TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/8 G307 2235016-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.10.2020
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Entscheidungsdatum

08.10.2020

Norm

BFA-VG §18 Abs3
B-VG Art133 Abs4
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2
FPG §70 Abs3

Spruch

G307 2235016-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Markus MAYRHOLD als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , StA.: Bulgarien, vertreten durch die Diakonie und Flüchtlingsdienst gemeinnützige Gesellschaft mbH – ARGE Rechtsberatung in 1170 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.07.2020, Zahl XXXX zu Recht erkannt:

A)       Die Beschwerde wird als unbegründet a b g e w i e s e n.

B)       Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) wurde anlässlich der ihm gegenüber angeordneten Untersuchungshaft mit Schreiben des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom 25.02.2020 über die Einleitung eines Verfahrens zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes in Kenntnis gesetzt und gleichzeitig aufgefordert, seine persönlichen wie finanziellen Verhältnisse darzulegen sowie eine diesbezügliche Stellungnahme binnen 10 Tagen ab Erhalt dieses Schreibens abzugeben.

2. Hierauf antwortete der BF nicht.

3. Mit dem oben im Spruch genannten Bescheid des BFA, dem BF persönlich zugestellt am 27.07.2020, wurde gegen diesen gemäß § 67 Abs. 1 und 2 FPG ein auf 10 Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.), ihm gemäß § 70 Abs. 3 FPG kein Durchsetzungsaufschub erteilt (Spruchpunkt II.) und einer Beschwerde gegen dieses Aufenthaltsverbot gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.).

4. Mit Schreiben vom 14.08.2020, beim BFA eingebracht am selben Tag, erhob der BF durch seine Rechtsvertretung (im Folgenden: RV) Beschwerde gegen den genannten Bescheid.

Darin wurde beantragt, eine mündliche Verhandlung unter Einvernahme des BF durchzuführen, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den angefochtenen Bescheid zur Gänze zu beheben, in eventu die Dauer des Aufenthaltsverbotes herabzusetzen, in eventu dem BF einen Durchsetzungsaufschub gemäß § 70 Abs. 3 FPG zu erteilen, in eventu den angefochtenen Bescheid zu beheben und zur Verfahrensergänzung und Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen.

5. Die gegenständliche Beschwerde sowie der zugehörige Verwaltungsakt wurden vom BFA dem BVwG am 24.08.2020 vorgelegt und langten dort am 04.09.2020 ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Der BF führt die im Spruch angegebene Identität (Name und Geburtsdatum), ist bulgarischer Staatsbürger, geschieden und lebte die 20 Jahre vor seiner Festnahme in Deutschland.

1.2. Eine Tochter des BF, XXXX lebt in Deutschland, ebenso der Bruder des BF, XXXX , dessen Frau und deren drei erwachsene Kinder. Zwei weitere Töchter des BF, aus zweiter Ehe stammend, sind verheiratet und leben in Bulgarien. Zu seinem Vater, dessen Aufenthaltsort nicht festgestellt werden konnte, pflegt der BF keinen Kontakt.

1.3. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der BF über Deutschkenntnisse eines bestimmten Niveaus verfügt. Er war bis dato in Österreich nicht legal beschäftigt. Er verfügt über kein Einkommen. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der BF arbeitsunfähig ist.

1.4. Die ECRIS-Auskunft des BF für Deutschland weist mit Stand 03.04.2020 insgesamt 8 Verurteilungen (beginnend mit 2005 bis 2018) auf, wovon 2 nach österreichischem Recht als Verwaltungsübertretungen zu ahnden gewesen wären. Im Jahr 2014 wurde der BF wegen schwerer Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 15 Monaten verurteilt, welche am XXXX .2015 vollzogen wurde. Im Jahr 2018 wurde er wegen Suchtgifthandels zu einer 2 ½jährigen Freiheitsstrafe verurteilt und zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt bedingt entlassen.

1.5. Dem BF wurde mit Schreiben der belangten Behörde vom 25.02.2020 Parteiengehör zur beabsichtigten Erlassung eines Aufenthaltsverbotes eingeräumt, welches er nachweislich am selben Tag übernommen hat. Hierauf antwortete er aber nicht.

In Österreich wurde der BF vom Landesgericht für Strafsachen XXXX (im Folgenden: LG XXXX ) wegen Suchtmittelhandels gemäß §§ 28a Abs. 1, 5. Fall, 28 Abs. 1 2. Fall SMG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 5 Monaten verurteilt.

Dem BF wurde dabei zur Last gelegt, er habe gemeinsam mit XXXX V und XXXX M am XXXX .2020 in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB) in XXXX vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge überschreitenden Menge (§ 28b SMG), nämlich Heroin (Wirkstoffe: Monocetylmorphin, Acetylcodein und Heroin)

I.       anderen überlassen, und zwar 29,2 Gramm (beinhaltend 3,3 % Monocaetylmorphin, 0,8 % Acetylcodein und 9,55 % Heroin) an einen verdeckten Ermittler zum Preis von € 2.600,00,

II.      zumindest 131 Gramm (davon 9, 2 Gramm beinhaltend 7,46 % Monoacetylmorphin, 0,8 5 Acetylcodein und 5,21 % Heroin, 99,2 Gramm beinhaltend 3,28 % Monoactylmorphin, 0,5 % Acetylcodein und 9,8 % Heroin und 22,6 Gramm beinhaltend 3,77 5 Monoacetylmorphin, 0,8 % Acetylcodein und 9,55 % Heroin) mit dem Vorsatz besessen, dass es in Verkehr gebracht werde.

Als erschwerend wurden hiebei die einschlägigen Vorstrafen, das Überschreiten der Grenzmenge um mehr als das Dreifache (Punkt I./) bzw. das Fünffache (Punkt II./) und das Zusammentreffen von einem Vergehen mit einem Vergehen, als mildernd das teilweise Geständnis, die (objektive) Sicherstellung des Suchtgiftes sowie die lange Verfahrensdauer gewertet.

Es wird festgestellt, dass der BF die geschilderten Taten begangen und die beschriebenen Verhaltensweisen gesetzt hat.

Der BF wurde am XXXX .2020 festgenommen. Er befindet sich seit dem in Untersuchungs- und derzeit in der Justizanstalt XXXX in Strafhaft. Der errechnete Entlassungszeitpunkt ist der XXXX .2022. Vor Haftantritt war der BF obdachlos.

1.6. Der BF hat in Österreich weder soziale, familiäre, berufliche noch sonstige Bindungen.

1.7. Es konnte nicht festgestellt werden, dass sich der BF derzeit in einer Substitutionstherapie befindet. Die Reflexions- und Introspektionsfähigkeit des BF sind deutlich eingeschränkt. Es besteht beim BF zwar grundsätzlich die Notwendigkeit einer Behandlung. Eine gesundheitsbezogene Maßnahme erscheint jedoch derzeit als offensichtlich aussichtslos und wird dem BF daher keine Therapie empfohlen.

Der BF konsumiert seit seinem 18. Lebensjahr in verschiedenen zeitlichen Abstufungen regelmäßig Drogen, darunter Alkohol, Nikotin, THC, Kokain, Speed, Ecstasy, LSD, Heroin, MMC, Benzodiazepine und Pico.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

2.2. Die oben getroffenen Feststellungen beruhen auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund des vorliegenden Aktes durchgeführten Ermittlungsverfahrens, dem Vorbringen in der Beschwerde sowie den Ausführungen in der Beschwerdevorlage und werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt:

2.2.1. Die zu Familienstand, Staatsangehörigkeit, 20jährigem Aufenthalt in Deutschland, Zahl und Wohnort der Kinder und restlichen Verwandten, fehlendem Bezug zu Österreich und mangelndem Einkommen getroffenen Feststellungen sind den Angaben in der Beschwerde, der Ausfertigung des Urteils des LG XXXX , der Vollzugsdateninformation der Justizanstalt XXXX vom 13.02.2020 sowie dem im Akt einliegenden Gutachten der XXXX vom XXXX .2020 zu entnehmen.

Der BF legte zum Beweis seiner Identität einen auf seinen Namen lautenden bulgarischen Personalausweis vor, welcher sich in den Effekten des BF befindet und an dessen Echtheit und Richtigkeit keine Zweifel aufgekommen sind.

Der oben erwähnte, nicht vorhandene Bezug zu Österreich erschließt sich auch aus einer bis dato fehlenden Meldung des BF im Zentralen Melderegister und hat der BF dies außerdem gegenüber XXXX bestätigt.

Der auf den Namen des BF lautende Sozialversicherungsdatenauszug weist zu dessen Person in der Vergangenheit keine Beschäftigung aus.

Es ist zwar in der Beschwerde und im Gutachten von Mag. GINZEL davon die Rede, der BF besitze Deutschkenntnisse, welchen Niveaus diese sind, war jedoch in Ermangelung einer anderweitigen Bescheinigung, etwa eines Sprachzertifikats, nicht feststellbar.

Der seit dem 18. Lebensjahr immer wiederkehrende Drogenkonsum, die Aussichtslosigkeit einer Therapie und die Obdachlosigkeit vor Haftantritt ergeben sich aus dem bereits zitierten Gutachten der XXXX . Dort ist auch vermerkt, dass die Reflexions- und Introspektionsfähigkeit des BF deutlich eingeschränkt sind. Die im Rechtsmittel behauptete Teilnahme an einer Substitutionstherapie konnte daher nicht belegt werden.

Die Verurteilungen des BF in Deutschland und deren Wertung sind aus dem Urteil des LG XXXX ersichtlich. Die zuletzt erwähnte Verurteilung folgt ferner dem Amtswissen des BVwG durch Einsichtnahme in das Strafregister der Republik Österreich.

In Ermangelung einer im Akt einliegenden Antwort des BF zu dem ihm nachweislich eingeräumten Parteiengehör (der Rückschein befindet sich im Akt) und einem Vorbringen, ein solches erstattet zu haben, geht das erkennende Gericht von einer fehlenden Antwort auf die von der belangten Behörde ihm übermittelte Verständigung der Beweisaufnahme aus.

Wenn in der Beschwerde behauptet wird, dem BF hätte nur durch eine Einvernahme ausreichendes Parteiengehör eingeräumt werden können, wird nicht dargetan, warum dies nicht auch durch eine Antwort auf die schriftliche Aufforderung hin möglich gewesen wäre. So hat der BF seine dahingehende Mitwirkungspflicht verletzt und nicht plausibel erklärt, weshalb seine persönliche Befragung unabdingbar gewesen wäre. Ihm wäre es – noch dazu aufgrund der behaupteten guten Deutschkenntnisse – offen gestanden, in Form einer Stellungnahme bereits vor Bescheiderlassung ausführliche Angaben zu seinen familiären Verhältnissen, seinen Drogenproblemen, den diesbezüglichen Ursachen und seinen Gesundheitszustand zu tätigen, um derart für die Behörde ein klareres Bild zu geben.

Wie die an den BF gerichtete schriftliche Aufforderung des BFA zur Stellungnahme zeigt, wurde diesem hinreichend die Möglichkeit geboten, sich zur Sache zu äußern und allfällige Beweismittel in Vorlage zu bringen. Was die Art und Form der Einräumung des besagten Parteiengehörs betrifft, war das Bundesamt im vorliegenden Fall nicht gehalten, dieses durch persönliche Einvernahme einzuräumen. In welcher Form nämlich die Behörde der Partei das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens in concreto zur Kenntnis bringen und Gelegenheit zur Stellungnahme dazu geben kann, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Entscheidend ist, dass die Partei dadurch in die Lage versetzt wird, ihre Rechte geltend zu machen (VwGH 18.01.2001, 2000/07/0090), wobei eine Einvernahme weder das Gesetz noch die einschlägige Judikatur des VwGH vorschreibt (vgl. VwGH 18.01.2001, 2000/07/0099; 05.09.1995, 95/08/0002; 24.02.1988, 87/18/0126; 18.10.1990, 89/09/0145; 17.09.2002, 2002/18/0170). Diesem Gebot wurde im gegenständlichen Fall entsprochen.

Unter Verweis auf die Mitwirkungspflicht des BF, welche diesen hinsichtlich jener Sachverhalte, die in ihre persönliche Sphäre fallen (vgl. VwGH 26.02.2009, 2007/09/0105) oder einen Auslandsbezug aufweisen (vgl. VwGH 16.04.2009, 2006/11/0227) besonders trifft, und den Umstand, dass ein allfälliges Schweigen von der belangten Behörde bewertend in deren Entscheidung eingebunden (vgl. VwGH 11.06.1991, 90/07/0166; 22.2.1994, 92/04/0249; 21.03.1995, 93/08/0098; 27.06.1997, 96/19/0256; 16.10.2001, 99/09/0260; 22.12.2009, 2007/08/0323) werden kann, ohne dieser die Pflicht aufzuerlegen, den BF bei der Sachverhaltsfeststellung neuerlich einzubeziehen, (vgl. VwGH 17.02.1994, 92/16/0090; 27.01.2011, 2008/09/0189), ist im Verfahren vor der belangten Behörde kein Verfahrensmangel hervorgetreten. Vielmehr hat sie wegen der unzureichenden Mitwirkung des BF, unter Setzung alternativer Ermittlungsschritte und Heranziehung der ihr zur Verfügung stehenden Informationen auf die Erhebung der Sachlage bestmöglich hingewirkt und in ihrer Entscheidung berücksichtigt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1. Zur Abweisung der Beschwerde:

3.1.1. Gemäß § 2 Abs. 4 Z 1 FPG gilt als Fremder, jener der die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt und gemäß Abs. 4 Z 8 leg cit als EWR-Bürger, jener Fremder, der Staatsangehöriger einer Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen) ist.

Der BF als bulgarischer Staatsangehöriger ist sohin EWR-Bürger iSd. § 2 Abs. 4 Z 8 FPG.

3.1.2. Der mit „Ausweisung“ betitelte § 66 FGP lautet:

„§ 66. (1) EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige können ausgewiesen werden, wenn ihnen aus den Gründen des § 55 Abs. 3 NAG das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr zukommt, es sei denn, sie sind zur Arbeitssuche eingereist und können nachweisen, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden; oder sie bereits das Daueraufenthaltsrecht (§§ 53a, 54a NAG) erworben haben; im letzteren Fall ist eine Ausweisung nur zulässig, wenn ihr Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt.

(2) Soll ein EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigter Drittstaatsangehöriger ausgewiesen werden, hat das Bundesamt insbesondere die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet, sein Alter, seinen Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration im Bundesgebiet und das Ausmaß seiner Bindung zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen.

(3) Die Erlassung einer Ausweisung gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, die Ausweisung wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

(Anm.: Abs. 4 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 87/2012)“

Der mit „Aufenthaltsverbot“ betitelte § 67 FPG lautet:

„§ 67. (1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

(2) Ein Aufenthaltsverbot kann, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.

(3) Ein Aufenthaltsverbot kann unbefristet erlassen werden, wenn insbesondere

1.       der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

2.       auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB);

3.       auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder

4.       der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

(4) Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes ist auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist des Aufenthaltsverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise.

(Anm.: Abs. 5 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 87/2012)“

Der mit „Schutz des Privat- und Familienlebens“ betitelte § 9 BFA-VG lautet:

„§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.       die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2.       das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3.       die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4.       der Grad der Integration,

5.       die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6.       die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7.       Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8.       die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9.       die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(Anm.: Abs. 4 aufgehoben durch Art. 4 Z 5, BGBl. I Nr. 56/2018)

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt.“

Der mit „Unionsrechtliches Aufenthaltsrecht von EWR-Bürgern für mehr als drei Monate“ betitelte § 51 NAG lautet:

„§ 51. (1) Auf Grund der Freizügigkeitsrichtlinie sind EWR-Bürger zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt, wenn sie

1.       in Österreich Arbeitnehmer oder Selbständige sind;

2.       für sich und ihre Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz verfügen, so dass sie während ihres Aufenthalts weder Sozialhilfeleistungen noch die Ausgleichszulage in Anspruch nehmen müssen, oder

3.       als Hauptzweck ihres Aufenthalts eine Ausbildung einschließlich einer Berufsausbildung bei einer öffentlichen Schule oder einer rechtlich anerkannten Privatschule oder Bildungseinrichtung absolvieren und die Voraussetzungen der Z 2 erfüllen.

(2) Die Erwerbstätigeneigenschaft als Arbeitnehmer oder Selbständiger gemäß Abs. 1 Z 1 bleibt dem EWR-Bürger, der diese Erwerbstätigkeit nicht mehr ausübt, erhalten, wenn er

1.       wegen einer Krankheit oder eines Unfalls vorübergehend arbeitsunfähig ist;

2.       sich als Arbeitnehmer bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach mehr als einjähriger Beschäftigung der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zur Verfügung stellt;

3.       sich als Arbeitnehmer bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach Ablauf seines auf weniger als ein Jahr befristeten Arbeitsvertrages oder bei im Laufe der ersten zwölf Monate eintretender unfreiwilliger Arbeitslosigkeit der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zur Verfügung stellt, wobei in diesem Fall die Erwerbstätigeneigenschaft während mindestens sechs Monaten erhalten bleibt, oder

4.       eine Berufsausbildung beginnt, wobei die Aufrechterhaltung der Erwerbstätigeneigenschaft voraussetzt, dass zwischen dieser Ausbildung und der früheren beruflichen Tätigkeit ein Zusammenhang besteht, es sei denn, der Betroffene hat zuvor seinen Arbeitsplatz unfreiwillig verloren.

(3) Der EWR-Bürger hat diese Umstände, wie auch den Wegfall der in Abs. 1 Z 1 bis 3 genannten Voraussetzungen der Behörde unverzüglich, bekannt zu geben. Der Bundesminister für Inneres ist ermächtigt, die näheren Bestimmungen zur Bestätigung gemäß Abs. 2 Z 2 und 3 mit Verordnung festzulegen.“

Der mit „Aufenthaltsrecht für Angehörige von EWR-Bürgern“ betitelte § 52 NAG lautet:

„§ 52. (1) Auf Grund der Freizügigkeitsrichtlinie sind EWR-Bürger, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern (§§ 51 und 53a) sind, zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt, wenn sie

1.       Ehegatte oder eingetragener Partner sind;

2.       Verwandter des EWR-Bürgers, seines Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader absteigender Linie bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres und darüber hinaus sind, sofern ihnen von diesen Unterhalt tatsächlich gewährt wird;

3.       Verwandter des EWR-Bürgers, seines Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader aufsteigender Linie sind, sofern ihnen von diesen Unterhalt tatsächlich gewährt wird;

4.       Lebenspartner sind, der das Bestehen einer dauerhaften Beziehung nachweist, odersonstige Angehörige des EWR-Bürgers sind,

a)       die vom EWR-Bürger bereits im Herkunftsstaat Unterhalt tatsächlich bezogen haben,

b)       die mit dem EWR-Bürger bereits im Herkunftsstaat in häuslicher Gemeinschaft gelebt haben, oder

c)       bei denen schwerwiegende gesundheitliche Gründe die persönliche Pflege zwingend erforderlich machen.

(2) Der Tod des zusammenführenden EWR-Bürgers, sein nicht bloß vorübergehender Wegzug aus dem Bundesgebiet, die Scheidung oder Aufhebung der Ehe sowie die Auflösung der eingetragenen Partnerschaft mit ihm berühren nicht das Aufenthaltsrecht seiner Angehörigen gemäß Abs. 1.“

Der mit „Bescheinigung des Daueraufenthalts von EWR-Bürgern“ betitelte § 53a NAG lautet wie folgt:

„§ 53a. (1) EWR-Bürger, denen das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht zukommt (§§ 51 und 52), erwerben unabhängig vom weiteren Vorliegen der Voraussetzungen gemäß §§ 51 oder 52 nach fünf Jahren rechtmäßigem und ununterbrochenem Aufenthalt im Bundesgebiet das Recht auf Daueraufenthalt. Ihnen ist auf Antrag nach Überprüfung der Aufenthaltsdauer unverzüglich eine Bescheinigung ihres Daueraufenthaltes auszustellen.

(2) Die Kontinuität des Aufenthalts im Bundesgebiet wird nicht unterbrochen von

1.       Abwesenheiten von bis zu insgesamt sechs Monaten im Jahr;

2.       Abwesenheiten zur Erfüllung militärischer Pflichten oder

3.       durch eine einmalige Abwesenheit von höchstens zwölf aufeinander folgenden Monaten aus wichtigen Gründen wie Schwangerschaft und Entbindung, schwerer Krankheit, eines Studiums, einer Berufsausbildung oder einer beruflichen Entsendung.

(3) Abweichend von Abs. 1 erwerben EWR-Bürger gemäß § 51 Abs. 1 Z 1 vor Ablauf der Fünfjahresfrist das Recht auf Daueraufenthalt, wenn sie

1.       zum Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Erwerbsleben das Regelpensionsalter erreicht haben, oder Arbeitnehmer sind, die ihre Erwerbstätigkeit im Rahmen einer Vorruhestandsregelung beenden, sofern sie diese Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet mindestens während der letzten zwölf Monate ausgeübt und sich seit mindestens drei Jahren ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten haben;

2.       sich seit mindestens zwei Jahren ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten haben und ihre Erwerbstätigkeit infolge einer dauernden Arbeitsunfähigkeit aufgeben, wobei die Voraussetzung der Aufenthaltsdauer entfällt, wenn die Arbeitsunfähigkeit durch einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit eingetreten ist, auf Grund derer ein Anspruch auf Pension besteht, die ganz oder teilweise zu Lasten eines österreichischen Pensionsversicherungsträgers geht, oder

3.       drei Jahre ununterbrochen im Bundesgebiet erwerbstätig und aufhältig waren und anschließend in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union erwerbstätig sind, ihren Wohnsitz im Bundesgebiet beibehalten und in der Regel mindestens einmal in der Woche dorthin zurückkehren;

Für den Erwerb des Rechts nach den Z 1 und 2 gelten die Zeiten der Erwerbstätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union als Zeiten der Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet. Zeiten gemäß § 51 Abs. 2 sind bei der Berechnung der Fristen zu berücksichtigen. Soweit der Ehegatte oder eingetragene Partner des EWR-Bürgers die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt oder diese nach Eheschließung oder Begründung der eingetragenen Partnerschaft mit dem EWR-Bürger verloren hat, entfallen die Voraussetzungen der Aufenthaltsdauer und der Dauer der Erwerbstätigkeit in Z 1 und 2.

(4) EWR-Bürger, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern gemäß § 51 Abs. 1 Z 1 sind, erwerben ebenfalls das Daueraufenthaltsrecht, wenn der zusammenführende EWR-Bürger das Daueraufenthaltsrecht gemäß Abs. 3 vorzeitig erworben hat oder vor seinem Tod erworben hatte, sofern sie bereits bei Entstehung seines Daueraufenthaltsrechtes bei dem EWR-Bürger ihren ständigen Aufenthalt hatten.

(5) Ist der EWR-Bürger gemäß § 51 Abs. 1 Z 1 im Laufe seines Erwerbslebens verstorben, bevor er gemäß Abs. 3 das Recht auf Daueraufenthalt erworben hat, so erwerben seine Angehörigen, die selbst EWR-Bürger sind und die zum Zeitpunkt seines Todes bei ihm ihren ständigen Aufenthalt hatten, das Daueraufenthaltsrecht, wenn

1.       sich der EWR-Bürger zum Zeitpunkt seines Todes seit mindestens zwei Jahren im Bundesgebiet ununterbrochen aufgehalten hat;

2.       der EWR-Bürger infolge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit verstorben ist, oder

3.       der überlebende Ehegatte oder eingetragene Partner die österreichische Staatsangehörigkeit nach Eheschließung oder Begründung der eingetragenen Partnerschaft mit dem EWR-Bürger verloren hat.“

3.1.3. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens war die Beschwerde als unbegründet abzuweisen, dies aus folgenden Gründen:

Für den BF, der aufgrund seiner bulgarischen Staatsangehörigkeit in den persönlichen Anwendungsbereich von § 67 FPG fällt, kommt der Prüfungsmaßstab des § 67 Abs. 1., 1. bis 4. Satz FPG für Unionsbürger zur Anwendung, weil er sich – bis auf seine Haft – in der Vergangenheit gar nicht in Österreich aufgehalten hat.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährdungsprognose das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils anzuwendende Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist (vgl dazu etwa VwGH 25.04.2014, Ro 2014/21/0039).

Bei der für den BF zu erstellenden Gefährdungsprognose steht vor allem dessen Verurteilung wegen Suchtmittelhandels im Fokus der Betrachtung.

Diese Tat stellt unzweifelhaft ein die öffentliche Sicherheit und Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens gefährdendes und beeinträchtigendes Fehlverhalten dar (vgl. VwGH 22.02.2017, Ra 2017/19/0043).

Die besondere Gefährlichkeit von Suchtmitteldelikten hat der VwGH bereits mehrfach herausgestrichen (siehe etwa VwGH vom 25.04.2013, Zahl 2013/18/0056).

Des Weiteren hob der VwGH zur Suchtgiftdelinquenz hervor, dass diese ein massiv verpöntes Fehlverhalten darstelle, bei dem erfahrungsgemäß eine hohe Wiederholungsgefahr gegeben sei und an dessen Verhinderung ein besonders großes öffentliches Interesse bestehe (vgl. etwa VwGH 29.3.2012, 2011/23/0662; 20.8.2013, 2013/22/0082).

Ferner betonte der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung, dass grundsätzlich im Fall von strafbaren Handlungen infolge Gewöhnung an Suchtmittel neben dem Abschluss einer Therapie noch eines maßgeblichen Zeitraums des Wohlverhaltens bedarf, um einen Wegfall der Gefährdung annehmen zu können (vgl. etwa 22.5.2014, Ro 2014/21/0007, mwN).

Wie die Kriminalhistorie des BF zeigt, begann seine „Verurteilungskette“ bereits im Jahr 2005 und zieht sich bis in die Gegenwart. Dies zeigt auch, dass er aus seinem Fehlverhalten in der Vergangenheit nichts gelernt zu haben scheint. Wirft man einen genaueren Blick auf die letzten 4 Verurteilungen (einschließlich jene in Österreich), so bewegten sich die Freiheitsstrafen zwischen 9 und 29 Monaten. Hervorzuheben ist auch, dass dem BF ein Strafaufschub iSd § 39 SMG nicht zu Gute kommen kann, weil, wie bereits erwähnt, Mag. Isabell GINZEL in ihrem Gutachten zum Schluss kommt, dass eine Therapie im Fall des BF aussichtslos erscheint. Vor diesem Hintergrund und der fehlenden Abstandnahme von der Begehung weiterer strafbarer Handlungen ist dem BF in jedem Fall eine negative Zukunftsprognose zu attestieren.

Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zeigt sich somit vorliegend als verhältnismäßig.

Was die Frage der Gegenwärtigkeit der Gefahr im Sinne des § 67 FPG, welche kumulativ mit der Erheblichkeit und der Tatsächlichkeit vorliegen muss betrifft, so ist dazu zu sagen, dass die jüngste Verurteilung des BF erst am 04.05.2020 erfolgte und er sich noch immer in Haft befindet. Der BF war einer der 3 Mittäter und betrat das Bundesgebiet ausschließlich zu dem Zweck, strafbare Handlungen zu begehen. Angesichts dessen und des deliktischen Handelns in der Vergangenheit ist die davon ausgehende Gefahr sowohl als erheblich als auch als tatsächlich zu betrachten.

Ferner erweist sich die bis dato seit der letzten Verurteilung verstrichene als zu kurz, um eine Gegenwärtigkeit der Gefahr im Sinne des § 67 FPG ausschließen zu können.

In seinem Erkenntnis vom 26.04.2018, Zahl Ra 2018/21/0027 hat der VwGH erwogen, dass – auch wenn der Gesinnungswandel eines Straftäters grundsätzlich daran zu messen ist, ob und wie lange er sich – nach dem Vollzug einer Haftstrafe – in Freiheit wohlverhalten hat – für den Wegfall der aus dem bisherigen Fehlverhalten ableitbaren Gefährlichkeit, in erster Linie das Verhalten in Freiheit maßgeblich ist und dieser Zeitraum umso länger anzusetzen ist, je nachdrücklicher sich die Gefährlichkeit des Fremden manifestiert hat. Der BF befindet sich – wie bereits erwähnt – noch immer in Haft, weshalb eine Wohlverhaltensphase in Freiheit noch gar nicht beurteilt werden konnte.

Ferner gebietet die im Lichte des § 9 BFA-VG gebotene Abwägung der privaten und familiären mit den entgegenstehenden öffentlichen Interessen des BF keine Distanzierung von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes. Der BF hat – gegenüber Mag Ginzel – selbst vermeint, er habe keinen Bezug zu Österreich. Demgemäß muss die für den BF im Hinblick auf einen Verbleib im Bundesgebiet angestellte Betrachtung ins Leere gehen.

Nach dem besagten und in seiner Gesamtheit zu missbilligenden Fehlverhalten des BF ist davon auszugehen, dass das gegen ihn erlassene Aufenthaltsverbot gemäß § 9 BFA-VG zulässig ist, ist es doch zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (Aufrechterhaltung der öffentlichen Verkehrssicherheit) dringend geboten.

Die öffentlichen Interessen an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes sind demnach höher zu gewichten als die gegenläufigen, privaten Interessen des BF an einem Verbleib im Bundesgebiet. Unter diesen Umständen ist die Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung nach § 9 BFA-VG als zulässig zu werten (vgl etwa VwGH 20.08.2013, 2013/22/0097).

3.2. Auch was die Dauer des Aufenthaltsverbotes betrifft, erscheint diese als angemessen. So reicht das strafbare Verhalten des BF viele Jahre in die Vergangenheit zurück und vermochten ihn auch bedingte Entlassungen aus der Haft (wie zuletzt in Deutschland) nicht zu einem Umdenken in Richtung der Änderung seines Verhaltens zu bewegen. Ferner war er vor dem letzten Haftantritt obdach- und ist er einkommenslos. Diese Umstände erfordern eine Aufrechterhaltung der 10jährigen Dauer des Aufenthaltsverbotes.

3.3. Zu Spruchpunkt II. des bekämpften Bescheides

Gemäß § 70 Abs. 3 FPG ist EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen ist bei der Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.

Gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG kann bei EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn deren sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.

Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom BFA aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß § 18 Abs. 6 BFA-VG steht ein Ablauf der Frist nach Abs. 5 der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht entgegen.

Wegen des strafbaren Verhaltens des BF wird dessen sofortige Ausreise bzw. Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich sein und erfolgte die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung des BFA zu Recht.

Da diese Bestimmung ein Antragsrecht nicht vorsieht, sondern die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ausschließlich von Amts wegen zu erfolgen hat, war der diesbezügliche Antrag als unzulässig zurückzuweisen.

3.4. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG eine mündliche Verhandlung unterbleiben.

Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat in Bezug auf § 41 Abs. 7 AsylG 2005 in der Fassung bis 31.12.2013 unter Berücksichtigung des Art. 47 iVm. Art. 52 der Grundrechte-Charta der Europäischen Union (im Folgenden: GRC) ausgesprochen, dass das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung in Fällen, in denen der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde erklärt erscheint oder sich aus den Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen tatsachenwidrig ist, im Einklang mit Art. 47 Abs. 2 GRC steht, wenn zuvor bereits ein Verwaltungsverfahren stattgefunden hat, in dessen Rahmen Parteiengehör gewährt wurde. Hat die beschwerdeführende Partei hingegen bestimmte Umstände oder Fragen bereits vor der belangten Behörde releviert oder sind solche erst nachträglich bekannt geworden, ist die Durchführung einer mündlichen Verhandlung erforderlich, wenn die von der beschwerdeführenden Partei bereits im Verwaltungsverfahren oder in der Beschwerde aufgeworfenen Fragen – allenfalls mit ergänzenden Erhebungen – nicht aus den Verwaltungsakten beantwortet werden können, und insbesondere, wenn der Sachverhalt zu ergänzen oder die Beweiswürdigung mangelhaft ist (VfGH 14.03.2012, U 466/11-18, U 1836/11-13).

Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat mit Erkenntnis vom 28.05.2014, Zl. Ra 2014/20/0017 und 0018-9, für die Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG enthaltenen Wendung „wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint“ unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des VfGH vom 12.03.2012, Zl. U 466/11 ua., festgehalten, dass der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen muss. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Schließlich ist auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen.

Im gegenständlichen Fall ist dem angefochtenen Bescheid ein umfassendes Ermittlungsverfahren durch die belangte Behörde vorangegangen. Der Sachverhalt wurde nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens unter schlüssiger Beweiswürdigung der belangten Behörde festgestellt und es wurde in der Beschwerde auch kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der belangten Behörde entgegenstehender oder darüber hinaus gehender Sachverhalt in konkreter und substantiierter Weise behauptet.

Es konnte daher die gegenständliche Entscheidung auf Grund der Aktenlage getroffen und von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

Zu Spruchteil B):

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Aufenthaltsverbot Interessenabwägung öffentliche Interessen strafgerichtliche Verurteilung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G307.2235016.1.00

Im RIS seit

01.09.2021

Zuletzt aktualisiert am

01.09.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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