TE Bvwg Erkenntnis 2021/4/15 W174 2172814-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.04.2021
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Entscheidungsdatum

15.04.2021

Norm

AsylG 2005 §11
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs2
AsylG 2005 §3 Abs3 Z1
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W174 2172814-1/15E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Viktoria MUGLI-MASCHEK, als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.09.2017, Zl 1097171805 – 151867340, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 leg.cit wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I.       Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 24.11.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Im Rahmen seiner Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 26.11.2015 gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, ledig, Analphabet sowie schiitischen Glaubens zu sein und der Volksgruppe der Hazara anzugehören. Geboren und aufgewachsen sei er im Distrikt Qarabaq in der Provinz Ghazni, von Oktober 2014 bis Oktober 2015 habe er im Iran (Isfahan) gelebt und sei Landwirt gewesen.

Zu seinem Fluchtgrund erklärte er, in seiner Region seien vor ca. einem Jahr mehrere bewaffnete Gruppierungen sehr aktiv gewesen, darunter auch die Taliban. Diese Leute hätten die jungen Männer des Dorfes für den Krieg rekrutieren wollen, viele Junge seien geflüchtet und der Beschwerdeführer habe dies auch getan, weil er nicht habe kämpfen wollen. Er sei in den Iran gereist, den er deshalb verlassen habe, weil dort wegen seines illegalen Aufenthaltes die Gefahr bestanden habe, nach Afghanistan abgeschoben zu werden. Weitere Gründe gebe es nicht.

3. Am 10.7.2017 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: Bundesamt oder belangte Behörde) niederschriftlich einvernommen, erklärte zunächst, gesund zu sein und legte ein Empfehlungsschreiben eines Landesklinikums vom 7.6.2017, eine Teilnahmebestätigung Kurs Basisbildung für junge Flüchtlinge vom 25.4.2017 sowie eine Teilnahmebestätigung „Umweltfreundlich waschen und reinigen“ vom 6.4.2017 vor.

Geboren sei er im Distrikt Qarabaq in der Provinz Ghazni, wo er 15 Jahre bis zu seiner Ausreise im Heimatdorf gelebt habe. Danach sei er in den Iran geflüchtet, wo er 13 Monate in Isfahan geblieben sei. In der Heimat habe er gemeinsam mit seiner Mutter, zwei Brüdern und zwei Schwestern im familieneigenen Lehmhaus gelebt, der Vater sei verstorben.

In Afghanistan befänden sich noch die Mutter und alle Geschwister, Onkel und Tanten seien im Iran. Abgesehen von dem Haus habe die Familie keine Besitztümer. Der Beschwerdeführer und seine Mutter seien als Bauern tätig gewesen, die Geschwister noch klein. Seine Mutter wäre auch meistens zu Hause geblieben.

Der Beschwerdeführer sei Hazara und Schiit, Schulbildung habe er keine, aber in Österreich habe er schreiben und lesen gelernt. Ein Freund hätte ihm dies auf Farsi beigebracht. In der Heimat habe er für andere Leute in der Landwirtschaft gearbeitet, im Iran als Steinmetz. Die wirtschaftliche und finanzielle Situation seiner Familie sei mittelmäßig gewesen. Die Reisekosten des Beschwerdeführers habe sein Cousin väterlicherseits beglichen.

Der Beschwerdeführer sei in seinem Heimatort täglich nach dem Abendessen in die Moschee gegangen, eines Tages wäre darüber gesprochen worden, dass ein andere Junge einen Brief von den Taliban bekommen hätte, in dem er aufgefordert worden sei, mit ihnen zu arbeiten. Er hätte dies ignoriert und wäre getötet worden. Als der Beschwerdeführer eine Woche später von der Moschee zurückgekehrt sei, habe seine Mutter gezittert und gesagt, dass vier Personen auf zwei Motorrädern gekommen seien, ihr einen Brief gegeben und gedroht hätten, wenn der Beschwerdeführer nicht antwortete und mitmache, werde er getötet.

Der Beschwerdeführer wisse nicht, ob der Brief noch in Afghanistan sei, er habe keinen Kontakt zur Familie. Der Brief sei am 25.3.2014 gekommen, am 3.4.2014 sei er geflüchtet und habe Afghanistan verlassen. Zuvor sei er nicht bedroht worden.

Der Brief sei von den Taliban gewesen, sie hätten seiner Mutter gesagt, sie solle ihm diesen aushändigen und er das tun, was drinnen stehe. Der Beschwerdeführer habe dann den Nachbarn aufgesucht, der den Brief gelesen habe, in dem gestanden sei, dass sie den Beschwerdeführer bräuchten und er in einer Woche in einen näher genannten Ort kommen solle. Zuvor habe es keine Übergriffe oder Bedrohungen gegeben. Die Taliban gebe es seit 13 Jahren in diesem Gebiet. Polizei wäre dort in der Früh, am Abend nicht. Der Beschwerdeführer habe Angst gehabt, zur Polizei zu gehen, wenn sie das erfahren würden, würden sie die Familie verletzen oder töten.

Nachdem sie den Brief bekommen hätten, hätten der Beschwerdeführer und seine Mutter den Weisenrat aufgesucht und um Hilfe gebeten. Dort hätte man erklärt, nichts machen zu können, der Beschwerdeführer sei dann noch zwei Tage beim Nachbarn im Keller versteckt gewesen. Nach einer Woche hätten die Taliban die Mutter aufgesucht, sie geschlagen und ihr noch einen Tag Zeit gegeben, den Beschwerdeführer zu ihnen zu bringen, ansonsten würden sie sie (die Mutter) töten Deshalb sei der Beschwerdeführer geflüchtet.

Persönlich wegen seiner Volksgruppe oder seiner Religion angegriffen worden sei der Beschwerdeführer nicht.

4. Mit gegenständlichem Bescheid des Bundesamtes wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt II.). Unter Spruchpunkt III. wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei. Unter Spruchpunkt IV. wurde festgehalten, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

Begründend wurde im Wesentlichen festgestellt, dass insgesamt das Vorbringen, die Bedrohung durch die Taliban, nicht glaubhaft gewesen sei.

5. Dagegen wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. In dieser wurde im Wesentlichen das bisherige Vorbringen des Beschwerdeführers wiederholt und vorgebracht, dass der Beschwerdeführer wegen der Zugehörigkeit zur ethnischen Gruppe schiitischer Hazara und zur sozialen Gruppe der Männer im zwangsrekrutierungsfähigen Alter von Verfolgung bedroht sei. Beigelegt wurde eine Bestätigung des ÖIF über die Teilnahme des Beschwerdeführers an einem Werte- und Orientierungskurs im September 2016.

6. Am 5.10.2020 führte das Bundesverwaltungsgericht im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der das Bundesamt als Verfahrenspartei entschuldigt nicht teilnahm.

Dabei erklärte der Beschwerdeführer im Wesentlichen zunächst, dass er gesund, afghanischer Staatsangehöriger, ledig, in der Provinz Ghazni im Distrikt Qarabagh geboren, Hazara und mittlerweile Christ sei. Seine Muttersprache sei Dari, er spreche auch Farsi.

Zuvor habe er der moslemischen Religion angehört, seit einem Jahr besuche er die Kirche.

Bis zu seiner Ausreise habe er sich in seinem Heimatdorf in Ghazni im familieneigenen Haus aufgehalten, zu seinen Angehörigen stehe er mittlerweile nicht mehr in Kontakt. Die Heimat habe er mit 15 Jahren verlassen und anschließend ein Jahr und einen Monat im Iran in Isfahan gelebt. Heimatliche Schulausbildung habe er keine, sondern bei anderen Personen in der Landwirtschaft gearbeitet. Der Vater sei verstorben.

Die Heimat habe der Beschwerdeführer deshalb verlassen, weil er, als er eines Abends von der Moschee zurückgekehrt sei, von seiner Mutter erfahren habe, dass die Taliban – insgesamt vier maskierte unbewaffnete Personen auf Motorrädern – dagewesen seien und ihr einen Brief hinterlassen hätten, um ihn dem Beschwerdeführer auszuhändigen. Diese Personen hätten seiner Mutter auch gesagt, dass er sich innerhalb einer Woche an einem bestimmten Ort melden solle. Da sie diesen Brief nicht hätten lesen können, hätten sie ihn zum Mullah des Ortes gebracht, der auch erklärt habe, dass er nicht helfen könne. Der Beschwerdeführer habe sich nicht mehr getraut hinauszugehen, sei zwei Tage zu Hause und zwei Tage bei den Nachbarn versteckt gewesen. Andere Personen, die schon vorher einen Brief erhalten hätten und deren Zeit um gewesen sei, seien schrecklich bestraft worden, einen ihm bekannten Jungen hätte man zum Beispiel erschossen.

Der Beschwerdeführer könne deswegen nicht in die Heimat zurückkehren, weil er jetzt Christ sei. Die Familie hätte gewollt, dass er den Koran lerne, obwohl er nicht lesen könne. Auch hätte er fasten und beten sollen. Im Islam sei das alles gezwungen gewesen, er habe gebetet, aber nicht gewusst, was es bedeute. Das Christentum sei für ihn sehr wichtig, es sei ein Weg, dem er sich mit seinem ganzen Körper und seiner Seele widme.

Am muslimischen Glauben habe er deshalb kein Interesse, weil die Taliban unschuldige Menschen im Namen des Islam getötet und von Dschihad gesprochen hätten.

Erstmals habe der Beschwerdeführer vor ungefähr zwei Jahren, als er den als Zeugen geladenen Freund kennengelernt habe, vom christlichen Glauben gehört. Sie hätten zusammengewohnt und er habe den Beschwerdeführer vom Heiligen Buch erzählt und ihn zum Christentum eingeladen. Eines Tages sei der Beschwerdeführer in die Kirche gegangen und habe bei der Rückkehr das Buch (die Bibel) seines Zimmerkollegen genommen und darin gelesen. Seit einem Jahr gehe er in die Kirche, zweimal in der Woche erzähle ihm der Zeuge über die Bibel und ein paar Mal sei der Beschwerdeführer auch in einem Bibelkreis gegangen.

Wegen der Corona Pandemie habe der Beschwerdeführer sich noch nicht taufen lassen können. Zuvor hätten sie diesen Bibelkreis gehabt, der dann aber auch abgesagt worden sei. Die Kurse seien auf Farsi gewesen. Auch die Bibel des Beschwerdeführers sei in dieser Sprache.

Der Beschwerdeführer habe die Bibel gelesen und beantwortete mehrere konkrete Fragen der erkennenden Richterin zu deren Inhalt, in weiterer Folge zu den zehn Geboten, den Sakramenten, den christlichen Festen, dem Ablauf der Messe, zu Nächstenliebe, Verantwortung sowie den Festen in der Pfarrgemeinde und sagte das apostolische Glaubensbekenntnis auf Farsi auf.

Der Beschwerdeführer besuche regelmäßig die Messe, verteile immer wieder die Bibel in der Kirche und helfe beim Zubereiten von Essen mit. Zudem arbeite er auch im Garten der Kirche.

Er wäre nicht bereit, sich vom christlichen Glauben wieder abzuwenden. Es sei der beste Weg des Lebens.

Lesen und Schreiben habe er in Österreich gelernt. Ca. für ein Jahr habe er in einem Krankenhaus gearbeitet. Einmal in der Woche besuche er in der Kirche einen Deutschkurs.

In weiterer Folge wurde der – seit September in der Kirchengemeinde des Beschwerdeführers neu tätige – Pfarrer als Zeuge einvernommen. Er kenne den Beschwerdeführer seit Mitte September, habe regelmäßig in Form der Gottesdienste Kontakt zu ihm und nach dem Gottesdienst, wenn es sich ergeben habe, Gespräche geführt. Letzten Dienstag hätten sie sich getroffen, damit er sich ein konkretes Bild vom Beschwerdeführer machen könne. Er erlebe den Beschwerdeführer als religiösen, dem christlichen Glauben zugewandten, und ihn auch täglich lebenden Menschen. Für den Beschwerdeführer sei das Christentum vor allem ein Ort, an dem er Gemeinschaft erfahren könne und vor allem einen Gott, der nicht strafe und von dem er keine Angst zu haben brauche. Er selbst sei der Überzeugung, dass der Beschwerdeführer überzeugter Christ sei. Bei der Frage zur Taufe sei es für den Beschwerdeführer zum einen darum gegangen, in eine nähere Beziehung zu Gott zu treten und damit auch Sünde überwinden zu können. Die biblische Stelle sei der Psalm 23. Es gehe um die Begleitung Gottes und den Beistand eines anderen. Der Gott seines vorherigen Glaubens habe dem Beschwerdeführer vor allem Angst gemacht.

Sobald wie möglich, dass bedeute, wenn Corona und seine eigene Einarbeitung es zuließen, solle der Taufkurs hoffentlich bald wieder möglich sein. Dass die Taufe des Beschwerdeführers nach diesem Kurs stattfinde, halte der Zeuge nach den Gesprächen mit ihm für sehr wahrscheinlich.

Ebenfalls als Zeuge einvernommen wurde ein iranischer Staatsangehöriger, der gleichzeitig mit dem Beschwerdeführer befreundet und sein Lehrer ist. Kennengelernt hätten sie sich im Sommer 2018, sie hätten telefonischen Kontakt, zweimal wöchentlich träfen sie sich und würden zusammen die Bibel lesen, wobei der Zeuge auch die Fragen des Beschwerdeführers beantworte. Der Zeuge sei Mitglied der Kirchengemeinde und dort auch als Dolmetscher tätig. Sonntags bei der Messe übersetzte er die Verse, die der Pfarrer vortrage. Der Zeuge sei froh darüber, dass der Beschwerdeführer jetzt Gott liebe, vor dem er zuvor Angst gehabt habe. Manchmal gingen sie auch zusammen in die Kirche, der Beschwerdeführer besuche diese regelmäßig.

Vorgelegt wurden Bestätigungen von Mitgliedern der Kirchengemeinde über die Teilnahme des Beschwerdeführers an einem Vorbereitungskurs für die Taufe und an einem Bibelkreis sowie ein Empfehlungsschreiben, in dem darauf hingewiesen wird, dass der Beschwerdeführer täglich die Bibel lese, christliche Musik höre und als Ersatz für den Taufkurs besonders viel Betreuung erhalte.

Seitens der erkennenden Richterin wurde auf das vorgelegte Länderinformationsmaterial verwiesen und eine Stellungnahmefrist von zwei Wochen gewährt.

7. Am 13.11.2020 langte ein Empfehlungsschreiben des bereits als Zeuge einvernommenen Pfarrers der evangelischen Gemeinde des Beschwerdeführers beim Bundesverwaltungsgericht ein. Darin wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer an den Veranstaltungen der Gemeinde teilnehme, soweit aufgrund von Corona die Möglichkeit dazu bestehe. Als sich die Situation kurzzeitig soweit gebessert habe, dass man den Beginn eines Taufkurses versuchen habe können, habe der Beschwerdeführer diesen besucht. Die neuerlichen Infektionszahlen und die Bestrebungen des Pfarrers, die Mitglieder der Gemeinde keiner Gefahr auszusetzen, hätten dazu geführt, dass dieser Kurs vorerst wieder ausgesetzt worden sei. Sobald die angemessenen Rahmenbedingungen hinsichtlich der Sicherheit der Gemeinde wieder gegeben seien, werde der Taufkurs fortgesetzt werden.

Der Beschwerdeführer strebe seine Taufe aus eigener Überzeugung heraus an und der Pfarrer wolle diesem Wunsch auch nachkommen, sobald die rechtlichen Bedingungen dafür (der Taufkurs) erfüllt seien. Letzterer ersuche die zuständigen Entscheidungsträger, dies zu berücksichtigen und seine Vorsichtsmaßnahmen nicht als potentielle Versäumnisse des Beschwerdeführers zu bewerten. Der Pfarrer habe in den gemeinsamen Gesprächen das ernsthafte Bedürfnis des Beschwerdeführers erkennen können, sich weiter mit dem Glauben auseinanderzusetzen.

8. Mit Schriftsatz vom 12.01.2021 wurde die aktuelle Fassung des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation vom 16.12.2020 dem Beschwerdeführer übermittelt, er verzichtete auf die eingeräumte Abgabe einer Stellungnahme.

II.     Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen:

1.1.    Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger und gehört der Volksgruppe der Hazara an. Er ist ledig und kinderlos. Seine Muttersprache ist Dari, parallel spricht er Farsi.

Der Beschwerdeführer wurde in der Provinz Ghazni im Distrikt Qarabagh geboren, wuchs dort bis zum Alter von ca. 15 Jahren im Haus seiner Familie auf und lebte anschließend ca. ein Jahr in Isfahan im Iran, wo er als Steinmetz tätig war. Der Beschwerdeführer besuchte in der Heimat keine Schule, sondern war Hilfsarbeiter in der Landwirtschaft. Sein Vater verstarb, als sich der Beschwerdeführer noch in Afghanistan aufhielt.

Der Beschwerdeführer ist gesund.

1.2.    Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer hat sich aus innerer Überzeugung vom schiitischen Glauben ab- und dem christlichen (evangelischen) Glauben zugewandt.

Er liest täglich in der Bibel, besucht regelmäßig Gottesdienste, hört christliche Musik und hilft in der Pfarre ehrenamtlich mit. Zudem nimmt er an einem Bibelkreis teil und besuchte - soweit es trotz der Pandemie möglich war – einen Taufkurs, der jedoch coronabedingt ausgesetzt werden musste.

Wie auch der aktuelle Pfarrer bestätigte, kann es in diesem konkreten Fall dem Beschwerdeführer nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass er wegen des coronabedingten Aussetzen des Taufkurses noch nicht getauft werden konnte.

Der Beschwerdeführer hat sich mittlerweile ein fundiertes Wissen über das Christentum angeeignet und konnte glaubhaft machen, dass er dieses im Alltag lebt und sich intensiv damit beschäftigt.

Beim Beschwerdeführer handelt es sich insgesamt um einen religiösen, dem christlichen Glauben zugewandten und diesen auch täglich lebenden Menschen.

Der christliche Glaube ist zu solch einem Bestandteil seiner Identität geworden, dass nicht erwartet werden kann, dieses Verhalten im Heimatland zu unterdrücken.

1.3.    Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat

Das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, Stand 16.12.2020, die EASO Country Guidance: Afghanistan vom Juni 2019 (EASO) und die UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs Afghanischer Schutzsuchender vom 30.8.2018 und der EASO Special Report: Asylum Trends an Covid-19, in dem ua. auch die Lage in Afghanistan enthalten ist, die Richtlinien der österr. Bischöfe zum Katechumenat von Asylwerbern, vom 1.2.2015, die Resolution der Generalsynode der Evangelischen Kirche A.u.H.B. in Österreich betreffend Verfolgung von Konversion zum Christentum als Asylgrund vom 7.12.2029, die Taufvorbereitung für Erwachsene in der Erzdiözese Wien, eine Gegenüberstellung Katholisch? Evangelisch? von Karl Veitschegger, 1999/2000 (siehe Anlagen) stellen einen integrierten Bestandteil dieses Erkenntnisses dar und werden als Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat herangezogen.

2.       Beweiswürdigung:

Die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem vorliegenden Verwaltungs- und Gerichtsakt und dem vom Bundesverwaltungsgericht durchgeführten Ermittlungsverfahren, insbesondere der Einvernahme des Beschwerdeführers sowie der Zeugen in der mündlichen Verhandlung und den vorgelegten Empfehlungsschreiben und Bestätigungen.

2.1.    Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers, zu seiner Volksgruppenzugehörigkeit, seiner Muttersprache, seinem Lebenslauf, seinem Aufwachsen sowie seiner familiären Situation in der Heimat und seiner Berufserfahrung gründen sich auf seine diesbezüglich glaubhaften Angaben.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand gründen auf die diesbezüglich glaubhaften und auch im Detail übereinstimmenden Aussagen des Beschwerdeführers bei der belangten Behörde und in der mündlichen Verhandlung und auf dem Umstand, dass im Verfahren nichts Gegenteiliges hervorgekommen ist.

2.2.    Zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zur Konversion des Beschwerdeführers beruhen auf der unter Punkt I.6. detailliert wiedergegebenen Einvernahme des Beschwerdeführers und der beiden Zeugen – seines Freundes bzw. Lehrers und des evangelischen Pfarrers - im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht sowie auf den vorgelegten Teilnahmebestätigungen und Empfehlungsschreiben der Gemeindemitglieder und dem am 13.11.2020 eingelangten Empfehlungsschreiben des Pfarrers (Punkt I.7.).

Sie werden auch durch den persönlichen Eindruck bestätigt, den die erkennende Richterin im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht gewinnen konnte (siehe Punkt I.6). Der Beschwerdeführer vermochte darzulegen, dass er sich intensiv mit dem christlichen Glauben identifiziert und diesen aus innerer Überzeugung im Alltag praktiziert, sich nach wie vor weiterbildet, regelmäßig die Kirche besucht, täglich in der Bibel liest, an einem Bibelkreis teilnimmt und bei kirchlichen Veranstaltungen auch ehrenamtlich mithilft. Zudem konnte er viele konkrete Wissensfragen zum Christentum beantworten.

Es kann dem Beschwerdeführer im konkreten Fall auch nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass coronabedingt der Taufkurs ausgesetzt wurde und er wegen der Unterbrechung bzw. des Ausfalls des Taufkurses noch nicht getauft werden konnte, zumal der zuständige Pfarrer in seinem Schreiben vom November 2020 betonte, der Beschwerdeführer strebe seine Taufe aus eigener Überzeugung heraus an und er selbst wolle diesem Wunsch auch nachkommen, sobald die rechtlichen Bedingungen dafür (die Absolvierung des Taufkurses) erfüllt seien. Bereits in der Verhandlung hatte der Pfarrer bestätigt, dass er den Beschwerdeführer als religiösen, den christlichen Glauben aus innerer Überzeugung lebenden Menschen erkenne.

In einer Gesamtschau ist – trotz der noch nicht formell durchgeführten Taufe - der christliche Glaube zu solch einem Bestandteil der Identität des Beschwerdeführers geworden, dass nicht erwartet werden kann, seine Ausübung im Heimatland zu unterdrücken.

2.3.    Zur Situation im Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Länderberichte. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche bieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der herangezogenen Länderinformationen zu zweifeln. Die den Feststellungen zugrundeliegenden Länderberichte sind in Bezug auf die Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan aktuell. Das Bundesverwaltungsgericht hat sich durch Einsichtnahme in die jeweils verfügbaren Quellen (u.a. laufende Aktualisierung des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation) davon versichert, dass zwischen dem Stichtag der herangezogenen Berichte und dem Entscheidungszeitpunkt keine wesentliche Veränderung der Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan eingetreten ist. Die in der Beschwerde zitierten Länderberichte sind durch die aktuellen, in den Feststellungen zitierten Länderinformationen überholt.

3.       Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und verfahrensrechtliche Grundlagen:

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013 in der geltenden Fassung entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, liegt gegenständlich die Zuständigkeit der nach der geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichts zuständigen Einzelrichterin vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte ist mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts durch das Verwaltungsgerichtsverfahrens (VwGVG) geregelt. Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG idgF bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zweck des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG idgF sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 7 Abs 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) das Bundesverwaltungsgericht.

Gemäß §§ 16 Abs 6 und 18 Abs 7 BFA-VG idgF sind die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anwendbar.

3.2. Zu Spruchpunkt A)

3.2.1. § 3 Asylgesetz 2005 (AsylG) lautet auszugsweise:

„Status des Asylberechtigten

§ 3. (1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

(2) Die Verfolgung kann auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe). Einem Fremden, der einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) stellt, wird in der Regel nicht der Status des Asylberechtigten zuerkannt, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Fremde nach Verlassen seines Herkunftsstaates selbst geschaffen hat, es sei denn, es handelt sich um in Österreich erlaubte Aktivitäten, die nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind.

(3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn
1.         dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht oder
2.         der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6) gesetzt hat.

…“

3.2.2. Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder der staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Ein in seiner Intensität asylrelevanter Eingriff in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen führt also dann zur Flüchtlingseigenschaft, wenn er an einem in Art 1 Abschnitt A Z 2 der GFK festgelegten Grund, nämlich die Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung anknüpft.

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG liegt es am Beschwerdeführer, entsprechend glaubhaft zu machen, dass ihm im Herkunftsstaat eine Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht.

Nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr kann relevant sein, diese muss im Entscheidungszeitpunkt vorliegen. Auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen haben, welche Art 1 Abschnitt A Z 2 nennt, und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatstaates bzw. des Staates ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein, wobei Zurechenbarkeit nicht nur ein Verursachen bedeutet, sondern eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr bezeichnet (VwGH 16.06.1994, Zl. 94/19/0183).

Eine Verfolgungsgefahr kann nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Einzelverfolgungsmaßnahmen abgeleitet werden, vielmehr kann sie auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein (VwGH 09.03.1999, Zahl 98/01/0370; 22.10.2002, Zahl 2000/01/0322).

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Es ist erforderlich, dass der Schutz generell infolge Fehlens einer funktionierenden Staatsgewalt nicht gewährleistet wird (vgl. VwGH 01.06.1994, Zl. 94/18/0263; 01.02.1995, Zl. 94/18/0731). Die mangelnde Schutzfähigkeit hat jedoch nicht zur Voraussetzung, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht - diesfalls wäre fraglich, ob von der Existenz eines Staates gesprochen werden kann -, die ihren Bürgern Schutz bietet. Es kommt vielmehr darauf an, ob in dem relevanten Bereich des Schutzes der Staatsangehörigen vor Übergriffen durch Dritte aus den in der GFK genannten Gründen eine ausreichende Machtausübung durch den Staat möglich ist. Mithin kann eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (VwGH 22.03.2000, Zl. 99/01/0256). Die Voraussetzungen der GFK sind nur bei jenem Flüchtling gegeben, der im gesamten Staatsgebiet seines Heimatlandes keinen ausreichenden Schutz vor der konkreten Verfolgung findet (VwGH 08.10.1980, VwSlg. 10.255 A). Steht dem Asylwerber die Einreise in Landesteile seines Heimatstaates offen, in denen er frei von Furcht leben kann, und ist ihm dies zumutbar, so bedarf er des asylrechtlichen Schutzes nicht; in diesem Fall liegt eine sog. "inländische Fluchtalternative" vor. Der Begriff "inländische Fluchtalternative" trägt dem Umstand Rechnung, dass sich die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung iSd. Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK, wenn sie die Flüchtlingseigenschaft begründen soll, auf das gesamte Staatsgebiet des Heimatstaates des Asylwerbers beziehen muss (VwGH 08.09.1999, Zl. 98/01/0503 und Zl. 98/01/0648).

3.2.3. Wie in den Feststellungen im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung ausgeführt, wandte sich der Beschwerdeführer aus innerer Überzeugung vom Islam ab und dem Christentum zu, das er auch aktiv lebt.

Bei der Beurteilung eines behaupteten Religionswechsels und der Prüfung einer Scheinkonversion kommt es auf die aktuell bestehende Glaubensüberzeugung an, die im Rahmen einer Gesamtbetrachtung anhand einer näheren Beurteilung von Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten zu ermitteln ist (Hinweis E vom 24. September 2014, Ra 2014/19/0084, mit Verweis auf die Erkenntnisse vom 17. September 2008, 2008/23/0675, und vom 14. November 2007, 2004/20/0485, sowie auf das Erkenntnis des VfGH vom 12. Dezember 2013, U 2272/2012). (VwGH 23.6.2015, Ra 2014/01/0117; VwGH 24.9.2014, Ra 2014/19/0084).

Sobald auf Grund äußerer Tatsachen ein Wechsel der Religion aus innerer Überzeugung nicht unwahrscheinlich ist, muss sich auf Grund der Persönlichkeit, aller Umstände der persönlichen Glaubwürdigkeit sowie darauf aufbauend einer ins Einzelne gehenden Beweiswürdigung und allenfalls der Einvernahme von Personen, die Auskunft über den Glaubenswechsel und die diesem zugrunde liegenden Überzeugungen ergeben können, ein detaillierter Eindruck darüber verschafft werden, inwieweit der Religionswechsel auf einer persönlichen Glaubensentscheidung beruht (vgl. VfGH 21.09.2020, E 4288/2019-2 mwN).

Für die Asylgewährung ist maßgeblich, ob der Asylwerber bei weiterer Ausführung seines behaupteten inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsse, aus diesem Grund mit einer die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktion belegt zu werden (vgl. VwGH 24.10.2001, 99/20/0550, und 17.10.2002, 2000/20/0102; 30.9.2004, 2001/20/0531). In gleichem Sinne hat der VwGH bereits in seinem Erk. vom 31.5.2001, 2001/20/0054, im Zusammenhang mit einer noch nicht erfolgten, aber beabsichtigten Konversion zum Christentum zum Ausdruck gebracht, dass für die Beurteilung des Asylanspruches maßgeblich sei, ob der Asylwerber in seinem Heimatstaat in der Lage war, eine von ihm gewählte Religion frei auszuüben, oder ob er bei Ausführung seines inneren Entschlusses, vom Islam abzufallen und zum Christentum überzutreten, mit asylrelevanter Verfolgung rechnen müsse. (VwGH 30.6.2005, 2003/20/0544 (Verfolgung von zum Christentum konvertierenden Personen im Iran); VwGH 11.11.2009 2008/23/0721; VwGH 14.11.2007, 2004/20/0215; VwGH 14.11.2007, 2004/20/0485, u.v.a.; VwGH 23.6.2015, Ra 2014/01/0120 (Verfolgung von zum Christentum konvertierenden Personen in Marokko))

Den getroffenen Länderfeststellungen ist zu entnehmen, dass das Praktizieren des neuen christlichen Glaubens in Afghanistan zu einer asylrelevanten Verfolgung wegen Nichtbeachtung der herrschenden religiösen Normen führen würde.

Auf Grund der Ermittlungsergebnisse, insbesondere deren Würdigung im Lichte der zuvor dargestellten Anforderungen nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung ist daher davon auszugehen, dass sich der Beschwerdeführer aus wohlbegründeter Furcht vor asylrelevanter Verfolgung, nämlich aus Gründen seiner Religion, außerhalb Afghanistans befindet und im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Eine innerstaatliche Fluchtalternative besteht für den Beschwerdeführer nicht, weil im gesamten Staatsgebiet von Afghanistan von einer derartigen Verfolgung auszugehen wäre.

3.2.4. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 war die Entscheidung über die Asylgewährung mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Deshalb war spruchgemäß zu entscheiden.

3.3. Zu Spruchpunkt B)

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG im vorliegenden Fall nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Zudem ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Das Bundesverwaltungsgericht kann sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen oder es steht in vielen Punkten die Tatfrage im Vordergrund.

Schlagworte

Asylgewährung asylrechtlich relevante Verfolgung Asylverfahren begründete Furcht vor Verfolgung Christentum Fluchtgründe Flüchtlingseigenschaft Glaubhaftmachung Glaubwürdigkeit inländische Schutzalternative innerstaatliche Fluchtalternative Konversion mündliche Verhandlung Nachfluchtgründe Religionsausübung Religionsfreiheit religiöse Gründe Verfolgungsgefahr Verfolgungshandlung wohlbegründete Furcht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W174.2172814.1.00

Im RIS seit

31.08.2021

Zuletzt aktualisiert am

31.08.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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