Entscheidungsdatum
17.08.2021Index
L82007 Bauordnung TirolNorm
BauO Tir 2018 §33 Abs3Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat durch seine Richterin Dr.in Müller, LL.M. über die Beschwerde des AA, Adresse 1, **** Y, gegen den Bescheid der Stadt Y vom 25.01.2021, Zl ***, betreffend Verfahren nach der TBO 2018, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 01.07.2021,
zu Recht erkannt:
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
2. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Weiters fasst das Landesverwaltungsgericht Tirol fasst durch seine Richterin Dr.in Müller, LL.M über den Antrag des Beschwerdeführers auf Protokollberichtigung der am 01.07.2021 im Zuge der öffentlichen mündlichen Verhandlung erstellten Verhandlungsschrift den
B E S C H L U S S
1. Dem Antrag auf Protokollberichtigung vom 01.07.2021 wird gemäß § 17 VwGVG iVm § 14 Abs 7 AVG keine Folge gegeben.
2. Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a Abs 3 VwGG ist eine abgesonderte Revision an den VwGH gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e zum Erkenntnis:
I. Verfahrensgang:
Mit dem bekämpften Bescheid vom 25.01.2021 wurde der Bauwerberin, der Erschließungsgesellschaft BB, die Genehmigung für den Abbruch des Bestandsgebäudes sowie den Neubau eines Studentenwohnheimes sowie einer Tiefgarage auf dem Gst **1, inneliegend in EZ **2, KG **3 Z, mit der Adresse Adresse 1 bewilligt.
Dagegen brachte der Beschwerdeführer eine „(Nichtigkeits-)Beschwerde“, verbunden mit einem Antrag auf aufschiebende Wirkung ein wie folgt:
„(Nichtigkeits-)Beschwerde
binnen offener Frist
• Gegen: Bescheid zu ZI. *** v. 25.01.2021
• Ausgefertigt von: Stadt Y, Abt. Baurecht; CC, Adresse 2, **** Y
• Bescheid zugestellt: 2.02.2021
• Gebühr: keine Gebührenpflicht, da es sich hier um einen Nichtbescheid handelt.
ANTRAG auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Senat des Landesverwaltungsgerichtes.
Zugleich wird der
ANTRAG
auf aufschiebende Wirkung,
bis zur Ausstellung eines neuen Bescheides gestellt. Der Bauwerber geht „irrtümlich“ von einem rechtsgültigen Bescheid aus und hat bereits mit den Baumaßnahmen begonnen.
Die „Anfechtung“ des Bescheides erfolgt in folgenden Punkten/Begründung - Nichtbescheid:
• Nichtigkeit & Rechtsunwirksamkeit: Der angefochtene Bescheid ist nichtig und rechtsunwirksam. Die Bescheidausstellende Behörde, resp. das Stadt Y ist als gesamte Behörde befangen. Es besteht zwischen dem Antragsteller, der Erschließungsgesellschaft BB und dem Stadt Y als Behörde, ein Naheverhältnis. Das Naheverhältnis ergibt sich durch die teilweise Gesellschafter- und Organ-Identität zwischen DD (Firmenbuch-Nr. ***) und der Erschließungsgesellschaft BB (Firmenbuch-Nr. ***). Die Bescheidausfertigende Person, Hr. CC, wurde mit Eingabe vom 21.01.2021 unter Angabe von Gründen als befangen im Verfahren abgelehnt. Gegen das Stadt Y und den in dem Verfahren mitwirkenden Personen: CC, EE, FF, wurde ein Verfahren bei der Datenschutzkommission wegen des Verdachtes auf Verletzung der Datenschutzbestimmungen beantragt. Gegen Hr. GG, der Zugleich in dieser Angelegenheit das Gutachten vom 02.10.2020 zum zugrundeliegenden Bescheid erstellt hat und auch die Funktion als Baupolizei innehat, wird ebenfalls aufgrund des Emailverkehrs und sein ignorierenden Verhaltens gegenüber meiner Person, Befangenheit unterstellt und der Verdacht der Gefälligkeit geäußert - Siehe Eingabe vom 21.1.2021 & ff.
Beweise: Firmenbuchauszug FN ***
- Firmenbuchauszug FN ***
- Datenschutzkommission - Beschwerde vom 19.01.21
- ZV: CC, p.A. Stadt Y, Adresse 2, **** Y
- ZV: EE, p.A. Stadt Y, Adresse 2, **** Y
- ZV: FF, p.A. Stadt Y, Adresse 2, **** Y
- ZV: GG, p.A. Stadt Y, Adresse 2, **** Y
- Emailverkehr mit GG
- Schreiben vom 21.01.2021 an Stadt Y
- Gutachten von GG vom 02.10.2020
• Fehlende Luftfahrtamtliche Genehmigung: Das Gebäude wurde mit 6 oberirdischen Geschossen durch diesen Bescheid genehmigt und befindet sich in der Einflugschneise des Flughafens Y. Lt. bestehenden Gebäuden und Vorschriften, darf hier m.E. max. mit 5 oberirdischen Geschossen errichtet werden. Es wird hier die Begutachtung und ein Lokalaugenschein durch das Bundesministerium für Verkehr beantragt. Da im Spruch des Bescheides diesbezüglich nichts erwähnt wurde, besteht ebenfalls Nichtigkeit und Rechtsunwirksamkeit.
Beweise: Lokalaugenschein
Stellungnahme Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie,
Mobilität und Technologie (bmk), Sektion Luftfahrt/Infrastruktur - Flugplatzangelegenheiten
? Widmung als Studentenwohnheim: Bisher war das Gebäude „JJ“ ebenfalls als Studentenheim gewidmet. Meines Erachtens und aufgrund der wechselnden Besucher, wurde dieses Gebäude bzw. die Wohnungen auf den div. Internet-Plattformen wie „airbnb“ usw. oder ähnliche angeboten und nicht an Studenten vermietet. Es besteht m. E. die Gefahr, dass dies bei Fertigstellung auch weiterhin so gemacht wird. Es besteht hier der Verdacht, dass hier ein Hotelbetrieb ohne Nutzungsgenehmigung entstehen könnte. Im Nicht-Bescheid wurde hier gar nicht eingegangen. Da im Bescheidspruch die entsprechende und ausdrücklich Nutzungseinschränkung nicht gemacht wurde, besteht wieder die Begründung der Nichtigkeit und Rechtsunwirksamkeit des „angefochtenen“ Bescheides.
Beweise: ZV KK, p.A., **** Y, Adresse 3, als bisheriger Hausverwalter des Objektes „JJ“ - Y, Adresse 1 inkl. Hausmeister für das zuständige Objekt
? Gutachten GG vom 02.10.2020: Mehrmals wurde hier der Verdacht der Gefälligkeit begründet geäußert. Die Stadt hätte, wenn Unbefangenheit bestanden hätte, eine neues, unabhängiges Gutachten vorlegen müssen. Da dies nicht geschehen ist und dieses Gutachten, Teil der Bescheides ist, wird der „angefochtene“ Bescheid als nichtig und rechtsunwirksam bewertet.
Beweise: Schreiben v. 21.2.2021 und Email-Verkehr mit dem Betroffenen.
• Grundstücksgrenze: Die Grundstücksgrenze zwischen Adresse 1 wurde bestritten. Die Grenze hätte zw. den Eigentümern Vorort ausverhandelt gehört. Bei Zuziehung von Sachverständigen wurde hier auf die Unbefangenheit und Objektivität verwiesen. Trotzt begründeter strittiger Grenze wurde im Bescheid darauf nicht eingegangen. Daher ist der „angefochtene“ Bescheid nichtig und unwirksam.
Beweise: Stellungnahme v. 30.11.2020 und mangelnde Begründung des Bescheides.
? Privatsphäre/Ruhe/Rauch/Lärm u.a. Emissionen: Auf die o.a. Darstellung der Nichteinhaltung der Grundstücksgrenze, wurde verwiesen. Durch den geplanten direkten Anbau ist bei den Bakonen u. Wohnungen, die Privatsphäre nicht mehr gewährleistet. Es wurde hier in der Bescheidbegründung nicht darauf eingegangen, dass das neu errichtete Gebäude der Adresse 1 um mindestens einen Meter zum Gebäude der Adresse 4 zurückversetzt wird, um keine zukünftigen negative Beeinflussung daraus zu haben, insbesondere wenn dann ein Hotelbetrieb daraus entstehen könnte.
Es wird noch das Recht vorbehalten, weitere Einwendungen spätestens bis zur Verhandlung
beim Landesverwaltungsgericht, vorzubringen.“
Mit einem weiteren Schreiben vom 25.02.2021 wurde der Antrag auf aufschiebende Wirkung wie folgt ausgeführt:
„Unter Bezugnahme auf die am 16. Februar 2021 nachweislich rechtzeitig eingebrachte (Nichtigkeits-) Beschwerde
• Gegen: Bescheid zu ZI. *** v. 25.01.2021
• Ausgefertigt von: Stadt Y, Abt. Baurecht; CC, Adresse 2, **** Y
wird der in dieser Verbindung eingebrachte
ANTRAG
auf aufschiebende Wirkung,
wie folgt zusätzlich unter Verweis auf die Ausführungen der bereits erwähnten (Nichtigkeits-) Beschwerde präzisiert sowie auch die Begründung zur Beschwerde damit ergänzt.
Im betr. Bescheid von Hr. CC und in der gutachterlichen Stellungnahme von Hr. GG, auf die sich der genannte Bescheid ebenfalls beruft, wurde keine Rücksicht genommen, dass wir uns aufgrund der Covidl9-Bestimmungen im Lockdown in Verbindung mit Home-Office, Home-Schooling usw. befinden. Wir Menschen, die wir hier angrenzend wohnen und leben, sind also gezwungen zu Hause zu bleiben und wegen der Ansteckungsgefahr im Sinne der Covidl9-Bestimmungen, unsere Arbeit von zu Hause aus zu machen. Was aufgrund der vergangenen Lärmentwicklung beim Abbruch und der laufenden bei den Baumaßnahmen (Einhämmern der Spindwände, Rüttel-Bohrungen usw.) nicht möglich ist und für die Menschen unvorstellbare Belastungen und Schädigungen der Gesundheit bewirkt. Dies kann sich auch nachhaltig auswirken. Starker Lärm in Verbindung mit starken Vibrationen sind nachweislich gesundheitsschädlich. Beim Abbruch, wurde nachweislich (Emailverkehr) Hr. CC und Hr. GG, darauf aufmerksam gemacht, dass die Menschen gefährdet sind. Es hat sich dann herausgestellt, dass Hr. GG nicht nur das Gutachten über den Abbruch und Bau des betr. Vorhabens erstellt hat, sondern auch zugleich die Baupolizei ist, was meines Erachtens der Österreichischen Rechtsordnung widerspricht.
Über die Lärm- & Gesundheitsbelastungen, die auch hier nachhaltig sind, wurden nachweislich keine Maßnahmen im Verfahren ergriffen. Die Menschen müssen in ihren Wohnungen verweilen und sind diesen enormen Lärm- & Vibrationsbelastungen, voll ausgesetzt, können nicht auf ihre Balkone hinausgehen, die Kinder können aufgrund des Lärms und der Gefahren nicht am Spielplatz im Innenhof spielen. Die Situation ist unmenschlich und kommt einer Folter gleich. Unter Verweis auf die momentanen Covid19-Bestimmungen und der zusätzlichen enormen Belastungen der dort befindlichen zu Hause ausharrenden Menschen, wäre eine vordringliche Behandlung der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung mehr als angebracht.
Vorbehaltlich weiterer Einwendungen.“
Mit Bescheid der belangten Behörde vom 13.04.2021 wurde der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 65 Abs 2 TBO 2018 abgewiesen.
Mit Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde vom 13.04.2021 wurde Folgendes entschieden:
„Mit Bescheid der Stadt Y vom 25.01.2021, ZI. ***, wurde der Erschließungsgesellschaft BB die Baubewilligung für den Abbruch des Bestandsgebäudes und den Neubau eines Studentenwohnheimes im Anwesen Adresse 1 erteilt.
Gegen diesen Bescheid wurde von Herrn AA mit Schreiben vom 16.02.2021, ha. eingelangt am 17.02.2021, ergänzt mit Schreiben vom 25.02.2021, ha. eingelangt am selben Tag, Beschwerde erhoben.
SPRUCH
Die Stadt Y als zuständige Baubehörde gemäß § 63 Abs. 1 Tiroler Bauordnung 2018-TBO 2018, LGBI. Nr. 28/2018, i.d.g.F., entscheidet wie folgt:
I.
Gemäß § 14 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013, i.d.g.F, wird die von Herrn AA gegen den Bescheid der Stadt Y vom 25.01.2021, ZI. ***, erhobene Beschwerde hinsichtlich des Einwandes der Nichteinhaltung der Bebauungsplanbestimmungen (höchster Gebäudepunkt) und der Abstandsbestimmungen des § 6 TBO 2018 als
unbegründet abgewiesen.
II.
Gemäß § 14 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013, i.d.g.F, wird die von Herrn AA gegen den Bescheid der Stadt Y vom 25.01.2021, ZI. ***, erhobene Beschwerde hinsichtlich aller anderen vorgebrachten Beschwerdepunkte als
unzulässig zurückgewiesen.“
Mit dem Schreiben vom 23.04.2021 brachte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Vorlage der Beschwerde an das Verwaltungsgericht ein. Es wurde dazu ausgeführt wie folgt:
„(Nichtigkeits-)Beschwerde
binnen offener Frist
• Gegen: Bescheid zu ZI. Maglbk/7076/BW-BV-BA/1/10 v. 13.04.2021
• Ausgefertigt von: Stadt Y, Abt. Baurecht; CC, Adresse 2, **** Y
• Bescheid zugestellt: 15.04.2021
• Gebühr: keine Gebührenpflicht, da es sich hier um eine zusätzliche rechtsunwirksame, nichtigen Bescheid, wie unten dargestellt handelt.
ANTRAG auf Vorlage der Beschwerde vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol,
ANTRAG auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Senat des
Landesverwaltungsgerichtes (wie bereits ursprünglich gestellt).
Zugleich wird der
ANTRAG
auf aufschiebende Wirkung,
bis zur Ausstellung eines neuen Bescheides wiederholt gestellt. Der Bauwerber geht „irrtümlich“ von einem rechtsgültigen Bescheid aus und hat bereits mit den Baumaßnahmen begonnen. Auf die bereits vorgebrachten Einwendungen wird verwiesen und bleiben aufrecht, dies gilt auch für die gestellten Anträge im Verfahren.
Die „Anfechtung“ des Bescheides, erfolgt noch im zusätzlichen Punkten/Begründung. – Nichtbescheid:
• Nichtigkeit & Rechtsunwirksamkeit: Der angefochtene Bescheid ist nichtig und rechtsunwirksam. Hier wird auf die ursprünglich Beschwerde vom 16.02.2021 verwiesen und wie folgt ergänzt. Der Bescheid vom 25.01.2021 gegen den Nichtigkeitsbeschwerde bereits eingebracht wurde, wurde von Herrn CC, unterfertigt vom FF, ausgefertigt. Die Beschwerdevorentscheidung in der selben Angelegenheit (mit gleicher GZ) vom 13.04.2021, wurde von Herrn CC, unterfertigt vom FF, ausgefertigt. Der ebenfalls nichtige Bescheid vom 13.04.2021, wurde ebenfalls von Herrn CC, unterfertigt vom FF, ausgefertigt. Somit herrscht hier bei den beiden Personen bei der ursprünglichen Ausfertigung des angefochtenen Nicht-Bescheides und der ergangenen Beschwerdevorentscheidung, eine volle Identität. Die Befangenheit wurde bereits bei der ursprünglichen Beschwerde ausgeführt. Herr CC hat selbst noch einen zusätzlichen Beweis zu seiner Befangenheit geliefert Aufgrund der vollkommenen Identität zwischen Ausfertigung des Erstbescheides und Beschwerdevorentscheidung, wurde mir eine rechtsstaatliche Instanz im Instanzenzug genommen. Es werden hier offensichtlich die Grundprinzipien des Österreichischen Rechtsstaates völlig ignoriert, unter dem Verdacht, dass dies billigend in Kauf genommen wird, um hier das ordentliche Verfahren zu verzögern, damit die Baumaßnahmen fortsetzen zu können.
Es wird noch das Recht vorbehalten, weitere Einwendungen spätestens bis zur Verhandlung beim Landesverwaltungsgericht vorzubringen.“
Mit Schreiben vom 06.05.2021 legte die belangte Behörde den Verwaltungsakt dem Landesverwaltungsgericht Tirol vor.
Mit Schreiben vom 11.05.2021 wurde der Bauwerberin die Möglichkeit einer Stellungnahme eingeräumt. Die rechtsfreundliche Vertretung der Bauwerberin hat mit Schreiben vom 20.05.2021 von einer Stellungnahme abgesehen.
Nach Einholung des ergänzenden Bebauungsplanes **4 wurde LL zum hochbautechnischen Amtssachverständigen bestellt. Dieser erstattete in der öffentlichen Verhandlung vom 01.07.2021 sein Gutachten. Der Beschwerdeführer beantragte in dieser Verhandlung, die Richterin als befangen abzulehnen. Das Erkenntnis wurde nach Schluss des Beweisverfahrens mündlich verkündet. Das auf Diktiergerät aufgenommene Protokoll wurde reingeschrieben und mit Schreiben vom 06.07.2021 den Parteien übermittelt. Der Rechtsvertretung der Bauwerberin wurde dieses am 12.07.2021 zugestellt. Dem Beschwerdeführer wurde dies am 19.07.2021 hinterlegt.
Mit E-Mail von MM vom 28.07.2021 wurde um Zustellung einer Ausfertigung der Entscheidung gebeten.
Mit Schreiben vom 26.07.2021 brachte der Beschwerdeführer eine Replik mit dem Antrag auf Änderung des Protokolls über die öffentliche mündliche Verhandlung vom 01.07.2021 und einen Antrag auf Ausfertigung der Entscheidung des Landesverwaltungsgerichtes mit folgendem Inhalt ein:
„Replik
binnen offener Frist
• Gegen: Protokoll zu GZ: LVwG-2021/48/1250-5
• Ausgefertiqt von: Drin Gudrun Müller
• Protokoll zugestellt/hinterlegt: 16.07.2021
&
ANTRAG auf Abänderung des Protokolls über die öffentliche mündliche Verhandlung vom 01.07.2021, zu o.a. GZ
ANTRAG auf Ausfertigung der Entscheidung des Landesverwaltungsgerichtes zu o.a. GZ.
Replik
auf Abänderung des Protokolls,
Seite 3, Absatz 2 „In weiterer Folge stellt der Beschwerdeführer den Antrag, die Richterin als befangen abzulehnen.“
Dieser Befangenheitsantrag wurde von mir wie folgt begründet, diese Begründung scheint im Protokoll nicht auf. Es wurde auf meine Eingaben in diesen Verfahren verwiesen und auf die dort beantragten Zeugenvorladungen wurden von der Richterin ignoriert, als auch die Tatsache, dass Erstbescheid und BVE von denselben Personen ausgefertigt wurde und dadurch eine Instanz genommen wurde. Durch die Einvernahme der dort involvierten Personen, hätte die Richterin über die Befangenheit keine lapidare Ferndiagnose abgeben brauchen.
Es wurde im Protokoll/Verhandlung auch nicht auf meine bisher vorgebrachten Einwendungen und gestellten Anträge im Verfahren eingegangen.“
II. Sachverhalt:
Mit Bescheid der Stadt Y vom 25.01.2021, ZI. ***, wurde der Bauwerberin (Erschließungsgesellschaft BB) die Baubewilligung für den Abbruch des Bestandsgebäudes und den Neubau eines Studentenwohnheimes sowie einer Tiefgarage auf dem Gst **1, inneliegend in EZ **2, KG **3 Z, mit der Adresse Adresse 1, erteilt.
Die Bauwerberin ist die Erschließungsgesellschaft BB, ***, LG Y. Die handelsrechtlichen Geschäftsführer sind PP und QQ. Die DD, ***, LG Y, ist an dem gegenständlichen Verfahren nicht beteiligt und ist nicht Bauwerberin, noch ist sie belangte Behörde. Auch der handelsrechtliche Geschäftsführer dieser Gesellschaft, NN, ist ebenso wenig an diesem Bauverfahren beteiligt ist.
Der Beschwerdeführer ist Miteigentümer des Grundstückes Nr **5, KG Z, welches unmittelbar an den gegenständlichen Bauplatz (Gst. Nr. **1, KG Z) angrenzt.
CC, der den Bescheid als zuständiger Sachbearbeiter erlassen hat, ist an keiner der oben angeführten Gesellschaften beteiligt. Auch für die im Beschwerdeschriftsatz weiter angeführten als befangen abgelehnten Mitarbeiterinnen der Baubehörde, EE und FF, sowie die erkennende Richterin gilt dies gleichermaßen.
Herr GG ist der Amtssachverständige für Hochbau, Brandschutz und Bauphysik der belangten Behörde, der in diesem Verfahren zum Sachverständigen bestellt und das hochbau- und brandschutztechnische Gutachten vom 11.05.2020, 02.10.2020 und 21.12.2020 erstattet hat. Befangenheitsgründe sind nicht hervorgekommen. GG hat in der Baubehörde auch andere Aufgaben wahrzunehmen, außer Gutachten zu erstatten, wie richterweise auch baupolizeiliche Aufgaben. Ein Verdacht der Gefälligkeit oder ein den Beschwerdeführer „ignorierendes Verhalten“ kann nicht festgestellt werden.
Laut dem Flächenwidmungsplan *** vom 22.06.2010 ist die Widmung „M - Allgemeines Mischgebiet gemäß § 40 Absatz 2““ für das Baugrundstück festgelegt. Als Nutzung des Bauvorhabens wurde „Studentenwohnheim“ beantragt.
Für das Baugrundstück gilt der allgemeine Bebauungsplan mit der Bezeichnung *** vom 22.06.2010 und der ergänzende Bebauungsplan mit der Bezeichnung **4 vom 22.06.2010. Aus dem ergänzenden Bebauungsplan ergibt sich die besondere Bauweise und die maximalen Abmessungen der Gebäudeumrisse gemäß § 60 Abs 4 TROG 2016. Über diese Festlegung im Bebauungsplan dürfen nur untergeordnete Bauteile über die angesprochenen Höchstabmessungen des Gebäudes ragen.
Der hochbautechnische Amtssachverständige LL hat diese Vorgaben in den Einreichunterlagen überprüft und festgestellt, dass die an der ostseitigen Außenwand des Gebäudes vorgesehenen Balkone nicht über die im Bebauungsplan festgelegten Festlegungen der höchsten Gebäudeabmessungen ragen. Im nordseitigen Baukörper ragen südseitig Balkone in den Mindestabstandsbereich bzw über die im Bebauungsplan festgelegten Gebäudeabmessungen. Eine diesbezügliche Überprüfung hat ergeben, dass die angesprochenen Balkone als untergeordnete Bauteile zu bewerten sind und sohin über die festgelegten Gebäudeabmessungen ragen dürfen.
Die zulässige Höhe des Gebäudes durch den Bau von sechs oberirdischen Geschoßen wurde durch den Amtssachverständigen der Stadtplanung begutachtet. Im Gutachten vom 02.10.2020 kommt der Amtssachverständige Bmstr. OO zum Ergebnis, dass sowohl die Bestimmungen des Flächenwidmungsplanes, als auch des Bebauungsplanes und insbesondere die vorgesehenen Abstände allesamt eingehalten werden. Dies betrifft auch die zulässige Bauhöhe, die dem Bebauungsplan entspricht.
III. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zu den Gesellschaften waren aus den Firmenbuchauszügen zu treffen, wie dies auch in der Verhandlung vom 01.07.2021 besprochen wurde. Es gab keine Gründe die beantragten Zeugen zum Einwand der Befangenheit einzuvernehmen, da die nicht vorhandenen Beteiligungen an den Gesellschaften aus den Firmenbuchauszügen zu entnehmen war. Auch der Verdacht eines Gefälligkeitsgutachten, wie der Beschwerdeführer vorbringt, hätte durch eine Einvernahme des Amtssachverständigen nicht erhärtet werden können, zumal der im verwaltungsgerichtlichen Verfahren bestellte Amtssachverständige die Beurteilung des behördlichen Amtssachverständigen bestätigte. Eine andere hochbautechnische Beurteilung ist sohin nicht hervorgekommen. Nach der stRsp war auch eine allfällige Befangenheit im behördlichen Verfahren durch das verwaltungsgerichtliche Verfahren saniert. Auch die Nichteinvernahme von beantragten Zeugen begründet keine Befangenheit konnte der Beschwerdeführer damit keine unsachliche Motive ansprechen.
Hinsichtlich der Feststellungen zu der mangelnden Befangenheit der Behörde ist festzuhalten, wie bereits in der Verhandlung vom 01.07.2021 erörtert und von der Richterin in Form von Firmenbuchauszügen vorgelegt, dass es keine personellen Verquickungen und personelle Anhaltspunkte dafür gibt, dass unsachliche Motive bei der Entscheidung des Sachbearbeiters CC eingeflossen sind.
Die Richterin ist nur aus dem Grund, dass sie nicht die Meinung des Beschwerdeführers teilt, jedenfalls nicht befangen.
Im Übrigen wird darauf verwiesen, dass der Antrag auf Ablehnung der Richterin als befangen nicht weiter vom Beschwerdeführer ausgeführt wurde, wie dies auch im Protokoll festgehalten wurde. Ausdrücklich wurde festgehalten, dass keine weiteren Anträge zu diesem Punkt vorgenommen wurden.
Im Übrigen ergibt sich aus dem nun nachträglich vom Beschwerdeführer mit Schreiben vom 26.07.2021 ausgeführten Vorbringen keinerlei Anhaltspunkt für eine Befangenheit der Richterin und erachtet sich diese nicht als befangen. Insbesondere sind die Ausführungen auch zur Protokollrüge nicht nachvollziehbar, da die Richterin erstmals in der Verhandlung als befangen abgelehnt wurde. Es ergibt daher auch keinen Sinn ergeben, auf die „Eingabe in diesem Verfahren“ zu verweisen, um die Befangenheit der Richterin darzustellen, wie nun der Beschwerdeführer ausführt.
Ausschließlich die Nichteinvernahme von beantragten Zeugen begründet keine Befangenheit und konnte vielmehr vom Beschwerdeführer nicht dargelegt werden, dass in einem Baubewilligungsverfahren eine Zeugeneinvernahme erforderlich gewesen wäre, da es an ihm gelegen wäre, die Befangenheitsgründe entsprechend darzustellen, sofern solche vorhanden gewesen wären.
Hinsichtlich der Widmung und der Bebauungsbestimmungen wird auf die entsprechenden raumordnungsrechtlichen Instrumente verwiesen, die ordnungsgemäß erlassen, kundgemacht und rechtswirksam sind. Dies führte auch der hochbautechnische Sachverständige aus und führte er anhand dessen die Ausführungen hinsichtlich der Grundstücksgrenzen und die Ausführungen zum Grenzkataster ohne entsprechende Gegenbeweise des Beschwerdeführers schlüssig und nachvollziehbar aus.
Hinsichtlich den Ausführungen, dass GG ein Gefälligkeitsgutachten erstattet habe, kann den Ausführungen des Beschwerdeführers nicht gefolgt werden, da keinerlei Anhaltspunkte dafür vorliegen. Eine Einvernahme als Zeugen hat sich sohin auch erübrigt.
Auch der Antrag des Beschwerdeführers, den Vertreter der Bauwerberin unter Eid zu vernehmen, entbehrt jeder Rechtsgrundlage und gab es dafür keinerlei Anhaltspunkte. Die Nutzung des Bauvorhabens ergibt sich ausdrücklich und unstrittig aus dem Einreichunterlagen und der Baubeschreibung.
Hinsichtlich des Grenzverlaufs ist der Grenzkataster heranzuziehen, sodass die Grenzen unstrittig sind. Eine Begehung vor Ort hätte sohin auch keine Änderung der Grenzen auslösen können, wie sie unstrittig vom Vermesser in den Einreichunterlagen auch festgehalten wurden. Dies wurde auch vom Amtssachverständigen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens bestätigt.
Hinsichtlich der Widmung und die Einhaltung der raumordnungsrechtlichen Bestimmungen ist auf die Gutachten der angegebenen Amtssachverständigen zu verweisen, deren Beurteilung auch nicht auf gleicher fachlicher Ebene in Frage gestellt wurde. Die Gutachten sind schlüssig und nachvollziehbar, dass das Bauvorhaben die raumordnungs- und baurechtlichen Vorgaben einhält.
IV. Rechtslage:
Es gelten folgende Bestimmungen der Tiroler Bauordnung 2018 – TBO 2018 lautet:
„§ 33
(1) Parteien im Bauverfahren sind der Bauwerber, die Nachbarn und der Straßenverwalter.
(2) Nachbarn sind die Eigentümer der Grundstücke,
a) die unmittelbar an den Bauplatz angrenzen oder deren Grenzen zumindest in einem Punkt innerhalb eines horizontalen Abstandes von 15 m zu einem Punkt der Bauplatzgrenze liegen und
b) deren Grenzen zumindest in einem Punkt innerhalb eines horizontalen Abstandes von 50 m zu einem Punkt der baulichen Anlage oder jenes Teiles der baulichen Anlage, die (der) Gegenstand des Bauvorhabens ist, liegen.
Nachbarn sind weiters jene Personen, denen an einem solchen Grundstück ein Baurecht zukommt.
(3) Nachbarn, deren Grundstücke unmittelbar an den Bauplatz angrenzen oder deren Grenzen zumindest in einem Punkt innerhalb eines horizontalen Abstandes von 5 m zu einem Punkt der Bauplatzgrenze liegen, sind berechtigt, die Nichteinhaltung folgender bau- und raumordnungsrechtlicher Vorschriften geltend zu machen, soweit diese auch ihrem Schutz dienen:
a) der Festlegungen des Flächenwidmungsplanes, soweit damit ein Immissionsschutz verbunden ist,
b) der Bestimmungen über den Brandschutz,
c) der Festlegungen des Bebauungsplanes hinsichtlich der Baufluchtlinien, der Baugrenzlinien, der Bauweise und der Bauhöhe,
d) der Festlegungen des örtlichen Raumordnungskonzeptes nach § 31b Abs. 2 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2016 hinsichtlich der Mindestabstände baulicher Anlagen von den Straßen und der Bauhöhen,
e) der Abstandsbestimmungen des § 6,
f) das Fehlen eines Bebauungsplanes bei Grundstücken, für die nach den raumordnungsrechtlichen Vorschriften ein Bebauungsplan zu erlassen ist, im Fall der Festlegung einer besonderen Bauweise auch das Fehlen eines ergänzenden Bebauungsplanes.
[…]“
V. Erwägungen:
In der Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde wurde die Beschwerde des Beschwerdeführers hinsichtlich des Einwandes der Nichteinhaltung der Bebauungsplanbestimmungen (höchster Gebäudepunkt) und der Abstandsbestimmungen des § 6 TBO 2018 als unbegründet abgewiesen und hinsichtlich aller anderen vorgebrachten Beschwerdepunkte als unzulässig zurückgewiesen.
Nach der Rechtsprechung des VwGH ist Gegenstand eines Baubewilligungsverfahrens stets das vom Antragsteller im Einreichplan und in der Baubeschreibung darzustellende Vorhaben. Insoweit ist ein Bauverfahren ein reines Projektverfahren, in dem über das Bauansuchen und aufgrund der vorliegenden Baubeschreibung und der Einreichpläne zu entscheiden ist.
Das Mitspracherecht des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren ist in zweifacher Weise beschränkt: Es besteht einerseits nur insoweit, als den Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen, und andererseits nur in jenem Umfang, in dem Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat. Das gilt auch für den Nachbarn, der im Sinne des § 42 AVG die Parteistellung behalten hat (VwGH 27.06.2006, 2006/06/0015; 27.11.2003, 2002/06/0062).
Der Beschwerdeführer ist als Miteigentümer des unmittelbar an das Baugrundstück angrenzenden Grundstückes Nr **5, KG Z, Nachbar gemäß § 33 Abs 3 TBO 2018.
Im Nachbarverfahren ist das Verwaltungsgericht in seiner Prüfungsbefugnis auf den Umfang der geltend gemachten zulässigen Mitspracherechte beschränkt. Sämtliche erhobenen Einwände, mit welchen nicht die Verletzung von subjektiv-öffentlichen Nachbarrechten im Sinne des § 33 Abs 3 TBO 2018 geltend gemacht wurde, sind daher unzulässig und waren zurecht von der belangten Behörde zurückzuweisen. Es war daher richtigerweise der Einwand der fehlenden luftfahrtamtlichen Genehmigung als unzulässig zurückzuweisen, da dies kein subjektiv-öffentliches Nachbarrecht gem § 33 Abs 3 TBO darstellt.
Ebenso ist der Einwand des Verdachts des Betriebs eines Hotels – und damit einer nicht genehmigten Nutzung - hier nicht relevant, da eindeutig und ausdrücklich die Nutzung als Studentenwohnheim beantragt wurde. Es kann sohin nur Gegenstand des Baubewilligungsverfahren die Errichtung eines Studentenwohnheimes sein, nicht jedoch eines Hotels. Die Nutzung des Gebäudes als Hotel wurde weder beantragt noch genehmigt.
Der Einwand der Lärmimmission aufgrund der widmungsgemäßen Benützung des Bauwerkes ist ebenso unzulässig, da der Nachbar im üblichen Ausmaß diese hinzunehmen hat (siehe VwGH 27.04.1999, 99/05/0006). Der Einwand der Nichteinhaltung der Privatsphäre durch die Nutzung der Balkone und die damit verbundenen Lärmbelästigungen ist kein subjektiv-öffentliches Nachbarrecht im Sinne der TBO.
Vorschriften über die Ausführung von Bauten begründen ebenso wenig Parteienrechte der Nachbarn im Baubewilligungsverfahren (vgl VwGH 15.07.2003, 2002/05/0743).
Zur eingewendeten Befangenheit:
Es liegen keine Befangenheitsgründe seitens des Sachbearbeiters CC vor, zumal er zur Bauwerberin keine gesellschaftsrechtlichen Beziehungen hat, da er weder Geschäftsführer noch Gesellschafter der Bauwerberin ist. Zu der angeblichen Befangenheit des CC konnten keine konkreten Anhaltspunkte vorgebracht werden, die eine Befangenheit nahelegen würden. Im Übrigen wäre auch sonst nicht klar, auf welcher Grundlage eine allfällige Befangenheit eine andere Beurteilung nach sich gezogen hätte.
Mit dem bloßen Hinweis darauf, der Amtssachverständige sei bei der belangten Behörde tätig, sodass der Verdacht eines Gefälligkeitsgutachtens vorliege, wird eine Hemmung seiner unparteiischen Entschließung durch unsachliche psychologische Motive in Bezug auf die konkreten von ihr zu beurteilenden Fachfragen nicht aufgezeigt (vgl. VwGH 24.10.2018, Ra 2016/04/0040).
Aus der bloßen Zugehörigkeit eines Amtssachverständigen zu einer bestimmten Behörde kann eine Befangenheit im Sinne des § 7 AVG iVm § 53 AVG nicht abgeleitet werden (Hinweis E vom 27.09.2011, 2009/12/0112). § 52 Abs 1 AVG sieht vielmehr ausdrücklich vor, dass die Behörde die ihr beigegebenen oder zur Verfügung stehenden amtlichen Sachverständigen für die Aufnahme eines Beweises durch Sachverständige beizuziehen hat. Nur in den in Abs 2 und Abs 3 dieser Bestimmung genannten Fällen ist ausnahmsweise die Beiziehung einer anderen geeigneten Person als Sachverständigen zulässig (VwGH 03.05.2012, 2010/06/0171)
Der VfGH hat im Erkenntnis VfSlg. 19.902/2014 die Heranziehung von Amtssachverständigen im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten als grundsätzlich zulässig erkannt. Auch nach der Rechtsprechung des EGMR bestehen keine Bedenken im Hinblick auf Art. 6 MRK, wenn einem Gutachten eines Amtssachverständigen im Rahmen der freien Beweiswürdigung kein erhöhter Beweiswert zukommt und diesem unter anderem durch ein Gegengutachten auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten werden kann (vgl. EGMR 06.05.1985, Bönisch/Österreich, 8658/79, Z 32, 33; weiters VwGH 19.12.1996, 93/06/0229, und VwGH 31.5.1999, 98/10/0008). Selbst der Umstand, dass das Verwaltungsgericht den schon von der erstinstanzlichen Behörde tätig gewordenen Amtssachverständigen herangezogen hat, kann das in Art 6 MRK verankerte Recht auf Entscheidung durch ein unabhängiges und unparteiliches Tribunal nicht verletzen, kann doch daraus keine Parteilichkeit des in der Angelegenheit entscheidenden Verwaltungsgericht abgeleitet werden (VwGH 20.03.2018, Ra 2016/05/0102)
Die allfällige Befangenheit eines Sachverständigen kann nur dann mit Erfolg eingewendet werden, wenn sich sachliche Bedenken gegen die Erledigung dieses Verwaltungsorganes ergeben oder besondere Umstände hervorkommen, die geeignet sind, die volle Unbefangenheit desselben in Zweifel zu ziehen, etwa wenn aus konkreten Umständen der Mangel einer objektiven Einstellung gefolgert werden kann. Der Umstand allein, dass der in beiden Instanzen beigezogene Amtssachverständige gleichzeitig Beamter der Behörde erster Instanz ist, vermag keine Bedenken gegen seine volle Unbefangenheit zu begründen, insbesondere auch, weil seine allein auf seiner fachlichen Qualifikation beruhende Begutachtung keinem Weisungsrecht unterliegt (VwGH 29.01.2016, Ra 2016/06/0006). Hingewiesen wird, dass auch die Amtssachverständigen Bmstr. OO und LL, die der Beschwerdeführer nicht als befangen abgelehnt hat, die gleiche fachliche Beurteilung schlüssig und nachvollziehbar darlegten. Die fachliche Bewertung des Amtssachverständigen GG wurde auf fachlicher Ebene daher auch nicht in Frage gestellt.
Die Befangenheit bezieht sich nur auf die jeweilige Person und nicht auf eine Behörde bzw andere Bedienstete einer Behörde (VwGH 27.08.2014, 2013/05/0169). Ein Befangenheitsgrund gem § 7 AVG kann sich daher weder auf eine Behörde (= Organ, dem durch Gesetz die Kompetenz [= „Imperium“] übertragen wurde, einseitig verbindliche Normen zu erlassen) als solche (VwGH 25.04.2002, 2001/07/0161; 23.05.2007, 2005/03/0094) noch auf eine juristische Person (zB eine Gemeinde; vgl VwSlg 2221 A/1951; VwGH 31.03.2004, 2002/06/0002) noch auf eine Dienststelle beziehen (VwGH 12.11.1991, 91/05/0083). Deshalb wirkt etwa der Befangenheitsgrund des § 7 Abs 1 Z 4 AVG nur für den konkreten Bürgermeister bzw Organ, der den erstinstanzlichen Bescheid erlassen hat, nicht aber für dessen Nachfolger (VwGH 27.02.2006, 2005/05/0068). § 7 AVG kennt auch keine Regelung, wonach dann, wenn der Leiter einer Behörde sich wegen Befangenheit seines Amtes zu enthalten hat, auch sämtliche Beamten dieser Behörde „ausgeschlossen“ wären (VwGH 13.12.1988, 88/05/0140; 25.11.1981, 81/03/0157; 02.02.1993, 92/12/0045).
Dazu ist festzuhalten, dass selbst wenn man zu dem Ergebnis des Mitwirkens eines befangenen Organwalters an der Erlassung des unterinstanzlichen Bescheides kommen würde – was gegenständlich nach Ansicht des erkennenden Gerichts nicht zutrifft – ein derartiger Mangel durch eine ausreichend begründete Sachentscheidung der unbefangenen Instanz – hier des Landesverwaltungsgerichts Tirol – saniert wird (vgl. VwGH 23.02.2001, 2000/06/0123; 17.03.2006, 2005/05/0310; 18.06.2013, 2013/10/0136). Eine ersatzlose Aufhebung des Bescheides wegen Unzuständigkeit und eine Verweisung an die zuständige Behörde gemäß § 6 Abs 1 AVG wäre hingegen bereits deshalb nicht zulässig, weil die Befangenheit allein nicht die Unzuständigkeit der unteren Instanz bewirkt (Hengstschläger/ Leeb, AVG § 7 [Stand 1.1.2014, rdb.at] Rz 23).
Gleiches gilt auch für die Befangenheit der Organwalter der belangten Behörde. Auch wenn sich keine Bedenken gegen die sachliche Richtigkeit der abgegebenen Gutachten bzw der angefochtenen Entscheidung ergeben haben, so bleibt letztlich doch festzuhalten, dass allfällige Verfahrensmängel infolge Mitwirkung von befangenen Organwaltern im verwaltungsbehördlichen Verfahren durch ein vor dem Verwaltungsgericht geführtes Verfahren saniert werden (vgl VwGH 21.12.2016, Ra 2016/12/0056, 29.04.2015, Ro 2015/05/0007).
Setzt ein befangenes Organ entgegen § 7 AVG eine Amtshandlung, so ist diese objektiv rechtswidrig. Die Mitwirkung eines befangenen Organs bildet aber – in Ermangelung von Sondervorschriften – weder einen Nichtigkeitsgrund (VwSlg 4942 A/1959; 8644 A/1974) noch einen Unzuständigkeitsgrund, sondern lediglich einen Verfahrensmangel (VwGH 18.03. 2013, 2011/05/0010). Dieser Mangel kann mit dem jeweils gegen den das Verfahren abschließenden Bescheid vorgesehenen Rechtsmittel geltend gemacht werden, dies allerdings nur dann mit Erfolg, wenn Bedenken gegen die sachliche Richtigkeit des Bescheides bestehen (VwGH 26.02.2010, 2009/02/0297).
Maßgeblich für die Befangenheit im Sinne des § 7 Abs 1 Z 3 AVG ist, ob ein am Verfahren Beteiligter bei vernünftiger Würdigung aller konkreten Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des Organwalters zu zweifeln, sodass eine parteiliche Ausübung seines Amtes als wahrscheinlich angesehen werden muss. (VwGH 31.03.2016, Ro 2015/07/0038). Ein subjektives Recht eines Beschwerdeführers auf Ablehnung eines Richters sieht das VwGVG ebenso wenig vor (VwGH 15.11.2017, Ra 2016/08/0184), wie eine Befangenheitsprüfung durch das Landesverwaltungsgericht oder ein subjektives Recht auf Neuzuweisung und Neuentscheidung durch einen anderen Richter.
Eine behauptete Befangenheit eines Richters kann (nur) im Wege einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof bzw einer Revision an den Verwaltungsgerichtshof geltend gemacht werden. Die nach der Geschäftsverteilung im gegenständlichen Beschwerdeverfahren zuständige Richterin erachtet sich nicht für befangen und steht in keinem Naheverhältnis zu den Parteien des gegenständlichen Beschwerdeverfahrens. Sie hegt keinerlei Absichten, einer der Parteien zu schaden oder aus sonstigen unsachlichen Motiven ihre Entscheidung zu treffen.
Eine allfällige mangelhafte Verfahrensführung ist nicht geeignet, einen Mangel an objektiver Einstellung gegenüber dem Beschwerdeführer zu begründen (VwGH 21.10.2009, 2009/06/0088; 31.05.2017, Ra 2017/22/0044).
Wenn der Beschwerdeführer vermeint, dass Befangenheitsgründe geltend gemacht werden könnten, wenn er eine andere Meinung vertritt, und um die entsprechenden Entscheidungsträger abzulehnen, so entspricht dies keiner Befangenheit. im Übrigen bietet der Umstand, dass der Antragsteller als eine Partei eines Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht dessen Entscheidung für unrichtig hält, keine hinreichende Grundlage für die Annahme einer Befangenheit der am Zustandekommen der Entscheidung mitwirkenden Richterin des Verwaltungsgerichts (vgl etwa VwGH 11.2.2019, Ro 2019/03/0004, mwN).
Widmung/Einhaltung der raumordnungsrechtlichen Bestimmungen
Die Bestimmungen des allgemeine Bebauungsplan *** sowie des ergänzenden Bebauungsplans **4 werden durch das Bauvorhaben eingehalten, wie dies auch durch die Amtssachverständigen überprüft und bestätigt wurde und. Es kommt diesem Einwand des Beschwerdeführers daher keine Berechtigung zu. Die Nutzung des Bauvorhabens als Studentenwohnheim ist mit der festgesetzten Widmung zulässig.
Grundstücksgrenze
Hinsichtlich der Grundstücksgrenze ergibt sich aus dem Vermessungsgutachten in den Einreichunterlagen unzweifelhaft, dass das Grundstück des Beschwerdeführers im Grenzkataster zu finden ist und sohin die Grenze unstrittig ist. Gegenteilige Beweise wurden noch nicht vorgelegt.
Steht der Grenzverlauf (der durch den Grenzkataster verbindlich nachgewiesen wird) fest, so ist dieser für die Ermittlung der Grenzabstände maßgeblich (siehe VwGH 29.04.2015, 2013/05/0025). Da sich das gegenständliche Grundstück im rechtsverbindlichen Grenzkataster befindet, ist die Argumentation des Beschwerdeführers hinsichtlich des falschen Grenzverlaufs somit verfehlt.
Zum Einwand der Nichteinhaltung von Abstandsbestimmungen:
Wie bereits oben ausgeführt, wurden die Bestimmungen des allgemeinen und ergänzenden Bebauungsplans ebenso eingehalten wie die Abstandsbestimmungen. Der Einwand war als unbegründet abzuweisen.
Zusammengefasst kann daher festgehalten werden, dass aus dem Ermittlungsverfahren der Behörde und dem ergänzenden Ermittlungsverfahren des Verwaltungsgerichtes sich ergibt, dass keine Rechtswidrigkeit des erlassenen Bescheides vorliegt.
Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Insbesondere stellt auch die Frage, ob ein Sachverständiger in einem bestimmten Verfahren als befangen anzusehen ist, stellt keine grundsätzliche, sondern eine einzelfallbezogene Rechtsfrage dar, welche die Zulässigkeit einer Revision jedenfalls dann nicht zu begründen vermag, wenn das Verwaltungsgericht diese Frage vertretbar gelöst hat (vgl. VwGH 17.5.2017, Ra 2017/02/0095).
Begründung zum Beschluss über den Antrag auf Protokollberichtigung
Sachverhalt:
Der Beschwerdeführer lehnte die Richterin in der Verhandlung vom 01.07.2021 ab. Die Richterin protokollierte dies. Weitere Ausführungen machte der Beschwerdeführer nicht.
Mit dem mündlich verkündeten Erkenntnis vom 01.07.2021 wurde die Beschwerde des Beschwerdeführers abgewiesen. Das Erkenntnis wurde daher bereits in der mündlichen Verhandlung nach Durchführung des Beweisverfahrens am 01.07.2021 mündlich verkündet.
Mit Schreiben vom 06.07.2021 wurde dem Beschwerdeführer das mittels Schallträger verfasste Verhandlungsprotokoll gemäß § 29 Abs 2a VwGVG übermittelt.
Mit Schreiben vom 26.07.2021 beantragte der Beschwerdeführer die Abänderung des Protokolles dahingehend, dass er den Befangenheitsantrag hinsichtlich der Richterin begründet hätte und machte dementsprechend Ausführungen, wie das Protokoll abgeändert werden solle.
Beweiswürdigung:
Die Feststellungen ergeben sich aus dem Protokoll, das mittels Schallträger verfasst und in weiterer Folge übertragen wurde. Ausführungen zur Befangenheit der Richterin hat der Beschwerdeführer nicht gemacht, sodass dies auch nicht ins Protokoll aufgenommen wurde. Er hat dieser Protokollierung nicht widersprochen und keine Ergänzungen oder weitere Anträge gestellt.
Im Übrigen ergibt sich aus dem nun nachträglich vom Beschwerdeführer mit Schreiben vom 26.07.2021 ausgeführten Vorbringen keinerlei Anhaltspunkt für eine Befangenheit der Richterin und erachtet sich diese nicht als befangen. Insbesondere sind die Ausführungen auch zur Protokollrüge auch deshalb nachvollziehbar, da die Richterin erstmals in der Verhandlung als befangen abgelehnt wurde. Es ergibt daher auch keinen Sinn ergeben, auf die „Eingabe in diesem Verfahren“ zu verweisen, um die Befangenheit der Richterin darzustellen, wie nun der Beschwerdeführer ausführt.
Rechtslage:
Die hier wesentliche Bestimmung aus dem AVG ist folgende:
„Niederschriften
§ 14. […]
(7) Die Niederschrift oder Teile davon können unter Verwendung eines Schallträgers oder in Kurzschrift aufgenommen werden. Die Angaben gemäß Abs. 2, die Feststellung, daß für die übrigen Teile der Niederschrift ein Schallträger verwendet wird, und die Tatsache der Verkündung eines mündlichen Bescheides sind in Vollschrift festzuhalten. Die Aufzeichnung und die in Kurzschrift aufgenommenen Teile der Niederschrift sind unverzüglich in Vollschrift zu übertragen. Die beigezogenen Personen können bis zum Schluß der Amtshandlung die Zustellung einer Ausfertigung der Übertragung verlangen und binnen zwei Wochen ab Zustellung Einwendungen wegen behaupteter Unvollständigkeit oder Unrichtigkeit der Übertragung erheben. Wird eine solche Zustellung beantragt, so darf die Aufzeichnung frühestens einen Monat nach Ablauf der Einwendungsfrist, ansonsten frühestens einen Monat nach erfolgter Übertragung gelöscht werden.“
Erwägungen:
Der nunmehr nach Erlassung des Erkenntnisses gestellte Antrag auf Protokollberichtigung vom 26.07.2021 hinsichtlich der am 01.07.2021 im Zuge der öffentlichen mündlichen Verhandlung in der gegenständlichen Beschwerdesache erstellten Verhandlungsschrift zielt auf einen verfahrensleitenden Beschluss hinsichtlich einer für die Enderledigung maßgeblichen vollständigen und richtigen Verhandlungsschrift ab. Ein solcher verfahrensleitender Beschluss ist naturgemäß nicht gesondert anfechtbar, sondern nur im Rahmen der Anfechtung der Enderledigung.
Somit setzt die Fassung eines derartigen verfahrensleitenden Beschlusses ein Verfahren voraus, das noch offen und noch nicht entschieden ist. Im gegenständlichen Fall ist allerdings bereits vor der Stellung des gegenständlichen Antrages auf Protokollberichtigung vom 26.07.2021 die das Verfahren beendende Entscheidung erlassen worden. Somit liegt keine gesetzliche Grundlage für eine inhaltliche Befassung mit dem auf einen verfahrensleitenden Beschluss abzielenden Antrag mehr vor, da ein dafür erforderliches offenes Beschwerdeverfahren nicht mehr existiert (vgl LVwG Niederösterreich22.12.2020, LvWG-AV-1060/002-2020; 27.08.2018, LVwG-AV-16/002-2018).
Im Übrigen wird angemerkt, dass ein bei der öffentlich mündlichen Verhandlung erstelltes Tonbandprotokoll ein sogenanntes Resumeeprotokoll darstellt, in dem der Verlauf und der Inhalt der Verhandlung richtig und verständlich wiedergegeben wird, weshalb naturgemäß auch nicht jede von den Parteien gemachte Äußerung festzuhalten ist, sondern nur insoweit, dass eine solche Äußerung von Relevanz für das Verfahren ist. Zudem schließt eine solcherart zu erstellende Verhandlungsschrift per se einen nachträglichen Anschluss eines von einer Partei des Verfahrens nachträglich vorgenommene Ergänzung eines Antrages aus.
Es war daher dem Antrag keine Folge zu geben.
Unzulässigkeit der Revision:
Die ordentliche Revision war im vorliegenden Fall nicht zuzulassen, da in Ansehung der klaren Rechtslage keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen war und im Übrigen die vorliegende Entscheidung auch nicht der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes widerspricht und gemäß § 25a eine gesonderte Anfechtung nicht zulässig ist.
Gegen einen verfahrensleitenden Beschluss (vgl dazu VwGH vom 24.03.2015, 2014/05/0089) ist gemäß § 25a Abs 3 VwGG eine abgesonderte Revision und somit eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig ist.
Landesverwaltungsgericht Tirol
Dr.in Müller, LL.M.
(Richterin)
Schlagworte
Befangenheit; Nachbareinwendungen; ProtokollrügeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGTI:2021:LVwG.2021.48.1250.8Zuletzt aktualisiert am
02.09.2021