TE Bvwg Erkenntnis 2021/4/16 W136 2197067-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.04.2021
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Entscheidungsdatum

16.04.2021

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W136 2197067-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Brigitte HABERMAYER-BINDER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.04.2018, Zl. 1174722909-171313985, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 26.11.2020, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der minderjährige Beschwerdeführer stellte am 23.11.2017 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Am selben Tag fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des Beschwerdeführers statt. Dabei gab er zu seinen Fluchtgründen im Wesentlichen an, dass er vor den Taliban geflüchtet sei. Diese hätten seinen Vater, einen bei der Nationalarmee in der Provinz Helmand stationierten Soldaten, bedroht und ihm eine Falle gestellt, sodass ihm nach einer Explosion das linke Bein amputiert werden habe müssen. Die Extremisten hätten dem Vater auch Spionage für den Staat unterstellt und ihm damit gedroht, wenn er den Beschwerdeführer nicht freiwillig mit ihnen mitziehen lässt, dass sie den Beschwerdeführer und seine gesamte Familie töten. Seine Angehörigen würden sich auch auf der Flucht befinden. Bei einer Rückkehr in seine Heimat würde er sich vor den Taliban, vor ihrer Rache fürchten.

Am 03.04.2018 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Pashtu niederschriftlich einvernommen. Dabei brachte er ergänzend zu seinen in der Erstbefragung geschilderten Fluchtgründen im Wesentlichen vor, dass sein Vater mit Drohbriefen von den Taliban aufgefordert worden sei, seinen Job beim Militär aufzugeben. Dies habe er nicht gewollt und alle Drohbriefe vernichtet. Die Taliban hätten dann in der Folge einen Bombenanschlag auf seinen Vater verübt, der dabei sein linkes Bein und seinen rechten Fuß verloren habe. Nach einem rund sechsmonatigen Spitalsaufenthalt sei der Vater zweieinhalb Jahre zu Hause gewesen und habe sich kaum bewegen können. Danach hätten die Taliban seinen Vater aufgefordert, ihnen den Beschwerdeführer zu übergeben, weil sie geglaubt hätten, dass der Vater als Spion für die Regierung arbeitet. Es seien weiterhin Drohbriefe gekommen bzw. Personen geschickt worden, welche manchmal derartige Briefe dabeigehabt hätten. Sie hätten seinem Vater mit dem Umbringen der ganzen Familie gedroht, wenn sich der Beschwerdeführer nicht den Taliban anschließen sollte. Deshalb habe ihn sein Vater weggeschickt. Befragt, verneinte er, dass er persönlich bedroht worden sei. Auf die Frage, ob seine noch in Afghanistan lebenden Geschwister nicht zu den Taliban gehen müssen, erwiderte er, sie bzw. die gesamte Familie würden versteckt in Jalalabad leben. Auf Nachfrage erklärte er, dass seine Geschwister nicht persönlich bedroht worden seien. Die ganze Familie sei bedroht worden. Zu seinen Rückkehrbefürchtungen teilte er mit, dass er in Afghanistan zu 100% nicht überleben könnte. Die Taliban würden ihn auf jeden Fall mitnehmen und umbringen.

Mit Schreiben vom 18.04.2018 wurde eine Stellungnahme abgegeben. Darin wird neben seinem bisherigen Fluchtvorbringen im Wesentlichen ausgeführt, dass die Taliban seinem Vater eine Spionagetätigkeit für die Regierung unterstellt und die Übergabe des Beschwerdeführers zur Sicherstellung verlangt hätten, damit der Vater nicht gegen sie arbeitet. Aus Angst sei heimlich die Ausreise des Beschwerdeführers organisiert worden und die (restliche) Familie in Jalalabad untergetaucht. Es käme nur unregelmäßig zum Kontakt mit der Familie und die Kontaktaufnahme würde durch seinen Vater erfolgen, um die Familie nicht zu gefährden. Der Beschwerdeführer habe glaubhaft und nachvollziehbar angegeben, dass sein Vater wegen seiner militärischen Tätigkeit von den Taliban bedroht und letztlich aufgefordert worden sei, den Beschwerdeführer als „Sicherstellung“ bzw. „Wiedergutmachung“ an die Taliban auszuliefern. Es sei davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer als Angehörigen eines Unteroffiziers von den Taliban eine feindliche politische Haltung (zumindest) unterstellt wird. Die fluchtauslösenden Ereignisse in Afghanistan seien damit als eine individuell gegen seine Person aus Gründen der politischen Überzeugung gerichtete Verfolgung zu werten. Dieser Eingriff ließe sich aber auch unter dem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention festgelegten Grund der sozialen Gruppe der Familie subsumieren. Schließlich würde der Beschwerdeführer in die von UNHCR angeführte Risikogruppe der Familienangehörigen von Personen fallen, die tatsächlich oder vermeintlich mit der Regierung oder mit der internationalen Gemeinschaft verbunden sind oder diese tatsächlich oder vermeintlich unterstützen. Er könnte daher nicht in seine Heimatprovinz zurückkehren, ohne der Gefahr von Verfolgungs- und Bedrohungshandlungen der Taliban ausgesetzt zu sein. Auch von einer zumutbaren innerstaatlichen Fluchtalternative sei nicht auszugehen.

Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.04.2018, am 02.05.2018 der gesetzlichen Vertretung zugestellt, wurde der Antrag des minderjährigen Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde dem Beschwerdeführer der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 26.04.2019 erteilt (Spruchpunkt III.).

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl traf umfassende herkunftsstaatsbezogene Feststellungen zur allgemeinen Lage in Afghanistan, stellte die Identität des Beschwerdeführers nicht fest und begründete im angefochtenen Bescheid die abweisende Entscheidung im Wesentlichen damit, dass sich aus den Angaben des Beschwerdeführers keine Anknüpfungspunkte zu den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten und zu einer Asylgewährung führenden Gründe ergeben würden. Sein Fluchtvorbringen sei nicht asylrelevant und er sei nicht in der Lage gewesen, seine Furcht glaubhaft und schlüssig darzulegen. Er habe in seiner Einvernahme am 03.04.2018 keine persönliche Verfolgung vorgebracht und sei zu keiner Zeit persönlich bedroht worden. Zusammenfassend habe er aufgrund seines nicht glaubhaften und nicht nachvollziehbaren Vorbringens mit seinem Fluchtgrund keine asylrelevante Verfolgung glaubhaft gemacht.

Mit Verfahrensanordnung gemäß § 63 Abs. 2 AVG vom 27.04.2018 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG der Verein Menschenrechte Österreich als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt.

Gegen Spruchpunkt I. des oben genannten Bescheides wurde fristgerecht eine Beschwerde erhoben, welche am 28.05.2018 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einlangte. In dieser wurde im Zuge einer Wiederholung des Sachverhalts bzw. seines bisherigen Fluchtvorbringens im Wesentlichen ausgeführt, dass sich das schlüssige und widerspruchsfreie Vorbringen des Beschwerdeführers mit einschlägigen Länderberichten decken und die Behörde verkennen würde, dass er – spätestens mit der Stellungnahme vom 18.04.2018 – sehr wohl eine persönliche Verfolgung anknüpfend an einen der in der GFK genannten Gründe vorgebracht habe, nämlich aufgrund der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Familie bzw. der damit verbundenen unterstellten politischen Gesinnung. Weiters werden Berichte internationaler Organisationen auszugsweise angeführt, aus welchen insbesondere hervorgehen würde, dass (u.a.) die Offiziere der nationalen Sicherheitsdienste laut Taliban ihre wichtigsten Zielpersonen seien und dass sie vor allem auf die Angehörigen der afghanischen Sicherheitskräfte abzielen würden, die sich weigern, den Dienst zu quittieren. Sie würden Druck auf deren Familien ausüben, um deren Ausscheiden zu erzwingen und Bestrafung androhen, wenn ihrer Forderung nicht Folge geleistet würde. Ferner würden die Taliban alle Fremden genau beobachten, die in Dörfern und Kleinstädten unter ihrer Kontrolle ankommen, genauso wie die Dorfbewohner, die in Gebiete unter Regierungskontrolle reisen. Laut einer Forscherin des Afghanistan Analysts Network (AAN) würden die Taliban alle Angehörigen des afghanischen Militärs als Feinde und legitime Zielscheiben ihrer Angriffe sehen. Aus Erfahrung und auch aus Berichten der UNAMA Human Rights Office würde hervorgehen, dass alle Regierungsbeamten und somit auch nicht uniformierte Bedienstete der Militärs angegriffen werden. „Night letters“ bzw. Drohbriefe an die Familie, direkte Bedrohungen der Familienangehörigen in der Heimatprovinz, aber auch Drohungen über Telefon würden häufig vorkommen. Wenn Angestellte des afghanischen Militärs auf Heimaturlaub seien, könnte es auch vorkommen, dass diese dann direkt und persönlich bedroht werden. Angesichts dieser Berichte sei es sehr wohl nachvollziehbar, dass die Taliban die Wohnadresse des Vaters des Beschwerdeführers herausfinden und die Familie unter Druck setzen hätten können und dass auch der Beschwerdeführer als Angehöriger seines Vaters von der Verfolgung betroffen sei. Die Behörde habe sich weder mit einschlägigen Länderberichten noch mit der Stellungnahme vom 18.04.2018 ausreichend auseinandergesetzt und daher die Asylrelevanz seines Vorbringens verkannt. Es sei nämlich davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer als Familienangehörigen eines Unteroffiziers von den Taliban eine feindliche politische Haltung (zumindest) unterstellt wird. Dieser Eingriff würde sich aber auch unter dem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention festgelegten Grund der sozialen Gruppe der Familie subsummieren lassen. Schließlich würde der Beschwerdeführer in eine von UNHCR angeführte Risikogruppe, nämlich jene der Familienangehörigen von Personen fallen, die tatsächlich oder vermeintlich mit der Regierung oder mit der internationalen Gemeinschaft verbunden sind oder diese tatsächlich oder vermeintlich unterstützen. Der Beschwerdeführer könnte daher nicht in seine Heimatprovinz zurückkehren, ohne der Gefahr von Verfolgungs- und Bedrohungshandlungen seitens der Taliban ausgesetzt zu sein. Er habe seine Heimat somit aus wohlbegründeter Furcht vor einer Verfolgung aufgrund von (unterstellter) politischer Gesinnung sowie seiner Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Familie verlassen.

Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorgelegt und sind am 01.06.2018 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt.

Mit Schreiben vom 28.10.2020 wurden der Beschwerdeführer und das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 26.11.2020 geladen.

Am 26.11.2020 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die Sprache Pashtu mit der beschwerdeführenden Partei und deren Vertretung eine mündliche Verhandlung durch, bei der die beschwerdeführende Partei im Detail zu ihren Fluchtgründen befragt wurde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die zulässige Beschwerde erwogen:

1. Feststellungen:

Auf Grundlage des Antrages auf internationalen Schutz vom 23.11.2017, der Einvernahmen des Beschwerdeführers durch die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, der Stellungnahme vom 18.04.2018, der im Verfahren vorgelegten Dokumente, der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 26.11.2020, der Einsichtnahme in die bezughabenden Verwaltungsakten, werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

1.1. Zur Person und zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger sunnitischen Glaubens und gehört der Volksgruppe der Paschtunen an. Er stammt aus dem Dorf XXXX , Distrikt Azra, in der Provinz Logar. Seine Familie ist kurz nach seiner Ausreise nach Jalalabad übersiedelt und lebt nach einem weiteren Umzug nunmehr in Paktia. Seine Muttersprache ist Pashtu.

Er ist ledig, kinderlos, arbeitsfähig und leidet an keinen schweren bzw. lebensbedrohlichen Erkrankungen. In seiner Heimat leben zumindest noch seine Eltern mit zwei jüngeren Geschwistern. Es besteht nach wie vor Kontakt zu seiner Familie (vgl. Verhandlung vom 26.11.2020: „[…] und habe gestern mit meinem Vater gesprochen.“).

Der Beschwerdeführer stellte am 23.11.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er vor der belangten Behörde im Wesentlichen damit begründet, dass sein Vater als Unteroffizier der afghanischen Nationalarmee durch eine Explosion der Taliban u.a. sein linkes Bein verloren habe, weil er deren Verlangen nicht nachgekommen sei, den Militärdienst zu beenden. Weiters sei der Vater von den Extremisten der Spionage für die Regierung verdächtigt und zur Übergabe des Beschwerdeführers aufgefordert worden, um den Vater letztlich davon abzuhalten, (weiter) gegen sie zu arbeiten. Sie hätten dem Vater in mehreren Drohbriefen damit gedroht, andernfalls den Beschwerdeführer und die gesamte Familie zu töten. Er sei persönlich in Afghanistan nicht verfolgt oder bedroht worden, auch seine Geschwister nicht. Dieses Vorbringen ist nicht geeignet eine unmittelbare persönliche Bedrohung oder Verfolgung des Beschwerdeführers aus asylrelevanten Gründen nahezulegen.

Es kann daher nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer in Afghanistan Verfolgung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf Grund seiner ethnischen, religiösen, staatsbürgerlichen oder Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe bzw. wegen seiner politischen Gesinnung durch den afghanischen Staat bzw. durch den jeweiligen Machthaber (insbesondere durch Angehörige der Taliban) im Herkunftsgebiet droht.

Insgesamt kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer einer konkreten Verfolgung oder Bedrohung in Afghanistan ausgesetzt ist oder eine solche, im Falle seiner Rückkehr bzw. Einreise, zu befürchten hätte.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

1.2. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

Aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan, am 01.04.2021 generiert, wird auszugsweise wie folgt angeführt:

Sicherheitslage

Letzte Änderung: 25.03.2021

Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor volatil (UNGASC 17.3.2020). Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, die Provinzhauptstädte, die meisten Distriktzentren und die meisten Teile der wichtigsten Transitrouten. Mehrere Teile der wichtigsten Transitrouten sind umkämpft, wodurch Distriktzentren bedroht sind. Seit Februar 2020 haben die Taliban ein hohes Maß an Gewalt gegen die ANDSF (Afghan National Defense Security Forces) aufrechterhalten, vermeiden aber gleichzeitig Angriffe gegen Koalitionstruppen, welche in der Nähe von Provinzhauptstädten stationiert sind - wahrscheinlich um das US-Taliban-Abkommen nicht zu gefährden. Unabhängig davon begann IS/ISKP im Februar 2020 (zum ersten Mal seit dem Verlust seiner Hochburg in der Provinz Nangarhar im November 2019) Terroranschläge gegen die ANDSF und die Koalitionstruppen durchzuführen (USDOD 1.7.2020). Die Zahl der Angriffe der Taliban auf staatliche Sicherheitskräfte entsprach im Jahr 2020 dem Niveau der Frühjahrsoffensiven der vergangenen Jahre, auch wenn die Offensive dieses Jahr bisher nicht offiziell erklärt wurde (AA 16.7.2020; vgl. REU 6.10.2020).

Die Umsetzung des US-Taliban-Abkommens, angefochtene Ergebnisse der Präsidentschaftswahlen, regionale politische Spannungen zwischen den Vereinigten Staaten und dem Iran, Diskussionen über die Freilassung von Gefangenen, Krieg und die globale Gesundheitskrise COVID-19 haben laut dem Combined Security Transition Command-Afghanistan (CSTC-A) das zweite Quartal 2020 für die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte (ANDSF) zum „vielleicht komplexesten und herausforderndsten Zeitraum der letzten zwei Jahrzehnte“ gemacht (SIGAR 30.7.2020).

Der Konflikt in Afghanistan befindet sich nach wie vor in einer „strategischen Pattsituation“, die nur durch Verhandlungen zwischen der afghanischen Regierung und den Taliban gelöst werden kann (SIGAR 30.1.2020). Die afghanische Regierung führte zum ersten Mal persönliche Gespräche mit den Taliban, inhaltlich wurde über den Austausch tausender Gefangener verhandelt (BBC 1.4.2020). Diese Gespräche sind ein erster Schritt Richtung inner-afghanischer Verhandlungen, welche Teil eines zwischen Taliban und US-Amerikanern unterzeichneten Abkommens sind (TD 2.4.2020). Die Gespräche fanden vor dem Hintergrund anhaltender Gewalt im Land statt (BBC 1.4.2020; vgl. HRW 13.1.2021), was den afghanischen Friedensprozess gefährden könnte (SIGAR 30.1.2021).

Die Sicherheitslage im Jahr 2020

Vom 1.1.2020 bis zum 31.12.2020 verzeichnete UNAMA die niedrigste Zahl ziviler Opfer seit 2013 (UNAMA 2.2021). Laut AAN (Afghanistan Analysts Network) war 2020 in Afghanistan genauso gewalttätig wie 2019, trotz des Friedensprozesses und der COVID-19-Pandemie. Seit dem Abkommen zwischen den Taliban und den USA vom 29. Februar haben sich jedoch die Muster und die Art der Gewalt verändert. Das US-Militär spielt jetzt nur noch eine minimale direkte Rolle in dem Konflikt, so dass es sich fast ausschließlich um einen afghanischen Krieg handelt, in dem sich Landsleute gegenseitig bekämpfen, wenn auch mit erheblicher ausländischer Unterstützung für beide Seiten. Seit der Vereinbarung vom 29.2.2020 haben die Taliban und die afghanische Regierung ihre Aktionen eher heruntergespielt als übertrieben, und die USA haben die Veröffentlichung von Daten zu Luftangriffen eingestellt (AAN 16.8.2020).

Die Taliban starteten wie üblich eine Frühjahrsoffensive, wenn auch unangekündigt, und verursachten in den ersten sechs Monaten des Jahres 2020 43 Prozent aller zivilen Opfer, ein größerer Anteil als 2019 und auch mehr in absoluten Zahlen (AAN 16.8.2020). Afghanistans National Security Council (NSC) zufolge nahmen die Talibanattacken im Juni 2020 deutlich zu. Gemäß NATO Resolute Support (RS) nahm die Anzahl an zivilen Opfern im zweiten Quartal 2020 um fast 60% gegenüber dem ersten Quartal und um 18% gegenüber dem zweiten Quartal des Vorjahres zu (SIGAR 30.7.2020). Während im Jahr 2020 Angriffe der Taliban auf größere Städte und Luftangriffe der US-Streitkräfte zurückgingen, wurden von den Taliban durch improvisierte Sprengsätze (IEDs) eine große Zahl von Zivilisten getötet, ebenso wie durch Luftangriffe der afghanischen Regierung. Entführungen und gezielte Tötungen von Politikern, Regierungsmitarbeitern und anderen Zivilisten, viele davon durch die Taliban, nahmen zu (HRW 13.1.2021; vgl. AAN 16.8.2020).

In der zweiten Jahreshälfte 2020 nahmen insbesondere die gezielten Tötungen von Personen des öffentlichen Lebens (Journalisten, Menschenrechtler usw.) zu. Personen, die offen für ein modernes und liberales Afghanistan einstehen, werden derzeit landesweit vermehrt Opfer von gezielten Attentaten (AA 14.1.2021, vgl. AIHRC 28.1.2021).

Obwohl sich die territoriale Kontrolle kaum verändert hat, scheint es eine geografische Verschiebung gegeben zu haben, mit mehr Gewalt im Norden und Westen und weniger in einigen südlichen Provinzen, wie Helmand (AAN 16.8.2020).

Kabul

Letzte Änderung: 25.03.2021

Die Provinz Kabul liegt im Zentrum Afghanistans (PAJ Kabul o.D.) und grenzt an Parwan und Kapisa im Norden, Laghman im Osten, Nangarhar im Südosten, Logar im Süden sowie Wardak im Westen. Provinzhauptstadt ist Kabul-Stadt (NPS Kabul o.D.). Die Provinz besteht aus den folgenden Distrikten: Bagrami, Chahar Asyab, Dehsabz, Estalef, Farza, Guldara, Kabul, Kalakan, Khak-e-Jabar, Mir Bacha Kot, Musahi, Paghman, Qara Bagh, Shakar Dara und Surubi/Surobi/Sarobi (NSIA 1.6.2020; vgl. IEC Kabul 2019). Die National Statistics and Information Authority of Afghanistan (NSIA) schätzt die Bevölkerung in Kabul im Zeitraum 2020-21 auf 4.459.463 Personen (NSIA 1.6.2020).

Kabul-Stadt - Geographie und Demographie

Kabul-Stadt ist die Hauptstadt Afghanistans und auch ein Distrikt in der Provinz Kabul. Es ist die bevölkerungsreichste Stadt Afghanistans, mit einer geschätzten Einwohnerzahl von 4.434.550 Personen für den Zeitraum 2020-21 (NSIA 1.6.2020). Die genaue Bevölkerungszahl ist jedoch umstritten, und Schätzungen reichen von 3,5 Millionen bis zu möglichen 6,5 Millionen Einwohnern (AAN 19.3.2019; vgl. IGC 13.2.2020). Laut einem Bericht expandierte die Stadt, die vor 2001 zwölf Stadtteile - auch Police Distrikts (USIP 4.2017), PDs oder Nahia genannt (AAN 19.3.2019) - zählte, aufgrund ihres signifikanten demographischen Wachstums und ihrer horizontalen Expansion auf 22 PDs (USIP 4.2017). Die Bevölkerung besteht aus Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Sikhs und Hindus (PAJ Kabul o.D.; vgl. NPS Kabul o.D.).

Hauptstraßen verbinden die afghanische Hauptstadt mit dem Rest des Landes (UNOCHA 4.2014), inklusive der Ring Road (Highway 1), welche die fünf größten Städte Afghanistans - Kabul, Herat, Mazar-e Sharif, Kandarhar und Jalalabad - miteinander verbindet (USAID o.D.).

Der Highway zwischen Kabul und Kandarhar gilt als unsicher (TN 7.7.2020a). Aufständische sind auf dem Highway aktiv (UNGASC 28.2.2019; vgl. UNOCHA 23.2.2020) und kontrollieren Teile der Straße und es wurde von Straßenblockaden und Checkpoints durch Aufständische berichtet, die sich gegen Regierungsmitglieder und Sicherheitskräfte richten (LI 22.1.2020; vgl. EASO 9.2020).

Der Kabul-Jalalabad-Highway ist eine wichtige Handelsroute, die oft als „eine der gefährlichsten Straßen der Welt“ gilt (was sich auf die zahlreichen Verkehrsunfälle bezieht, die sich auf dieser Straße ereignet haben) und durch Gebiete führt, in denen Aufständische aktiv sind (TD 13.12.2015; vgl. EASO 9.2020).

Es wird berichtet, dass 20 Kilometer der Kabul-Bamyan-Autobahn, welche die Region Hazarajat mit der Hauptstadt verbindet, unter der Kontrolle der Taliban stehen (AAN 16.12.2019) und Reisenden zufolge haben die sicherheitsrelevanten Vorfälle auf der Autobahn, die Kabul mit den Provinzen Logar und Paktia verbindet, im Juli 2020 zugenommen (TN 7.7.2020a).

In Kabul-Stadt gibt es einen Flughafen, der mit Stand März 2021 für die Abwicklung von internationalen und nationalen Passagierflügen geöffnet ist (F 24 o.D.).

Die Stadt besteht aus drei konzentrischen Kreisen: Der erste umfasst Shahr-e Kohna, die Altstadt, Shahr-e Naw, die neue Stadt, sowie Shash Darak und Wazir Akbar Khan, wo sich viele ausländische Botschaften, ausländische Organisationen und Büros befinden. Der zweite Kreis besteht aus Stadtvierteln, die zwischen den 1950er und 1980er Jahren für die wachsende städtische Bevölkerung gebaut wurden, wie Taimani, Qala-e Fatullah, Karte Se, Karte Chahar, Karte Naw und die Microraions (sowjetische Wohngebiete). Schließlich wird der dritte Kreis, der nach 2001 entstanden ist, hauptsächlich von den „jüngsten Einwanderern“ (USIP 4.2017) (afghanische Einwanderer aus den Provinzen) bevölkert (AAN 19.3.2019), mit Ausnahme einiger hochkarätiger Wohnanlagen für VIPs (USIP 4.2017).

Was die ethnische Verteilung der Stadtbevölkerung betrifft, so ist Kabul Zielort für verschiedene ethnische, sprachliche und religiöse Gruppen, und jede von ihnen hat sich an bestimmten Orten angesiedelt, je nach der geografischen Lage ihrer Heimatprovinzen. Dies gilt für die Altstadt ebenso wie für weiter entfernte Stadtviertel, und sie wird in den ungeplanten Gebieten immer deutlicher (Noori 11.2010). In den zuletzt besiedelten Gebieten sind die Bewohner vor allem auf Qawmi-Netzwerke angewiesen, um Schutz und Arbeitsplätze zu finden sowie ihre Siedlungsbedingungen gemeinsam zu verbessern. Andererseits ist in den zentralen Bereichen der Stadt die Mobilität der Bewohner höher und Wohnsitzwechsel sind häufiger. Dies hat eine negative Wirkung auf die sozialen Netzwerke, die sich in der oft gehörten Beschwerde manifestiert, dass man „seine Nachbarn nicht mehr kenne“ (AAN 19.3.2019).

Nichtsdestotrotz, ist in den Stadtvierteln, die von neu eingewanderten Menschen mit gleichem regionalem oder ethnischem Hintergrund dicht besiedelt sind, eine Art „Dorfgesellschaft“ entstanden, deren Bewohner sich kennen und direktere Verbindungen zu ihrer Herkunftsregion haben als zum Zentrum Kabuls (USIP 4.2017). Einige Beispiele für die ethnische Verteilung der Kabuler Bevölkerung sind die folgenden: Hazara haben sich hauptsächlich im westlichen Viertel Chandawal in der Innenstadt von Kabul und in Dasht-e-Barchi sowie in Karte Se am Stadtrand niedergelassen; Tadschiken bevölkern Payan Chawk, Bala Chawk und Ali Mordan in der Altstadt und nördliche Teile der Peripherie wie Khairkhana; Paschtunen sind vor allem im östlichen Teil der Innenstadt Kabuls, Bala Hisar und weiter östlich und südlich der Peripherie wie in Karte Naw und Binihisar (Noori 11.2010; vgl. USIP 4.2017), aber auch in den westlichen Stadtteilen Kota-e-Sangi und Bazaar-e-Company (auch Company) ansässig (Noori 11.2010); Hindus und Sikhs leben im Herzen der Stadt in der Hindu-Gozar-Straße (Noori 11.2010; vgl. USIP 4.2017).

Hintergrundinformationen zum Konflikt und Akteure

Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul (USDOD 1.7.2020) und alle Distrikte gelten als unter Regierungskontrolle stehend (LWJ o.D.), dennoch finden weiterhin High-Profile-Angriffe - auch in der Hauptstadt - statt (UNAMA 2.2021; vgl. HRW 13.1.2021, USDOD 1.7.2020, NYTM 26.3.2020, HRW 12.5.2020), wie Angriffe auf schiitische Feiernde und einen Sikhtempel in März (USDOD 1.7.2020) sowie auf Bildungseinrichtungen wie die Universität in Kabul (GN 2.11.2020; vgl. AJ 2.11.2020) oder ein Selbstmordattentat auf eine Schule in Kabul im Oktober 2020 (HRW 26.10.2020) für die alle der Islamische Staat die Verantwortung übernahm (HRW 26.10.2020; vgl. AJ 2.11.2020, GN 2.11.2020). Den Angriff auf eine Geburtenklinik im Mai 2020 reklamierte bislang keine Gruppierung für sich (AJ 15.6.2020; vgl. AP 16.6.2020, HRW 12.5.2020), wobei die Taliban eine Verantwortung abstritten (AP 16.6.2020, vgl. HRW 12.5.2020).

Bei Angriffen in Kabul kommt es oft vor, dass keine Gruppierung die Verantwortung übernimmt oder es werden diese von nicht identifizierten bewaffneten Gruppen durchgeführt (UNAMA 2.2021; vgl. UNGASC 2.2019, EASO 9.2020).

Das U.S. Department of Defence (USDOD) beschreibt die Ziele militanter Gruppen, die in Kabul Selbstmordattentate verüben, als den Versuch internationale Medienaufmerksamkeit zu erregen, den Eindruck einer weit verbreiteten Unsicherheit zu erzeugen und die Legitimität der afghanischen Regierung sowie das Vertrauen der Bevölkerung in die afghanischen Sicherheitskräfte zu untergraben (USDOD 23.1.2020; vgl. EASO 9.2020). Afghanische Regierungsgebäude und -beamte, die afghanischen Sicherheitskräfte und hochrangige internationale Institutionen, sowohl militärische als auch zivile, gelten als die Hauptziele in Kabul-Stadt (USDOS 24.6.2020; vgl LI 22.1.2020, LIFOS 15.10.2019, EASO 9.2020).

Aufgrund öffentlichkeitswirksamer Angriffe auf Kabul-Stadt kündigte die afghanische Regierung bereits im August 2017 die Entwicklung eines neuen Sicherheitsplans für Kabul an (AAN 25.9.2017). So wurde unter anderem das Green Village errichtet, ein stark gesichertes Gelände im Osten der Stadt, in dem unter anderem, Hilfsorganisationen und internationale Organisationen (RFE/RL 2.9.2019; vgl. FAZ 2.9.2019) sowie ein Wohngelände für Ausländer untergebracht sind (FAZ 2.9.2019). Die Anlage wird von afghanischen Sicherheitskräften und privaten Sicherheitsmännern schwer bewacht (AJ 3.9.2019). Die Green Zone hingegen ist ein separater Teil, der nicht unweit des Green Village liegt. Die Green Zone ist ein stark gesicherter Teil Kabuls, in dem sich mehrere Botschaften befinden - so z.B. auch die US-amerikanische Botschaft und britische Einrichtungen (RFE/RL 2.9.2019; vgl. GN 15.7.2020) und der von hohen Mauern umgeben ist (GN 15.7.2020).

Wie auch in anderen großen Städten Afghanistans ist Straßenkriminalität in Kabul ein Problem (AVA 1.2020; vgl. ArN 11.1.2020, AAN 11.2.2020, AAN 21.2.2020, TN 4.10.2020, TN 17.10.2020, TN 21.10.2020, EASO 9.2020). Im vergangenen Jahr [Anm.: 2020] wurden in Kabul, Herat und Mazar-e Sharif Tausende von Fällen von Straßenraub und Hausüberfällen gemeldet (ArN 11.1.2020; vgl. TN 24.7.2020). Nach einem Anstieg der Kriminalität und der Sicherheitsvorfälle in Kabul kündigte der Vizepräsident Amrullah Saleh im Oktober 2020 an, dass er auf Anordnung von Präsident Ashraf Ghani für einige Wochen die Verantwortung für die Sicherheit in Kabul übernehmen und hart gegen Kriminalität in Kabul vorgehen werde (TN 17.10.2020; vgl. AN 17.10.2020, TN 21.10.2020). Die Regierung kündigte einen Sicherheitsplan mit der Bezeichnung „Security Charter“ an, um das Sicherheitspersonal in die Gewährleistung der Sicherheit Kabuls und anderer Großstädte des Landes zu integrieren. Als Teil dieses Plans wies Präsident Ghani die Sicherheitsbehörden an, gegen schwere Verbrechen in der Stadt vorzugehen (TN 21.10.2020; vgl. TN 17.10.2020, AN 17.10.2020).

Auf Regierungsseite befindet sich die Provinz Kabul mit Ausnahme des Distrikts Surubi im Verantwortungsbereich der 111. ANA Capital Division, die unter der Leitung von türkischen Truppen und mit Kontingenten anderer Nationen der NATO-Mission Train Advise Assist Command - Capital (TAAC-C) untersteht. Der Distrikt Surubi fällt in die Zuständigkeit des 201. ANA Corps (USDOD 1.7.2020). Darüber hinaus wurde eine spezielle Krisenreaktionseinheit (Crisis Response Unit) innerhalb der afghanischen Polizei geschaffen, um Angriffe zu verhindern und auf Anschläge zu reagieren (LI 5.9.2018).

Im Distrikt Surubi wird von der Präsenz von Taliban-Kämpfern berichtet (TN 27.9.2020; vgl. GW 14.7.2020, EASO 9.2020, UNOCHA 3.2.2020). Aufgrund seiner Nähe zur Stadt Kabul und zum Salang-Pass hat der Distrikt große strategische Bedeutung (WOR 10.9.2018; vgl. TN 27.9.2020). Er gilt als unter Regierungskontrolle, wenn auch unsicher. Die Taliban fokussieren ihre Angriffe auf die Straße zwischen Surubi und Jagdalak und konnten diesen Straßenabschnitt auch kurzzeitig unter ihre Kontrolle bringen (TN 27.9.2020). Im Juli 2020 wurde über eine steigende Talibanpräsenz im Distrikt Paghman berichtet (TN 15.7.2020).

Es wird berichtet, dass der Islamische Staat (ISKP) in der Provinz aktiv und in der Lage ist, Angriffe durchzuführen (UNGASC 27.5.2020; vgl. EASO 9.2020). Aufgrund des anhaltenden Drucks der ANDSF (Afghan National Security Forces), die Aktivitäten des Islamischen Staats zu stören (LI 22.1.2020; vgl. UNGASC 4.2.2020, EASO 9.2020), zeigte sich die militante Gruppe jedoch nur eingeschränkt in der Lage, 2019 in Kabul öffentlichkeitswirksame Anschläge zu verüben (UNAMA 2.2020; vgl. LI 22.1.2020, WP 9.2.2020, EASO 9.2020). UNAMA schrieb 673 zivile Opfer (213 Tote und 460 Verletzte) im Jahr 2020 in Afghanistan dem ISKP zu, ein Rückgang von 45% im Vergleich zu 2019. Die überwiegende Mehrheit der zivilen Opfer von ISILKP wurde jedoch durch Selbstmordattentate und heftige Schusswechsel in Kabul und Jalalabad verursacht (UNAMA 2.2021).

Jüngste Entwicklungen und Auswirkungen auf die zivile Bevölkerung

Der folgenden Tabelle kann die Anzahl sicherheitsrelevanter Vorfälle in der Provinz gemäß ACLED und Globalincidentmap (GIM) für den Zeitraum 1.1.2019-31.12.2020 entnommen werden (Quellenbeschreibung s. Disclaimer – auch bzgl. Problemen bei der Vergleichbarkeit der Zahlen zwischen 2019 und 2020; hervorgehoben: Distrikt der Provinzhauptstadt):

Im Jahr 2020 dokumentierte UNAMA 817 zivile Opfer (255 Tote und 562 Verletzte) in der Provinz Kabul. Dies entspricht einem Rückgang von 48% gegenüber 2019. Die Hauptursache für die Opfer waren gezielte Tötungen, gefolgt von improvisierten Sprengkörpern (improvised explosive devices, IEDs; ohne Selbstmordattentate) und Selbstmordanschlägen (UNAMA 2.2021).

Während des zweiten Quartals 2020 hat die Gewalt Berichten zufolge wieder zugenommen (NYTM 25.6.2020; vgl. UNGASC 17.6.2020, RY 30.6.2020, EASO 9.2020). Im letzten Quartal 2020 stieg die Gewalt weiter an und war weit höher als im Vergleichszeitraum des Vorjahres (SIGAR 30.1.2021). In Kabul wurden in den ersten Wochen des Jahres 2021 mehrere Anschläge mit kleinen „sticky bombs“ verübt, die unter Fahrzeugen angebracht und ferngesteuert oder mit Zeitzündern gezündet wurden. Die Gruppe „Islamischer Staat“ (ISKP) hat die Verantwortung für einige der Anschläge übernommen, während die afghanische Regierung einige den Taliban zuschreibt (RFE/RL 23.2.2021).

Selbstmordanschläge (BAMF 11.1.2021; NYTM 29.10.2020a; NYTM 29.10.2020c; HRW 26.10.2020; RFE/RL 29.4.2020; REU 29.4.2020) und IEDs (RFE/RL 23.2.2021; BBC 22.12.2020; WP 26.2.2020; AJ 22.8.2020; NYTM 29.10.2020c; TN 4.10.2020; KP 4.6.2020) finden statt und es wurde von gezielten Tötungen (RFE/RL 23.2.2021; BAMF 11.1.2021; BBC 22.12.2020; BBC 15.12.2020; NYTM 26.3.2020; AT 22.8.2020; TN 21.10.2020; NYTM 5.11.2020) und Angriffen auf militärische Einrichtungen bzw. Sicherheitskräfte (RFE/RL 23.2.2021; BAMF 18.1.2021; BAMF 11.1.2021; NYTM 29.10.2020b; GN 11.2.2020; TN 22.6.2020; TN 8.7.2020; TN 6.7.2020; UNAMA 6.2020; TN 6.6.2020) sowohl in Kabul-Stadt wie auch in den Distrikten der Provinz berichtet. Es gibt Berichte über Straßenblockaden und Angriffe auf Highways durch bewaffnete Gruppierungen (UNOCHA 29.1.2020; NYTM 27.2.2020)

Seit Herbst 2018 haben die ANDSF-Kräfte eine konzertierte Anstrengung zur Auflösung militanter Gruppen begonnen, die im und um den Großraum Kabul herum aktiv sind (NYTM 16.1.2019; vgl. UNGASC 27.5.2020; USDOD 1.7.2020). Die ANDSF setzen gemeinsam mit einem neuen Kommando der Gemeinsamen Streitkräfte, das im Juni 2020 eingerichtet wurde (KP 4.6.2020) ihre Aktivitäten im Jahr 2020 fort. Die afghanischen Sicherheitskräfte führen Operationen gegen aufständische Gruppierungen (TN 6.5.2020; KP 6.5.2020; RFE/RL 11.5.2020; TN 11.5.2020) und kriminelle Banden (KP 18.5.2020) sowie Luftschläge (EASO 9.2020) durch und konnten hochrangige Mitglieder der Taliban und des IS festnehmen (TN 11.5.2020; KP 12.2.2020; BBC 11.5.2020; TN 11.5.2020; PAJ 26.6.2020) sowie zwei IS-Mitglieder verhaften, die angeblich Angriffe auf ein Krankenhaus und ein Medienunternehmen planten (TN 7.7.2020b).

Logar

Letzte Änderung: 11.03.2021

Die Provinz Logar [auch: Lugar, Lawghar, Lowghar] liegt im Zentrum Afghanistans, etwa 65 Kilometer südlich von Kabul (PAJ Logar o.D.). Sie grenzt an die Provinzen Kabul im Norden, Nangarhar im Nordosten, Paktya im Süden und Ghazni und Wardak im Westen (NPS Logar o.D.). Ob der Distrikt Azra im Osten der Provinz direkt an Pakistan grenzt, ist unklar (AAN 18.7.2020). Unterschiedliche Quellen geben an, der Distrikt Azra habe eine ca. acht Kilometer lange, unbewachte Grenze mit der Provinz Khyber Pakhtunkhwa (EASO 1.2016, UNOCHA Logar 4.2014, TN 30.6.2019), während andere Quellen angeben, dass dies nicht so sei (AAN 18.7.2020, OSM 15.7.2020, GooM o.D.). Die Provinzhauptstadt ist Pul-e-Alam (NPS Logar o.D.; vgl. NSIA 1.6.2020). Die Provinz ist in folgende Distrikte unterteilt: Azra, Baraki Barak, Charkh, Khar War, Khushi, Mohammad Agha und Pul-e-Alam (NSIA 1.6.2020; vgl. IEC Logar 2019, UNOCHA Logar 4.2014, NPS Logar o.D.). Der Distrikt Azra wurde 2005 von Paktia an Logar übergeben (AAN 18.7.2020).

Die National Statistics and Information Authority of Afghanistan (NSIA) schätzt die Bevölkerung in Logar im Zeitraum 2020/21 auf 434.374 Personen (NSIA 1.6.2020). Die Bevölkerungsmehrheit ist paschtunisch, Tadschiken und Hazara leben ebenfalls in der Provinz (AAN 18.7.2020; vgl. NPS Logar o.D., PAJ Logar o.D.). Die Distrikte Kharwar und Azra sind vollständig paschtunisch; Charkh hat eine tadschikische Mehrheit von etwa 75 Prozent. In den übrigen Distrikten sind zwischen 20 (Pul-e Alam) und 40 Prozent (Baraki Barak, hauptsächlich im Distriktzentrum) der Bevölkerung Tadschiken. Einige dieser Tadschiken sind Schiiten. Hazara- und Sayyed-Gemeinschaften, die vollständig schiitisch sind, leben im Distrikt Khoshai (25 Prozent der Bevölkerung) und in kleinen Gruppen in der Provinzhauptstadt und in Baraki Barak (AAN 18.7.2020).

Eine befestigte Straße (USAID 7.5.2019) führt von Kabul nach Logar und weiter nach Paktia (MoPW 16.10.2015; vgl. TN 7.7.2020) und Khost zum Grenzübergang Ghulam Khan an der afghanisch-pakistanischen Grenze (MoPW 16.10.2015; vgl. PAJ 21.8.2019, USAID 7.5.2019). Entlang des Teilstückes in der Provinz Logar, das durch die Distrikte Mohammad Agha und Pul-e-Alam führt (UNOCHA Logar 4.2014), gibt es eine starke Taliban-Präsenz (AAN 18.7.2020; vgl. SATP 16.7.2020).

Die Provinz hat strategische Bedeutung für die Taliban aufgrund der Nähe zu Kabul und wegen der Nachschubrouten in die Nachbarprovinzen, die durch Logar führen (AAN 18.7.2020).

Hintergrundinformationen zu Konflikt und Akteuren

Die Taliban sind in der Provinz aktiv (t-online 31.7.2020) und üben Kontrolle über Teile der Provinz aus (WZ 27.11.2019; vgl. KP 13.9.2020, LWJ 7.10.2020). Charkh ist einer von drei von den Taliban kontrollierten Distrikten. Drei weitere Distrikte, darunter Baraki Barak, sind umstritten. Nur ein Distrikt, Khoshi, steht unter Regierungskontrolle (LWJ 7.10.2020). Laut Angaben der Bewohner kommt es zunehmend zu missbräuchlichem Verhalten der staatlichen Sicherheitskräfte - einschließlich der Bürgerwehren, was dazu führt, dass die Bevölkerung den Taliban mehr Sympathie entgegenbringen, was wiederum deren Präsenz in Logar weiter verstärkt (AAN 18.7.2020).

Auf Regierungsseite befindet sich Logar im Verantwortungsbereich des 203. Afghan National Army (ANA) Corps, das der NATO-Mission Task Force Southeast untersteht, welche von US amerikanischen Streitkräften geleitet wird (USDOD 1.7.2020).

Jüngste Entwicklungen und Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung

Der folgenden Tabelle kann die Anzahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle in der Provinz gemäß ACLED und Globalincidentmap (GIM) für den Zeitraum 1.1.2019-31.12.2020 entnommen werden (Quellenbeschreibung s. Disclaimer – auch bzgl. Problemen bei der Vergleichbarkeit der Zahlen zwischen 2019 und 2020; hervorgehoben: Distrikt der Provinzhauptstadt):

Im Jahr 2020 dokumentierte UNAMA 171 zivile Opfer (47 Tote und 124 Verletzte) in der Provinz Logar. Dies entspricht einem Rückgang von 22% gegenüber 2019. Die Hauptursachen für die Opfer waren Selbstmordanschläge, gefolgt von Kämpfen am Boden und gezielten Tötungen (UNAMA 2.2021).

Die Kampfhandlungen nahmen in den letzten sechs Jahren zu und erreichten 2019 ihren Höhepunkt, auch 2020 gab es zeitweise heftige Kämpfe. Keine Konfliktpartei konnte dabei die Kontrolle über das Gebiet oder die Bevölkerung wesentlich ausbauen. Logar gilt als „statisch umkämpftes“ Gebiet. Räumungsoperationen der Regierungstruppen zeigen mangelhaften Erfolg. Die Taliban haben in Logar widerstandsfähige Strukturen. Weitere Gründe für die anhaltende Unsicherheit in der gesamten Provinz sind u.A. der Kampf um die Kontrolle des Drogen- und Chromitschmuggels und die Schikanierung der Einheimischen durch die staatlichen Sicherheitskräfte. Selbst ohne klare territoriale Fortschritte scheint sich die Position der Taliban in einer solchen Situation zu verbessern (AAN 18.7.2020).

Die Taliban greifen in Logar regelmäßig Regierungskräfte (AAN 18.7.2020; vgl. MENAFN 29.6.2020, XI 1.5.2020, KP 27.4.2020, Nau 16.4.2020) oder Bürgerwehren an (KP 13.9.2020). Es kommt zu Sicherheitsoperationen (KP 1.11.2020, WION 24.9.2020, GW 1.5.2020, TN 22.4.2020) und Luftangriffen (PAJ 12.8.2020, AT 19.4.2020, SHN 19.12.2019).

Nangarhar

Letzte Änderung: 11.03.2021

Nangarhar liegt im Osten Afghanistans, an der afghanisch-pakistanischen Grenze. Die Provinz grenzt im Norden an Laghman und Kunar, im Osten und Süden an Pakistan (Tribal Distrikts Kurram, Khyber und Mohmand der Provinz Khyber Pakhtunkhwa) und im Westen an Logar und Kabul (NPS Nangarhar o.D.a; vgl. UNOCHA 16.4.2010, UNOCHA Nangarhar 4.2014). Die Provinzhauptstadt von Nangarhar ist Jalalabad (NPS Nangarhar o.D.; vgl. OPr Nangarhar 1.2.2017). Die Provinz ist in die folgenden Distrikte unterteilt: Achin, Bati Kot, Behsud, Chaparhar, Darae-Nur, Deh Bala [auch bezeichnet als Haska Mena; vgl. TBIJ 13.11.2019, VoA 28.6.2019], Dur Baba, Goshta, Hesarak, Jalalabad, Kama, Khugyani, Kot, Kuzkunar, Lalpoor, Muhmand Dara, Nazyan, Pachiragam, Rodat, Sher Zad, Shinwar und Surkh Rud (NSIA 1.6.2020; vgl. IEC Nangarhar 2019, UNOCHA Nangarhar 4.2014, NPS Nangarhar o.D.) sowie dem temporären Distrikt Spin Ghar (NSIA 1.6.2019 vgl. IEC Nangarhar 2019).

Nangarhar ist eine der am dichtest besiedelten Provinzen Afghanistans und das wirtschaftliche Zentrum der Ostregion des Landes (AREU 6.2020). Die National Statistics and Information Authority of Afghanistan (NSIA) schätzt die Bevölkerung von Nangarhar im Zeitraum 2020/21 auf 1.701.698 Personen; davon 271.867 Einwohner in der Hauptstadt Jalalabad (NSIA 1.6.2020). Die Bevölkerung besteht mehrheitlich aus Paschtunen, gefolgt von Pashai, Arabern und Tadschiken (NPS Nangarhar o.D.). Viele Mitglieder der Sikh- und Hindu-Gemeinschaft aus Jalalabad (EASO 5.8.2020) haben Afghanistan in den letzten Jahrzehnten verlassen (Wire 5.4.2020). Nach einem Angriff auf die Sikh-Gemeinschaft in Kabul im März 2020 kündigte die verbleibend Hindu- und Sikh-Gemeinschaft von Jalalabad an, vollständig in ein anderes Land zu übersiedeln (KP 4.4.2020).

Die Straße von Kabul nach Jalalabad und weiter zum Grenzübergang Torkham mit Pakistan (Dawn 14.12.2019; vgl. MoPW 16.10.2015, Zenger 10.10.2020) ist Teil der Asiatischen Fernstraße AH-1 Tokio-Edirne (ESCAP 8.8.2019) sowie des Autobahnprojektes Peschawar-Kabul-Duschanbe (Dawn 14.12.2019) und führt durch die Distrikte Surkhrod, Jalalabad, Behsud, Rodat, Batikot, Shinwar, Muhmand Dara (UNOCHA Nangarhar 4.2014). In Pakistan soll die Strecke von Peschawar über den Khyber-Pass zur Grenze in Torkham zur Autobahn ausgebaut werden. Auf afghanischer Seite gibt es Stand Dezember 2019 jedoch keine Aktivitäten eines Ausbaus der Strecke Torkham-Kabul (Dawn 14.12.2019).

Der Flughafen Jalalabad wird von der NATO militärisch (USDOD 1.7.2020; vgl. BW 12.7.2020); bei Bedarf auch zivil genutzt, vor allem während der Hadsch nach Mekka (BW 12.7.2020). Das United Nations Humanitarian Air Service (UNHAS), ein Flugbetreiber vorwiegend für Mitarbeiter humanitärer Hilfsorganisationen, der UN und Diplomaten, fliegt Jalalabad Stand Oktober 2020 zwei Mal wöchentlich von Kabul aus an (WFP/UNHAS 27.9.2020). Linienflüge durch zivile Fluggesellschaften finden Stand 13.11.2020 nicht statt (F24 13.11.2020). Ein neuer Flughafen für die zivile Nutzung soll im Gebiet von Kozkunar errichtet werden. Baubeginn für das 40 Millionen US-Dollar teure Projekt war im Juli 2020, es soll in zwei Jahren abgeschlossen sein (BW 12.7.2020).

An der Fernstraße Kabul-Jalalabad attackieren Aufständische Konvois der Sicherheitskräfte (TN 7.7.2020). Im Laufe des Jahres 2019 wurden bei Verkehrsunfällen an dieser Strecke mindestens 45 Personen getötet und ca. 100 Personen verletzt (PAJ 30.12.2019). Die Grenzabfertigung in Torkham geht langsam vor sich (Zenger 10.10.2020). An den Straßen in der Provinz heben die Taliban Steuern ein (AREU 6.2020). Die gebirgige Landschaft ermöglicht auch Aufständischen unkontrollierte Grenzüberquerungen in die ehemaligen Stammesgebiete Pakistans (VOA 28.6.2019; vgl. UNSC 27.5.2020).

Hintergrundinformationen zu Konflikt und Akteuren

Nangarhar galt als eine der ISKP-Hochburgen Afghanistans (RAND 14.9.2020; vgl. UNSC 1.2.2019). Die Stärke des ISKP insbesondere in Nangarhar und den angrenzenden östlichen Provinzen wurde 2019 auf 2.500-4.000 Kämpfer geschätzt (UNSC 13.6.2019; vgl. UNAMA 24.2.2019). Anhaltender Druck der US-amerikanischen und afghanischen Streitkräfte (USDOD 1.7.2020; vgl. NYT 2.12.2019, SIGAR 30.1.2020, UNSC 27.5.2020, taz 14.5.2020) und der Taliban (USDOD 1.7.2020; vgl. NYT 2.12.2019, SIGAR 30.1.2020, RAND 14.9.2020, UNSC 27.5.2020, PM 23.12.2019, taz 14.5.2020) resultierten in Niederlagen des ISKP im November 2019 in Nangarhar und im März 2020 in Kunar (VoA 12.5.2020; vgl. NYT 2.12.2019; vgl. SIGAR 30.1.2020, UNSC 27.5.2020). Der ISKP musste die Kontrolle von Gebieten in Nangarhar aufgeben (USDOD 1.7.2020; vgl. UNSC 27.5.2020), verfügt aber nach wie vor über ein operatives Netzwerk in Kabul und eine Präsenz im Osten Afghanistans (VoA 12.5.2020; vgl. taz 14.5.2020). Zahlreiche hochrangige IS-Mitglieder sind nach der militärischen Niederlage nach Pakistan geflohen (AAN 1.3.2020).

Sowohl die Taliban als auch die Regierungstruppen haben Gebietsgewinne erzielt. Die Regierung kontrolliert nun den größten Teil der Niederungen. Die Taliban wiederum dehnten ihre Kontrolle auf die abgelegenen, gebirgigen Gebiete der Provinz aus. Regierungstruppen kontrollieren fast vollständig zehn der 22 Distrikte Nangarhars (Behsud, Kama, Dara-ye Nur, Batikot, Kot, Shinwar, Dur Baba, Pachir wa Agam, Achin und Momand Dara). In acht weiteren Distrikten (Gushta, Spinghar, Lalpur, Nazyan, Rodad, Kuz Kunar, Deh Bala und Chaparhar) ist sie stärker vertreten als die Taliban. Die Taliban kontrollieren große Teile von vier Distrikten (Sherzad, Khogyani, Hesarak und Surkhrod). Die übrigen Gebiete werden von den pakistanischen Gruppen Lashkar-e Islam, Tehrik-e Taleban Pakistan und Jabhat ul-Ahrar kontrolliert. Die zivilen Verwaltungen in den Distrikten Sherzad und Hesarak haben ihren Sitz in der Provinzhauptstadt Jalalabad und die Sicherheitskräfte in diesen Distrikten verbleiben weitgehend in den Distriktzentren und den nahe gelegenen Dörfern (AAN 1.3.2020). Während die afghanischen Streitkräfte zuvor nur für kurze Zeit Gebiete vom ISKP räumen konnten, ist es nach November 2019 gelungen, diese Gebiete zu halten und die Rückkehr von ISKP-Kämpfern zu verhindern (UNSC 27.5.2020).

Al Qaida ist in Nangarhar versteckt aktiv. Auch pakistanische Aufständischengruppierungen sind in Nangarhar unter der Schirmherrschaft der Taliban präsent (UNSC 27.5.2020).

In den Distrikten Achin, Khogyani und Sherzad betreiben lokale Gemeinschaften Bürgerwehren. Sie erhalten militärische und logistische Unterstützung von der NDS und den USA und spielten eine wichtige Rolle im Kampf gegen den IS (AAN 1.3.2020). In Nangarhar sind militärische Spezialeinheiten, auch als counter-terrorism pursuit teams bezeichnet, aktiv. Sie werden inoffiziell von der US Central Intelligence Agency (CIA) ausgebildet und beaufsichtigt. Ihnen werden außergerichtliche Tötungen, Massenexekutionen und Folter vorgeworfen, die straflos bleiben. Die in Nangarhar aktive Einheit wird als NDS-02 bezeichnet (HRW 31.10.2019; vgl. WIIPA 21.8.2019).

Auf Regierungsseite befindet sich Nangarhar im Verantwortungsbereich des 201. Afghan National Army (ANA) Corps, das der NATO-Mission Train Advise Assist Command - East (TAAC-E) untersteht, welche von US-amerikanischen und polnischen Streitkräften geleitet wird (USDOD 1.7.2020). Internationale Kräfte haben sich aus Teilen Nangarhars im Mai 2020 zurückgezogen und die Verantwortung der ANA übergeben (ST 5.10.2020).

Jüngste Entwicklungen und Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung

Der folgenden Tabelle kann die Anzahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle in der Provinz gemäß ACLED und Globalincidentmap (GIM) für den Zeitraum 1.1.2019-31.12.2020 entnommen werden (Quellenbeschreibung s. Disclaimer – auch bzgl. Problemen bei der Vergleichbarkeit der Zahlen zwischen 2019 und 2020; hervorgehoben: Distrikt der Provinzhauptstadt):

Im Jahr 2020 dokumentierte UNAMA 576 zivile Opfer (190 Tote und 386 Verletzte) in der Provinz Nangarhar. Dies entspricht einem Rückgang von 46% gegenüber 2019. Die Hauptursache dafür waren Selbstmordanschläge, gefolgt von improvisierten Sprengkörpern (improvised explosive devices, IEDs; ohne Selbstmordattentate) und Bodenkämpfe (UNAMA 2.2021).

Nachdem im November 2019 von der Regierung die Zerschlagung des ISKP erklärt wurde, hat die Nationalarmee die Kontrolle über die Distrikte Spin Ghar, Achin, Haska Mina und Shinwari übernommen. Gemäß Angaben von Bewohnern hat sich die Sicherheitslage in diesen Distrikten deutlich verbessert (ST 5.10.2020; vgl. NAT 21.11.2019, Obs 3.12.2019). Berichte aus dem Distrikt Achin besagen, dass nach der Räumung vom ISKP die Infrastruktur weitgehend zerstört war und Gefahr durch Minen und Kampfmittelrückstände bestand (NAT 21.11.2019; vgl. Obs 3.12.2019). Nach der Räumung des Distriktes Khogyani vom ISKP durch die Taliban wurden die Gesundheitseinrichtungen wieder geöffnet (PM 23.12.2019).

Im Jahr 2020 wird die Sicherheitslage in Nangarhar weiterhin als volatil bezeichnet (UNOCHA 4.11.2020; vgl. UNOCHA 2.9.2020, UNOCHA 24.6.2020, KN 10.6.2020). In Jalalabad führen die Sicherheitskräfte Operationen gegen Schläferzellen des IS durch (UNSC 27.5.2020). Angriffe u.A. in der Stadt Jalalabad, die oftmals dem IS zugeschrieben werden (ACLED 18.8.2020; vgl. RTL 5.8.2020, UNSC 5.8.2020), zeigen, dass die Gruppe immer noch in der Lage ist, komplexe Angriffe durchzuführen (ACLED 18.8.2020; vgl. UNSC 27.5.2020).

Im Oktober 2020 wird von Kämpfen in den Distrikten Sherzad und Khogyani berichtet (UNOCHA 4.11.2020; UNOCHA 22.10.2020). Es kommt staatlicherseits zu Luftangriffen gegen die Taliban (ANI 6.2.2021; PAJ 20.1.2021; ACLED 28.10.2020; PI 15.2.2020) und zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und Taliban (PAJ 6.10.2020; AJ 3.10.2020; MENAFN 18.9.2020; AT 7.7.2020). Aufständische führen Angriffe auf zivile Ziele (BW 3.9.2020; TN 14.6.2020; NDTV 12.5.2020; RSF 10.12.2020) und Sicherheitskräfte durch (BAMF 1.2.2021; AJ 30.1.2021).

Paktia

Letzte Änderung: 11.03.2021

Die Provinz Paktia [alternative, weniger gebräuchliche Schreibweisen: Paktya, Paktiya] befindet sich im Osten Afghanistans (NPS Paktia o.D.) und grenzt an Logar im Norden, Pakistan im Osten, Khost im Südosten, Paktika im Süden und Ghazni im Westen (UNOCHA Paktia 4.2014). Die Provinz ist in die folgenden Distrikte unterteilt: Ahmadaba, Jaji, Dand Patan, der Provinzhauptstadt Gardez, Jani Khel, Laja Ahmad Khel (oder Laja Mangel), Samkani (auch Chamkani, Tsamkani), Sayyid Karam (oder Mirzaka), Shwak, Wuza Zadran und Zurmat (NSIA 1.6.2020; vgl. IEC Paktia 2019, UNOCHA Paktia 4.2014, NPS Paktia o.D., PAJ Paktia o.D.). Weiters gibt es vier temporäre Distrikte: Laja Mangel, Mirzaka, Garda Siray, Rohany Baba (NSIA 1.6.2020; vgl. IEC Paktia 2019). Die National Statistics and Information Authority of Afghanistan (NSIA) schätzt die Bevölkerung in der Provinz Paktia im Zeitraum 2020/21 auf 611.952 Personen (NSIA 1.6.2020). Die Bevölkerung besteht hauptsächlich aus Paschtunen, gefolgt von Tadschiken (NPS Paktia o.D.; vgl. OPr Paktia 1.2.2017). Eine kleine schiitische Gruppe namens Sadat (Singular: Sayyed) lebt in Khwajah Hassan, nordöstlich der Provinzhauptstadt, größtenteils konfliktfrei neben den sunnitischen (tadschikischen und paschtunischen) Gemeinschaften (AAN 18.8.2020)

Eine befestigte Straße (USAID 7.5.2019) verbindet Kabul über die Provinz Logar mit der Provinzhauptstadt Gardez (MoPW 16.10.2015; vgl. TN 7.7.2020) und führt weiter durch die Distrikte Shawak und Zadran in die Provinz Khost nach Ghulam Khan an der afghanisch-pakistanischen Grenze (MoPW 16.10.2015; vgl. PAJ 21.8.2019, USAID 7.5.2019). Insbesondere entlang des Teilstückes durch die Provinz Logar gibt es eine starke Taliban-Präsenz (AAN 18.7.2020; vgl. SATP 16.7.2020). Die ebenso asphaltierte Straße Ghazni-Gardez (JIA/AADA 12.2019; vgl. MoPW 16.10.2015) wird seit der Frühjahrsoffensive 2019 von den Taliban blockiert und der gesamte Verkehr über eine ungepflasterte Straße durch Sultanbagh umgeleitet (JIA/AADA 12.2019; vgl. PAJ 3.11.2019).

Hintergrundinformationen zu Konflikt und Akteuren

Nach der Räumung der US-Militärbasis im März 2020 hat sich der Einflussbereich der Taliban in der Provinz vergrößert. Es kommt vermehrt zu gezielten Tötungen (WP 10.10.2020). Im Laufe des Sommers 2020 hat sich die Sicherheitslage in Paktia verschlechtert. Die Taliban haben ihre Angriffe verstärkt und mehrere lokale Verbindungsstraßen gesperrt (PAJ 1.10.2020). Jedoch ist die Provinz nicht stark umkämpft; es kommt zu kleinmaßstäbigen Angriffen und die Taliban versuchen nicht, städtische Gebiete zu erobern sondern konsolidieren ihre Herrschaft in bereits zuvor kontrollierten Gebieten (WP 10.10.2020).

In der Provinz Paktia hat das Haqqani-Netzwerk eine starke Präsenz (LWJ 23.6.2019; vgl. TSG 24.5.2020, AnA 29.5.2020), der Distrikt Dand-e-Pathan gilt als Hochburg der Haqqanis (AnA 29.5.2020). Al-Qaida ist in ländlichen Gebieten der Provinz, unter anderem im Distrikt Jaji, präsent (ST 16.7.2020; vgl. LWJ 23.6.2019, CT 22.10.2019). Ebenfalls eine kleine Präsenz in der Provinz haben Jaish-e-Mohammad (JeM) (EFSAS 10.4.2020; vgl. BW 25.6.2020). Der Islamische Staat (ISKP) versuchte im ersten Halbjahr 2019 erfolglos, die Provinzen Paktia und Logar einzunehmen (UNSC 31.7.2019).

Die Spezialeinheit Khost Protection Force (KPF) ist für die Zentralregierung tätig (AAN 17.8.2019). Die KPF wird vom US-amerikanischen Nachrichtendienst CIA unterstützt und ist gegenüber der Provinzregierung nicht rechenschaftspflichtig. Der KPF werden Menschenrechtsverletzungen wie außergerichtliche Tötungen, Folter und willkürliche Verhaftungen vorgeworfen (AAN 21.1.2019; vgl. TRT 20.11.2019, WOZ 7.11.2019, TRT 8.5.2019).

Auf Regierungsseite befindet sich Paktia im Verantwortungsbereich des 203. Afghan National Army (ANA) Corps (USDOD 1.7.2020; vgl. WP 10.10.2020), das der Task Force Southeast angehört, die von US-Truppen geleitet wird (USDOD 1.7.2020). Im Zusammenhang mit dem Abkommen zwischen den USA und den Taliban wurde die US-Militärbasis bei Gardez im März 2020 geräumt (WP 10.10.2020).

Jüngste Entwicklungen und Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung

Der folgenden Tabelle kann die Anzahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle in der Provinz gemäß ACLED und Globalincidentmap (GIM) für den Zeitraum 1.1.2019-31.12.2020 entnommen werden (Quellenbeschreibung s. Disclaimer – auch bzgl. Problemen bei der Vergleichbarkeit der Zahlen zwischen 2019 und 2020; hervorgehoben: Distrikt der Provinzhauptstadt):

Im Jahr 2020 dokumentierte UNAMA 206 zivile Opfer (62 Tote und 144 Verletzte) in der Provinz Paktia. Dies entspricht einem Rückgang von 6% gegenüber 2019. Die Hauptursachen für die Opfer waren improvisierte Sprengkörper (improvised explosive devices, IEDs; ohne Selbstmordattentate), gefolgt von gezielten Tötungen und Bodenkämpfe (UNAMA 2.2021).

In der Provinz kommt es zu Sicherheitsoperationen (PAJ 11.2.2020, PAJ 30.1.2020, BN 25.8.2019) und Luftschlägen durch afghanische und ausländische Sicherheitskräfte (BN 10.10.2020, Qantara 5.6.2020, PAJ 12.11.2019). Bewaffnete Zusammenstöße zwischen Aufständischen und Sicherheitskräften finden statt (Garda 2.11.2020, AnA 29.5.2020, XI 16.5.2020).

Taliban

Letzte Änderung: 25.02.2021

Die Taliban positionieren sich selbst als Schattenregierung Afghanistans, und ihre Kommissionen und Führungsgremien entsprechen den Verwaltungsämtern und -pflichten einer typischen Regierung (EASO 8.2020c; vgl. NYT 26.5.2020). Die Taliban sind zu einer organisierten politischen Bewegung geworden, die in weiten Teilen Afghanistans eine Parallelverwaltung betreibt (EASO 8.2020c; vgl. USIP 11.2019) und haben sich zu einem lokalen Regierungsakteur im Land entwickelt, indem sie Territorium halten und damit eine gewisse Verantwortung für das Wohlergehen der lokalen Gemeinschaften übernehmen (EASO 8.2020c; vgl. USIP 4.2020).

Was militärische Operationen betrifft, so handelt es sich um einen vernetzten Aufstand mit einer starken Führung an der Spitze und dezentralisierten lokalen Befehlshabern, die Ressourcen auf Distriktebene mobilisieren können (EASO 8.2020c; vgl. NYT 26.5.2020).

Das wichtigste offizielle politische Büro der Taliban befindet sich in Katar (EASO 8.2020c; vgl. UNSC 27.5.2020). Der derzeitige Taliban-Führer ist nach wie vor Haibatullah Akhundzada (REU 17.8.2019; vgl. EASO 8.2020c, UNSC 27.5.2020, AnA 28.7.2020) - Stellvertreter sind der Erste Stellvertreter Sirajuddin Jalaluddin Haqqani (Leiter des Haqqani-Netzwerks) und zwei weitere: Mullah Mohammad Yaqoob [Mullah Mohammad Yaqub Omari] (EASO 8.2020c; vgl. FP 9.6.2020) und Mullah Abdul Ghani Baradar Abdul Ahmad Turk (EASO 8.2020c; vgl. UNSC 27.5.2020).

Mitte Juni 2020 berichtete das Magazin Foreign Policy, dass Akhundzada und Jalaluddin Haqqani und andere hochrangige Taliban-Führer sich mit dem COVID-19-Virus angesteckt hätten und dass einige von ihnen möglicherweise sogar gestorben seien sowie dass Mullah Mohammad Yaqoob Taliban- und Haqqani-Operationen leiten würde. Die Taliban dementierten diese Berichte (EASO 8.2020c; vgl. FP 9.6.2020, RFE/RL 2.6.2020).

Die Taliban bezeichnen sich selbst als das Islamische Emirat Afghanistan (VOJ o.D.). Die Regierungsstruktur und das militärische Kommando sind in der Layha, einem Verhaltenskodex der Taliban, definiert (AAN 4.7.2011), welche zuletzt 2010 veröffentlicht wurde (AAN 6.12.2018).

Die Taliban sind keine monolithische Organisation (NZZ 20.4.2020); nur allzu oft werden die Taliban als eine homogene Einheit angesehen, während diese aber eine lose Zusammenballung lokaler Stammesführer, unabhängiger Warlords sowie abgekoppelter und abgeschotteter Zellen sind (BR 5.3.2020). Während der US-Taliban-Verhandlungen war die Führung der Taliban in der Lage, die Einheit innerhalb der Basis aufrechtzuerhalten, obwohl sich Spaltungen wegen des Abbruchs der Beziehungen zu Al-Qaida vertieft haben (EASO 8.2020c; vgl. UNSC 27.5.2020).

Seit Mai 2020 ist eine neue Splittergruppe von hochrangigen Taliban-Dissidenten entstanden, die als Hizb-e Vulayet Islami oder Hezb-e Walayat-e Islami (Islamische Gouverneurspartei oder Islamische Vormundschaftspartei) bekannt ist (EASO 8.2020c; vgl. UNSC 27.5.2020). Die Gruppe ist gegen den US-Taliban-Vertrag und hat Verbindungen in den Iran (EASO 8.2020c; vgl. RFE/RL 9.6.2020). Eine gespaltene Führung bei der Umsetzung des US-Taliban-Abkommens und Machtkämpfe innerhalb der Organisation könnten den möglichen Friedensprozess beeinträchtigen (EASO 8.2020c; vgl. FP 9.6.2020).

Ein Bericht über die Rekrutierungspraxis der Taliban teilt die Taliban-Kämpfer in zwei Kategorien: professionelle Vollzeitkämpfer, die oft in den Madrassen rekrutiert werden, und Teilzeit-Kämpfer vor Ort, die gegenüber einem lokalen Kommandanten loyal und in die lokale Gesellschaft eingebettet sind (LI 29.6.2017).

Die Taliban rekrutieren in der Regel junge Männer aus ländlichen Gemeinden, die arbeitslos sind, eine Ausbildung in Koranschulen absolviert haben und ethnische Paschtunen sind (EASO 8.2020c; vgl. Osman 1.6.2020). Schätzungen der aktiven Kämpfer der Taliban reichen von 40.000 bis 80.000 (EASO 8.2020c; vgl. NYT 12.9.2019) oder 55.000 bis 85.000, wobei diese Zahl durch zusätzliche Vermittler und Nicht-Kämpfer auf bis zu 100.000 ansteigt (EASO 8.2020c; vgl. NYT 26.5.2020, UNSC 27.5.2020). Obwohl die Mehrheit der Taliban immer noch Paschtunen sind, gibt es eine wachsende Minderheit an Tadschiken, Usbeken, Belutschen und sogar mehreren hundert Hazara (einschließlich Schiiten) innerhalb der Taliban (LI 23.8.2017).

In einigen nördlichen Gebieten sollen die Taliban bereits überwiegend Nicht-Paschtunen sein, da sie innerhalb der lokalen Bevölkerung rekrutieren (LI 23.8.2017).

Die Taliban betreiben Trainingslager in Afghanistan. Seit Ende 2014 wurden 20 davon öffentlich zur Schau gestellt. Das Khalid bin Walid-Camp soll zwölf Ableger in acht Provinzen haben (Helmand, Kandahar, Ghazni, Ghor, Sar-e Pul, Faryab, Farah und Maidan Wardak). 300 Militärtrainer und Gelehrte sind dort tätig und es soll möglich sein, in diesem Camp bis zu 2.000 Rekruten auf einmal auszubilden (LWJ 14.8.2019).

Nach Erkenntnissen von AIHRC (Afghanistan Independent Human Rights Commission) sind die durch Taliban-Angriffe verursachten zivilen Opfer im Jahr 2020 im Vergleich zu 2019 um 40 Prozent zurückgegangen. Der Hauptgrund für diesen Rückgang könnte sein, dass keine komplexen und Selbstmordattentate in den großen Städten des Landes durchgeführt werden. Im Jahr 2020 wurden in Afghanistan insgesamt 4.567 Zivilisten durch Taliban-Angriffe getötet oder verletzt, während im gleichen Zeitraum 2019 die Gesamtzahl der durch Taliban-Angriffe verursachten zivilen Opfer bei 7.727 lag (AIHRC 28.1.2021).

Paschtunen

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Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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