TE Bvwg Erkenntnis 2021/3/23 G313 2196444-1

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Veröffentlicht am 23.03.2021
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Entscheidungsdatum

23.03.2021

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55 Abs2
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9 Abs1
BFA-VG §9 Abs2
BFA-VG §9 Abs3
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch


G313 2196434-1/22E
G313 2196447-1/22E
G313 2196441-1/21E
G313 2196437-1/20E
G313 2196444-1/20E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Birgit WALDNER-BEDITS als Einzelrichterin über die Beschwerden des XXXX , geb. XXXX , (BF1), der XXXX , geb. XXXX , (BF2), des XXXX , geb. XXXX , (BF3), des XXXX , geb. XXXX , (BF4), und der XXXX , geb. XXXX , (BF5), alle BF StA. Irak, alle vertreten durch RA Mag. Thomas KLEIN, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.04.2018, Zl. 1 XXXX (BF5), nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 17.12.2020 zu Recht erkannt:

A)       

I. Die Beschwerden werden hinsichtlich der Spruchpunkte I. bis III. der angefochtenen Bescheide als unbegründet abgewiesen.

II. Den Beschwerden wird hinsichtlich Spruchpunkt IV. der angefochtenen Bescheide stattgegeben und eine Rückkehrentscheidung für auf Dauer unzulässig erklärt.

Den BF1, BF2, BF3 und BF4 wird der Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung“ nach § 55 Abs. 1 Z. 1 iVm § 55 Abs. 2 AsylG und der BF5 der Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung plus“ nach § 55 Abs. 1 AsylG erteilt, jeweils nach § 54 Abs. 2 AsylG für die Dauer von 12 Monaten.

III. Die Spruchpunkte V. – VI. der angefochtenen Bescheide werden ersatzlos aufgehoben.

B)       

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Mit den oben im Spruch angeführten Bescheiden des Bundesasylamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA oder belangte Behörde) vom 30.04.2018 wurden die Anträge der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF oder BF1, BF2, BF3, BF4 und BF5) auf internationalen Schutz vom 17.09.2015 bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ihre Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Irak abgewiesen (Spruchpunkt II.), den BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm. § 9 BFA-VG gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß 46 FPG in den Irak zulässig ist (Spruchpunkt V.), und ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise des BF 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt VI.).

2. Gegen diese Bescheide wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.

3. Am 25.05.2018 langten beim BVwG die gegenständlichen Beschwerden samt dazugehörigen Verwaltungsakten ein.

4. Am 17.12.2020 wurde mit den BF und ihrer Rechtsvertretung im Beisein einer Dolmetscherin für die arabische Sprache eine mündliche Verhandlung vor dem BVwG durchgeführt. Die belangte Behörde hat auf die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung verzichtet.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Die BF sind irakische Staatsangehörige, Angehörige der arabischen Volksgruppe und muslimische Schiiten. Ihre Muttersprache ist Arabisch.

Die BF1 und BF2 sind Ehegatten und der im Oktober 1998 geborene BF3, der im Juni 2001 geborene BF4 und die im Mai 2002 geborene BF5 deren Kinder, wobei der nunmehr 22 Jahre alte BF3 zum Zeitpunkt der gemeinsamen Asylantragstellung am 17.09.2015 16 Jahre, der nunmehr 19 Jahre alte BF4 zum Zeitpunkt der Asylantragstellung 14 Jahre und ihre jüngere nunmehr 18 Jahre alte Schwester, die BF5, zum Zeitpunkt der Asylantragstellung 13 Jahre alt war.

Die BF halten sich in Österreich in der Steiermark auf.

1.2. Der BF1 hat in Österreich keine Familienangehörige. Der Bruder des BF1, der sich in Österreich aufgehalten hat, ist bereits am 21.05.2019 freiwillig wieder in den Irak zurückgekehrt.

Die BF2 hat in Österreich zwei Brüder, die mit ihren Ehefrauen und Kindern in Wien leben.

In Kerbala, der Herkunftsprovinz der BF, verblieben sind die Mutter und Schwester des BF1, seine beiden Brüder, wovon einer im Irak ein Haus hat und sich auch in Amman, Jordanien und in Großbritannien aufhält und mehrere Cousinen und Cousins des BF1 mütterlicherseits und die Mutter und Schwester der BF2. Auch der am 21.05.2017 freiwillig in den Irak zurückgekehrte Bruder des BF1 hält sich im Herkunftsstaat der BF auf.

Den in Kerbala, der Herkunftsprovinz der BF, verbliebenen Familienangehörigen der BF geht es gut. Sie können im Irak ohne nennenswerte Probleme leben und ihren Lebensunterhalt bestreiten.

Die Schwester des BF1 ist als Angestellte selbsterhaltungsfähig, und die Mutter des BF1 wird von den Brüdern des BF1, wovon einer im Verkauf beschäftigt ist und der andere im Irak ein Haus hat und sich arbeitsbedingt auch in Großbritannien – und in Amman, Jordanien aufhält – im Irak unterstützt.

Der nicht nur im Irak, sondern auch in Jordanien und Großbritannien aufhältige Bruder des BF1 sorgt sich nicht nur um die Mutter im Irak, sondern auch um die BF und hat ihnen bei seinen Besuchen in Österreich Geld und Kleider für die Kinder mitgebracht.

Nicht nur den Familienangehörigen des BF1 im Irak geht es gut, sondern auch der Mutter und Schwester der BF2, wie sie in ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 16.01.2018 befragt danach, wie es ihrer Familie im Irak gehe, angab. (AS 339)

Der BF1 hält den Kontakt zu seinen im Irak lebenden Familienangehörigen telefonisch aufrecht, und auch seine Ehegattin, die BF2, telefoniert von Zeit zu Zeit immer wieder mit ihrer Mutter.

1.3. Der BF1, der in seinem Herkunftsstaat 12 Jahre lang die Grundschule besucht und keine Berufsausbildung absolviert hat, arbeitete vor seiner Ausreise im Irak zusammen mit einem Geschäftspartner in einem Juweliergeschäft und konnte mit dem Erwerb aus dieser Tätigkeit den (familiären) Lebensunterhalt bestreiten. Dieser Erwerbstätigkeit konnte der BF1 „bis zum letzten Tag seiner Ausreise“ nachgehen.

Die BF2, die im Irak neun Jahre lang die Grundschule besucht und ebenso keine Berufsausbildung absolviert hat, war vor ihrer Ausreise im Irak Hausfrau.

In Österreich beziehen die BF Leistungen aus der Grundversorgung.

1.4. Der BF1 brachte in seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 07.04.2017 befragt zu seinen Fluchtgründen im Wesentlichen vor, es gebe einen gegen ihn erlassenen Haftbefehl, und der BF1 sei von den zusammen mit der Polizei in einer Erdölfirma des Diebstahls überführten schiitischen Milizangehörigen nach deren Haftentlassung verfolgt worden. Dieses Fluchtvorbringen war aufgrund gravierender widersprüchlicher und nicht nachvollziehbarer Angaben im Verfahren dazu nicht glaubwürdig.

Die Ehegattin, die BF2, und ihre gemeinsamen Kinder, die BF3, BF4 und BF5 stützten sich auf das Fluchtvorbringen des BF1 und haben keine eigenen Fluchtgründe.

Der BF1 war seinen Angaben in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 07.04.2017 folgend nie Mitglied einer Partei oder parteiähnlichen oder terroristischen Organisation und hat sowohl im Irak als auch in Österreich nie eine Straftat begangen. (AS 130)

Das Vorbringen des BF1 in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 07.04.2017, wegen seinen Demonstrationsteilnahmen sei „die letzten drei Jahre“ im Irak nach ihm polizeilich gesucht bzw. gefahndet worden (AS 130), war wegen diesbezüglich uneinheitlichen Angaben im Verfahren unglaubwürdig. Auch seinem Vorbringen befragt nach einer Verfolgung im Irak aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung, aufgrund seiner regimekritischen Einstellung von der Regierung mittels Haftbefehls verfolgt worden zu sein (AS 135), konnte aufgrund diesbezüglich widersprüchlicher Angaben kein Glauben geschenkt werden.

Die BF2 war ihren Angaben in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 07.04.2017 folgend ebenso wie ihr Ehegatte nie Mitglied einer Partei oder parteiähnlichen oder terroristischen Organisation und hat sowohl im Irak als auch in Österreich nie eine Straftat begangen, wurde zudem im Irak nie von der Polizei gesucht, nie festgenommen oder in Haft gehalten, nicht als Frau benachteiligt oder verfolgt, nicht aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung verfolgt und hatte auch keine sonstigen Probleme im Herkunftsstaat. (AS 115f)

Der BF3, im Oktober 1998 geboren und nunmehr 22 Jahre alt, hatte seinen im Alter von 18 Jahren in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 07.04.2017 getätigten Aussagen folgend im Irak nie irgendwelche Probleme, wurde im Irak nie festgenommen oder in Haft angehalten, und wurde im Irak nicht aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung verfolgt (AS 101).

Auch für die jüngeren Geschwister des BF3, die BF4 und BF5, wurden keine konkreten persönlichen Probleme im Irak vorgebracht.

1.5. Der BF1 hat sich mit seiner Familie einen Monat vor der Erstbefragung vom 18.09.2015, demnach rund um den 18.08.2015 herum, zur Ausreise entschlossen und ist zu einem unbestimmten Zeitpunkt Ende August 2015 problemlos mit seiner Ehefrau, der BF2, und den mit ihr gemeinsamen Kindern, den BF3, BF4 und BF5 auf legalem Weg mit dem Flugzeug vom Irak in die Türkei ausgereist und von dort weiter schlepperunterstützt bis nach Österreich gereist. Ausgereist sind die BF nicht notgedrungen aufgrund eines konkreten fluchtauslösenden Vorfalls, sondern aufgrund der allgemein schlechten Lage vor Ort, um woanders bessere Lebensbedingungen vorzufinden.

1.6. Zum Privatleben und zu allfälligen Integrationsschritten der BF in Österreich:

Die BF1, BF2, BF3, BF4 und BF5 halten sich bereits seit ihrer gemeinsamen Asylantragstellung am 17.09.2015, nunmehr bereits seit rund fünfeinhalb Jahren im österreichischen Bundesgebiet auf.

Der BF1 hat in Österreich 2016/2017 Deutschkurse besucht, jedoch keinen Nachweis für eine positiv absolvierte Deutschprüfung vorlegen können.

In der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG befragt danach, ob er derzeit einen Deutschkurs besuche oder einen Deutschkurs bereits besucht habe, gab der BF1 an:

„Ich habe drei Kurse gemacht, 2016/2017. Danach gab es keine Kurse mehr. Ich habe versucht in einer anderen Stadt an Kursen teilzunehmen was nicht genehmigt wurde.“ (VH-Niederschrift, S. 20)

Befragt nach dem Tagesablauf gab der BF1 in der mündlichen Verhandlung in Deutsch glaubhaft an:

„Ich gehe spazieren, ich gehe einkaufen, ich versuche Deutsch zu lernen und eine Arbeit zu suchen.“ (VH-Niederschrift, S. 20)

Die BF2 berichtete in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG befragt danach, was sie derzeit in Österreich mache, glaubhaft davon, einen Deutschkurs besucht und, als sie einen negativen Bescheid bekommen habe, zuhause weiter Deutsch gelernt zu haben, in Österreich einkaufen zu gehen und viele Freunde hier zu haben, Freunde ihrer Kinder kommen zudem zu ihnen nachhause.

Der BF1 gab in der mündlichen Verhandlung befragt danach, ob er freiwillige Tätigkeiten ausgeübt habe, glaubhaft an:

„Nein. Ich habe meinen Namen beim Roten Kreuz hinterlegt, die Gemeinde (…) hat leider keine Arbeit für mich.“ (VH-Niederschrift, S. 20).

Die BF2 gab in der mündlichen Verhandlung befragt nach ehrenamtlichen Tätigkeiten in Österreich glaubhaft an:

„Ich bin bei der Caritas registriert, falls sie Hilfe brauchen. Bis jetzt habe ich aber noch nicht gearbeitet.“ (VH-Niederschrift, S. 23, 24).

Der BF1 ist beim Roten Kreuz und seine Ehefrau, die BF2, bei der Caritas registriert. Ehrenamtlichen Tätigkeiten sind sie beide, wie aus ihren diesbezüglich glaubhaften Angaben in der mündlichen Verhandlung hervorgehend, mangels Bedarfs bei der registrierten Stelle in ihrer Aufenthaltsgemeinde bislang jedoch noch nicht nachgegangen.

Die zum Zeitpunkt ihrer Asylantragstellung im Bundesgebiet noch minderjährigen nunmehr bereits volljährigen Kinder der BF1 und BF2 haben im Bundesgebiet folgende Integrationsschritte gesetzt:

Der nunmehr 22 Jahre alte BF3, der im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 17.12.2020 den Großteil der an ihn gestellten Fragen auf Deutsch beantworten konnte, hat im Irak den Pflichtschulabschluss absolviert und in Österreich im Schuljahr 2015/2016 ein Gymnasium besucht, da ihm dies jedoch zu schwer gewesen ist, die Schule gewechselt und den „Lehrgang Übergangsstufe an BMHS für Jugendliche mit geringen Kenntnissen der Unterrichtssprache Deutsch“ absolviert bzw. laut vorgelegter seitens einer „Höheren Bundeslehranstalt für wirtschaftliche Berufe“ abgestempelten „Bestätigung des Abschlusses der Übergangsstufe an BMHS“ vom 05.07.2017 diese Übergangsstufe im Unterrichtsgegenstand „Deutsch als Fremdsprache“ mit „Genügend“, in „Mathematik“ mit „Genügend“, in „Naturwissenschaften“ mit „Befriedigend“, in „Geographie und Geschichte“ mit „Sehr gut“, in „Bewegung und Sport“ mit „Befriedigend“ und dabei ein „Computerpraktikum“ mit „Sehr gut“ und ein „Gastronomisches Praktikum“ mit „Sehr gut“ abgeschlossen, sowie an den Unterrichtsgegenständen „Englisch“, „Ethik“ und „Persönlichkeitsbildung und Kommunikation“ jeweils teilgenommen.

Vom Klassenvorstand der Übergangsklasse der BMHS, an welchen der BF3 die „Übergangsstufe für Jugendliche mit geringen Kenntnissen der Unterrichtssprache Deutsch“ absolviert hat, wurde in einem für den BF3 verfassten Unterstützungsschreiben vom 02.04.2017 Folgendes ausgeführt (im Folgenden anstelle des Namens des BF3 „BF3“):

„Der BF3 besucht seit Februar 2016 die Übergangsklasse der Bundesschulen (…), wo er sich intensiv auf seinen Übertritt in die 1-jährige Fachschule für wirtschaftliche Berufe (EFW) bei uns im Haus vorbereitet.

Der BF3 ist ein sehr guter Schüler, der neben seiner großen Lernmotivation auch ein großes Herz für seine Mitschüler/innen besitzt und ihnen in jeder Hinsicht ein Vorbild ist. Er erledigt seine Hausaufgaben gewissenhaft, nimmt stets aktiv am Unterricht teil und zeigt ein reges Interesse an der deutschen Sprache und der österreichischen Kultur. Dieses Interesse hat es ihm ermöglicht, auch außerhalb der Übergangsklasse schnell Freundschaften zu knüpfen und so ist er bei uns in der Schule schon jetzt bestens integriert. Der BF3 ist immer pünktlich und gut auf den Unterricht vorbereitet. Den Lehrerinnen und Lehrern gegenüber ist er stets ausgesucht freundlich und höflich, es hat noch nie Beschwerden über ihn gegeben.

Mit Ausnahme der Englischstunden werden in der Übergangsklasse alle Gegenstände (einschließlich Mathematik, Naturwissenschaft und Informatik) in deutscher Sprache abgehalten und auch mündliche Prüfungen und Schularbeiten sind in Deutsch abzulegen. Der BF3 kann dem Unterricht ohne Probleme folgen und glänzt auch bei Prüfungen jedes Mal. Wir sind daher sehr zuversichtlich, dass er seine guten Leistungen in der Fachschule und dann später im Beruf beibehalten wird.

Im Namen des Kollegiums der Übergangsklasse möchte ich sagen, dass wir BF3 sehr ins Herz geschlossen haben und großes Potential in ihm sehen. Wir würden uns freuen, ihn auch weiterhin auf seinem Weg begleiten und unterstützen zu dürfen.“

Derzeit besucht der BF3 seit 07.09.2020 den bis 09.07.2021 vorgesehenen Kurs „Pflichtschulabschluss“ im Ausmaß von 28 Wochenstunden, genauso wie sein Bruder, der BF4.

Der BF3 gab in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG befragt danach, wie es nach dem Pflichtschulabschluss weitergehen solle, an:

„Ich habe einen großen Traum, ich würde gerne als Pilot arbeiten, (…).“ (VH-Niederschrift, S. 25)

Der BF3 nannte ein österreichisches Flugunternehmen, bei dem er gern als Pilot arbeiten würde.

Seine Mutter, die BF2, gab in der mündlichen Verhandlung an, der BF3 möchte als Mechaniker und der BF4, sein nunmehr 19 Jahre alte Bruder, als Friseur arbeiten.

Der BF4 hat ein ÖSD Zertifikat A1 erwerben können und einer vorgelegten „Kursbesuchsbestätigung“ vom 05.04.2017 folgend ab 19.09.2016 „den Kurs Basisbildung für jugendliche Flüchtlinge besucht.

Der BF4 spielt zudem nachweislich seit 08.04.2020 in einem Fußballverein Fußball.

Mit Schreiben vom 18.09.2020 wurde seitens eines Fußballvereins dies bestätigt. Auch sein älterer Bruder, der BF3, spielt gerne Fußball.

Im Zuge seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 07.04.2017 gab der BF3 befragt nach seinem Tagesablauf glaubhaft an, zur Schule zu gehen, nach der Schule eine Stunde laufen oder zum dreimal wöchentlich stattfindenden Fußballtraining zu gehen (AS 107)

Von seinem Tagesablauf konnte der BF3 in seiner Einvernahme vor dem BFA einwandfrei in Deutsch berichten. In der Niederschrift über seine Einvernahme vor dem BFA am 07.04.2.017 wurde diesbezüglich in Klammer festgehalten, dass der BF3 gut Deutsch spricht.

Für den BF3 konnte im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG von seinem Rechtsvertreter ein „Arbeitsvorvertrag“ vorgelegt werden.

Die BF5, die jüngere Schwester der BF3 und BF4, hat nach ihrem Grundschulbesuch im Irak in Österreich nachweislich den Pflichtschulabschluss gemacht bzw. im September 2020 die „Pflichtschulabschluss-Prüfung“ bestanden und dem vorgelegten „Zeugnis über die Pflichtschulabschluss-Prüfung“ von September 2020 folgend die Pflichtschule in „Deutsch-Kommunikation und Gesellschaft“ mit „Gut (Standard)“, in „Englisch-Globalität und Transkulturalität“ mit „Befriedigend (Standard)“, in „Mathematik“ mit „Gut (Standard AHS)“, in „Gesundheit und Soziales“ mit „Genügend“ und in „Natur und Technik“ mit „Genügend“ abgeschlossen und das Fach „Berufsorientierung“ „bestanden“.

Für die BF5 wurde im Schuljahr 2015/2016 seitens der Neuen Mittelschule, die sie besucht hat, folgende „Ergänzende differenzierende Leistungsbeschreibung“ abgegeben:

„(…) Schülerin der 4 (…) Klasse (achte Schulstufe) der Neuen Mittelschule

Sie ist offen für das, was sie nicht weiß.

Sie zeigt Ausdauer und ist bemüht Aufgaben zu Ende zu bringen.

Sie lässt sich von Schwierigkeiten nicht entmutigen.

Sie ist stolz auf eigene Leistungen.“

Die BF5 hat einer vorgelegten „Kursbesuchsbestätigung“ vom 11.01.2018 folgend ab 05.12.2017 den Kurs „Basisbildung für jugendliche Flüchtlinge“ besucht.

Sie hat am 12.06.2019 in Österreich ein ÖSD Zertifikat A2 erlangt.

Die BF5 hat zudem „in der Zeit von 17.09.2018 bis 05.07.2019 652 Unterrichtseinheiten am Bildungsangebot Zukunft.Bildung.Steiermark in den Kompetenzfeldern Deutsch als Zweitsprache, Englisch, Mathematik, Bildungsberatung und Berufsorientierung und Lern- und Soziale Kompetenz teilgenommen“. In dem vorgelegten dies bescheinigenden „Zertifikat“ vom 05.07.2019 steht auch Folgendes: „Nach dem „Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen“ entspricht das Sprachkompetenzniveau der/des Teilnehmenden in Deutsch dem Sprachniveau: A2.“

Die BF5 möchte als Pharmazeutische-kaufmännische Assistentin in einer Apotheke arbeiten und nunmehr mit einer dreijährigen Ausbildung in einer Apotheke beginnen.

In ihrer Freizeit trifft sie sich mit ihren Freundinnen, wozu sowohl Österreicherinnen als auch Kurdinnen zählen.

In der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG befragt, warum sie aus ihrer Sicht nicht in den Irak zurückkehren könnte, gab die BF5 an bzw. wurde die darauf in Arabisch gegebene Antwort von der Dolmetscherin wie folgt übersetzt:

„Ich habe hier meine Bildung begonnen, im Irak müsste ich wieder von vorne beginnen. Ich habe hier meine Freundinnen und meine Basis.“ (VH-Niederschrift, S. 27)

Dies war die einzige Frage, die auf Wunsch der BF5 von ihr in Arabisch beantwortet wurde. Ansonsten wurde die Einvernahme der BF5 in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 17.12.2020 durchgängig in Deutsch durchgeführt.

2. Zur Lage im Irak wird festgestellt:

2.1. Sicherheitslage

Im Dezember 2017 erklärte die irakische Regierung den militärischen, territorialen Sieg über den Islamischen Staat (IS) (Reuters 9.12.2017; vgl. AI 26.2.2019). Die Sicherheitslage hat sich, seitdem verbessert (FH 4.3.2020). Ende 2018 befanden sich die irakischen Sicherheitskräfte (ISF) in der nominellen Kontrolle über alle vom IS befreiten Gebiete (USDOS 1.11.2019).

Derzeit ist es staatlichen Stellen nicht möglich, das Gewaltmonopol des Staates sicherzustellen. Insbesondere schiitische Milizen, aber auch sunnitische Stammesmilizen handeln eigenmächtig. Die im Kampf gegen den IS mobilisierten, zum Teil vom Iran unterstützten Milizen sind nur eingeschränkt durch die Regierung kontrollierbar und stellen eine potenziell erhebliche Bedrohung für die Bevölkerung dar. Durch die teilweise Einbindung der Milizen in staatliche Strukturen (zumindest formaler Oberbefehl des Ministerpräsidenten, Besoldung aus dem Staatshaushalt) verschwimmt die Unterscheidung zwischen staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren (AA 12.1.2019).

In der Wirtschaftsmetropole Basra im Süden des Landes können sich die staatlichen Ordnungskräfte häufig nicht gegen mächtige Stammesmilizen mit Verbindungen zur Organisierten Kriminalität durchsetzen. Auch in anderen Landesteilen ist eine Vielzahl von Gewalttaten mit rein kriminellem Hintergrund zu beobachten (AA 12.1.2019). Insbesondere in Bagdad kommt es zu Entführungen durch kriminelle Gruppen, die Lösegeld für die Freilassung ihrer Opfer fordern (FIS 6.2.2018). Die Zahl der Entführungen gegen Lösegeld zugunsten extremistischer Gruppen wie dem IS oder krimineller Banden ist zwischenzeitlich zurückgegangen (Diyaruna 5.2.2019), aber UNAMI berichtet, dass seit Beginn der Massenproteste vom 1.10.2019 fast täglich Demonstranten in Bagdad und im gesamten Süden des Irak verschwunden sind. Die Entführer werden als „Milizionäre“, „bewaffnete Organisationen“ und „Kriminelle“ bezeichnet (New Arab 12.12.2019).

Die zunehmenden Spannungen zwischen dem Iran und den USA stellen einen zusätzlichen, die innere Stabilität des Irak gefährdenden Einfluss dar (ACLED 2.10.2019a). Nach einem Angriff auf eine Basis der Volksmobilisierungskräfte (PMF) in Anbar, am 25. August (Al Jazeera 25.8.2019), erhob der irakische Premierminister Mahdi Ende September erstmals offiziell Anschuldigungen gegen Israel, für eine Reihe von Angriffen auf PMF-Basen seit Juli 2019 verantwortlich zu sein (ACLED 2.10.2019b; vgl. Reuters 30.9.2019). Raketeneinschläge in der Grünen Zone in Bagdad, nahe der US-amerikanischen Botschaft am 23. September 2019, werden andererseits pro-iranischen Milizen zugeschrieben, und im Zusammenhang mit den Spannungen zwischen den USA und dem Iran gesehen (ACLED 2.10.2019b; vgl. Al Jazeera 24.9.2019; Joel Wing 16.10.2019).

Als Reaktion auf die Ermordung des stellvertretenden Leiters der PMF-Kommission, Abu Mahdi Al-Muhandis, sowie des Kommandeurs der Quds-Einheiten des Korps der Islamischen Revolutionsgarden des Iran, Generalmajor Qassem Soleimani, durch einen Drohnenangriff der USA am 3.1.2020 (Al Monitor 23.2.2020; vgl. MEMO 21.2.2020; Joel Wing 15.1.2020) wurden mehrere US-Stützpunkte durch den Iran und PMF-Milizen mit Raketen und Mörsern beschossen (Joel Wing 15.1.2020).

Quellen:

?        AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457267/4598_1548939544_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2018-12-01-2019.pdf, Zugriff 13.3.2020

?        ACLED - The Armed Conflict Location & Event Data Project (2.10.2019a): Mid-Year Update: Ten Conflicts to Worry About in 2019, https://www.acleddata.com/2019/08/07/mid-year-update-ten-conflicts-to-worry-about-in-2019/, Zugriff 13.3.2020

?        ACLED - The Armed Conflict Location & Event Data Project (2.10.2019b): Regional Overview – Middle East 2 October 2019, https://www.acleddata.com/2019/10/02/regional-overview-middle-east-2-october-2019/, Zugriff 13.3.2020

?        AI - Amnesty International (26.2.2019): Human rights in the Middle East and North Africa: Review of 2018 - Iraq [MDE 14/9901/2019], https://www.ecoi.net/en/file/local/2003674/MDE1499012019ENGLISH.pdf, Zugriff 13.3.2020

?        Al Jazeera (24.9.2019): Two rockets 'hit' near US embassy in Baghdad's Green Zone, https://www.aljazeera.com/news/2019/09/rockets-hit-embassy-baghdad-green-zone-190924052551906.html, Zugriff 13.3.2020

?        Al Jazeera (25.8.2019): Iraq paramilitary: Israel behind drone attack near Syria border, https://www.aljazeera.com/news/2019/08/iraq-paramilitary-israel-drone-attack-syria-border-190825184711737.html, Zugriff 13.3.2020

?        Al Monitor (23.2.2020): Iran struggles to regain control of post-Soleimani PMU, https://www.al-monitor.com/pulse/originals/2020/02/iraq-iran-soleimani-pmu.html, Zugriff 13.3.2020

?        Diyaruna (5.2.2019): Baghdad sees steep decline in kidnappings, https://diyaruna.com/en_GB/articles/cnmi_di/features/2019/02/05/feature-02, Zugriff 13.3.2020

?        FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Iraq, https://freedomhouse.org/country/iraq/freedom-world/2020, Zugriff 13.3.2020

?        FIS - Finnish Immigration Service (6.2.2018): Finnish Immigration Service report: Security in Iraq variable but improving, https://yle.fi/uutiset/osasto/news/finnish_immigration_service_report_security_in_iraq_variable_but_improving/10061710, Zugriff 13.3.2020

?        Joel Wing, Musings on Iraq (15.1.2020): Pro-Iran Hashd Continue Attacks Upon US Interests In Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2020/01/pro-iran-hashd-continue-attacks-upon-us.html, Zugriff 13.3.2020

?        Joel Wing, Musings on Iraq (16.10.2019): Islamic State Not Following Their Usual Pattern In Attacks In Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/10/islamic-state-not-following-their-usual.html, Zugriff 13.3.2020

?        MEMO - Middle East Monitor (21.1.2020): Iraq’s PMF appoints new deputy head as successor to Al-Muhandis, https://www.middleeastmonitor.com/20200221-iraqs-pmf-appoints-new-deputy-head-as-successor-to-al-muhandis/, Zugriff 13.3.2020

?        New Arab, The (12.12.2019): 'We are not safe': UN urges accountability over spate of kidnappings, assassinations in Iraq, https://www.alaraby.co.uk/english/news/2019/12/11/un-urges-accountability-over-spate-of-iraq-kidnappings-assassinations, Zugriff 13.3.2020

?        Reuters (9.12.2017): Iraq declares final victory over Islamic State, https://www.reuters.com/article/us-mideast-crisis-iraq-islamicstate/iraq-declares-final-victory-over-islamic-state-idUSKBN1E30B9, Zugriff 13.3.2020

?        Reuters (30.9.2019): Iraqi PM says Israel is responsible for attacks on Iraqi militias: Al Jazeera, https://www.reuters.com/article/us-iraq-security/iraqi-pm-says-israel-is-responsible-for-attacks-on-iraqi-militias-al-jazeera-idUSKBN1WF1E5, Zugriff 13.3.2020

?        USDOS - US Department of State (1.11.2019): Country Report on Terrorism 2018 - Chapter 1 - Iraq, https://www.ecoi.net/en/document/2019162.html, Zugriff 13.3.2020

2.1.1. Sicherheitslage Südirak

Der gesamte südliche Teil des Irak, einschließlich des Gouvernements Babil, steht nominell unter der Kontrolle der irakischen Regierung. Vielerorts scheinen die Regierungsbehörden gegenüber lokalen Stämmen und Milizen noch immer in einer schwächeren Position zu sein. Die irakische Regierung war gezwungen, dem Kampf gegen den IS im Zentral- und Nordirak in den letzten Jahren Vorrang einzuräumen, bedeutende militärische und polizeiliche Ressourcen aus dem Süden abzuziehen und in diese Gegenden zu entsenden. Vor diesem Hintergrund sind Stammeskonflikte, eskalierende Gesetzlosigkeit und Kriminalität ein Problem der lokalen Sicherheitslage. Die Bemühungen der Regierung, die Kontrolle wieder zu übernehmen, scheinen noch nicht zum entscheidenden Erfolg geführt zu haben. Regierungsnahe Milizen sind in unterschiedlichem Maße präsent, aber der Großteil ihrer Kräfte wird im Norden eingesetzt. Terrorismus und Terrorismusbekämpfung spielen im Süden nach wie vor eine Rolle, insbesondere in Babil, aber im Allgemeinen in geringerem Maße als weiter im Norden. Noch immer gibt es vereinzelte Terroranschläge (Landinfo 31.5.2018).

Das Gouvernement Babil ist ein einfaches Ziel für die Aufständischen des IS, in das sie von Anbar aus leichten Zugang haben. Insbesondere der Distrikt Jurf al-Sakhr, in dem es keine Zivilisten gibt und der als PMF-Basis dient, ist ein beliebtes Ziel des IS (Joel Wing 9.9.2019). Im November 2019 gab es im Gouvernement Babil zwei sicherheitsrelevante Vorfälle mit einem Toten (Joel Wing 2.12.2019), im Dezember 2019 drei Vorfälle mit drei Verletzten (Joel Wing 6.1.2020) und im Februar 2020 zwei Vorfälle mit einem Verletzten (Joel Wing 5.3.2020).

Seit 2015 finden in allen Städten des Südirak regelmäßig Demonstrationen statt, um gegen die Korruption der Regierung und die Arbeitslosigkeit zu protestieren und eine bessere Infrastruktur zu fordern. Gewöhnlich finden diese Demonstrationen in Ruhe statt, sie haben jedoch auch schon zu Zusammenstößen mit der Polizei geführt, mit Verletzten und Toten (CEDOCA 28.2.2018).

Seit 1.10.2019 kommt es in mehreren Gouvernements des Zentral- aber auch Südiraks (Bagdad, Basra, Maysan, Qadisiyah, Dhi Qar,Wasit, Muthanna, Babil, Kerbala, Najaf, Diyala, Kirkuk und Salah ad-Din) zu teils gewalttätigen Demonstrationen (ISW 22.10.2019, vgl. Joel Wing 3.10.2019).

Quellen:

?        CEDOCA - Centre de documentation et de recherches du Commissariat général aux réfugiés et aux apatrides (28.2.2018): IRAK: Situation sécuritaire dans le sud de l‘Irak, https://www.cgra.be/sites/default/files/rapporten/coi_focus_irak_situation_securitaire_dans_le_sud_de_lirak_20180228.pdf, Zugriff 13.3.2020

?        ISW - Institute for the Study of War (22.10.2019): Iraq's Sustained Protests and Political Crisis, https://iswresearch.blogspot.com/2019/10/iraqs-sustained-protests-and-political.html, Zugriff 13.3.2020

?        Joel Wing, Musings on Iraq (5.3.2020): Violence Largely Unchanged In Iraq In February 2020, https://musingsoniraq.blogspot.com/2020/03/violence-largely-unchanged-in-iraq-in.html, Zugriff 13.3.2020

?        Joel Wing, Musings on Iraq (6.1.2020): Islamic State Makes Its Return In December 2019, https://musingsoniraq.blogspot.com/2020/01/islamic-state-makes-its-return-in.html, Zugriff 13.3.2020

?        Joel Wing, Musings on Iraq (2.12.2019): Islamic State Waits Out The Protests In Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/12/islamic-state-waits-out-protests-in-iraq.html, Zugriff 13.3.2020

?        Joel Wing, Musings on Iraq (3.10.2019): Iraq’s October Protests Escalate And Grow, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/10/iraqs-october-protests-escalate-and-grow.html, Zugriff 13.3.2020

?        - Joel Wing, Musings on Iraq (9.9.2019): Islamic State’s New Game Plan In Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/09/islamic-states-new-game-plan-in-iraq.html, Zugriff 13.3.2020

?        Landinfo - The Norwegian COI Centre (31.5.2018): Irak: Sikkerhetssituasjonen i Sør-Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1434620/1226_1528700530_irak-temanotat-sikkerhetssituasjonen-i-syarirak-hrn-31052018.pdf, Zugriff 13.3.2020

2.1.2. Islamischer Staat (IS)

Seit der Verkündigung des territorialen Sieges des Irak über den Islamischen Staat (IS) durch den damaligen Premierminister al-Abadi im Dezember 2017 (USCIRF 4.2019; vgl Reuters 9.12.2017) hat sich der IS in eine Aufstandsbewegung gewandelt (Military Times 7.7.2019) und kehrte zu Untergrund-Taktiken zurück (USDOS 1.11.2019; vgl. BBC 23.12.2019; FH 4.3.2020). Zahlreiche Berichte erwähnen Umstrukturierungsbestrebungen des IS sowie eine Mobilisierung von Schläferzellen (Portal 9.10.2019) und einen neuerlichen Machtzuwachs im Norden des Landes (PGN 11.1.2020).

Der IS unterhält ein Netz von Zellen, die sich auf die Gouvernements Ninewa, Salah ad-Din, Kirkuk und Diyala konzentrieren, während seine Taktik IED-Angriffe auf Sicherheitspersonal, Brandstiftung auf landwirtschaftlichen Flächen und Erpressung von Einheimischen umfasst (Garda 3.3.2020). Der IS führt in vielen Landesteilen weiterhin kleinere bewaffnete Operationen, Attentate und Angriffe mit improvisierten Sprengkörpern (IED) durch (USCIRF 4.2019). Er stellt trotz seines Gebietsverlustes weiterhin eine Bedrohung für Sicherheitskräfte und Zivilisten, einschließlich Kinder, dar (UN General Assembly 30.7.2019). Er ist nach wie vor der Hauptverantwortliche für Übergriffe und Gräueltaten im Irak, insbesondere in den Gouvernements Anbar, Bagdad, Diyala, Kirkuk, Ninewa und Salah ad-Din (USDOS 11.3.2020; vgl. UN General Assembly 30.7.2019). Im Jahr 2019 war der IS insbesondere in abgelegenem, schwer zugänglichem Gelände aktiv, hauptsächlich in den Wüsten der Gouvernements Anbar und Ninewa sowie in den Hamrin-Bergen, die sich über die Gouvernements Kirkuk, Salah ad-Din und Diyala erstrecken (ACLED 2.10.2019a). Er ist nach wie vor dabei sich zu reorganisieren und versucht seine Kader und Führung zu erhalten (Joel Wing 16.10.2019).

Der IS setzt weiterhin auf Gewaltakte gegen Regierungziele sowie regierungstreue zivile Ziele, wie Polizisten, Stammesführer, Politiker, Dorfvorsteher und Regierungsmitarbeiter (ACLED 2.10.2019a; vgl. USDOS 1.11.2019), dies unter Einsatz von improvisierten Sprengkörpern (IEDs) und Schusswaffen sowie mittels gezielten Morden (USDOS 1.11.2019), sowie Brandstiftung. Die Übergriffe sollen Spannungen zwischen arabischen und kurdischen Gemeinschaften entfachen, die Wiederaufbaubemühungen der Regierung untergraben und soziale Spannungen verschärfen (ACLED 2.10.2019a).

Insbesondere in den beiden Gouvernements Diyala und Kirkuk scheint der IS im Vergleich zum Rest des Landes mit relativ hohem Tempo sein Fundament wieder aufzubauen, wobei er die lokale Verwaltung und die Sicherheitskräfte durch eine hohe Abfolge von Angriffen herausfordert (Joel Wing 16.10.2019). Der IS ist fast vollständig in ländliche und gebirgige Regionen zurückgedrängt, in denen es wenig Regierungspräsenz gibt, und wo er de facto die Kontrolle über einige Gebiete insbesondere im Süden von Kirkuk und im zentralen und nordöstlichen Diyala aufgebaut hat (Joel Wing 3.2.2020).

Im Mai 2019 hat der IS im gesamten Mittelirak landwirtschaftliche Anbauflächen in Brand gesetzt, mit dem Zweck die Bauernschaft einzuschüchtern und Steuern einzuheben, bzw. um die Bauern zu vertreiben und ihre Dörfer als Stützpunkte nutzen zu können. Das geschah bei insgesamt 33 Bauernhöfen - einer in Bagdad, neun in Diyala, 13 in Kirkuk und je fünf in Ninewa und Salah ad-Din - wobei es gleichzeitig auch Brände wegen der heißen Jahreszeit und infolge lokaler Streitigkeiten gab (Joel Wing 5.6.2019; vgl. ACLED 18.6.2019). Am 23.5.2019 bekannte sich der Islamische Staat (IS) in seiner Zeitung Al-Nabla zu den Brandstiftungen. Kurdische Medien berichteten zudem von Brandstiftung in Daquq, Khanaqin und Makhmour (BAMF 27.5.2019; vgl. ACLED 18.6.2019). Im Jänner 2020 hat der IS eine Büffelherde in Baquba im Distrikt Khanaqin in Diyala abgeschlachtet, um eine Stadt einzuschüchtern (Joel Wing 3.2.2020; vgl. NINA 17.1.2020).

Mit Beginn der Massenproteste im Oktober 2019 stellte der IS seine Operation weitgehend ein, wie er es stets während Demonstrationen getan hat, trat aber mit dem Nachlassen der Proteste wieder in den Konflikt ein (Joel Wing 6.1.2020).

Quellen:

?        ACLED - The Armed Conflict Location & Event Data Project (2.10.2019a): Mid-Year Update: Ten Conflicts to Worry About in 2019, https://www.acleddata.com/2019/08/07/mid-year-update-ten-conflicts-to-worry-about-in-2019/, Zugriff 13.3.2020

?        ACLED - The Armed Conflict Location & Event Data Project (18.6.2019): Regional Overview – Middle East 18 June 2019, https://www.acleddata.com/2019/06/18/regional-overview-middle-east-18-june-2019/, Zugriff 13.3.2020

?        BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland) (27.5.2019): Briefing Notes 27. Mai 2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/2010482/briefingnotes-kw22-2019.pdf, Zugriff 13.3.2020

?        BBC News (23.12.2019): Isis in Iraq: Militants 'getting stronger again', https://www.bbc.com/news/world-middle-east-50850325, Zugriff 13.3.2020

?        FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Iraq, https://freedomhouse.org/country/iraq/freedom-world/2020, Zugriff 13.3.2020

?        Garda World (3.3.2020): Iraq Country Report, https://www.garda.com/crisis24/country-reports/iraq, Zugriff 13.3.2020

?        Joel Wing, Musings on Iraq (3.2.2020): Violence Continues Its Up And Down Pattern In Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2020/02/violence-continues-its-up-and-down.html, Zugriff 13.3.2020

?        Joel Wing, Musings on Iraq (6.1.2020): Islamic State Makes Its Return In December 2019, https://musingsoniraq.blogspot.com/2020/01/islamic-state-makes-its-return-in.html, Zugriff 13.3.2020

?        Joel Wing, Musings on Iraq (16.10.2019): Islamic State Not Following Their Usual Pattern In Attacks In Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/10/islamic-state-not-following-their-usual.html, Zugriff 13.3.2020

?        Joel Wing, Musings on Iraq (5.6.2019): Islamic State’s Revenge Of The Levant Campaign In Full Swing, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/06/islamic-states-revenge-of-levant.html, Zugriff 13.3.2020

?        Military Times (7.7.2019): Iraqi forces begin operation against ISIS along Syrian border, https://www.militarytimes.com/flashpoints/2019/07/07/iraqi-forces-begin-operation-against-isis-along-syrian-border/, Zugriff 13.3.2020

?        NINA - National Iraqi News Agency (17.1.2020): ISIS Elements executed a herd of buffalo by firing bullets northeast of Baquba. http://ninanews.com/Website/News/Details?key=808154, Zugriff 13.3.2020

?        PGN - Political Geography Now (11.1.2020): Iraq Control Map & Timeline - January 2020, https://www.polgeonow.com/2020/01/isis-iraq-control-map-2020.html, Zugriff 13.3.2020

?        Portal, The (9.10.2019): Iraq launches a new process of “Will to Victory”, http://www.theportal-center.com/2019/10/iraq-launches-a-new-process-of-will-to-victory/, Zugriff 13.3.2020

?        Reuters (9.12.2017): Iraq declares final victory over Islamic State, https://www.reuters.com/article/us-mideast-crisis-iraq-islamicstate/iraq-declares-final-victory-over-islamic-state-idUSKBN1E30B9, Zugriff 13.3.2020

?        UN General Assembly (30.7.2019): Children and armed conflict; Report of the Secretary-General [A/73/907–S/2019/509], https://www.ecoi.net/en/file/local/2013574/A_73_907_E.pdf, Zugriff 13.3.2020

?        USCIRF - US Commission on International Religious Freedom (4.2019): United States Commission on International Religious Freedom 2019 Annual Report; Country Reports: Tier 2 Countries: Iraq, https://www.ecoi.net/en/file/local/2008186/Tier2_IRAQ_2019.pdf, Zugriff 13.3.2020

?        USDOS - US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 – Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026340.html, Zugriff 13.3.2020

?        USDOS - US Department of State (1.11.2019): Country Report on Terrorism 2018 - Chapter 1 - Iraq, https://www.ecoi.net/en/document/2019162.html, Zugriff 13.3.2020

2.2. Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition

2.2.1. Versammlungsfreiheit

Die Verfassung sieht das Recht auf Versammlung und friedliche Demonstration „nach den Regeln des Gesetzes“ vor (USDOS 11.3.2020; vgl. FH 4.3.2020). Entsprechend einfach gesetzlichen Bestimmungen fehlen jedoch. Im Alltag wird die Versammlungs- und Meinungsfreiheit durch das seit dem 7.11.2004 geltende „Gesetz zur Aufrechterhaltung der nationalen Sicherheit“ eingeschränkt, das u.a. die Verhängung eines bis zu 60-tägigen Ausnahmezustands ermöglicht (AA 12.1.2019).

Die gesetzlichen Regelungen schreiben vor, dass die Veranstalter sieben Tage vor einer Demonstration um Genehmigung ansuchen und detaillierte Informationen über Veranstalter, Grund des Protests und Teilnehmer einreichen müssen. Die Vorschriften verbieten jegliche Slogans, Schilder, Druckschriften oder Zeichnungen, die Konfessionalismus, Rassismus oder die Segregation der Bürger zum Inhalt haben. Die Vorschriften verbieten auch alles, was gegen die Verfassung oder gegen das Gesetz verstößt; alles, was zu Gewalt, Hass oder Mord ermutigt; und alles, was eine Beleidigung des Islam, der Ehre, der Moral, der Religion, heiliger Gruppen oder irakischer Einrichtungen im Allgemeinen darstellt. Die Behörden erteilen Genehmigungen in der Regel in Übereinstimmung mit diesen Vorschriften (USDOS 11.3.2020).

Demonstranten sind häufig der Gefahr von Gewalt oder Verhaftung ausgesetzt (FH 4.3.2020). Als die Demonstrationen ab Oktober 2019 eskalierten, versäumten es die Behörden, die Demonstranten vor Gewalt zu schützen (USDOS 11.3.2020).

Quellen:

?        AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457267/4598_1548939544_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2018-12-01-2019.pdf, Zugriff 13.3.2020

?        FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Iraq, https://freedomhouse.org/country/iraq/freedom-world/2020, Zugriff 13.3.2020

?        USDOS - US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 – Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026340.html, Zugriff 13.3.2020

2.2.2. Protestbewegung

Seit 2014 gibt es eine Protestbewegung, in der zumeist junge Leute in Scharen auf die Straße strömen, um bessere Lebensbedingungen, Arbeitsplätze, Reformen, einen effektiven Kampf gegen Korruption und die Abkehr vom religiösen Fundamentalismus zu fordern (WZ 9.10.2018).

So kam es bereits 2018 im Südirak zu weitreichenden Protesten in Basra, nahe den Ölfeldern West Qurna und Zubayr. Diese eskalierten, nachdem die Polizei in West Qurna auf Demonstranten schoss (ICG 31.7.2018). Ebenso kam es im Jahr 2019 zu Protesten, wobei pro-iranische Volksmobilisierungskräfte (PMF) beschuldigt wurden, sich an der Unterdrückung der Proteste beteiligt und Demonstranten sowie Menschenrechtsaktivisten angegriffen zu haben (Diyaruna 7.8.2019; vgl. Al Jazeera 25.10.2019).

Seit dem 1.10.2019 kommt es in mehreren Gouvernements (Bagdad, Basra, Maysan, Qadisiya, Dhi Qar, Wasit, Muthanna, Babil, Kerbala, Najaf, Diyala, Kirkuk und Salah ad-Din) zu teils gewalttätigen Demonstrationen (ISW 22.10.2019, vgl. Joel Wing 3.10.2019). Die Proteste richten sich gegen Korruption, die hohe Arbeitslosigkeit und die schlechte Strom- und Wasserversorgung (Al Mada 2.10.2019; vgl. BBC 4.10.2019), aber auch gegen den iranischen Einfluss auf den Irak (ISW 22.10.2019). Eine weitere Forderung der Demonstranten ist die

Abschaffung des ethnisch-konfessionellen Systems (muhasasa) zur Verteilung der Ämter des Präsidenten, des Premierministers und des Parlamentspräsidenten (AW 4.12.2019).

Im Zusammenhang mit diesen Demonstrationen wurden mehrere Regierungsgebäude sowie Sitze von Milizen und Parteien in Brand gesetzt (Al Mada 2.10.2019). Im Zuge der Proteste kam es in mehreren Gouvernements von Seiten anti-iranischer Demonstranten zu Brandanschlägen auf Stützpunkte pro-iranischer PMF-Fraktionen und Parteien, wie der Asa‘ib Ahl al-Haq, der Badr-Organisation, der Harakat al-Abdal, Da‘wa und Hikma (Carnegie 14.11.2019; vgl. ICG 10.10.2019), sowie zu Angriffen auf die iranischen Konsulate in Kerbala (RFE/RL 4.11.2019) und Najaf (RFE/RL 1.12.2019).

Die irakischen Sicherheitskräfte (ISF) gingen unter anderem mit scharfer Munition gegen Demonstranten vor. Außerdem gibt es Berichte über nicht identifizierte Scharfschützen, die sowohl Demonstranten als auch Sicherheitskräfte ins Visier genommen haben sollen (ISW 22.10.2019). Premierminister Mahdi kündigte eine Aufklärung der gezielten Tötungen an (Rudaw 13.10.2019). Zeitweiig riefen die Behörden im Oktober und November 2019 Ausgangssperren aus (AI 18.2.2020; vgl. Al Jazeera 5.10.2019; ISW 22.10.2019; Rudaw 13.10.2019) und implementierten zeitweilige Internetblockaden (UNAMI 10.2019; vgl. AI 18.2.2020; USDOS 11.3.2020).

Die irakische Menschenrechtskommission berichtete Ende Dezember 2019, dass seit Beginn der Proteste am 1.10.2019 mindestens 490 Demonstranten getötet wurden (AAA 28.12.2019; vgl. RFE/RL 6.2.2020), darunter 33 Aktivisten, die gezielt getötet wurden. Mehr als 22.000 Menschen wurden verletzt. 56 Demonstranten gelten nach berichteten Entführungen als vermisst, während zwölf weitere wieder freigelassen wurden (AAA 28.12.2019). Mitte Jänner 2020 berichtet Amnesty International von 600 Toten Demonstranten seit Beginn der Proteste (AI 23.1.2020).

Quellen:

?        AAA - Asharq Al-Awsat (28.12.2019): Iraq: Human Rights Commission Says 490 Protesters Killed Since October, https://aawsat.com/english/home/article/2056146/iraq-human-rights-commission-says-490-protesters-killed-october, Zugriff 13.3.2020

?        AI - Amnesty International (18.2.2020): Human rights in the Middle East and North Africa: Review of 2019; Iraq, https://www.ecoi.net/en/document/2025831.html, Zugriff 13.3.2020

?        AI - Amnesty International (23.1.2020): Iraq: Protest death toll surges as security forces resume brutal repression, https://www.ecoi.net/de/dokument/2023297.html, Zugriff 13.3.2020

?        Al Jazeera (25.10.2019): Dozens killed as fierce anti-government protests sweep Iraq, https://www.aljazeera.com/news/2019/10/dozens-killed-fierce-anti-government-demonstrations-sweep-iraq-191025171801458.html, Zugriff 13.3.2020

?        Al Jazeera (5.10.2019): Iraq PM lifts Baghdad curfew, https://www.aljazeera.com/news/2019/10/iraq-pm-lifts-baghdad-curfew-191005070529047.html, Zugriff 13.3.2020

?        Al Mada (2.10.2019): ????????????????????????????? („Proteste werden zu Kriegsgebieten“), https://almadapaper.net/view.php?cat=221822, Zugriff 13.3.2020

?        AW - Arab Weekly, The (4.12.2019): Confessional politics ensured Iran’s colonisation of Iraq, https://thearabweekly.com/confessional-politics-ensured-irans-colonisation-iraq, Zugriff 13.3.2020

?        BBC News (4.10.2019): Iraq protests: 'No magic solution' to problems, PM says, https://www.bbc.com/news/world-middle-east-49929280, Zugriff 13.3.2020

?        Carnegie - Carnegie Middle East Center (14.11.2019): How Deep Is Anti-Iranian Sentiment in Iraq?, https://carnegie-mec.org/diwan/80313, Zugriff 13.3.2020

?        Diyaruna (7.8.2019): Iran-backed militias suppress Iraqi protests, https://diyaruna.com/en_GB/articles/cnmi_di/features/2019/08/07/feature-01, Zugriff 13.3.2020

?        ICG - International Crisis Group (10.10.2019): Widespread Protests Point to Iraq’s Cycle of Social Crisis, https://www.ecoi.net/de/dokument/2018263.html, Zugriff 13.3.2020

?        ICG - International Crisis Group (31.7.2018): How to cope with Iraq’s summer brushfire, https://www.crisisgroup.org/middle-east-north-africa/gulf-and-arabian-peninsula/iraq/b61-how-cope-iraqs-summer-brushfire, Zugriff 13.3.2020

?        ISW - Institute for the Study of War (22.10.2019): Iraq's Sustained Protests and Political Crisis, https://iswresearch.blogspot.com/2019/10/iraqs-sustained-protests-and-political.html, Zugriff 13.3.2020

?        Joel Wing, Musings on Iraq (3.10.2019): Iraq’s October Protests Escalate And Grow, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/10/iraqs-october-protests-escalate-and-grow.html, Zugriff 13.3.2020

?        RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (6.2.2020): Iraqi Protesters Clash With Sadr Backers In Deadly Najaf Standoff, https://www.ecoi.net/en/document/2024704.html, Zugriff 13.3.2020

?        RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (1.12.2019): Iraqi Protesters Torch Iranian Consulate For Second Time Within Week, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022938.html, Zugriff 13.3.2020

?        RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (4.11.2019): Security Forces Shoot At Baghdad Protesters, Several Killed In Karbala, https://www.ecoi.net/de/dokument/2019395.html, Zugriff 13.3.2020

?        Rudaw (13.10.2019): Iraq launches probe into killing of protesters,https://www.rudaw.net/english/middleeast/iraq/13102019, Zugriff 13.3.2020

?        UNAMI - UN Assistance Mission for Iraq (10.2019): Demonstraitons in Iraq; 1-9 October 2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019889/UNAMI_Special_Report_on_Demonstrations_in_Iraq_22_October_2019.pdf, Zugriff 13.3.2020

?        USDOS - US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 – Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026340.html, Zugriff 13.3.2020

?        WZ - Wiener Zeitung (9.10.2018): Schlüsselland Irak, https://www.wienerzeitung.at/_em_cms/globals/print.php?em_ssc=LCwsLA==&em_cnt=994916&em_loc=69&em_ref=/nachrichten/welt/weltpolitik/&em_ivw=RedCont/Politik/Ausland&em_absatz_bold=0, Zugriff 13.3.2020

2.3. Sicherheitskräfte und Milizen

Im Mai 2003, nach dem Sturz des Regimes von Saddam Hussein, demontierte die Koalitions-Übergangsverwaltung das irakische Militär und schickte dessen Personal nach Hause. Das aufgelöste Militär bildete einen großen Pool für Aufständische. Stattdessen wurde ein politisch neutrales Militär vorgesehen (Fanack 2.9.2019).

Der Irak verfügt über mehrere Sicherheitskräfte, die im ganzen Land operieren: Die irakischen Sicherheitskräfte (ISF) unter dem Innen- und Verteidigungsministerium, die dem Innenministerium unterstellten Strafverfolgungseinheiten der Bundes- und Provinzpolizei, der Dienst zum Schutz von Einrichtungen, Zivil- und Grenzschutzeinheiten, die dem Öl-Ministerium unterstellte Energiepolizei zum Schutz der Erdöl-Infrastruktur, sowie die dem Premierminister unterstellten Anti-Terroreinheiten und der Nachrichtendienst des Nationalen Sicherheitsdienstes (NSS) (USDOS 11.3.2020). Neben den regulären irakischen Streitkräften und Strafverfolgungsbehörden existieren auch die Volksmobilisierungskräfte (PMF), eine staatlich geförderte militärische Dachorganisation, die sich aus etwa 40, überwiegend schiitischen Milizgruppen zusammensetzt, und die kurdischen Peshmerga der Kurdischen Region im Irak (KRI) (GS 18.7.2019).

Zivile Behörden haben über einen Teil der Sicherheitskräfte keine wirksame Kontrolle (USDOS 11.3.2020; vgl. GS 18.7.2019).

Quellen:

?        Fanack (2.9.2019): Governance & Politics of Iraq, https://fanack.com/iraq/governance-and-politics-of-iraq/, Zugriff 13.3.2020

?        GS - Global Security (18.7.2019): Hashd al-Shaabi / Hashd Shaabi, Popular Mobilisation Units / People’s Mobilization Forces, https://www.globalsecurity.org/military/world/para/hashd-al-shaabi.htm, Zugriff 13.3.2020

?        USDOS - US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 – Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026340.html, Zugriff 13.3.2020

2.3.1. Die irakischen Sicherheitskräfte (ISF)

Die irakischen Sicherheitskräfte (ISF, Iraqi Security Forces) bestehen aus Einheiten, die vom Innen- und Verteidigungsministerium, den Volksmobilisierungseinheiten (PMF), und dem Counter-Terrorism Service (CTS) verwaltet werden. Das Innenministerium ist für die innerstaatliche Strafverfolgung und die Aufrechterhaltung der Ordnung zuständig. Es beaufsichtigt die Bundespolizei, die Provinzpolizei, den Dienst für den Objektschutz, den Zivilschutz und das Ministerium für den Grenzschutz. Die Energiepolizei, die dem Ölministerium unterstellt ist, ist für den Schutz von kritischer Erdöl-Infrastruktur verantwortlich. Konventionelle Streitkräfte, die dem Verteidigungsministerium unterstehen, sind für die Verteidigung des Landes zuständig, führen aber in Zusammenarbeit mit Einheiten des Innenministeriums auch Einsätze zur Terrorismusbekämpfung sowie interne Sicherheitseinsätze durch. Der CTS ist direkt dem Premierminister unterstellt und überwacht das Counter-Terrorism Command (CTC), eine Organisation, zu der drei Brigaden von Spezialeinsatzkräften gehören (USDOS 11.3.2020).

Die irakischen Streit- und Sicherheitskräfte dürften mittlerweile wieder ca. 100.000 Armee-Angehörige (ohne PMF und Peshmerga) und über 100.000 Polizisten umfassen. Die Anwendung bestehender Gesetze ist nicht gesichert. Personelle Unterbesetzung, mangelnde Ausbildung, mangelndes rechtsstaatliches Bewusstsein vor dem Hintergrund einer über Jahrzehnte gewachsenen Tradition von Unrecht und Korruption auf allen Ebenen sind hierfür die Hauptursachen. Ohnehin gibt es kein Polizeigesetz, die individuellen Befugnisse einzelner Polizisten sind sehr weitgehend. Ansätze zur Abhilfe und zur Professionalisierung entstehen durch internationale Unterstützung: Die Sicherheitssektorreform wird aktiv und umfassend von der internationalen Gemeinschaft unterstützt (AA 12.1.2019).

Straffreiheit ist ein Problem. Es gibt Berichte über Folter und Misshandlungen im ganzen Land in Einrichtungen des Innen- und Verteidigungsministeriums, sowie über extra-legale Tötungen (USDOS 11.3.2020).

Quellen:

?        AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457267/4598_1548939544_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2018-12-01-2019.pdf, Zugriff 13.3.2020

?        USDOS - US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 – Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026340.html, Zugriff 13.3.2020

2.3.2. Volksmobilisierungskräfte (PMF) / al-Hashd ash-Sha’bi

Der Name „Volksmobilisierungskräfte“ (al-hashd al-sha‘bi, engl.: popular mobilization forces bzw. popular mobilization front, PMF oder popular mobilization units, PMU), bezeichnet eine Dachorganisation für etwa 40 bis 70 Milizen und demzufolge ein loses Bündnis paramilitärischer Formationen (Süß 21.8.2017; vgl. FPRI 19.8.2019; Clingendael 6.2018; Wilson Center 27.4.2018). Die PMF wurden vom schiitischen Groß-Ayatollah Ali As-Sistani per Fatwa für den Kampf gegen den Islamischen Staat (IS) ins Leben gerufen (GIZ 1.2020a; vgl. FPRI 19.8.2019; Wilson Center 27.4.2018) und werden vorwiegend vom Iran unterstützt (GS 18.7.2019). PMF spielten eine Schlüsselrolle bei der Niederschlagung des IS (Reuters 29.8.2019). Die Niederlage des IS trug zur Popularität der vom Iran unterstützten Milizen bei (Wilson Center 27.4.2018).

Die verschiedenen unter den PMF zusammengefassten Milizen sind sehr heterogen und haben unterschiedliche Organisationsformen, Einfluss und Haltungen zum irakischen Staat. Sie werden grob in drei G

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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