TE Bvwg Erkenntnis 2021/3/4 W158 2225331-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.03.2021
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

04.03.2021

Norm

BörseG 2018 §155 Abs1 Z2
BörseG 2018 §156 Abs1 Z1
BörseG 2018 §156 Abs3 Z2
BörseG 2018 §158 Abs1
B-VG Art133 Abs4
FMABG §22 Abs2a
VStG 1950 §1 Abs2
VStG 1950 §19 Abs1
VStG 1950 §19 Abs2
VStG 1950 §44a
VStG 1950 §5 Abs1
VStG 1950 §5 Abs1a
VStG 1950 §5 Abs2
VStG 1950 §64 Abs2
VwGVG §50 Abs1
VwGVG §52 Abs8

Spruch


W158 2225331-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die vorsitzende Richterin Dr. Yoko KUROKI-HASENÖHRL, den Richter Dr. Martin MORITZ und den Richter Mag. Volker NOWAK als Beisitzer über die Beschwerde der XXXX , vom 29.10.2019 gegen das Straferkenntnis der Finanzmarktaufsicht vom 27.09.2019, GZ. FMA- XXXX zu Recht erkannt:

A)

Gemäß § 50 VwGVG wird die Beschwerde in der Schuldfrage mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass die Wortfolge „beziehungsweise durch mangelnde Überwachung oder Kontrolle die Begehung des oben angeführten Verstoßes durch eine für die XXXX tätige Person ermöglicht“ zu entfallen hat, und der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses nach Aufzählung der unten angeführten Mitglieder des Vorstandes wie folgt ergänzt wird:

„Sie sind als natürliche Personen verantwortlich, weil sie als Vorstandsorgane gehandelt haben und damit eine Führungsposition innerhalb der juristischen Person aufgrund der Befugnis zur Vertretung der juristischen Person innehatten. Der Vorstand war in dieser Funktion für die Veröffentlichung von Ad-hoc-Meldeverpflichtungen verantwortlich. Er hat es zu verantworten, dass erst am 12.04.2017 um 10:17 Uhr MEZ die gesetzliche Verpflichtung (iSd § 155 Abs. 1 Z 2 leg. cit) einer Ad-hoc Meldung veranlasst wurde, wonach die gegenständliche Einschränkung bzw. der Widerruf öffentlich bekannt wurde. Seine Verantwortlichkeit wird der juristischen Person (Beschwerdeführerin) zugerechnet, weil er schuldhaft gehandelt hat."

Die Strafnorm lautet §§ 155 Abs. 1 Z 2, 156 Abs. 1 Z 1, Abs. 3 Z 2 BörseG 2018, BGBl. I Nr. 107/2017 idgF.

Der Beschwerde wird in der Straffrage insofern Folgen gegeben, als die von der FMA verhängte Strafe auf 10.000,-- Euro herabgesetzt wird.

Die Beschwerdeführerin hat gemäß § 64 Abs. 2 VStG einen Beitrag von 1.000,-- Euro zum Verfahren vor der belangten Behörde zu leisten, das sind 10 % der nunmehr verhängten Strafe.

Die Beschwerdeführerin hat gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG keine Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

I.1. Das hier angefochtene Straferkenntnis vom 27.09.2019 der Finanzmarktaufsicht (in Folge: FMA), der Beschwerdeführerin (in Folge: BF) am 01.10.2019 zugestellt, richtet sich gegen die BF als Beschuldigte und enthält folgenden Spruch:

„Die XXXX AG (kurz auch XXXX oder die Beschuldigte), ist eine Aktiengesellschaft mit der Geschäftsanschrift XXXX , deren Aktien jedenfalls im Jahr 2018 (hier insbesondere im März und April) unter der ISIN XXXX am Dritten Markt der Wiener Börse, im Marktsegment mid market notierten.

Die XXXX , als juristische Person, hat es an ihrem Unternehmenssitz unterlassen, eine sie unmittelbar betreffende Insiderinformation, und zwar die Information, dass durch das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) nach Abschluss des Parteiengehörs kommuniziert wurde, dass betreffend die XXXX ein Widerruf der Bewilligung zur Herstellung, Kontrolle und dem eigenverantwortlichen in Verkehr bringen von einzelnen Arzneimitteln gemäß § 66a AMG erfolgen wird, so bald wie möglich, sohin noch am 29.03.2018 gemäß Art 17 Abs 1, 1. Satz MAR (Verordnung (EU) Nr. 596/2014) der Öffentlichkeit bekannt zu geben.

Bei der oben angeführten Information handelt es sich um eine nicht öffentlich bekannte, präzise Information gemäß Art 7 Abs 1 lit a MAR, welche die XXXX direkt betraf und die – wäre sie öffentlich bekannt – geeignet wäre, den Kurs der Aktien der XXXX erheblich zu beeinflussen.

Erst am 12.04.2018 veröffentlichte die XXXX um 10:17 Uhr MEZ unter dem Titel ‚Eingeschränktes GMP Zertifikat der XXXX AG‘ eine Ad – hoc Meldung, wonach die gegenständliche Einschränkung bzw. der Widerruf öffentlich bekannt wurde.

Die Verantwortlichkeit der XXXX ergibt sich folgendermaßen:

Die im Tatzeitraum (29.03.2018 bis 12.04.2018) zur Vertretung nach außen berufenen, unten angeführten, Mitglieder des Vorstandes der XXXX (siehe dazu den beiliegenden Auszug aus dem Firmenbuch, der einen integrierten Bestandteil dieses Straferkenntnisses bildet) haben selbst gegen die angeführten Verpflichtungen verstoßen beziehungsweise durch mangelnde Überwachung oder Kontrolle die Begehung des oben angeführten Verstoßes durch eine für die XXXX tätige Person ermöglicht. Dies wird der XXXX jeweils zugerechnet.

XXXX , geb. XXXX , von 29.03.2018 bis 12.04.2018;

XXXX , geb. XXXX , von 29.03.2018 bis 12.04.2018;

XXXX , geb. XXXX , von 29.03.2018 bis 12.04.2018.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

Art 17 Abs 1 Marktmissbrauchsverordnung (Verordnung (EU) Nr. 596/2014) iVm § 155 Abs. 1 Z 2 iVm § 156 Abs 1 und 3 Z 2 BörseG 2018 (BGBl. I Nr. 107/2017)

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe von

105.000,00 Euro

Gemäß §§

§ 155 Abs. 1 Z 2 iVm § 156 Abs 1 und 3 Z 2 BörseG 2018 (BGBl. I Nr. 107/2017)

Weitere Verfügungen (z.B. Verfallsausspruch, Anrechnung von Vorhaft):

--

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:

•        10.500,00 Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10% der Strafe, mindestens jedoch 10 Euro (ein Tag Freiheitsstrafe gleich 100 Euro);

•        0 Euro als Ersatz der Barauslagen für -.

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher

115.500,00 Euro.“

I.2. Dagegen richtet sich die am 29.10.2019 bei der FMA eingelangte Beschwerde der BF wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Es wurde beantragt, sofern nicht bereits aufgrund der Aktenlage das Straferkenntnis aufgehoben werde, eine mündliche Verhandlung anzuberaumen, das Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen, in eventu die Strafe auf ein schuldangemessenes Maß herabzusetzen.

Begründend wurde im Wesentlichen vorgebracht, die Information sei bis zur Erlassung des Bescheids nicht präzise gewesen, zumal der Inhalt des noch zu erlassenden Bescheids anlässlich der Besprechung am 29.03.2018 nicht genau bekannt gewesen sei. Ebenso wenig sei bekannt gewesen, welche Maßnahmen zur Umsetzung des Bescheids erforderlich sein würden. Außerdem wurden verfassungsrechtliche Bedenken hinsichtlich § 155 BörseG vorgebracht.

I.3. Die FMA legte die Beschwerde und den dazugehörigen Verwaltungsakt mit Schreiben vom 07.11.2019 dem Bundesverwaltungsgericht vor.

I.4. Zu XXXX des Handelsgerichts Wien befand sich die BF seit 17.12.2019 in einem Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung. Dem Sanierungsplan wurde die Zustimmung verweigert, wodurch sich die BF seit 20.04.2020 in Konkurs befindet. Ihr Masseverwalter ist Dr. Stephan Riel, Landstraßer Hauptstraße 1/2, 1030 Wien.

I.5. Am 17.12.2020 teilten der Masseverwalter und die BF durch ihren Geschäftsführer XXXX mit, dass die Beschwerde aufrechterhalten, aber auf eine Verhandlung verzichtet werde.

I.5. Am 18.12.2020 erklärte die FMA ihren Verzicht auf eine Verhandlung.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Beweis wurde erhoben durch Einschau in den vorgelegten Verwaltungs- und Gerichtsakt.

II.1. Feststellungen:

II.1.1. Zum Unternehmen der XXXX AG (im Folgenden: BF)

Die AG hatte ihren Sitz in XXXX und firmiert unter der Firmenbuchnummer FN XXXX . Die BF befand sich zu XXXX des Handelsgerichts Wien seit 17.12.2019 in einem Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung. Dem Sanierungsplan wurde die Zustimmung verweigert, wodurch sich die BF seit 20.04.2020 in Konkurs befindet. Ihr Masseverwalter ist Dr. Stephan Riel, Landstraßer Hauptstraße 1/2, 1030 Wien. Die BF wird nunmehr von XXXX , geb. XXXX , vertreten.

Der Vorstand der Gesellschaft bestand im Tatzeitraum aus XXXX , XXXX und XXXX .

Die Aktien der XXXX waren im Tatzeitraum zum Handel am Dritten Markt (MTF) der Wiener Börse, Segment „mid market“ (nunmehr direct market plus) im fortlaufenden Handel zugelassen. Des Weiteren waren die Aktien an den Börsen in Frankfurt, Stuttgart, München, Hamburg, Düsseldorf und Berlin jeweils zum Handel in den Freiverkehr (MTF) einbezogen.

Der Unternehmensgegenstand wurde durch die BF im Tatzeitraum auf ihrer Homepage wie folgt dargestellt:

„ XXXX hat sich auf die Entwicklung und Produktion von innovativen Arzneimitteln und Diagnostika spezialisiert. Der Fokus liegt auf Indikationen mit hohen therapeutischen Ansprüchen, wie Neurodegeneration, Schmerz und Onkologie, sowie in der Diagnostik auf bildgebende Verfahren. Die Produkte decken dringenden medizinischen Bedarf und sind von hohem wirtschaftlichem Interesse. XXXX verzichtet bewusst auf die kostenintensive Grundlagenforschung und verbindet interne Kompetenz in der Produktentwicklung mit der fachlichen Expertise ausgewählter Partner. Die Stärke und das Know-how liegen in der Einschätzung des klinischen Potenzials der Wirkstoffkandidaten und der raschen Durchführung von Studien zum Nachweis von Wirkkonzepten.“

Der BF wurde mit Bescheid vom 13.11.1998, des (damaligen) Bundesministeriums für Arbeit, Soziales und Gesundheit, GZ XXXX , gemäß § 63 Abs. 1 AMG die Bewilligung für die Herstellung, die Kontrolle und das Inverkehrbringen von ausgewählten Arzneimitteln erteilt.

Im Geschäftsjahr 2017/18 betrug der jährliche Gesamtumsatz EUR XXXX .

II.1.2. Zum Verfahren vor dem Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (im Folgenden: BASG):

Am 11.12.2017 fand eine anlassbezogene Betriebsprüfung durch das BASG aufgrund der Meldung der Europäischen Arzneimittelagentur, dass eine unbekannte Verunreinigung bei der zentralen Zulassung des Arzneimittels „Zoledronsäure medac 4 mg/ 5 ml Konzentrat zur Herstellung einer Infusionslösung“ festgestellt wurde, statt.

Nachdem der diesbezügliche Inspektionsbericht der BF am 15.12.2017 zugestellt wurde, nahm diese am 12.01.2018, am 29.01.2018 und am 31.01.2018 Stellung dazu. Zusätzlich fand am 15.01.2018 eine Anhörung der BF statt, in deren Rahmen die anlässlich der Inspektion festgestellten Mängel ebenso besprochen wurden, wie die von der BF angedachten Maßnahmen zur Behebung dieser Mängel, die vom BASG teils als unzureichend eingestuft wurden. Im Inspektionsbericht vom 15.12.2017 wurde die BF darauf hingewiesen, dass sich die Behörde den Abschluss des Verfahrens mittels Non Compliance Report (im Folgenden: NCR) beziehungsweise die (Teil-)Sperrung der Betriebsstätte mittels Mandatsbescheid im Falle unzureichender Maßnahmen zur Mängelbehebung vorbehält und im Zuge der Bewertung des Parteiengehörs evaluiert wird. Im Bericht zur Inspektion vom 15.12.2017 wurde die BF darauf hingewiesen, dass ein GMP-Zertifikat erst dann ausgestellt wird, wenn die Betriebsprüfung ergeben hat, dass der Betrieb den Bestimmungen des AMG, der Arzneimittelbetriebsordnung und der Betriebsbewilligung entspricht. Andernfalls würde eine Information über das Nichtentsprechen in Form eines NCR erstellt und eine Information in der unionsrechtlich vorgesehenen Datenbank und der Homepage des BASG veröffentlicht werden.

Mit Schreiben vom 16.02.2018 teilte das BASG der BF nochmals schriftlich mit, dass die Maßnahmen zur Mängelbehebung teils unzureichend sind. Es wurde der BF auch mitgeteilt, dass aufgrund des bisherigen Ergebnisses des Beweisverfahrens ein GMP-Zertifikat nicht ausgestellt werden kann. Sollte dieser Zustand fortbestehen, würde das BASG ein NCR erstellen und entsprechend veröffentlichen.

Am 29.03.2018 fand eine Besprechung zwischen dem BASG und der BF statt, an der unter anderem auch die Vorstandsmitglieder XXXX teilnahmen. Im Rahmen dieser Besprechung wurden der BF die voraussichtlichen Spruchpunkte eines zu erlassenden Bescheids mittels einer Präsentation mitgeteilt. Die BF konnte diese Präsentation während der Besprechung einsehen, die Folien wurden der BF jedoch nicht zur Verfügung gestellt. Der der BF vorgestellte Entwurf hatte folgenden Inhalt:

„Das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen widerruft gemäß § 66a Arzneimittelgesetz (AMG), BGBl. Nr. 185/1983, idgF, die Bewilligung der XXXX AG, am Standort XXXX in XXXX , zur Herstellung, der Kontrolle und dem Inverkehrbringen von Arzneimitteln gemäß Bescheid mit der GZ XXXX vom 13.11.1998, sowie alle bezugnehmend auf diesen Bescheid ergangenen Änderungen der Bewilligung.

I. Das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) widerruft gemäß § 66a Arzneimittelgesetz (AMG), BGBl. Nr. 185/1983, idgF die Bewilligung der XXXX AG, am Standort XXXX in XXXX , zur Kontrolle von Arzneimitten gemäß Bescheid mit der GZ XXXX vom 13.11.1998, sowie alle bezugnehmend auf diesen Bescheid ergangenen Änderungen der Bewilligung, ausgenommen mikrobiologische Qualitätskontrolle, Probenahme, Inprozesskontrolle, Wareneingangskontrolle von Materialien, sowie Kontrolle von Wirkstoffen.

II. Das BASG widerruft gemäß § 66a AMG die Bewilligung der XXXX AG, am Standort XXXX in XXXX , zur Herstellung von steril produzierten Arzneimitteln in flüssiger Darreichungsform gemäß Bescheid mit der GZ XXXX vom 13.11.1998, sowie alle bezugnehmend auf diesen Bescheid ergangenen Änderungen der Bewilligung, ausgenommen der Herstellung der Arzneispezialitäten XXXX,XXX,XXX,XXX, unter der Auflage, dass zu Herstellung der Arzneispezialitäten XXXX,XXX,XXX,XXX ausschließlich folgende produktspezifisch gewidmete Ausrüstung XXX,XX,X,XXXX,XXXX, sowie der Herstellung der Arzneispezialitäten XXXX,XXX,XXX,XXX, unter der Auflage, dass zu Herstellung der Arzneispezialitäten XXXX,XXX,XXX,XXX ausschließlich folgende produktspezifisch gewidmete Ausrüstung XXX,XX,X,XXXX,XXXX Verwendung finden. Eine Vermischung produktspezifisch gewidmeter Ausrüstung wird untersagt, dies gilt auch für sogenannte ‚Backup-Ausrüstung‘.

III. Das BASG erteilt gemäß § 66 AMG die Auflage, dass vor Beginn der Herstellung der unter II. genannten Arzneispezialitäten eine vollständige Grundreinigung der unter II. genannten produktspezifisch gewidmeten Ausrüstung erfolgt und diese vollständige Grundreinigung durch einen unabhängigen Dritten mit einer entsprechenden arzneimittelrechtlichen Bewilligung geprüft wird. Ferner ist ein fortlaufender Reinigungserfolg (Reinigungsverifizierung) der unter II. genannten produktspezifisch gewidmeten Ausrüstung sicherzustellen, um nachteilige Einwirkungen, insbesondere Verunreinigungen, der der unter II. genannten Arzneispezialitäten zu verhindern. Das BASG ist regelmäßig über das Ergebnis dieser Überprüfungen nachweislich zu verständigen.

IV. Das BASG stellt gemäß § 68 Abs. 5 AMG fest, dass die XXXX AG, am Standort XXXX in XXXX nicht nach den Grundsätzen der Guten Herstellungspraxis arbeitet.

V. Das BASG schließt die aufschiebende Wirkung einer rechtzeitig eingebrachten und zulässigen Beschwerde gegen die vorgenannten Spruchpunkte gem. § 13 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF aus.“

Spätestens seit der Besprechung am 29.03.2018 wussten die anwesenden Mitglieder des Vorstands der BF, dass das BASG das GMP Zertifikat in den in der Besprechung genannten Bereichen Herstellung steriler Flüssigkeiten sowie freigaberelevanter Analytik einschränken wird. Am 11.04.2018 teilte eine Mitarbeiterin der BF dem Vorstand per Mail um 12:20 mit, dass der NCR online ist.

Mit Bescheid vom 12.04.2018 zu INS- XXXX , der BF am 20.04.2018 zugestellt sprach das BASG aus:

„I. Das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) widerruft gemäß § 66a Arzneimittelgesetz (AMG), BGBl. Nr. 185/1983, idgF die Bewilligung der XXXX AG, am Standort XXXX in XXXX , zur Kontrolle von Arzneimitteln gemäß Bescheid mit der GZ XXXX vom 13.11.1998, sowie alle bezugnehmend auf diesen Bescheid ergangenen Änderungen der Bewilligung, ausgenommen mikrobiologische Qualitätskontrolle, Probenahme, Inprozesskontrolle, Wareneingangskontrolle von Materialien, sowie Kontrolle von Wirkstoffen.

II. Das BASG widerruft gemäß § 66a AMG die Bewilligung der XXXX AG, am Standort XXXX in XXXX , zur Herstellung von steril produzierten Arzneimitteln in flüssiger Darreichungsform gemäß Bescheid mit der GZ XXXX vom 13.11.1998,, sowie alle bezugnehmend auf diesen Bescheid ergangenen Änderungen der Bewilligung, ausgenommen der Herstellung der Arzneimittel Iopadimol 300 mg Iod / ml, Iopadimol 370 mg Iod / ml, Urolux Retro 150 mg Iod / ml, Iohexol 300 mg Iod / ml, Iohexol 350 mg Iod / ml, Gadotersäure 0,5 mmol / ml und Gadopentetsäure 500 ?mol / ml.

Die Herstellbewilligung vorgenannter Arzneimittel bleibt unter der Voraussetzung, dass zur Herstellung der Arzneimittel Iopadimol 300 mg Iod / ml, Iopadimol 370 mg Iod / ml, Urolux Retro 150 mg Iod / ml, Iohexol 300 mg Iod / ml und Iohexol 350 mg Iod / ml ausschließlich die produktspezifisch gewidmete Ausrüstung der Produktionslinie ‚I-Train‘, gemäß der durch die XXXX AG übermittelten Darstellung unabhängiger Produktionslinien und zur Herstellung der Arzneimittel Gadotersäure 0,5 mmol / ml und Gadopentetsäure 500 ?mol / ml ausschließlich die produktspezifisch gewidmete Ausrüstung der Produktionslinie ‚C-Train‘, gemäß der durch die XXXX AG übermittelten Darstellung unabhängiger Produktionslinien Verwendung finden, aufrecht.

Eine Vermischung produktspezifisch gewidmeter Ausrüstung wird untersagt, dies gilt auch für sogenannte ‚Backup-Ausrüstung‘.

III. Das BASG erteilt gemäß § 66 AMG die Auflage, dass vor Beginn der Herstellung der unter II. genannten Arzneimittel eine vollständige Grundreinigung der unter II. genannten produktspezifisch gewidmeten Ausrüstung erfolgt und diese vollständige Grundreinigung durch einen unabhängigen Dritten mit einer entsprechenden arzneimittelrechtlichen Bewilligung geprüft wird. Ferner ist der fortlaufende Reinigungserfolg mittels regelmäßiger Durchführung einer Reinigungsverifizierung, zumindest einmal monatlich, der unter II. genannten produktspezifisch gewidmeten Ausrüstung sicherzustellen, um nachteilige Einwirkungen, insbesondere Verunreinigungen, der unter II. genannten Arzneimittel zu verhindern. Das BASG ist vierteljährlich über das Ergebnis dieser Überprüfungen nachweislich zu verständigen.

IV. Das BASG stellt gemäß § 68 Abs. 5 AMG fest, dass die XXXX AG, am Standort XXXX in XXXX , nicht nach den Grundsätzen der Guten Herstellungspraxis arbeitet.

V. Die Anordnung der qualifizierten Marktfreigabe von Zoledronsäure-Chargen durch die sachkundige Person unter Einbindung des BASG wird aufgehoben.

VI. Das BASG schließt die aufschiebende Wirkung einer rechtzeitig eingebrachten und zulässigen Beschwerde gegen die vorgenannten Spruchpunkte gem. § 13 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/201, idgF aus.“

Am 12.04.2018 um 10:17 Uhr erstattete die BF folgende Ad-hoc Meldung:

„Die börsennotierte XXXX AG, XXXX […], gibt bekannt, dass das GMP Zertifikat der XXXX AG laut EUDRA GMP Datenbank mit 11.04.2018 eingeschränkt wurde.

Die Einschränkung bezieht sich auf die Produktion von einzelnen Arzneimitteln und deren Qualitätsprüfung. Für die Zeit der Einschränkung wird diese Produktion und deren Prüfung extern vergeben und die Produktion der betroffenen Arzneimittel sukzessive nach Genehmigung wieder aufgenommen.

Die Gesellschaft hat diesbezüglich noch keinen Bescheid des Bundesamts für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) erhalten. Eine vollständige und abschließende sachliche Prüfung wird auf Basis des schriftlichen Bescheides erfolgen können. Die Gesellschaft behält sich vor, Rechtsmittel gegen den Bescheid einzulegen.“

Ein Aufschub dieser Information gemäß Art. 17 Abs. 4 oder 5 Verordnung (EU) Nr. 596/2014 wurde der FMA nicht angezeigt.

Nach Zustellung des Bescheids des BASG veröffentlichte die BF am 20.04.2018 um 21:28 Uhr folgende Ad-hoc Meldung:

„Die börsennotierte XXXX AG, XXXX (ISIN XXXX , ISIN XXXX ), gibt bekannt, dass am heutigen Tag der angekündigte Bescheid des Bundesamtes für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG), wie in der Ad hoc Meldung vom 12.04.2018 vorangekündigt, zugestellt wurde. Demzufolge sind die Wirkstoffproduktion sowie die Herstellung halbfester Arzneimittel und nicht-steriler Lösungen weiterhin unverändert bewilligt, während die Produktion der sterilen Lösungen ausgesetzt werden muss.

Die Produktion der Humanarzneimittel Iopamidol, Iohexol, Urolux®, Gastrolux® und der gadoliniumhältigen Kontrastmittel (wie zum Beispiel Cyclolux®) kann nach der erfolgten Grundreinigung, sowie deren Bestätigung durch Dritte im Werk in Neufeld wieder aufgenommen werden. Dies wird Ende April / Anfang Mai 2018 erfolgen.

[…]“

II.1.3. Zu den (medialen) Reaktionen auf die gegenständliche Ad-hoc Meldung:

Über die Ad-hoc Meldung der BF vom 12.04.2018 wurde von mehreren Medien, etwa dem Standard und dem Kurier an diesem oder am nächsten Tag berichtet:

Das BASG sah sich aufgrund der medialen Weiterverbreitung dieser Ad-hoc Meldung veranlasst, eine „Richtigstellung der APA Meldung vom 12. April 2018“ auf seiner Internetseite mit folgendem Inhalt zu veröffentlichen:

„Bei dem gegenständlichen Verfahren handelt es sich um ein amtswegiges Verfahren des BASG und nicht der AGES GmbH, demgemäß hat eine allfällige Koordination ausschließlich mit dem BASG zu erfolgen.

Die XXXX AG war als Partei im gegenständlichen Inspektionsverfahren des BASG, welches mit dem Entzug der Bewilligung zur Kontrolle von Arzneimitteln, ausgenommen bestimmter Teilbereiche und mit dem Entzug der Bewilligung zur Herstellung bestimmter Arzneimittel endete, selbstverständlich in das Verfahren eingebunden.

Die Aussage, dass die XXXX AG vorab keine Kenntnis der durch das BASG gesetzten Maßnahmen hatte, ist somit als unrichtig zurückzuweisen. Richtig ist vielmehr, dass der der Entscheidung des BASG zugrundeliegende Sachverhalt mit der XXXX AG im Rahmen des Parteiengehörs mehrfach intensiv erörtert wurde. So wurde beispielsweise die Maßnahme betreffend des Entzugs zur Herstellung bestimmter Arzneimittel im Einvernehmen und Absprache mit der XXXX im Vorfeld getroffen.

Die Aussage, wonach die XXXX AG lediglich aufgrund des Eintrags in der GMP Datenbank aufmerksam geworden sei, findet auch keine Deckung in der ad hoc Meldung des Unternehmens zu gegenständlicher Thematik“.

II.1.4. Zur Kursreaktion auf die gegenständliche Ad-hoc Meldung:

Am 12.04.2018 erfolgte intraday im Anschluss an die um 10:17 Uhr veröffentlichte Ad-hoc Meldung ein Kurseinsturz von 11 % bis zu Mittag.

Der Kurs stabilisierte sich am Ende des Handelstages wieder bei EUR 2,00:

Kurs:   09:04 Uhr: EUR 2,08

12:15 Uhr: EUR 1,85

17:00 Uhr: EUR 2,00

cid:image001.png@01D41787.D58D5460

Im gesamten Monat April 218 erreichte der Kurs am 06.04.2018 ein Hoch mit EUR 2,30 mit geringem Handelsvolumen und sein absolutes Tief am 12.04.2018 mit EUR 2,00 mit hohem Handelsvolumen. Nach einer anfänglichen Erholung am 13.04.2018 stieg der Kurs erst am 17.04.2018 wieder deutlich an:

cid:image001.png@01D41788.185C24B0

II.2. Beweiswürdigung:

Der bereits von der FMA festgestellte Sachverhalt wurde in der Beschwerde nicht substantiiert bestritten. Da dieser auf unbedenklichen Beweismitteln beruht, auf die im Sachverhalt konkret Bezug genommen wurde und die sich aus den Akten selbst ergeben, konnte der bereits durch die FMA festgestellte Sachverhalt auch vom Bundesverwaltungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt werden.

Im Einzelnen beruhen die Feststellungen auf folgenden Erwägungen:

Die Feststellungen zum Vorstand der BF beruhen auf dem im Akt der FMA einliegenden Firmenbuchauszug (Beilage 3 zu ON 1, ON 3). Die übrigen Feststellungen zur BF, insbesondere zu den im Dritten Markt der Wiener Börse gehandelten Papieren sowie zum von ihr selbst dargestellten Unternehmensgegenstand traf bereits die FMA. Diese wurden von der BF während des gesamten Verfahrens nicht bestritten und konnten daher auch der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt werden. Die Feststellungen zum Sanierungsverfahren bzw. Konkurs und dem aktuellen Vertreter der BF ergeben sich aus dem Insolvenzdatei- und Firmenbuchauszug, die dem Akt des BVwG als Beilage 1 und 2 beiliegen.

Die bescheidmäßige Bewilligung zur Herstellung, Kontrolle und Inverkehrbringen ausgewählter Arzneimittel konnte aufgrund des im Akt einliegenden Bewilligungsbescheids festgestellt werden (Beilage 13 zu ON 1), an dem kein vernünftiger Grund zu zweifeln besteht.

Der Gesamtumsatz der BF im Geschäftsjahr 2017/18 wurde ebenfalls bereits, wenn auch disloziert, von der FMA auf Basis des Berichts über die Prüfung des Jahresabschlusses zum 30.09.2018 (ON 13) festgestellt und von der BF nicht bestritten.

Die Feststellung zum eingeleiteten Sanierungsverfahren beruhen auf den Angaben der BF selbst und konnten auch aufgrund einer Einsicht in die Ediktsdatei der Justiz getroffen werden.

Die Feststellungen zum Verfahrensverlauf vor dem BASG, insbesondere auch zur Besprechung am 29.03.2018, dem dort vorgestellten Bescheidentwurf und dem später tatsächlich erlassenen Bescheid, waren im Wesentlichen unstrittig und beruhen gleichfalls auf unbedenklichen teils von der BF, teils vom BASG vorgelegten Unterlagen, an denen kein Grund zu zweifeln besteht (siehe insbesondere Beilagen 7 und 9 zu ON 1). Dass die während der Besprechung am 29.03.2018 seitens des BASG präsentierten Folien der BF beziehungsweise den Vorstandsmitgliedern nicht übergeben wurden, konnte aufgrund der Angaben der BF in der Beschwerde festgestellt werden. Es ist kein Grund ersichtlich, warum dieser Aussage nicht gefolgt werden können sollte, zumal sich die BF während des gesamten Verfahrens kooperativ zeigte und alle benötigten beziehungsweise geforderten Unterlagen vorlegte.

Dass die Mitglieder des Vorstands der BF spätestens seit der Besprechung am 29.03.2018 wussten, dass und in welchen Bereichen das GMP Zertifikat eingeschränkt und ein NCR veröffentlicht werden wird, ergibt sich aus dem äußeren Geschehensablauf. So wies das BASG in allen Verfahrensschritten stets daraufhin, dass das GMP Zertifikat eingeschränkt werden müsse, wenn die vom BASG festgestellten Mängel nicht behoben werden würden. Ebenso gab das BASG während des Verfahrens eindeutig zu erkennen, dass die von der BF gesetzten Schritte nicht ausreichen, die Mängel zu beheben. Auch in der Besprechung vom 29.03.2018 wurde dies noch einmal deutlich, wie das Gedächtnisprotokoll zeigt (Beilage ./11 zu Beilage 7 zu ON 1). In der Stellungnahme des Vorstands der BF an die FMA vom 22.05.2018 gestehen diese selbst ein, dass das BASG zumindest andeutete, in welchen Bereichen das Zertifikat eingeschränkt werde (Beilage 8 zu ON 1). Auch die Mitteilung einer Mitarbeiterin an den Vorstand der BF, wonach der NCR online sei, sowie die Reaktion des Vorstands (Beilage 8 zu ON 1, S. 34) darauf zeigt, dass dieser bereits vor der Veröffentlichung des NCR wusste, dass es dazu kommen würde. Wäre nämlich nicht damit gerechnet worden, wäre die Mittelung der Mitarbeiterin anders formuliert worden. Aus der Formulierung „[d]er NCR ist online“ kann nämlich nur der Schluss gezogen werden, dass im Unternehmen der BF davon ausgegangen wurde, dass ein NCR veröffentlicht werden würde.

Die Feststellungen zu den Ad-hoc Meldungen der BF sowie den darauf erfolgten Reaktionen in den Medien und beim Börsenkurs wurden wiederum von der FMA aufgrund des unstrittigen Akteninhalts getroffen (Beilagen 4, 5, 6, 9, 10, 11 und 12) und von der BF nicht bestritten. Das Bundesverwaltungsgericht sieht daher keinen Grund, diese Feststellungen nicht auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

II.3. Rechtliche Beurteilung:

II.3.1. Zur Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts, zum anwendbaren Recht und zur Zulässigkeit der Beschwerde

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 22 Abs. 2a Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz (FMABG) entscheidet über Beschwerden gegen Bescheide der FMA das Bundesverwaltungsgericht durch Senat, ausgenommen in Verwaltungsstrafsachen bei Bescheiden bei denen weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 600 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde. Gegenständlich wurde eine 600 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt, sodass hier die Zuständigkeit eines Senates vorliegt.

Gemäß § 38 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG in Verwaltungsstrafsachen die Bestimmungen des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG, BGBl. Nr. 52/1991, mit Ausnahme des 5. Abschnittes des II. Teiles, und des Finanzstrafgesetzes - FinStrG, BGBl. Nr. 129/1958, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Das Bundesverwaltungsgericht hat in Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 50 VwGVG, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, in der Sache selbst zu entscheiden. Gemäß § 48 VwGVG ist bei Fällung des Erkenntnisses nur auf das Rücksicht zu nehmen, was in einer durchgeführten Verhandlung auch tatsächlich vorgekommen ist.

Das Straferkenntnis wurde dem BF am 01.10.2019 zugestellt und die Beschwerde am 29.10.2019 bei der FMA eingebracht. Die Beschwerde ist somit rechtzeitig und auch sonst zulässig.

II.3.2. Zu Spruchpunkt A):

II.3.2.1. Anzuwendende Rechtslage:

Art. 3 Abs. 1 Z 21 Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über Marktmissbrauch (Marktmissbrauchsverordnung) und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und der Richtlinien 2003/124/EG, 2003/125/EG und 2004/72/EG der Kommission (im Folgenden: MAR) lautet:

„(1) Für die Zwecke dieser Verordnung gelten folgende Begriffsbestimmungen:

‚Emittent‘ bezeichnet eine juristische Person des privaten oder öffentlichen Rechts, die Finanzinstrumente emittiert oder deren Emission vorschlägt, wobei der Emittent im Fall von Hinterlegungsscheinen, die Finanzinstrumente repräsentieren, der Emittent des repräsentierten Finanzinstruments ist;“

Art. 7 MAR lautet auszugsweise:

„(1) Für die Zwecke dieser Verordnung umfasst der Begriff ‚Insiderinformationen‘ folgende Arten von Informationen:

a) nicht öffentlich bekannte präzise Informationen, die direkt oder indirekt einen oder mehrere Emittenten oder ein oder mehrere Finanzinstrumente betreffen und die, wenn sie öffentlich bekannt würden, geeignet wären, den Kurs dieser Finanzinstrumente oder den Kurs damit verbundener derivativer Finanzinstrumente erheblich zu beeinflussen; […]

(2) Für die Zwecke des Absatzes 1 sind Informationen dann als präzise anzusehen, wenn damit eine Reihe von Umständen gemeint ist, die bereits gegeben sind oder bei denen man vernünftigerweise erwarten kann, dass sie in Zukunft gegeben sein werden, oder ein Ereignis, das bereits eingetreten ist oder von den vernünftigerweise erwarten kann, dass es in Zukunft eintreten wird, und diese Informationen darüber hinaus spezifisch genug sind, um einen Schluss auf die mögliche Auswirkung dieser Reihe von Umständen oder dieses Ereignisses auf die Kurse der Finanzinstrumente oder des damit verbundenen derivativen Finanzinstruments, der damit verbundenen Waren-Spot-Kontrakte oder der auf den Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekte zuzulassen. So können im Fall eines zeitlich gestreckten Vorgangs, der einen bestimmten Umstand oder ein bestimmtes Ereignis herbeiführen soll oder hervorbringt, dieser betreffende zukünftige Umstand bzw. das betreffende zukünftige Ereignis und auch die Zwischenschritte in diesem Vorgang, die mit der Herbeiführung oder Hervorbringung dieses zukünftigen Umstandes oder Ereignisses verbunden sind, in dieser Hinsicht als präzise Information betrachtet werden.

(3) Ein Zwischenschritt in einem gestreckten Vorgang wird als eine Insiderinformation betrachtet, falls er für sich genommen die Kriterien für Insiderinformationen gemäß diesem Artikel erfüllt.

(4) Für die Zwecke des Absatzes 1 ist sind unter ‚Informationen, die, wenn sie öffentlich bekannt würden, geeignet wären, den Kurs von Finanzinstrumenten, derivativen Finanzinstrumenten, damit verbundenen Waren-Spot-Kontrakten oder auf Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekten spürbar zu beeinflussen‘ Informationen zu verstehen, die ein verständiger Anleger wahrscheinlich als Teil der Grundlage seiner Anlageentscheidungen nutzen würde.“

Art. 17 Abs. 1, 4 MAR:

„(1) Emittenten geben der Öffentlichkeit Insiderinformationen, die unmittelbar den diesen Emittenten betreffen, so bald wie möglich bekannt.

Die Emittenten stellen sicher, dass die Insiderinformationen in einer Art und Weise veröffentlicht werden, die es der Öffentlichkeit ermöglicht, schnell auf sie zuzugreifen, falls vorhanden, und sie vollständig, korrekt und rechtzeitig zu bewerten, und dass sie in dem amtlich bestellten System gemäß Artikel 21 der Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates veröffentlicht werden. Die Emittenten dürfen die Veröffentlichung von Insiderinformationen nicht mit der Vermarktung ihrer Tätigkeiten verbinden. Die Emittenten veröffentlichen alle Insiderinformationen, die sie der Öffentlichkeit mitteilen müssen, auf ihrer Website und zeigen sie dort während eines Zeitraums von mindestens fünf Jahren an.

Dieser Artikel gilt für Emittenten, die für ihre Finanzinstrumente eine Zulassung zum Handel an einem geregelten Markt in einem Mitgliedstaat beantragt oder erhalten haben, bzw. im Falle von Instrumenten, die nur auf einem multilateralen oder organisierten Handelssystem gehandelt werden, für Emittenten, die für ihre Finanzinstrumente eine Zulassung zum Handel auf einem multilateralen oder organisierten Handelssystem in einem Mitgliedstaat erhalten haben oder die für ihre Finanzinstrumente eine Zulassung zum Handel auf einem multilateralen Handelssystem in einem Mitgliedstaat beantragt haben.

(4) Ein Emittent oder ein Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate, kann auf eigene Verantwortung die Offenlegung von Insiderinformationen für die Öffentlichkeit aufschieben, sofern sämtliche nachfolgenden Bedingungen erfüllt sind:

a) die unverzügliche Offenlegung wäre geeignet die berechtigten Interessen des Emittenten oder Teilnehmers am Markt für Emissionszertifikate zu beeinträchtigen,

b) die Aufschiebung der Offenlegung wäre nicht geeignet, die Öffentlichkeit irrezuführen,

c) der Emittent oder Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate kann die Geheimhaltung dieser Informationen sicherstellen.

Im Falle eines zeitlich gestreckten Vorgangs, der aus mehreren Schritten besteht und einen bestimmten Umstand oder ein bestimmtes Ereignis herbeiführen soll oder hervorbringt, kann ein Emittent oder Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate auf eigene Verantwortung die Offenlegung von Insiderinformationen zu diesem Vorgang vorbehaltlich des Unterabsatzes 1 Buchstaben a, b und c aufschieben.

Hat ein Emittent oder ein Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate die Offenlegung von Insiderinformationen nach diesem Absatz aufgeschoben, so informiert er die gemäß Absatz 3 festgelegte zuständige Behörde unmittelbar nach der Offenlegung der Informationen über den Aufschub der Offenlegung und erläutert schriftlich, inwieweit die in diesem Absatz festgelegten Bedingungen erfüllt waren. Alternativ können Mitgliedstaaten festlegen, dass die Aufzeichnung einer solchen Erläuterung nur auf Ersuchen der gemäß Absatz 3 festgelegten zuständigen Behörde übermittelt werden muss.“

§ 155 Abs. 1 Z 2 BörseG 2018, BGBl. I Nr. 107/2017 in Kraft seit 03.01.2018:

„(1) Wer

seine Verpflichtungen zur Veröffentlichung von Insiderinformationen gemäß Art. 17 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 nicht erfüllt oder gegen daran anknüpfende Verpflichtungen gemäß der aufgrund Art. 17 Abs. 10 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 erlassenen technischen Durchführungsstandards verstößt,

begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der FMA mit einer Geldstrafe bis zum Dreifachen des aus dem Verstoß gezogenen Nutzens einschließlich eines vermiedenen Verlustes, soweit sich der Nutzen beziffern lässt oder hinsichtlich der Z 1 und 2 mit einer Geldstrafe bis zu 1 Million Euro oder hinsichtlich der Z 3 bis 5 mit einer Geldstrafe bis zu 500 000 Euro zu bestrafen.“

§ 156 BörseG 2018, BGBl. I Nr. 107/2017 in Kraft seit 03.01.2018:

„(1) Die FMA kann Geldstrafen gegen juristische Personen verhängen, wenn Personen, die entweder allein oder als Teil eines Organs der juristischen Person gehandelt haben und eine Führungsposition innerhalb der juristischen Person aufgrund

1. der Befugnis zur Vertretung der juristischen Person,

2. der Befugnis, Entscheidungen im Namen der juristischen Person zu treffen, oder

3. einer Kontrollbefugnis innerhalb der juristischen Person

innehaben, gegen die in den §§ 154 und 155 angeführten Verbote oder Verpflichtungen verstoßen haben.

(2) Juristische Personen können wegen der in Abs. 1 genannten Verstöße auch verantwortlich gemacht werden, wenn mangelnde Überwachung oder Kontrolle durch eine in Abs. 1 genannte Person die Begehung dieser Verstöße durch eine für die juristische Person tätige Person ermöglicht hat.

(3) Die Geldstrafe gemäß Abs. 1 und 2 beträgt […]

2. im Falle von Verstößen gegen Art. 16 und 17 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 bis zu 2 500 000 Euro oder 2 vH des jährlichen Gesamtnettoumsatzes gemäß Abs. 4 oder bis zum Dreifachen des aus dem Verstoß gezogenen Nutzens einschließlich eines vermiedenen Verlustes, soweit sich der Nutzen beziffern lässt, […]

(4) Der jährliche Gesamtnettoumsatz gemäß Abs. 3 ist bei Kreditinstituten der Gesamtbetrag aller in Z 1 bis 7 der Anlage 2, Teil 2, zu § 43 BWG angeführten Erträge abzüglich der dort angeführten Aufwendungen; handelt es sich bei dem Unternehmen um eine Tochtergesellschaft, ist auf den jährlichen Gesamtnettoumsatz abzustellen, der im vorangegangenen Geschäftsjahr im konsolidierten Abschluss der Muttergesellschaft an der Spitze der Gruppe ausgewiesen ist. Bei sonstigen juristischen Personen ist der jährliche Gesamtumsatz maßgeblich. Soweit die FMA die Grundlagen für den Gesamtumsatz nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie diese zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind.“

II.3.2.3. Zur objektiven Tatseite:

Zunächst ist festzuhalten, dass es sich bei der BF unstrittig um eine Emittentin im Sinne des Art. 3 Abs. 1 Z 21 MAR handelt, zumal sie im Tatzeitraum zweifellos eine juristische Person des Privatrechts war, die Finanzinstrumente emittiert hat. Die BF war daher nach Art. 17 Abs. 1 MAR verpflichtet, Insiderinformationen nach Art. 7 MAR so bald wie möglich bekannt zu geben.

Die Bestimmungen der MAR zur Insiderinformation sind im Wesentlichen ident zu den Vorgängerbestimmungen in § 48a Abs. 1 Z 1 BörseG, BGBl. Nr. 555/1989 idF BGBl. I Nr. 184/2013 und § 48d Abs. 1, 2 BörseG, BGBl. Nr. 555/1989 idF BGBl. I Nr. 68/2015, sodass die dazu beziehungsweise auf die diese umsetzenden unionsrechtlichen Bestimmungen der Marktmissbrauchsrichtlinie ergangene Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs und des EuGH auch auf die Bestimmungen der MAR übertragbar ist (so auch Hössl-Neumann/Torggler in Kalss/Oppitz/U. Torggler/Winner, BörseG/MAR Art. 7 MAR, Rz 6).

Danach besteht der Begriff der Insiderinformation aus vier Tatbestandsmerkmalen (EuGH 11.03.2015, C-628/13, Lafonta mit Verweis auf EuGH 28.06.2012, C-19/11, Geltl). Erstens muss es sich um eine präzise Information handeln, die zweitens nicht öffentlich bekannt ist, drittens direkt oder indirekt einen oder mehrere Finanzinstrumente oder deren Emittenten betrifft und viertens, geeignet wäre, wenn sie öffentlich bekannt würde, den Kurs dieser Finanzinstrumente oder den Kurs sich darauf beziehender derivativer Finanzinstrumente erheblich zu beeinflussen.

Eine Information ist nach Art. 7 Abs. 2 erster Satz dann präzise, wenn damit ein Ereignis gemeint ist, das bereits eingetreten ist oder von dem vernünftigerweise erwartet werden kann, dass es in Zukunft eintreten wird, und diese Informationen darüber hinaus spezifisch genug sind, um einen Schluss auf die mögliche Auswirkung dieses Ereignisses auf die Kurse der Finanzinstrumente zuzulassen. So können im Fall eines zeitlich gestreckten Vorgangs, der einen bestimmten Umstand oder ein bestimmtes Ereignis herbeiführen soll oder hervorbringt, dieser betreffende zukünftige Umstand beziehungsweise das betreffende zukünftige Ereignis und auch die Zwischenschritte in diesem Vorgang, die mit der Herbeiführung oder Hervorbringung dieses zukünftigen Umstandes oder Ereignisses verbunden sind, in dieser Hinsicht als präzise Information betrachtet werden. Ein Zwischenschritt in einem gestreckten Vorgang wird als eine Insiderinformation betrachtet, falls er für sich genommen die Kriterien für Insiderinformationen erfüllt.

Insiderinformationen sind nur präzise Informationen, wodurch spekulative und vage Informationen ausgenommen werden sollen. Die Präzision wird durch zwei kumulative Voraussetzungen definiert: Erstens muss der Gegenstand der Information objektiv gegeben oder seine Existenz vernünftigerweise zu erwarten sein („Objektivierbarkeit“, auch: Präzision ieS); zweitens muss die Information spezifisch genug sein, um einen Schluss auf die Kursentwicklung zuzulassen („Kursspezifität“, auch: Präzision iwS;) (Hössl-Neumann/Torggler in Kalss/Oppitz/U. Torggler/Winner, BörseG/MAR Art. 7 MAR, Rz 20).

Präzise im engeren Sinne sind Informationen über zukünftige Umstände/Ereignisse, falls deren Eintritt bereits vernünftigerweise zu erwarten ist. Nach dem EuGH handelt es sich um ein auf „den Regeln der allgemeinen Erfahrung beruhendes Kriterium“.?Beurteilungsgrundlage ist nach dem 16. Erwägungsgrund der MAR eine Gesamtbewertung der zum relevanten Zeitpunkt vorhandenen Faktoren, aufgrund derer eine realistische Wahrscheinlichkeit des Eintritts besteht. Es handelt sich also um eine objektive Beurteilung aus Sicht ex ante (Hössl-Neumann/Torggler in Kalss/Oppitz/U. Torggler/Winner, BörseG/MAR Art. 7 MAR, Rz 25).

Im gegenständlichen Fall war aus objektiver Sicht ex ante bereits klar, dass es zu einem Widerruf der Bewilligung beziehungsweise zu einer teilweisen Einschränkung kommen werde, wie sich aus dem Verfahrensablauf vor dem BASG ergibt. So wurde bereits die Inspektion aufgrund einer Meldung einer Verunreinigung der hergestellten Arzneimittel durchgeführt. Die Prämisse in der Beschwerde, wonach derartige Untersuchungen bei Arzneimittelbehörden tagtäglich durchgeführt würden und alleine deswegen daher noch kein Grund zur Sorge bestehe, dass die Behörde Anordnungen treffen könnte, die sich nachteilig auf die geschäftliche Tätigkeit auswirken könnten, ist daher nicht zutreffend. Vielmehr ergibt sich bereits aus der Anlassinspektion Gegenteiliges. Auch aus dem weiteren Verfahren vor dem BASG ergibt sich bei objektiver Betrachtung, dass es zu einer Einschränkung der Bewilligung und damit zusammenhängend zu einer Veröffentlichung eines NCR kommen wird. So hat das BASG in allen seinen Schreiben und in allen Besprechungen darauf hingewiesen, dass aus seiner Sicht die Mängel nicht ausreichend behoben wurden.

Eine derartige Einschränkung des GMP Zertifikates beziehungsweise die Ausstellung eines NCR hängt gemäß § 66a AMG untrennbar mit dem Widerruf der Betriebsbewilligung oder alternativ dem Ruhen der Bewilligung zusammen. Der Widerruf der Betriebsbewilligung bedingt zwingend die Anpassung des GMP Zertifikats beziehungsweise die Ausstellung eines NCR. Auch wenn noch nicht völlig klar war, wann es zum Widerruf kommen wird, und welche Medikamente davon genau betroffen sein werden, ist die Information, dass es zu einem zumindest teilweisen Widerruf der Bewilligung kommen wird, somit präzise im engeren Sinn. Dies umso mehr, als für die Anleger die Benennung der Medikamente nicht zwangsläufig zu einer besseren Einordnung durch diese führt, da sie oftmals mit den Medikamenten nicht vertraut sein werden und keine Einschätzung dahingehend vornehmen können, welche Maßnahmen die BF aufgrund des Widerrufs zu treffen hat. Die Anleger könnten daher auch durch die Benennung der Medikamente nicht einschätzen, wie sich der Widerruf auf das gesamte Produktionsportfolio der BF und deren Geschäftsergebnis auswirkt, wie auch die Ad-hoc Meldung der BF vom 20.04.2018 zeigt.

Auch das Argument der BF, ihr sei mangels Kenntnis der betroffenen Medikamente nicht klar gewesen, welche betrieblichen Maßnahmen notwendig sein würden und wie sich das auf das Geschäftsergebnis der BF auswirke, verfängt nicht, zumal feststeht, dass die Mitglieder des Vorstands spätestens seit der Besprechung am 29.03.2018 im Wesentlichen wussten, welche Bereiche eingeschränkt werden. Ausgeschlossen von der Präzision im weiteren Sinn werden nämlich nur Informationen, die so vage oder allgemein sind, dass sie keinerlei Schlussfolgerung über ihre mögliche Auswirkung auf den Kurs zulassen. Es hat neben der Kursrelevanz keine eigenständige Abgrenzungswirkung und dient daher bloß als Grobprüfung, um solche Informationen auszuscheiden, die wegen Unbestimmtheit offenkundig keine Kursrelevanz hat, wie beispielsweise bloße Diskussionen, Überlegungen oder Meinungen. Nicht erforderlich ist, dass die Richtung der Kursentwicklung absehbar ist (Hössl-Neumann/Torggler in Kalss/Oppitz/U. Torggler/Winner, BörseG/MAR Art. 7 MAR, Rz 27).

Im gegenständlichen Fall handelt es sich jedoch um mehr als bloße Diskussionen, Überlegungen oder Meinungen, zumal auch den Mitgliedern des Vorstands im Wesentlichen bewusst war, in welchen Bereichen Einschränkungen erfolgen werden. Sie konnten daher auch bereits im Wesentlichen einschätzen, welche Maßnahmen nötig sein würden und wie sich das auf das Geschäftsergebnis auswirken würde. Dies umso mehr, als das Inspektionsverfahren anlassbezogen war und daher auch nur Teilbereiche des Betriebs inspiziert wurden, die der BF vom BASG auch stets konkret genannt wurden.

In diesem Zusammenhang ist außerdem zu berücksichtigen, dass gerade bei Pharmaunternehmen eine ordnungsgemäße Produktion erwartet wird. Die Information, dass es in einem Kerngeschäft eines Pharmaunternehmens, der Arzneimittelherstellung, zu einem behördlichen Bewilligungswiderruf kommen wird, ist für den Markt eine wesentliche Information. Dadurch wird dem Markt signalisiert, dass eine ordnungsgemäße Herstellung derzeit nicht sichergestellt ist, was gerade bei einem Pharmaunternehmen, das einen wesentlichen Beitrag zum Gesundheitswesen leistet, zu einem großen öffentlichem Interesse führt.

Diese präzise Information des bevorstehenden Bewilligungswiderruf in Teilbereichen war auch bis zur Ad-hoc Meldung vom 12.04.2018, wie von der BF im Übrigen auch nicht bestritten wurde, nicht öffentlich bekannt. Von dem nicht öffentlichen Ereignis war die BF auch direkt betroffen.

Beim bevorstehenden Bewilligungswiderruf handelt es sich daher um eine nicht öffentlich bekannte präzise Information, die die Emittentin direkt betraf. Auch das vierte Tatbestandsmerkmal der Kurserheblichkeit ist erfüllt, wie im Folgenden gezeigt werden wird:

Das ist nach Art. 7 Abs. 4 dann der Fall, wenn ein verständiger Anleger diese wahrscheinlich als Teil der Grundlage seiner Anlageentscheidungen nutzen würde. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wie auch des EuGH kommt es für die Eignung einer Information zur erheblichen Beeinflussung des Kurses darauf an, wie ein verständiger Anleger die Information ex ante anhand ihres Inhaltes und ihres Kontextes im Marktgeschehen beurteilen würde. Führt diese Prüfung zum Ergebnis, dass ein verständiger Anleger die Information wahrscheinlich als Teil der Grundlage seiner Anlageentscheidung nutzen würde, ist das Tatbestandselement der Kurserheblichkeit erfüllt. Eine tatsächliche, spürbare Beeinflussung des Kurses der betroffenen Finanzinstrumente – und damit ex post – ist nicht zu prüfen, vielmehr ist die genannte ex-ante Betrachtung anzustellen (VwGH 27.04.2017, Ro 2016/02/0020 mit Verweis auf EuGH 23.12.2009, C- 45/08, Spector Photo Group NV und Chris Van Raemdonck, sowie VwGH 20.04.2016, Ra 2015/02/0152 ua.). Eine nachträgliche Kursentwicklung stellt ein Indiz für eine Kurserheblichkeit dar (VwGH 27.09.2019, Ra 2019/02/0143).

Die Eignung zur erheblichen Kursbeeinflussung ist ex ante aus der Sicht eines verständigen Anlegers anhand des Inhalts und des Kontextes der Information im Marktgeschehen zu überprüfen, wobei der verständige Anleger eine Maßfigur ist, der aus unionsrechtlicher Perspektive zu unterstellen ist, dass sie alle bereits öffentlich bekannten Informationen kennt. Ein verständiger Anleger kann daher eine Information auch dann als Teil der Grundlage seiner Anlageentscheidung nutzen, wenn sie es ihm nicht erlaubt, die Änderung des Kurses in eine bestimmte Richtung vorherzusehen. Die hohe Komplexität der Finanzmärkte macht eine exakte Einschätzung der Kursentwicklung nämlich besonders schwierig, sodass allgemein betrachtet jeder Anleger zu unterschiedlichen Einschätzungen kommen kann. Würde eine Insiderinformation erst dann vorliegen, wenn sich die Richtung der Kursentwicklung bestimmen ließe, würde dies im Ergebnis dazu führen, dass Besitzer dieser Informationen zum Nachteil anderer Marktteilnehmer profitieren könnten, indem sie die Unsicherheit der Informationen vorgeben und sich deshalb einer Veröffentlichung enthalten könnten (VwGH 20.04.2016, Ra 2015/02/0152).

Ob ein verständiger Anleger eine Information wahrscheinlich seiner Anlageentscheidung zugrunde legen würde, bemisst sich demnach danach, ob die Information einen Handelsanreiz darstellt (vgl. auch die Erwägungsgründe 14 und 23 der MAR). Das ist dann der Fall, wenn sie als Zusatzinformation zur gesamten öffentlichen (Ist-)Informationslage zu einer abweichenden Bewertung und daher zu Kauf- oder Verkaufsentscheidungen verständiger Anleger im erfassten Institut (einschließlich verbundener Derivate) führt. Die nicht öffentliche Information muss also den Ex-ante-Erwartungswert des Instituts (positiv oder negativ) beeinflussen, etwa wegen Veränderung von Zukunftserträgen oder Risiken des Instituts. Bereits eingepreiste Markterwartungen schließen die Kurserheblichkeit aus. Unsicherheit über vergangene oder künftige Ereignisse schließt einen Handelsanreiz nicht aus, sondern beeinflusst bloß die Höhe der Veränderung des Erwartungswerts (Hössl-Neumann/Torggler in Kalss/Oppitz/U. Torggler/Winner, BörseG/MAR Art. 7 MAR, Rz 30f, 34).

Kommt es bei einem Pharmaunternehmen im Rahmen des Kernbereichs der Arzneimittelherstellung zu Problemen, die eine Behörde veranlasst, ernsthafte Schritte zu einem Widerruf der Herstellungsgenehmigung zu ergreifen, beeinträchtigt das auch ohne Kenntnis des exakten Umfangs der Einschränkung das Vertrauen der Anleger in die gute Herstellungspraxis des Unternehmens. Ein verständiger Anleger würde daher auch unter Einpreisung eines gewissen Unsicherheitsfaktors mangels Kenntnis der exakten Medikamente diese Information eines bevorstehenden Bewilligungswiderrufs als Grundlage seiner Anlageentscheidung nutzen, zumal ein auch nur teilweise Widerruf der Bewilligung Auswirkungen auf das Ergebnis haben wird. Als Indiz ist zusätzlich auch die sich ex post zeigende tatsächliche Kursentwicklung zu werten, die zu einem Kurseinbruch von 11 % am Tag der Ad-hoc Meldung führte.

Die Eignung, den Kurs zu beeinflussen, ist somit ebenso zu bejahen, weshalb es sich bei der Einschränkung der Bewilligung zur Herstellung von Arzneimitteln auch ohne konkrete Angabe der Arzneimittel um eine Insiderinformation handelt. Diese wäre nach Art. 17 Abs. 1 MAR so bald wie möglich bekannt zu geben gewesen. Auch wenn der Zeitrahmen in der MAR nicht exakt festgelegt ist, ist dieser nach ständiger Judikatur und herrschender Lehre zur Vorgängerbestimmung, die nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf Art. 17 MAR übertragbar ist, möglichst kurz zu bemessen: vorhersehbare Ereignisse sind grundsätzlich sofort mit Eintritt und der erforderlichen Zeit für die technische Abwicklung, das heißt binnen einer Stunde zu veröffentlichen, völlig unvorhersehbare Ereignisse sind einzelfallbezogen zu beurteilen, aber auch diese Insiderinformationen sind binnen weniger Stunden ab Kenntnis beziehungsweise Eintritt zu veröffentlichen. Ein Abwarten der Veröffentlichung der Ad-hoc Meldung durch den Emittenten ist unzulässig (Kalss/Oppitz/Zollner, Kapitalmarktrecht², § 16 Rz 48 Lechner/Temmel in Temmel, Börsegesetz – Praxiskommentar zu § 48d BörseG Rz 28, jeweils mwN). Hier hat die BF vom 29.03.2018 bis zum 12.04.2018 und somit zwei Wochen zugewartet. Die Insiderinformation wurde daher jedenfalls nicht „so bald wie möglich“ bekanntgegeben.

Die BF hat bezüglich der verfahrensgegenständlichen Information auch keinen Aufschub im Sinne des Art. 17 Abs. 4 MAR getätigt. Der objektive Tatbestand ist daher erfüllt.

Die BF bringt in ihrer Beschwerde abschließend insofern verfassungsrechtliche Bedenken vor, als es sich bei § 155 BörseG um eine Blankettstrafnorm handle. Eine solche sei nur dann zulässig, wenn die Abgrenzung des erlaubten vom unerlaubten Verhalten so eindeutig sei, dass jeder berechtigte Zweifel über den Inhalt des pflichtgemäßen Verhaltens ausgeschlossen sei. Das sei bei Art. 7 und 17 MAR nicht der Fall, da es dem Rechtsunterworfenen geradezu unmöglich sei, den exakten Zeitpunkt des Entstehens einer Insiderinformation einzugrenzen. Das werde zusätzlich dadurch verschärft, dass eine möglicherweise zu frühe Bekanntgabe einer Information irreführende Signale verbreiten und insofern als Marktmanipulation bestraft werden könnte. Eine verfassungskonforme Interpretation sei nur dann möglich, wenn auf eine rein subjektive Interpretation der Umstände durch den Rechtsunterworfenen abgestellt werden würde.

Diesen Ausführungen vermag das Bundesverwaltungsgericht nicht zu folgen. Die BF macht damit nämlich im Wesentlichen eine mangelnde Bestimmtheit des Art. 7 MAR geltend. Der Verfassungsgerichtshof judiziert dazu in ständiger Rechtsprechung, dass die Verwendung sogenannter unbestimmter Gesetzesbegriffe, die durch eine unscharfe Abgrenzung gekennzeichnet sind, dann mit Art. 18 B-VG vereinbar ist, wenn die Begriffe einen soweit bestimmbaren Inhalt haben, dass der Rechtsunterworfene sein Verhalten danach einrichten kann und die Anwendung der Begriffe durch die Behörde auf ihre Übereinstimmung mit dem Gesetz überprüft werden kann. Der Verfassungsgerichtshof hat auch die Auffassung vertreten, dass angesichts der unterschiedlichen Lebensgebiete, Sachverhalte und Rechtsfolgen, die Gegenstand und Inhalt gesetzlicher Regelungen

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten