Entscheidungsdatum
18.08.2021Index
81/01 WasserrechtsgesetzNorm
WRG 1959 §21bText
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Dr. Hirn über die Beschwerde der Marktgemeinde Z, vertreten durch AA, Adresse 1, **** Z, diese vertreten durch BB und CC, Rechtsanwälte in **** Y, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y (= belangte Behörde) vom 24.05.2021,
Zl ***, betreffend einen Wiederherstellungsauftrag nach § 138 WRG 1959 sowie einen Antrag nach § 21b WRG 1959,
zu Recht:
1. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
2. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Verfahrensgang:
Mit Bescheid vom 16.04.2021, Zl ***, hat die Bezirkshauptmannschaft Y der Marktgemeinde Z unter Vorschreibung von Nebenbestimmungen die wasserrechtliche (Spruchpunkt I.) und die naturschutzrechtliche Bewilligung (Spruchpunkt II.) für den Neubau der DD über EE (Flkm 28,450) auf den Gsten Nrn **1 und **2, beide GB ***** Z, sowie dem Gst Nr **3, GB ***** Z Land, erteilt.
Mit Schriftsatz vom 14.05.2021 hat die Marktgemeinde Z unter Hinweis auf die wasserbautechnische Nebenbestimmung 8. des Spruchpunktes I./E. des Bescheides vom 16.04.2021, Zl ***, beantragt, die Bauarbeiten im Flussbett bis maximal zum 11.06.2021 durchführen zu dürfen. Über Ersuchen der belangten Behörde vom 18.05.2021 hat sich der wasserbautechnische Amtssachverständige FF in seiner Stellungnahme vom 19.05.2021, Zl ***, zur Einhaltung der wasserbautechnischen Nebenbestimmung 8. und zur beantragten Abänderung dieser Nebenbestimmung geäußert. Ausgehend von der vorgefundenen aktuellen Situation hat der wasserbautechnische Amtssachverständige die aus seiner Sicht umgehend durchzuführenden Maßnahmen formuliert.
Aufgrund der am 18.05.2021 festgestellten Arbeiten im Flussbett hat die Bezirkshauptmannschaft Y den Bescheid vom 24.05.2021, Zl ***, erlassen, dessen Spruchpunkte I. bis IV. wie folgt lauten:
„I.:
Die entgegen der ha. Bewilligung vom 16.04.2021, Zahl *** anhaltenden Bauarbeiten sind unverzüglich (SOFORT) einzustellen!
II.:
Um das aktuelle Gefährdungspotential der EE zu minimieren, sind unverzüglich (SOFORT) folgende Maßnahmen zu setzen (Wiederherstellung des gesetzmäßigen Zustandes):
1. Die Vorschüttungen sind vollständig aus dem Flussbett der EE zu entfernen.
2. Die Spundwandkästen sind weitgehend zu entfernen. Nur die jeweils landseitige Rückwand ist zum Schutz der Ufer zu belassen.
3. Die bereits teilweise hergestellten, nicht mehr entfernbaren Widerlager der neuen Brücke sind in Abstimmung mit der wasserrechtlichen Bauaufsicht mit vor Ort befindlichen Wasserbausteinen nach Möglichkeit ober- und unterwasserseitig lokal zu sichern, ohne dass der dazwischenliegende Abflussquerschnitt weiter eingeschränkt wird.
4. Die durchgeführten Maßnahmen sind von der von der Markgemeinde Z namhaft gemachten Bauaufsicht zu betreuen und in Wort und Bild zu dokumentieren. Die Dokumentation ist der ha. Behörde unaufgefordert vorzulegen.
III.:
Der Antrag der Marktgemeinde Z auf Abänderung der Nebenbestimmung 8 wird aufgrund von Gefahr im Verzug als unbegründet abgewiesen.
IV.:
Eine gegen diesen Bescheid eingebrachten Beschwerde wird wegen Gefahr im Verzug die aufschiebende Wirkung aberkannt.“
Mit Schriftsatz vom 21.06.2021 hat die Marktgemeinde Z, vertreten durch AA, diese vertreten durch BB und CC, Rechtsanwälte in **** Y, Beschwerde erhoben und beantragt, „das Landesverwaltungsgericht Tirol wolle eine mündliche Verhandlung anberaumen und den Bescheid der BH Y vom 24.05.2021, ***, aufheben“.
Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides bringt die Beschwerdeführerin vor, die Baueinstellung sei nicht exakt bestimmt. Das Nebeneinander von zwei Begriffen („unverzüglich“ und „sofort“) lasse darauf schließen, dass es sich um zwei Begriffe mit unterschiedlichem Inhalt handle. Daher sei dem Bestimmtheitsgebot nicht Genüge getan worden. Aufgrund des konkreten Wasserstandes sei auch keine Hochwassergefahr gegeben gewesen.
Zu Spruchpunkt II. bringt die Beschwerdeführerin vor, die Vorschüttungen und die Eintragung von Spundwänden sei nicht von ihr als Auftraggeberin sondern von der bauausführenden Firma zu verantworten. Ebenso habe die bauausführende Firma die Beschädigungen an der Sohlschwelle zu verantworten. Das Planungsbüro als auch die behördliche Aufsicht hätten ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Vorschüttungen nicht erfolgen dürften und es auch nicht zu einer Zerstörung der Sohlschwelle kommen dürfe. Die in Spruchpunkt II./1. des angefochtenen Bescheides aufgetragene Maßnahme sei daher nicht an sie als Auftraggeberin zu richten gewesen.
Zu den sonstigen, in Spruchpunkt II./2., 3. und 4. des angefochtenen Bescheides vorgeschriebenen Maßnahmen hält die Beschwerdeführerin fest, diese Vorschreibungen seien unpräzise, unbestimmt und nicht vollstreckbar, und führt dies näher aus. Zudem bemängelt sie die unterbliebene rechtliche Auseinandersetzung mit den vom wasserbautechnischen Amtssachverständigen geforderten Maßnahmen.
Zu den Spruchpunkten III. und IV. des angefochtenen Bescheides hält die Beschwerdeführerin fest, die belangte Behörde habe die von ihr behauptete „Gefahr in Verzug“ nicht begründet. Darüber hinaus bemängelt die Beschwerdeführerin, dass die belangte Behörde zum Antrag vom 14.05.2021 „um Verlängerung für die Bauarbeiten im Flussbett bis maximal zum 11.06.2021“ keine entsprechenden Erhebungen durchgeführt habe.
Mit Schriftsatz vom 23.06.2021, Zl ***, hat die Bezirkshauptmannschaft Y den Gegenstandsakt mit dem Ersuchen um Entscheidung über die Beschwerde der Marktgemeinde Z gegen den Bescheid vom 24.05.2021, Zl ***, vorgelegt.
Über Ersuchen des Landesverwaltungsgerichts Tirol hat der wasserbautechnische Amtssachverständige FF seine an die belangte Behörde gerichtete Stellungnahme vom 22.06.2021, Zl ***, übermittelt und die darin getroffenen Angaben auch unter Berücksichtigung der Beschwerde der Marktgemeinde Z aufrechterhalten.
II. Sachverhalt:
1. Wasserrechtliche und naturschutzrechtliche Bewilligung:
Mit Bescheid vom 16.04.2021, Zl ***, hat die Bezirkshauptmannschaft Y der Marktgemeinde Z die wasserrechtliche (Spruchpunkt I.) und naturschutzrechtliche Bewilligung (Spruchpunkt II.) unter Vorschreibung von Nebenbestimmungen erteilt. Die wasserbautechnische Nebenbestimmung 8. des Spruchpunktes I./E. des Bescheides vom 16.04.2021, Zl ***, lautet wie folgt:
„8. Die Bauarbeiten im Flussbett dürfen nur in der Niederwasserperiode zwischen 15. September und 15. Mai jeden Jahres durchgeführt werden. Außerhalb dieser Zeiträume sind sämtliche temporären Bauwerke und Lehrgerüste aus dem Flussbett der EE zu entfernen.“
2. Baumaßnahmen:
Auf der Grundlage des rechtskräftigen Bescheides vom 16.04.2021, Zl ***, wurde mit dem Neubau der DD begonnen. Als Bauaufsicht hat die Marktgemeinde Z mit Schriftsatz vom 23.04.2021 GG (JJ) namhaft gemacht. Am 18.05.2020 waren die Arbeiten an dieser Baustelle im Gange. Auf beiden Seiten der EE befanden sich die Spundwandkästen für die Herstellung der Widerlager im Abflussprofil. Durch die zusätzlich als Baustraßen genutzten Vorschüttungen kam es zu einer weiteren deutlichen Einengung des Abflussprofiles zwischen den Spundwandkästen. Insgesamt war daher zum damaligen Zeitpunkt (18.05.2021) der Abflussquerschnitt die EE im Baustellenbereich massiv eingeschränkt. Aufgrund dieser Situation waren die in der wasserbautechnischen Nebenbestimmung 8. des Spruchpunktes I./E. des Bescheides vom 16.04.2021, ***, nicht eingehalten. Aus wasserbautechnischer Sicht waren daher umgehend die nachfolgenden Maßnahmen durchzuführen:
? vollständige Entfernung der Vorschüttungen aus dem Flussbett der EE
? Entfernung der Spundwandkästen; lediglich die jeweils landseitige Rückwand war zum Schutz der Ufer zu belassen
? lokale ober- und unterwasserseitige Sicherung der bereits teilweise hergestellten, nicht mehr entfernbaren Widerlager der neuen Brücke ohne weitere Einschränkungen des dazwischenliegenden Abflussquerschnittes
Diese Maßnahmen wurden bis zum 18.06.2021 vollständig umgesetzt.
3. Zur beantragten Abänderung der wasserbautechnischen Nebenbestimmung 8.:
Für den beantragten „Übergangszustand“ bis zum 11.06.2021 sollten die Vorschüttungen entfernt und die Spundwandkästen im Abflussprofil belassen werden. Unter Berücksichtigung des 30-jährlichen Hochwassers (HQ30) hätte dies folgende Auswirkungen gehabt:
Die durch die Spundwandkästen bewirkte Einschnürung führt zu einer deutlichen Anhebung des Wasserspiegels bei HQ30. Im Gegensatz zum Ist-Zustand käme es zu einer Überströmung auf der orographischen rechten Seite der EE oberhalb der im Bau befindlichen Brücke auf einer Länge von rund 40 Metern. Die Anhebung des Wasserspiegels bei HQ30 bewirkt somit die zumindest teilweise Überflutung weiterer Grundstücke.
Der mit Antrag vom 14.05.2021 vorgesehene „Übergangszustand“ bis zum 11.06.2021 hätte daher den Hochwasserablauf sowie bestehende Regulierungen beeinträchtigt.
III. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen des Kapitels 1. der Sachverhaltsdarstellung des gegenständlichen Erkenntnisses ergeben sich aus dem Bescheid vom 16.04.2021, ***, und sind nicht weiter strittig.
Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, dass am 18.05.2021 die Bauarbeiten zur Neuerrichtung der DD im Gange waren. Die Situation vor Ort am 18.05.2021 ist durch die von der belangten Behörde anlässlich des Lokalaugenscheines angefertigten Lichtbilder dokumentiert. Auf der Grundlage der im Zuge des Lokalaugenscheines angefertigten Lichtbildern hat der wasserbautechnische Amtssachverständige in seiner Stellungnahme vom 19.05.2021, ***, schlüssig und nachvollziehbar die vorgefundene Situation im Hinblick auf den Abschlussquerschnitt beschrieben, sich nachvollziehbar zur Einhaltung der wasserbautechnischen Nebenbestimmung 8. geäußert und die aus wasserbautechnischer Sicht umgehend durchzuführenden Maßnahmen zur Minimierung des Schadenpotenzials im Falle eines Hochwasserereignisses formuliert (vgl Kapitel 1., 2. und 4. der Stellungnahme vom 19.05.2021, Zl ***).
Die Umsetzung der mit Spruchpunkt II. des Bescheides vom 24.05.2021, Zl ***, der Beschwerdeführerin aufgetragenen Maßnahmen hat der wasserbautechnische Amtssachverständige in seiner Stellungnahme vom 22.06.2021 bestätigt.
Dementsprechend lauten die Feststellungen des Kapitels 2. der Sachverhaltsdarstellung des gegenständlichen Erkenntnisses.
Zu der mit Antrag vom 14.05.2021 begehrten Abänderung der wasserbautechnischen Nebenbestimmung 8. hat die JJ dem wasserbautechnischen Amtssachverständigen ergänzende Berechnungen und Unterlagen zu einem möglichen Übergangszustand bis zum 11.06.2021 übermittelt. Der wasserbautechnische Amtssachverständige hat sich in weiterer Folge in Kapitel 3. seiner Stellungnahme vom 19.05.2021, Zl ***, mit der beantragten Verlängerung im Hinblick auf ein HQ30 auseinandergesetzt. Seine schlüssigen Darlegungen bilden die Grundlage für die Feststellungen des Kapitels 3. des gegenständlichen Erkenntnisses. Zu weitergehenden Ermittlungen war die belangte Behörde im Hinblick auf die ausreichenden Darlegungen des wasserbautechnischen Amtssachverständigen nicht verpflichtet. Der wasserbautechnische Amtssachverständige hat die geplante Abänderung und die damit verbundene Auswirkung für den Hochwasserabfluss beurteilt. Dass aufgrund der tatsächlichen Wettersituation ein Hochwasserereignis im Zeitraum bis zum 11.06.2021 nicht stattgefunden hat, vermag eine Mangelhaftigkeit des von der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens nicht zu begründen.
IV. Rechtslage:
1. Wasserrechtsgesetz 1959:
Die entscheidungswesentlichen Bestimmungen des Wasserrechtsgesetzes 1959, BGBl Nr 215/1959 in den Fassungen BGBl I Nr 155/1999 (§ 138) und BGBl I Nr 14/2011 (§ 21b), lauten samt Überschriften auszugsweise wie folgt:
„§ 21b. Die nach diesem Bundesgesetz vorgeschriebenen Auflagen sind auf Antrag mit Bescheid aufzuheben oder abzuändern, wenn und soweit die Voraussetzungen für ihre Vorschreibung nicht mehr vorliegen.“
„Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes
§ 138. (1) Unabhängig von Bestrafung und Schadenersatzpflicht ist derjenige, der die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes übertreten hat, wenn das öffentliche Interesse es erfordert oder der Betroffene es verlangt, von der Wasserrechtsbehörde zu verhalten, auf seine Kosten
a) eigenmächtig vorgenommene Neuerungen zu beseitigen oder die unterlassenen Arbeiten nachzuholen,
b) Ablagerungen oder Bodenverunreinigungen durch geeignete Maßnahmen zu sichern, wenn die Beseitigung gemäß lit. a nicht oder im Vergleich zur Sicherung an Ort und Stelle nur mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten (Aufwand) möglich ist,
c) die durch eine Gewässerverunreinigung verursachten Mißstände zu beheben,
d) für die sofortige Wiederherstellung beschädigter gewässerkundlicher Einrichtungen zu sorgen.
[…]“
2. Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz:
Die entscheidungswesentlichen Bestimmungen des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG), BGBl I Nr 33/2013 in der Fassung BGBl I Nr 138/2017, lauten samt Überschriften auszugsweise wie folgt:
„Verhandlung
§ 24. (1) Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
(2) Die Verhandlung kann entfallen, wenn
1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben oder die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig zu erklären ist oder
2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist;
3. wenn die Rechtssache durch einen Rechtspfleger erledigt wird.
(3) Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.
(4) Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen.“
„Erkenntnisse
§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
[…].“
V. Erwägungen:
1. Zur Rechtzeitigkeit der Beschwerde:
Gemäß § 7 Abs 4 VwGVG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde vier Wochen.
Die Zustellung des Bescheides vom 24.05.2021, Zl ***, an die zum damaligen Zeitpunkt noch nicht rechtsfreundlich vertretene Beschwerdeführerin erfolgte am 26.05.2021. Die Beschwerde vom 21.06.2021 ist an diesem Tag und damit innerhalb der vierwöchigen Beschwerdefrist bei der Bezirkshauptmannschaft Y eingelangt. Die rechtsfreundlich vertretene Marktgemeinde Z hat somit ihre Beschwerde rechtzeitig erhoben.
2. In der Sache:
2.1. Zu den Spruchpunkten I. und II. des angefochtenen Bescheides:
2.1.1. Zum Tatbestand des § 138 WRG:
Die Erlassung eines wasserpolizeilichen Auftrages setzt eine Übertretung des WRG 1959 voraus (VwGH 10.08.2000, 2000/07/0031). Aus dem Wort „Übertretung“ in § 138 Abs 1 WRG 1959 darf nicht geschlossen werden, dass nur solche Missstände nach § 138 WRG 1959 verfolgt werden können, die zugleich einen Straftatbestand nach § 137 WRG 1959 darstellen. Als Übertretung im Sinne des § 138 WRG 1959 ist vielmehr allgemein die Missachtung der im WRG 1959 sonst normierten Pflichten zu verstehen [Berger in Oberleitner/Berger, WRG-ON4.01 § 138 (Stand: 1.9.2020, rdb.at)]. Auch ist nicht erforderlich, dass die Übertretung schuldhaft begangen wird, sondern ist vielmehr ausreichend, dass der dem WRG 1959 zuwiderlaufende Zustand objektiv verwirklicht wurde (VwGH 26.01.2006, 2004/007/0136). Eine Übertretung in diesem Sinn ist notwendig und hinreichende Bedingung für ein Vorgehen nach § 138 WRG 1959 [VwGH 29.10.1998, 96/07/0006; Berger in Oberleitner/Berger,
WRG-ON4.01 § 138 (Stand: 1.9.2020, rdb.at)].
Eine Maßnahme ist dann als eigenmächtige Neuerung im Sinn des § 138 Abs 1 WRG 1959 zu beurteilen, wenn für sie eine wasserrechtliche Bewilligung erforderlich ist, diese aber nicht erwirkt wurde. Es kann sich dabei um völlig konsenslose, aber auch um konsensüberschreitende Veränderungen handeln [Berger in Oberleitner/Berger, WRG-ON4.01 § 138 mit weiteren Nachweisen (Stand: 1.9.2020, rdb.at)].
2.1.2. Zu den Vorschreibungen des angefochtenen Bescheides:
Gemäß der wasserbautechnischen Nebenbestimmung 8. des Spruchpunktes I./E. des Bescheides vom 16.04.2021, ***, durften Bauarbeiten im Flussbett nur in der Niederwasserperiode „zwischen 15. September und 15. Mai jeden Jahres durchgeführt werden“. Außerhalb dieser Zeit waren und sind sämtliche temporären Bauwerke und Lehrgerüste aus dem Flussbett der EE zu entfernen. Am 18.05.2021 fanden Bauarbeiten im Flussbett der EE statt. Diese konsenslos durchgeführten Bauarbeiten berechtigten die belangten Behörde zu einem Vorgehen nach § 138 Abs 1 lit a WRG 1959.
Die Einstellung der Bauarbeiten (vgl Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides) und die Vorschreibung von Maßnahmen zur Minimierung des aktuell gegebenen Gefährdungspotenzials (vgl Spruchpunkt II. des Bescheides vom 24.05.2021, Zl ***) sind durch § 138 Abs 1 lit a WRG 1959 rechtlich gedeckt.
Entgegen dem Vorbringen der Beschwerdeführerin ist die mit Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides verfügte Einstellung der Bauarbeiten eindeutig formuliert. Mit den Worten „unverzüglich“ und „sofort“ hat die belangte Behörde klar zum Ausdruck gebracht, dass die Bauarbeiten ohne Aufschub zu beenden sind.
Träger der mit Spruchpunkt I. des Bescheides vom 16.04.2021, Zl ***, erteilten wasserrechtlichen Bewilligung ist die Marktgemeinde Z. Sie ist Bauherrin betreffend die Neuerrichtung der DD über die EE. Die im Zusammenhang mit diesem Bauvorhaben getroffenen Maßnahmen durch die beauftragten Firmen sind der Beschwerdeführerin als Bauherrin zuzurechnen. Die belangte Behörde hat daher zu Recht die Aufforderung, Vorschüttungen vollständig aus dem Flussbett der EE zu entfernen, an die Marktgemeinde Z als Bauherrin gerichtet.
Die Behauptung der Beschwerdeführerin, die weiteren Aufträge ? vgl Spruchpunkt II./2., 3. und 4. des angefochtenen Bescheides ? seien zu unpräzise und unbestimmt und folglich nicht vollstreckbar, sind für das Landesverwaltungsgericht Tirol nicht schlüssig. Spruchpunkt II./2. des angefochtenen Bescheides ist klar zu entnehmen, dass die Spundwandkästen zu entfernen sind und lediglich die jeweils landseitige Rückwand zum Schutz der Ufer zu belassen ist. Gemäß Spruchpunkt II./3. des angefochtenen Bescheides sind die bereits teilweise hergestellten, nicht mehr entfernbaren Widerlager der neuen Brücke mit Wasserbausteinen ober- und unterwasserseitig lokal zu sichern. Bei dieser Sicherung darf der dazwischenliegende Abflussquerschnitt nicht eingeschränkt werden. Spruchpunkt II./4. des angefochtenen Bescheides verpflichtete die Beschwerdeführerin, die durchgeführten Maßnahmen zu dokumentieren. Die hinreichende Bestimmtheit der vorgeschriebenen Maßnahmen macht der Umstand deutlich, dass diese vollständig umgesetzt werden konnten und auch vollständig umgesetzt worden sind.
2.2. Zur beantragten Abänderung der wasserbautechnischen Nebenbestimmung 8.
(vgl Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides):
Der Antrag der Beschwerdeführerin auf Abänderung der wasserbautechnischen Nebenbestimmung 8. in Spruchpunkt I./E. des Bescheides vom 16.04.2021, Zl ***, ist als solcher nach § 21b WRG 1959 zu qualifizieren. Diese Bestimmung bezieht sich zweifelslos auf Auflagen in Bewilligungsbescheiden, gegebenenfalls auch in Kollaudierungsbescheiden oder Bescheiden nach § 21a WRG 1959.
Eine Abänderung ist nach dieser Bestimmung nur zulässig, „wenn und soweit die Voraussetzungen für ihre Vorschreibung nicht mehr vorliegen“.
Die wasserbautechnische Nebenbestimmung 8. zielt darauf ab, die Durchführung von Bauarbeiten im Flussbett ausschließlich während der Niederwasserperiode zuzulassen. Zur besseren zeitlichen Umschreibung wird diese Periode auf den Zeitraum vom 15.09. bis 15.05. jeden Jahres festgelegt.
Die von der Beschwerdeführerin begehrte Verlängerung und die damit geschaffene Abflusssituation bewirkt jedoch eine deutliche Anhebung des Wasserspiegels bei einem HQ30. Die verfahrensgegenständliche wasserbautechnische Nebenbestimmung 8. zielt darauf ab, die mit einem Hochwasserereignis verbundenen Nachteile für den Ablauf des Wassers möglichst einzuschränken. Dieses Gefährdungspotenzial ist im Hinblick auf die von der Beschwerdeführerin begehrte Abänderung des wasserbautechnischen Nebenbestimmung 8. nicht weggefallen. Damit fehlt es aber an der rechtlichen Grundlage, die zitierte wasserbauchtechnische Nebenbestimmung im Sinne des Antrages der Beschwerdeführerin abzuändern.
2.3. Zu Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides:
Mit Spruchpunkt IV. hat die belangte Behörde einer gegen die Spruchpunkte I. bis III. des Bescheides vom 24.05.2021, Zl ***, eingebrachten Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt. Eine nähere Auseinandersetzung mit dem gegen Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides erstatteten Vorbringen erübrigt sich, da mit dem gegenständlichen Erkenntnis das Landesverwaltungsgericht Tirol inhaltlich über die Beschwerde der Marktgemeinde Z gegen die Spruchpunkte I. bis III. des Bescheides vom 24.05.2021, Zl ***, und damit in der Sache selbst entscheidet.
3. Ergebnis:
3.1. Zu Spruchpunkt 1. des gegenständlichen Erkenntnisses:
Die belangte Behörde war zur Einstellung der Bauarbeiten (vgl Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides) und zur Erlassung der in Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides enthaltenen Aufträge gemäß § 138 Abs 1 lit a WRG 1959 berechtigt. Beide Spruchpunkte sind entgegen dem Vorbringen der Beschwerdeführerin hinreichend bestimmt und folglich auch nicht rechtswidrig.
Im gegenständlichen Fall ist nicht entscheidungsrelevant, dass die in Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides vorgeschriebenen Aufträge bereits umgesetzt worden sind. Die Herbeiführung des mit Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides geforderten Zustandes bildet nämlich keine für das Beschwerdeverfahren relevante Änderung des Sachverhaltes. In diesem Fall ist die Sachlage nicht anders zu sehen, als ob nach Erlassung des verpflichtenden Bescheides nichts geschehen wäre [Hengstschläger/Leeb, AVG § 66 (Stand: 1.7.2007, rdb.at)].
Die rechtlichen Voraussetzungen für die von der Beschwerdeführerin begehrte Abänderung der wasserbautechnischen Nebenbestimmung 8. sind nicht gegeben. Die Abweisung des diesbezüglichen Ansuchens der Beschwerdeführerin mit Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides ist daher nicht rechtswidrig.
Dementsprechend ist die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. bis III. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen. Aufgrund der inhaltlichen Entscheidung über die Beschwerde der Marktgemeinde Z erübrigt sich eine nähere Auseinandersetzung mit der in Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides angeordneten Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde. Auch betreffend Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides war die Beschwerde daher als unbegründet abzuweisen.
Dementsprechend lautet Spruchpunkt 1. des gegenständlichen Erkenntnisses.
3.2. Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:
Die Beschwerdeführerin hat in ihrem Rechtsmittel ausdrücklich die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt. Ungeachtet eines Parteienantrags kann das Landesverwaltungsgericht Tirol bei Vorliegen der in § 24 Abs 4 VwGVG umschriebenen Voraussetzungen von einer mündlichen Verhandlung absehen. Zu dieser Bestimmung hielt der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt fest, dass der Gesetzgeber als Zweck einer mündlichen Verhandlung die Klärung des Sachverhaltes und die Einräumung von Parteiengehör sowie darüber hinaus auch die mündliche Erörterung einer nach der Aktenlage strittigen Rechtsfrage zwischen den Parteien und dem Gericht vor Augen hatte. Zweck einer Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht ist grundsätzlich nicht nur die Klärung des Sachverhaltes und die Einräumung von Parteiengehör zu diesem, sondern auch das Rechtsgespräch und die Erörterung der Rechtsfragen. Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Zusammenhang auf das Urteil vom 19.02.1998 im Fall Jacobsson gegen Schweden (Nr. 2), Zahl 8/1997/792/1993, par. 49 (ÖJZ 1998, 4), hingewiesen, in welchem der Entfall einer mündlichen Verhandlung als gerechtfertigt angesehen wurde, weil angesichts der Beweislage vor dem Gerichtshof und angesichts der Beschränkung der zu entscheidenden Fragen „das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht geeignet war, irgendeine Tatsachen- oder Rechtsfrage aufzuwerfen, die eine mündliche Verhandlung erforderlich machte“. Der Verwaltungsgerichtshof hat in solchen Fällen eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich erachtet, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt geklärt ist und die Rechtsfragen durch die bisherige Rechtsprechung beantwortet sind und in der Beschwerde keine Rechts- oder Tatfragen von einer solchen Art aufgeworfen werden, deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätte. Zusammenfassend ist demnach festzuhalten, dass gemäß § 24 Abs 1 VwGVG auf Antrag eine mündliche Verhandlung durchzuführen ist, die der Erörterung der Sach- und Rechtslage sowie der Erhebung der Beweise dient. Als Ausnahme von dieser Regel kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Antrages gemäß § 24 Abs 4 VwGVG von der Durchführung einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt. Bei konkretem sachverhaltsbezogenem Vorbringen des Beschwerdewerbers ist eine mündliche Verhandlung durchzuführen (vgl VwGH 16.12.2019, Ra 2018/03/0066 bis 0068, mit zahlreichen Hinweisen auf die Judikatur).
Der in Kapitel II. des gegenständlichen Erkenntnisses festgestellte Sachverhalt ist unbestritten. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist somit geklärt, eine diesbezügliche Erörterung im Rahmen einer mündlichen Verhandlung ist nicht erforderlich. Entgegen der wasserbautechnischen Nebenbestimmung 8. des Spruchpunktes I./E. des Bescheides vom 16.04.2021 hat die Beschwerdeführerin am 18.05.2021 Bauarbeiten im Flussbett zur Neuerrichtung der DD durchführen lassen. Die Voraussetzungen für ein Vorgehen nach § 138 Abs 1 lit a WRG 1959 waren damit offenkundig. Zur Einstellung der Bauarbeiten und zu den aufgetragenen Maßnahmen (vgl Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides) hat die Beschwerdeführerin lediglich mangelnde Bestimmtheit vorgebracht. Dieses Vorbringen konnte schon anhand der Formulierungen in den beiden genannten Spruchpunkten geklärt werden. Ebenso konnten die im Zusammenhang mit Spruchpunkt III. aufgeworfenen Rechtsfragen anhand des behördlichen Aktes geklärt werden. Darüber hinaus gilt es zu berücksichtigen, dass das Begehren der Beschwerdeführerin darauf ausgerichtet war, Bauarbeiten im Flussbett bis zum 11.06.2021 und damit bis zu einem bereits in der Vergangenheit liegenden Termin zu ermöglichen.
Im gegenständlichen Beschwerdeverfahren bedarf es daher keiner weiteren mündlichen Erörterung.
Aus den dargelegten Gründen konnte das Landesverwaltungsgericht Tirol gemäß § 24 Abs 4 VwGVG von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung absehen.
VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Das Landesverwaltungsgericht Tirol hatte im gegenständlichen Fall zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die auf § 138 Abs 1 lit a WRG 1959 gestützten Anordnungen ? Einstellung von Bauarbeiten und Verpflichtung zur Durchführung von Maßnahmen ? und für die Abänderung einer wasserbautechnischen Nebenbestimmung des Bewilligungsbescheides vom 16.04.2021 gemäß § 21b WRG 1959 vorlagen. Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat diese Rechtsfragen anhand des eindeutigen Wortlautes der anzuwendenden Bestimmungen beurteilt und ist insbesondere im Hinblick auf den Tatbestand des § 138 Abs 1 lit a WRG 1959 von der einheitlichen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht abgewichen. Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung waren somit nicht zu klären. Folglich wird in Spruchpunkt 2. des gegenständlichen Erkenntnisses die ordentliche Revision für nicht zulässig erklärt.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.
Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.
Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.
Landesverwaltungsgericht Tirol
Dr. Hirn
(Richter)
Schlagworte
Wiederherstellungsauftrag;Anmerkung
Der Verwaltungsgerichtshof wies die gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 18.08.2021, Z LVwG-2021/37/1748-2, erhobene außerordentliche Revision mit Beschluss vom 21.10.2021, Z Ra 2021/07/0087-3, zurück.European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGTI:2021:LVwG.2021.37.1748.2Zuletzt aktualisiert am
11.11.2021