVm § 4 Abs 2 der COVID-19-Einreiseverordnung, BGBl II Nr 445/2020, zuletzt geändert durch BGBl II Nr 69/2021, begangen.

Über den Beschwerdeführer wurde daher gemäß § 40 Epidemiegesetz 1950 - EpiG, BGBl Nr 186/1950, zul. geändert durch BGBl Nr 23/2021, eine Geldstrafe in der Höhe von Euro 300,00 (Ersatzfreiheitsstrafe 72 Stunden) verhängt.

Am 7.3.2021 erhob der Beschwerdeführer, vertreten durch BB, über das digitale Formularservice des Landes Tirol Einspruch gegen die Strafhöhe dieser Strafverfügung.

In ihrem Einspruch beantragt der Vertreter des Beschwerdeführers ausdrückliche „die Ersetzung der Strafverfügung durch Ermahnung“.

Nachfolgend erließ die BH Y am 9.3.2021 zu Zahl *** ein Straferkenntnis. Im Spruch dieses Straferkenntnisses wurde dem Beschwerdeführer abermals derselbe Tatvorwurf angelastet und wiederum eine Geldstrafe in derselben Höhe verhängt und er wurde außerdem zur Zahlung von Euro 30,00 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens verpflichtet.

Dagegen erhob der Beschuldigte fristgerecht Beschwerde und bekämpfte das Straferkenntnis nunmehr in vollem Umfang.

Dieser Beschwerde kommt teilweise Berechtigung zu.

II.      Beweiswürdigung:

Der Sachverhalt ist soweit er hier noch festzustellen war, auf Grund der im behördlichen Akt einliegenden Zustellurkunden und der eingebrachten Schriftsätze zweifelfrei feststellbar.

Der Umfang des Einspruches gegen die Strafverfügung vom 19.2.2021 ergibt sich aus dem im Weg des Formularservice eingebrachten Einspruches vom 7.3.2021. In diesem elektronischen Dokument stellte der Beschwerdeführer unmissverständlich klar, dass sie die verhängten Strafen der Höhe nach zu bekämpfen beabsichtigt, zumal sie ausdrücklich um eine Ermahnung ersucht.

Dass der Einspruch des Beschwerdeführers ausschließlich gegen die Strafhöhe gerichtet ist ergibt sich auch deshalb zweifelsfrei, da mit demselben elektronischen Dokument auch ein Einspruch gegen eine an den Sohn der Beschwerdeführerin adressierte Strafverfügung erhoben worden ist. In diesem Einspruch wird jedoch ausdrücklich die Einstellung des Verfahrens, und somit ein voller Einspruch erhoben.

Aus den vorgenannten Gründen ergibt es sich zweifelsfrei, dass die von der Beschuldigten verwendete Formulierung „die Ersetzung der Strafverfügung durch Ermahnung“ nur als Einspruch hinsichtlich der Strafhöhe interpretiert werden kann.

III.     Rechtslage:

Die maßgeblichen Bestimmungen des Verwaltungsstrafgesetzes lauten:

„§ 49.

(1) Der Beschuldigte kann gegen die Strafverfügung binnen zwei Wochen nach deren Zustellung Einspruch erheben und dabei die seiner Verteidigung dienlichen Beweismittel vorbringen. Der Einspruch kann auch mündlich erhoben werden. Er ist bei der Behörde einzubringen, die die Strafverfügung erlassen hat.

(2) Wenn der Einspruch rechtzeitig eingebracht und nicht binnen zwei Wochen zurückgezogen wird, ist das ordentliche Verfahren einzuleiten. Der Einspruch gilt als Rechtfertigung im Sinne des § 40. Wenn im Einspruch ausdrücklich nur das Ausmaß der verhängten Strafe oder die Entscheidung über die Kosten angefochten wird, dann hat die Behörde, die die Strafverfügung erlassen hat, darüber zu entscheiden. In allen anderen Fällen tritt durch den Einspruch, soweit er nicht binnen zwei Wochen zurückgezogen wird, die gesamte Strafverfügung außer Kraft. In dem auf Grund des Einspruches ergehenden Straferkenntnis darf keine höhere Strafe verhängt werden als in der Strafverfügung.

(3) Wenn ein Einspruch nicht oder nicht rechtzeitig erhoben oder zurückgezogen wird, ist die Strafverfügung zu vollstrecken.“

IV.      Erwägungen:

Gemäß § 49 Abs 1 VStG kann der Beschuldigte gegen eine Strafverfügung binnen zwei Wochen nach deren Zustellung Einspruch erheben. Wenn im Einspruch ausdrücklich nur das Ausmaß der verhängten Strafe oder die Entscheidung über die Kosten angefochten wird, dann hat die Behörde, die die Strafverfügung erlassen hat, darüber zu entscheiden (§ 49 Abs 2 VStG).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss einem Einspruch gegen eine Strafverfügung eindeutig zu entnehmen sein, welchen Erfolg der Einschreiter anstreben will und womit er seinen Standpunkt vertreten zu können glaubt (vgl zB VwGH 09.01.1987, 86/18/0212, 20.01.1984, 82/02/0153). Für die Beurteilung des Umfangs der Anfechtung ist daher der Inhalt der Eingabe in seiner Gesamtheit maßgebend (VwGH 22.04.1999, 99/07/0010 ua).

Zumal der Beschwerdeführer gegen eine in diesem Verfahren zugestellte Strafverfügung nur einen Einspruch gegen die Strafhöhe erhoben hat, ist der Schuldspruch somit in Rechtskraft erwachsen.

In Entsprechung und im Umfang dieser Anfechtung hätte die Behörde nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens – Gegenstand des nachfolgenden Verfahrens wäre nur der angefochtene Teil der Strafverfügung gewesen – die in der Strafverfügung ausgesprochenen Strafen bestätigen, herabsetzen oder von ihr ganz absehen, sowie über die Kosten absprechen dürfen. Aufgrund des eingeschränkten Einspruches wären daher lediglich die über den Beschwerdeführer verhängten Strafen der Höhe nach zu überprüfen gewesen.

Mit der gegenständlichen Beschwerde bekämpft der Beschwerdeführer auch den Schuldspruch im Straferkenntnis, über die die belangte Behörde nicht mehr zu entscheiden gehabt hätte. Der Beschwerde war daher teilweise Folge zu geben und waren die Schuldsprüche im angefochtenen Straferkenntnis zu beheben.

Im Übrigen erweist sich die Beschwerde, soweit sie sich gegen die Strafhöhen richtet, als begründet.

Unstrittig liegt der objektive Tatbestand der angelasteten Verwaltungsübertretung vor. In subjektiver Hinsicht liegt wenn überhaupt nur ein sehr geringes Verschulden des Beschwerdeführers vor, da er sich als Sohn in Begleitung seiner beiden Eltern befand. Aufgrund der im Beschwerdeverfahren festgestellten grundsätzlich unstrittigen Umstände liegen im gegenständlichen Fall das tatbildmäßige Verhalten des unbescholtenen Beschwerdeführers und auch die Intensität der Beeinträchtigung des geschützten Rechtsgutes durch die Tat hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt erheblich zurück. Nach Rechtsansicht des Landesverwaltungsgerichts Tirol sind im gegenständlichen Verfahren jedenfalls die Voraussetzungen zur Anwendung des § 45 Abs 1 Z 4 VStG gegeben.

Anstatt die Einstellung zu verfügen, war dem Beschwerdeführer unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens eine Ermahnung zu erteilen, da dies geboten und ausreichend erscheint, um ihn von der Begehung strafbarer Handlung gleicher Art bestmöglich abzuhalten.

Absehen von einer mündlichen Rechtsmittelverhandlung:

Die von den Beschwerdeführern beantragte Durchführung einer mündlichen Verhandlung war aus folgenden Gründen nicht erforderlich:

Gemäß § 44 Abs 4 VwGVG kann das Landesverwaltungsgericht ungeachtet eines Parteienantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Landesverwaltungsgericht vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und wenn Art 6 Abs 1 EMRK dem nicht entgegensteht.

Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr 7401/04 (Hofbauer/Österreich Nr. 2), und vom 3. Mai 2007, Nr 17912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies im Zusammenhang mit Verfahren betreffend ziemlich technische Angelegenheiten ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige.

In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein), hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren gebe, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung aufträten oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne.

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist hier geklärt. In der vorliegenden Beschwerde wurden ausschließlich Rechtsfragen aufgeworfen, zu deren Lösung im Sinne der Judikatur des EGMR eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist. Art 6 EMRK steht somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung nicht entgegen (VwGH 24.6.2016, 2011/05/0182).

V.       Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu Euro 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu Euro 400,00 verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichthof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.

Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.

Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Verwaltungsgericht einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen; dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Hinweis:

Rechtskräftig verhängte Geldstrafen (sowie Verfahrenskostenbeiträge) sind bei der Behörde einzubezahlen (vgl § 54b Abs 1 VStG).

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr. Larcher

(Vizepräsident)

Schlagworte

Einreise

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2021:LVwG.2021.23.1870.1

Zuletzt aktualisiert am

03.09.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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