Entscheidungsdatum
22.06.2021Norm
B-VG Art132 Abs1 Z1Text
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich fasst durch den Richter
Hofrat Mag. Hubmayr über die Beschwerde der A, ***, ***, vertreten durch B Rechtsanwalts KG in ***, gegen den Berufungsbescheid des Gemeindevorstandes der Marktgemeinde *** vom 26. November 2020, AZ: ***, betreffend Bestätigung einer den Bauwerbern A und C zur Errichtung einer Schutzwand auf dem Grundstück Nr. ***, KG ***, erteilten Baubewilligung, den
BESCHLUSS
1. Die Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen.
2. Gegen diesen Beschluss ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.
Rechtsgrundlagen:
§ 28 Abs. 1, 31 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG
§ 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG
Begründung:
1. Sachverhalt:
A und C beantragten mit Eingabe vom 22. Juli 2020 (bei der Baubehörde eingelangt am 7. August 2020) die Erteilung einer Baubewilligung zur Errichtung einer Gartenmauer auf dem Grundstück Nr. ***, EZ. ***, KG ***, an der Grenze zum Grundstück Nr. ***.
Mit Schreiben des Bürgermeisters der Marktgemeinde *** vom 17. August 2020 wurden die Nachbarn des Baugrundstückes gemäß § 21 NÖ Bauordnung 2014 vom Bauvorhaben informiert. Es wurde den Nachbarn die Gelegenheit eingeräumt, in die Projektsunterlagen Einsicht zu nehmen und binnen 2 Wochen ab Zustellung der Verständigung Einwendungen gegen das Bauvorhaben bei sonstigem Verlust der Pateistellung zu erheben.
Mit Schreiben vom 31. August 2020 erhoben mehrere Nachbarn gemeinsam gegen das verfahrensgegenständliche Projekt Einwendungen.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde *** vom 14. September 2020 wurde den Bauwerbern die beantragte Baubewilligung erteilt. Die erhobenen Einwendungen wurden als unbegründet abgewiesen.
Mit Schreiben vom 28. September 2020 brachten mehrere Nachbarn das ordentliche Rechtsmittel der Berufung gegen diesen Baubewilligungsbescheid ein.
Am 31. Oktober 2020 fand am Gemeindeamt *** eine Besprechung mit anschließendem Lokalaugenschein statt, an der Mitglieder des Gemeindevorstandes, die Bauwerber sowie sämtliche Berufungswerber teilnahmen.
Das Ergebnis dieser Besprechung wurde in einer Aktennotiz festgehalten, insbesondere bei der Besprechung gemachte Zusagen der Bauwerber an die Nachbarn.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Gemeindevorstandes der Marktgemeinde *** vom 26. November 2020, AZ: ***, wurden die Berufungen keine Folge gegeben. Der angefochtene Baubewilligungsbescheid wurde vollinhaltlich bestätigt „unter Berücksichtigung der Aktennotiz des Lokalaugenscheins vom 31.10.2020“.
Diese Berufungsentscheidung wurde der Beschwerdeführerin nachweislich am 1. Dezember 2020 zugestellt.
Mit Schriftsatz vom 10. Dezember 2020 erhob Frau A durch ihre ausgewiesene Rechtsvertretung die verfahrensgegenständliche Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich. Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass zwar grundsätzlich die erstinstanzliche Baubewilligung bestätigt worden sei, die vorgenommene Ergänzung des Spruches um den Zusatz „unter Berücksichtigung der Aktennotiz des Lokalaugenscheins vom 31.10.2020“ jedoch mangels Rechtsgrundlage unzulässig sei. Privatrechtliche Vereinbarungen könnten im Baubewilligungsverfahren nicht Spruchbestandteil sein, auch liege diesbezüglich nicht einmal ein Begehren zugrunde.
Beantragt wurden die Abänderung des angefochtenen Bescheides dahingehend, dass der Zusatz „unter Berücksichtigung der Aktennotiz des Lokalaugenscheins vom 31.10.2020“ zu entfallen habe sowie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.
Mit Schreiben des Bürgermeisters der Marktgemeinde *** von 4. Jänner 2021, eingelangt am 7. Jänner 2021, wurde die Beschwerde unter Anschluss des bezughabenden Verwaltungsaktes dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich zur Entscheidung vorgelegt.
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in diesen vorgelegten Verwaltungsakt.
Im Wesentlichen ist der vorliegende Sachverhalt als unstrittig zu beurteilen und ergibt sich dieser aus dem vorhandenen Akteninhalt in Verbindung mit dem bekämpften Bescheid und dem Vorbringen der Beschwerdeführerin.
2. Anzuwendende Rechtsvorschriften:
2.1. Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG:
§ 24. (1) Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
(2) Die Verhandlung kann entfallen, wenn
1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben oder die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig zu erklären ist …
(…)
§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
(…)
§ 31. (1) Soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss.
(…)
2.2. Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985:
§ 25a. (1) Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
3. Rechtliche Würdigung:
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid aufgrund der in der Beschwerde geltend gemachten Beschwerdegründe zu überprüfen.
Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4 VwGVG) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3 VwGVG) zu überprüfen und nach § 28 Abs. 2 VwGVG grundsätzlich in der Sache zu entscheiden. Soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, erfolgen die Entscheidungen gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG durch Beschluss.
Zur Erhebung einer Beschwerde ist gemäß Art. 132 Abs. 1 Z. 1 B-VG legitimiert, wer behauptet, durch den angefochtenen Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein.
Es muss aber zumindest die Möglichkeit bestehen, dass der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in einem gesetzlich normierten subjektiven Recht verletzt wurde (z.B. VwGH 2008/05/0075, 2008/03/0168, 2011/17/0111).
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die der Beschwerdeführerin aufgrund ihres Antrages erteilte Baubewilligung vollinhaltlich bestätigt.
Die Beschwerdeführerin erachtet sich beschwert durch den Zusatz im Spruch dieses Bescheides, dass die „Aktennotiz des Lokalaugenscheins vom 31.10.2020“ zu berücksichtigen ist.
In dieser Aktennotiz wurden von den Bauwerbern an die Nachbarn gemachte zivilrechtliche Zusagen festgehalten.
Es stellt sich daher die Frage, ob dieser Zusatz (zur vollinhaltlichen Bestätigung der Baubewilligung) im Spruch des Berufungsbescheides normative Wirkung entfalten kann.
Die Formulierung „unter Berücksichtigung“ lässt jedenfalls nicht darauf schließen, dass damit etwas aufgetragen oder rechtsverbindlich festgestellt werden sollte.
Wie auch in der Beschwerde zutreffend ausgeführt wird, würde es dafür auch an einer Rechtsgrundlage fehlen, enthält doch die Bauordnung keine Bestimmungen, wonach zivilrechtliche Zusagen oder Vereinbarungen von der Baubehörde für verbindlich erklärt werden könnten. Dementsprechend wären auch zivilrechtliche Zusagen bzw. Vereinbarungen auch einer behördlichen Vollstreckung nicht zugänglich. Im Hinblick auf den durch den Baubewilligungsbescheid vorgegebenen Verfahrensgegenstand bestünde im Übrigen auch keine Zuständigkeit der Berufungsbehörde, ohne einen darauf gerichteten Antrag darüber hinauszugehen.
Der Zusatz, dass die „Aktennotiz des Lokalaugenscheins vom 31.10.2020“ zu berücksichtigen sei, enthält seinem Wortlaut nach daher auch keinen normativen Auftrag, sondern wird als – wohl unverbindlicher – Hinweis auf den Inhalt der Aktennotiz zu verstehen sein.
Zu prüfen ist daher, ob aus der von der Berufungsbehörde gewählten Formulierung des Zusatzes zum Spruch allenfalls im Wege der Auslegung ein normativer Ausspruch abgeleitet werden kann.
Jeder Bescheid ist rein objektiv seinem Wortlaut nach - insoweit also gleich einem Gesetz nach den §§ 6 und 7 ABGB - auszulegen (vgl. VwGH 2000/12/0311; Ra 2015/12/0080). Eine subjektive Interpretation nach dem Willen der Behörde wäre ebenso wie eine Auslegung nach der subjektiven Erwartungshaltung des Bescheidadressaten schon im Ansatz verfehlt (vgl. VwGH 2000/12/0311; Ra 2015/06/0053).
Ein vom Wortlaut möglicherweise abweichender Gestaltungswille der Behörde wurde dem objektiven Erklärungswert der gegenständlichen Formulierung folgend jedenfalls nicht zum Ausdruck gebracht. Der Wortlaut „unter Berücksichtigung“ spricht ganz klar gegen einen verbindlichen Ausspruch im Sinne eines Auftrages oder einer Auflage.
Eine Auslegung des Spruchs eines Bescheides nach dessen Begründung kommt nur in jenen Fällen in Betracht, in denen der Spruch für sich allein Zweifel an seinem Inhalt offenlässt. Dagegen kommt eine Umdeutung eines klar gefassten Spruches anhand der Begründung des Bescheides nicht in Betracht (vgl. VwGH 2007/18/0327; 2013/05/0164).
Der Eindruck, dass mit dem Zusatz, die Aktennotiz sei zu berücksichtigen, ein verbindlicher Auftrag erteilt werden sollte, drängt sich jedenfalls nicht auf. Vielmehr erweckt die gewählte Formulierung den Eindruck, dass damit bloß unverbindlich auf das Ergebnis der Besprechung vom 31. Oktober 2020 hingewiesen werden sollte.
Auf einen normativen Ausspruch kann aus der gewählten Formulierung nicht zwingend geschlossen werden. Die Formulierung „unter Berücksichtigung“ verstärkt den Eindruck, dass dieser Zusatz lediglich einen im Rahmen der vollinhaltlich bestätigten Baubewilligung unverbindlichen Hinweis auf die gemachten zivilrechtlichen Zusagen darstellt.
Die Frage nach dem Bescheidcharakter einer Erledigung im Zweifel zu Lasten der Partei zu beantworten, ist unzulässig (vgl. VwGH 2008/05/0191; 2001/08/0013).
Durch eine undeutliche Ausdrucksweise der Behörde ausgelöste Zweifel am normativen Charakter einer Formulierung können somit auch keinesfalls zu Lasten der Partei gehen.
Im Ergebnis wird die Frage nach dem normativen Charakter des Zusatzes „unter Berücksichtigung der Aktennotiz des Lokalaugenscheins vom 31.10.2020“ dementsprechend zu verneinen sein. Es handelt sich dabei um einen unverbindlichen Hinweis und keinen normativen Ausspruch.
Mangels Entfaltung jeglicher Rechtswirkung erübrigt sich die beantragte Aufhebung dieser Formulierung im Spruch des angefochtenen Bescheides. Vielmehr fehlt es von Vorneherein schon an der der Möglichkeit der Beeinträchtigung in Rechte der Beschwerdeführerin.
Ihre Rechtsposition, die auf ihren Antrag hin erteilte Baubewilligung, wurde vielmehr vollinhaltlich bestätigt, weshalb die Beschwerdeführerin durch den von ihr nunmehr angefochtenen Bescheid nicht beschwert sein kann.
Das als Prozessvoraussetzung erforderliche Rechtsschutzbedürfnis der beschwerdeführenden Partei besteht bei einer Bescheidbeschwerde im objektiven Interesse an der Beseitigung eines sie belastenden Verwaltungsakts. Das objektive Interesse der beschwerdeführenden Partei an der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle ist ihre "Beschwer". Eine solche liegt vor, wenn das angefochtene Verwaltungshandeln vom Antrag der beschwerdeführenden Partei an die Verwaltungsbehörde zu deren Nachteil abweicht (formelle Beschwer) oder mangels Antrages die Verwaltungsbehörde die beschwerdeführende Partei durch ihren Verwaltungsakt belastet (vgl. z.B. VwGH 2011/03/0228, 2013/03/0111).
Fehlt hingegen die Möglichkeit einer Rechtsverletzung in der Sphäre des Beschwerdeführers, so ermangelt diesem die Beschwerdeberechtigung (z.B. VwGH 2000/11/0269 mwN).
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Die beantragte öffentliche mündliche Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen.
Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist die Revision gegen ein Erkenntnis oder einen Beschluss des Verwaltungsgerichtes zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Entscheidung stützt sich auf die zitierte und einheitliche Rechtsprechung bzw. die klare und eindeutige Rechtslage stützt (zur Unzulässigkeit der Revision bei klarer Rechtslage siehe z.B. VwGH Ro 2019/01/0006). Die Auslegung des Inhaltes eines Bescheides geht in seiner Wirkung nicht über die Bedeutung des Einzelfalles hinaus.
Im Hinblick auf die obigen Ausführungen liegen auch sonst keine Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor.
Schlagworte
Bau- und Raumordnungsrecht; Baubewilligung; Verfahrensrecht; Bescheidqualität; Beschwer; Rechtsschutzbedürfnis;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2021:LVwG.AV.29.001.2021Zuletzt aktualisiert am
30.08.2021