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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Neumeister, über die Beschwerde des B in W, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 24. Juni 1996, Zl. 184 178/12-IV/14/96, betreffend Nichteinrechnung von Zeiten in den ordentlichen Zivildienst, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.830,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde gemäß § 15 Abs. 3 Zivildienstgesetz 1986 (ZDG) festgestellt, daß die Zeit vom 3. Februar bis 30. April 1996, somit 88 Tage, in den vom Beschwerdeführer zu leistenden ordentlichen Zivildienst nicht eingerechnet wird.
In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, der Beschwerdeführer sei mit Wirkung vom 6. Juni 1995 bis 30. April 1996 einem näher bezeichneten Verein zur Leistung des ordentlichen Zivildienstes zugewiesen worden. Nach wiederholtem Fernbleiben vom Dienst wegen Krankheit sei der Beschwerdeführer laut Auskunft des Vereins dem Dienst vom 3. Februar bis 30. April 1996 ohne Angabe von Gründen ferngeblieben. Mit Schreiben der belangten Behörde vom 9. Mai 1996 sei dem Beschwerdeführer die Möglichkeit geboten worden, zu seinem Fernbleiben Stellung zu nehmen und gegebenenfalls entsprechende Nachweise vorzulegen. Mit Eingabe vom 30. Mai 1996 habe der Beschwerdeführer als Grund für seine Abwesenheit psychische Probleme angegeben; aufgrund seiner Schlaflosigkeit, Angst, Depression und Verwirrung sei es nicht möglich gewesen zu arbeiten. Dazu sei festzuhalten, daß der Beschwerdeführer ein Gutachten eines namentlich genannten Facharztes für Neurologie und Psychiatrie vom 1. Juni 1995 vorgelegt habe, aus dem hervorgehe, daß der Beschwerdeführer aus fachärztlicher Sicht in der Lage sei, den Zivildienst abzuleisten, und daß das zuvor erstattete Gutachten vom 4. Mai 1995 somit gegenstandslos sei. Gemäß § 23b Abs. 1 ZDG habe ein Zivildienstleistender bei Dienstunfähigkeit die dafür maßgebenden Gründe sobald wie möglich seinem Vorgesetzten oder einer hiefür von der Einrichtung beauftragten Person anzuzeigen und den Grund der Dienstverhinderung in entsprechender Weise glaubhaft zu machen. Da der Beschwerdeführer dem Dienst ferngeblieben sei, "ohne hiezu entsprechende Nachweise vorzulegen bzw. das Fernbleiben vom Dienst glaubhaft zu machen", sei das Fernbleiben für diese Zeit als ungerechtfertigt anzusehen. Der Beschwerdeführer sei darüber informiert gewesen, wie er sich bei Dienstverhinderung zu verhalten habe. Das Verhalten des Beschwerdeführers sei als vorsätzlich zu qualifizieren.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 15 Abs. 2 Z. 2 ZDG wird in die Zeit des ordentlichen Zivildienstes die Zeit, während der der Zivildienstpflichtige aus sonstigen Gründen, die er selbst vorsätzlich oder grob fahrlässig verschuldet hat, keinen Zivildienst geleistet hat, nicht eingerechnet. Gemäß § 15 Abs. 3 leg. cit. hat der Bundesminister für Inneres die nach Abs. 2 nicht einrechenbaren Zeiten festzustellen.
Aus dem - von der belangten Behörde ins Treffen geführten - Unterbleiben der umgehenden Anzeige und Glaubhaftmachung des Hinderungsgrundes im Sinne des § 23b Abs. 1 ZDG ist für die belangte Behörde nichts zu gewinnen, weil daraus allein kein Schluß gezogen werden kann, der Zivildienstpflichtige habe aus vorsätzlich oder grob fahrlässig verschuldeten Gründen keinen Zivildienst geleistet (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 25. Jänner 1994, Zl. 92/11/0254, und vom 17. Februar 1994, Zl. 92/11/0261). Die Behörde hat daher - auch bei Verletzung der aus § 23b ZDG sich ergebenden Pflichten des Zivildienstleistenden - in einem Verfahren gemäß § 15 Abs. 3 leg. cit. Ermittlungen über das Vorliegen der Voraussetzungen für die Nichteinrechnung von Zeiten durchzuführen.
Der Beschwerdeführer hat auf das Schreiben der belangten Behörde vom 9. Mai 1996, mit dem ihm Gelegenheit geboten wurde, binnen einer Woche zum Sachverhalt Stellung zu nehmen und gegebenenfalls entsprechende Nachweise zu erbringen, mit seiner Eingabe vom 30. Mai 1996 geantwortet. Er hat darin zunächst ausgeführt, daß er im Zeitpunkt der Zustellung nicht "zu Hause" gewohnt habe, sodaß er erst jetzt, nach Abholung des Briefes vom 9. Mai 1996, antworte. Er wies darauf hin, daß er - wie der belangten Behörde aufgrund des Schreibens eines namentlich genannten Facharztes vom 4. Mai 1995 bekannt sei - schon seit längerem unter psychischen Problemen leide. Er sei dennoch bemüht gewesen, etwas Sinnvolles zu tun, und habe ohne psychische Zwischenfälle bis Ende Jänner arbeiten können. Ab diesem Zeitpunkt habe er wieder unter extremer Schlaflosigkeit, Angst, Depression und Verwirrung gelitten. Er habe gehofft, bald aus diesem Zustand herauszukommen, und habe eine endgültige Absage die ganze Zeit vor sich hergeschoben. Falls die belangte Behörde einen Beleg für den letzten langen Zeitraum brauche, möge sie ihm schreiben.
Die belangte Behörde hat trotz dieses Schreibens keine weiteren Ermittlungen durchgeführt und stützt sich im angefochtenen Bescheid auf die Bestätigung des genannten Facharztes vom 1. Juni 1995, nach deren Inhalt der Beschwerdeführer zur Leistung des Zivildienstes in der Lage sei. Die belangte Behörde hat damit ihre Pflicht zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes verletzt. Es ist notorisch, daß sich der Gesundheitszustand - allenfalls auch sehr rasch - ändern kann, wie im vorliegenden Fall auch die völlig unterschiedlichen Beurteilungen des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers durch den bereits mehrfach erwähnten Facharzt vom 4. Mai 1995 einerseits und vom 1. Juni 1995 andererseits zeigen. Die Bestätigung des Facharztes vom 1. Juni 1995 ist daher nicht geeignet, die Verantwortung des Beschwerdeführers betreffend seine psychischen Probleme in der Zeit von Februar bis April 1996, die im Hinblick auf die Vorgeschichte nicht ohne weiteres als bloße Schutzbehauptungen abgetan werden kann, zu entkräften und die Annahme zu rechtfertigen, der Beschwerdeführer sei psychisch gesund gewesen und vorsätzlich dem Dienst ferngeblieben. Dem Schreiben des Beschwerdeführers vom 30. Mai 1996 war zu entnehmen, daß er zwar keine ärztliche Bestätigung für den genannten Zeitraum besitze, daß er aber in der Lage sei, über Aufforderung eine solche zu besorgen. Die belangte Behörde hätte ihn zur Beschaffung und Vorlage der ärztlichen Bestätigung auffordern und - falls diese für die von der belangten Behörde zu treffende Entscheidung nicht ausgereicht hätte - weitere geeignete Ermittlungen durchführen müssen, wobei u.a. die eingehende Befragung des Beschwerdeführers, die zeugenschaftliche Vernehmung seiner Mutter - mit der die belangte Behörde nach der Aktenlage schon vor Antritt des Zivildienstes durch den Beschwerdeführer wiederholt Kontakt gepflogen hatte - und schließlich die Einholung eines ärztlichen Sachverständigengutachtens in Betracht gekommen wären.
Da die belangte Behörde nach dem Gesagten die Pflicht zur amtswegigen Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes verletzt hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs.2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens von 20 % Umsatzsteuer aus dem für Schriftsatzaufwand geltend gemachten Betrag erfolgte deshalb, weil die in der genannten Verordnung normierten Pauschalbeträge für Schriftsatzaufwand die Umsatzsteuer bereits enthalten.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1996110243.X00Im RIS seit
20.11.2000