TE Bvwg Erkenntnis 2021/4/20 W241 2236390-1

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Veröffentlicht am 20.04.2021
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Entscheidungsdatum

20.04.2021

Norm

B-VG Art133 Abs4
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1

Spruch


W241 2236390-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. HAFNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Serbien, vertreten durch die BBU, gegen Spruchpunkt IV. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.09.2020, Zahl: 1264443705/200391681, zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird insofern stattgegeben, als die Dauer des Einreiseverbotes auf 7 (sieben) Jahre herabgesetzt wird. Im Übrigen wird die Beschwerde gemäß § 53 Abs. 1 und Abs. 3 Z 1 FPG als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer (in der Folge: BF), ein Staatsangehöriger Serbiens, reiste zu einem unbekannten Zeitpunkt in Österreich ein.

2. Am 09.05.2020 wurde der BF wegen §§ 28a Abs. 1 SMG festgenommen wurden und über ihn die Untersuchungshaft verhängt.

3. Am 14.08.2020 wurde der BF mit Urteil eines Landesgerichts wegen Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 erster Fall, Abs. 4 Z 3 SMG zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt, wobei ein Teil der Freiheitsstrafe von zwei Jahren unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Das Urteil erwuchs mit 18.08.2020 in Rechtskraft.

4. Mit Schreiben vom 20.05.2020 wurde dem BF die Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme zugestellt und somit Parteiengehör gewährt. Der BF hatte die Möglichkeit, zur beabsichtigten Erlassung einer Rückkehrentscheidung iVm einem Einreiseverbot Stellung zu nehmen. Dieser Möglichkeit kam der BF nicht nach.

5. 5. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des BFA wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt I.) und gegen ihn gemäß § 52 Abs. 4 FPG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt II.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Serbien gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG wurde ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot gegen diesen verhängt (Spruchpunkt IV.). Weiters wurde gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.) und gemäß § 55 Abs. 4 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkt VI.).

Das BFA traf im Rahmen der Entscheidungsbegründung Feststellungen zur aktuellen Situation im Herkunftsstaat des BF und stellte dessen Identität und Staatsbürgerschaft fest. Es könne nicht festgestellt werden, wann der BF nach Österreich eingereist sei. Mit Urteil vom 14.08.2020 sei er wegen Suchtmittelhandels zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt worden, wobei ein Teil der Freiheitsstrafe von zwei Jahren unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.

Hinsichtlich des Einreisverbots wurde auf die Verurteilung des BF verwiesen und ausgeführt, dass der Aufenthalt des BF die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährde. Es seien keine familiären oder privaten Anknüpfungspunkte vorhanden, die einen Verbleib in Österreich rechtfertigen würden. Die Abwägungsentscheidung hab daher ergeben, dass die Erlassung eines Einreisverbotes in der angegebenen Dauer angemessen sei, um eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu verhindern.

6. Gegen Spruchpunkt IV. des Bescheides richtet sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde vom 16.10.2020. In der Begründung wurde ausgeführt, dass sich die zehnjährige Dauer des Einreiseverbotes als unverhältnismäßig erweise, da die Behörde es unterlassen habe, eine individualisierte Gefährlichkeitsprognose zu treffen, und die im Strafurteil angeführten Milderungsgründe beachtet werden müssten.

7. Am 07.01.2021 reiste der BF mit Unterstützung durch die BBU aus dem Bundesgebiet nach Serbien aus.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der BF ist Staatsangehöriger Serbiens und führt die im Spruch angeführten Personalien; seine Identität steht fest. Er reise zu einem unbekannten Zeitpunkt in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten ein und hielt sich bis zu seiner Rückkehr nach Serbien am 07.01.2021 durchgehend hier auf.

1.2. Mit in Rechtskraft erwachsenem Urteil eines österreichischen Landesgerichtes vom 14.08.2020 wurde der BF wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 erster Fall, Abs. 4 Z 3 SMG zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt, wobei ein Teil der Freiheitsstrafe von zwei Jahren unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Das Urteil erwuchs mit 18.08.2020 in Rechtskraft.

Bei der Strafbemessung wurde das mehr als 130-fache Überschreiten der Grenzmenge als erschwerend, das reumütige Geständnis, der bisher ordentliche Lebenswandel, der Beitrag zur Wahrheitsfindung und die Sicherstellung eines Teiles des Suchtgiftes als mildernd gewertet.

1.3. Bis auf die Zeit seiner Inhaftierung in Österreich weist der BF im Zentralen Melderegister keine weiteren Wohnsitzmeldungen auf. Der BF ging in Österreich bisher auch keiner legalen Beschäftigung nach und verfügt weder über einen Aufenthaltstitel in Österreich noch über maßgebliche private oder familiäre Bindungen. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der BF über einen Aufenthaltstitel oder eine Arbeitserlaubnis in einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union verfügt. Der Lebensmittelpunkt des BF befand sich bisher in Serbien. Es konnten keine maßgeblichen Anhaltspunkte für die Annahme einer hinreichenden Integration des BF in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht festgestellt werden.

1.4. Die im angefochtenen Bescheid gemäß § 52 Abs. 4 FPG ausgesprochene Rückkehrentscheidung, die gemäß § 52 Abs. 9 leg.cit. erfolgte Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung nach Serbien, die Nichtgewährung einer Frist für die freiwillige Ausreise und die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung sind infolge insofern ungenutzten Ablaufs der Rechtsmittelfrist in Rechtskraft erwachsen.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zur Identität und Staatsangehörigkeit des BF gründen auf den Inhalt des Verwaltungsaktes. Die Mitteilung über die Rückkehr des BF nach Serbien am 07.01.2021 liegt im Akt auf.

2.2. Die Feststellungen zur strafgerichtlichen Verurteilung des BF ergeben sich aus der im Akt befindlichen Urteilsausfertigung.

2.3. Die Feststellung, dass der BF über keine familiären, sozialen und beruflichen Anknüpfungspunkte in Österreich verfügt, war aufgrund der Tatsache zu treffen, dass gegenteiliges im Verfahren nicht hervorgekommen ist. Der BF gab im Verfahren vor dem BFA keine Stellungnahme zu seinen privaten Verhältnissen in Österreich ab, auch in der Beschwerde wurde kein Privat- oder Familienleben in Österreich geltend gemacht. Der BF hielt sich vor seiner Verhaftung auch nur einige Monate in Österreich auf, weshalb davon auszugehen ist, dass keine sozialen Anknüpfungspunkte entstanden sind.

2.4. Die Feststellung, dass fallgegenständlich lediglich das ausgesprochene Einreiseverbot in Beschwerde gezogen wurde und die übrigen Spruchteile unangefochten in Rechtskraft erwachsen sind, ergibt sich aus dem eindeutigen Wortlaut des Beschwerdeschriftsatzes vom 16.10.2020.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Die verfahrensgegenständliche Beschwerde richtet sich ausdrücklich ausschließlich gegen das in Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides für die Dauer von zehn Jahren gegen den BF ausgesprochene Einreiseverbot.

Die übrigen Spruchteile erwuchsen demnach mit insofern ungenutztem Ablauf der vierwöchigen Beschwerdefrist in Rechtskraft, sodass sich die folgenden Ausführungen auf die Frage der Rechtmäßigkeit des gegen den BF verhängten Einreiseverbotes (vgl. zur Trennbarkeit dieser Spruchpunkte VwGH 15.5.2012, 2012/18/0029 u.a.; 22.5.2013, 2011/18/0259; 24.5.2018, Ra 2017/19/0311) zu beschränken haben.

Zu Spruchteil A)

3.2. Zu Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheids (Einreiseverbot):

3.2.1. Der mit „Einreiseverbot“ betitelte § 53 FPG i.d.g.F. lautet auszugsweise:

„§ 53 (1) Mit einer Rückkehrentscheidung kann vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.

(3) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Z 5 bis 8 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn

1.       ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten oder mindestens einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;

2.       ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht wegen einer innerhalb von drei Monaten nach der Einreise begangenen Vorsatztat rechtskräftig verurteilt worden ist;

3.       ein Drittstaatsangehöriger wegen Zuhälterei rechtskräftig verurteilt worden ist;

4.       ein Drittstaatsangehöriger wegen einer Wiederholungstat oder einer gerichtlich strafbaren Handlung im Sinne dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft oder verurteilt worden ist;

5.       ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

6.       auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB) oder eine Person zur Begehung einer terroristischen Straftat anleitet oder angeleitet hat (§ 278f StGB);

7.       auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet;

8.       ein Drittstaatsangehöriger öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt oder

9.       der Drittstaatsangehörige ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung hat und im Hinblick auf deren bestehende Strukturen oder auf zu gewärtigende Entwicklungen in deren Umfeld extremistische oder terroristische Aktivitäten derselben nicht ausgeschlossen werden können, oder auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass er durch Verbreitung in Wort, Bild oder Schrift andere Personen oder Organisationen von seiner gegen die Wertvorstellungen eines europäischen demokratischen Staates und seiner Gesellschaft gerichteten Einstellung zu überzeugen versucht oder versucht hat oder auf andere Weise eine Person oder Organisation unterstützt, die die Verbreitung solchen Gedankengutes fördert oder gutheißt. (4) Die Frist des Einreiseverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise des Drittstaatsangehörigen.

…“

3.2.2. Die belangte Behörde hat das gegenständliche Einreiseverbot auf den Tatbestand des § 53 Abs. 3 Z 1 FPG gestützt und mit dem Umstand begründet, dass der BF, welcher rechtskräftig zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von drei Jahren (ein Jahr unbedingt, zwei Jahre bedingt) verurteilt worden ist, auf Grund der von ihm begangenen Straftaten und seines bisherigen Fehlverhaltens eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellt.

Bei der Erstellung der für jedes Einreiseverbot zu treffenden Gefährlichkeitsprognose – gleiches gilt auch für ein Aufenthaltsverbot – ist das Gesamt(fehl)verhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die in § 53 Abs. 3 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt ist. Bei dieser Beurteilung kommt es demnach nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf das, diesem zugrundeliegende Fehlverhalten, die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild an (vgl. VwGH 19.2.2013, 2012/18/0230).

Solche Gesichtspunkte, wie sie in einem Verfahren betreffend Rückkehrentscheidung und Einreiseverbot zu prüfen sind, insbesondere die Intensität der privaten und familiären Bindungen in Österreich, können nicht auf die bloße Beurteilung von Rechtsfragen reduziert werden (vgl. VwGH 7.11.2012, 2012/18/0057).

Der BF wurde unbestritten von einem Landesgericht wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 erster Fall, Abs. 4 Z 3 SMG zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt, wobei ein Teil der Freiheitsstrafe von zwei Jahren unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.

Der Verurteilung lag zugrunde, dass der BF im Zeitraum von November 2019 bis Mai 2020 gemeinsam mit Mittätern Cannabiskraut zum Zwecke der Gewinnung einer das 25-fache der Grenzmenge überschreitenden Menge, nämlich netto rund 42 Kilogramm, mit dem Vorsatz angebaut hatte, dass es in Verkehr gesetzt wird.

Das vom BF begangene Delikt stellt ohne Zweifel eine die öffentliche Sicherheit auf dem Gebiet des Fremdenwesens besonders schwer gefährdende und beeinträchtigende Form von Fehlverhalten dar (vgl. VwGH 23.3.1992, 92/18/0044; 22.2.2011, 2010/18/0417). Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt festgehalten, dass die Verhinderung strafbarer Handlungen, insbesondere von Suchtgiftdelikten, jedenfalls schon vor dem Hintergrund der verheerenden Schäden und Folgen in der Gesellschaft, zu denen der Konsum von Suchtgiften führt, ein Grundinteresse der Gesellschaft (Schutz und Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit) darstellt. Der VwGH hat in Bezug auf Suchtmitteldelinquenz wiederholt festgehalten, dass diese ein besonders verpöntes Fehlverhalten darstellt, bei dem erfahrungsgemäß eine hohe Wiederholungsgefahr gegeben ist und an dessen Verhinderung ein besonders großes öffentliches Interesse besteht (VwGH 22.11.2012, 2011/23/0556; 20.12.2012, 2011/23/0554; 30.8.2017, Ra 2017/18/0155; 1.4.2019, Ra 2018/19/0643).

Im Zuge der Strafbemessung wertete das Landesgericht das reumütige Geständnis, den bisher ordentlichen Lebenswandel, den Beitrag zur Wahrheitsfindung und die Sicherstellung eines Teiles des Suchtgiftes als mildernd, als erschwerend hingegen das mehr als 130-fache Überschreiten der Grenzmenge und verhängte gegen den BF eine Freiheitsstrafe in der Höhe von drei Jahren, davon zwei Jahre bedingt.

Im Lichte dieser Erwägungen ist die Annahme einer vom BF im Falle eines weiteren respektive neuerlichen Aufenthaltes im Bundesgebiet ausgehenden schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit sowie einer negativen Zukunftsprognose gerechtfertigt.

Die besondere Gefährlichkeit des BF wird dabei durch den Umstand, dass er gemeinsam mit Mittätern über mehrere Monate den Suchtgifthandel in beträchtlicher Menge betrieb und offenbar nur zu diesem Zweck nach Österreich einreiste, unterstrichen. Der BF war sich während des gesamten Tatzeitraums der Unrechtmäßigkeit seiner Handlungen und der hierfür drohenden Haftstrafen bewusst.

Der BF hat durch sein strafrechtliche Rechtsnormen negierendes Verhalten massiv seinen Unwillen unter Beweis gestellt, in Österreich geltende Grundinteressen der Gesellschaft zu achten, weshalb in Zusammenschau des Verhaltens des BF insbesondere in Anbetracht der Schwere der begangenen Straftat sowie der Dauer der Straftat und der hohen Menge des gehandelten Suchtgiftes von einer für die öffentliche Ordnung und Sicherheit ausgehenden Gefährdung auszugehen und eine Rückfälligkeit in strafrechtswidriges Verhalten seitens des BF naheliegend ist. Angesichts seines bisherigen Lebenswandels ist jedenfalls die Prognose zulässig, dieser werde künftig durch die Begehung weiterer strafbarer Handlungen im Bereich des Suchtgifthandels versuchen, sich eine Einnahmequelle zu verschaffen.

3.2.3. Auch die im Lichte des § 9 BFA-VG gebotene Abwägung der privaten und familiären Interessen des BF mit den entgegenstehenden öffentlichen Interessen konnte eine Abstandnahme von der Erlassung eines Einreiseverbotes nicht rechtfertigen. Der BF befand sich in Österreich nur wenige Monate in Freiheit, private, familiäre, soziale oder berufliche Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet sind im Verfahren nicht hervorgekommen und wurden auch in der Beschwerde nicht behauptet. Es sind daher keine privaten Interessen an einer Wiedereinreise ins Bundesgebiet erkennbar.

Den geringen persönlichen Interessen des BF an einer späteren Wiedereinreise in das Gebiet der Mitgliedstaaten steht sohin die aufgrund seines in schwerwiegenden Straftaten gipfelnden Verhaltens resultierende Gefährdung öffentlicher Interessen gegenüber, wobei dem BF ein – im Lichte des großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung von Suchtgiftkriminalität (vgl. nochmals VwGH 1.4.2019, Ra 2018/19/0643 mwN), den Interessen der österreichischen Gesellschaft zuwiderlaufendes – schwer verwerfliches Fehlverhalten zur Last liegt. Die Abwägung der genannten gegenläufigen Interessen führt sohin zur Auffassung, dass die Erlassung des Einreiseverbotes zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen, somit zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen, dringend geboten ist und somit die Interessen des BF überwiegt.

Daher ist die belangte Behörde zu Recht von der Rechtmäßigkeit der Verhängung eines Einreiseverbotes ausgegangen, erweist sich dieses nämlich vor dem Hintergrund des bisher Ausgeführten in Bezug auf den BF als erforderlich, um der von ihm ausgehenden Gefährlichkeit zu begegnen.

3.2.4. Die Bemessung des Einreiseverbotes mit einer Dauer von zehn Jahren erscheint jedoch in Anbetracht der Tatsache, dass von § 53 Abs. 3 FPG auch kriminelle Handlungen von höherem Unrechtsgehalt erfasst sind (so strafgerichtliche Verurteilungen zu unbedingten Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jahren), der BF sich einsichtig zeigte, er bisher strafgerichtlich unbescholten war und auch das Landesgericht feststellte, dass aufgrund der zahlreichen Milderungsgründe, des äußerst reumütigen Eindrucks des BF in der Verhandlung und des erstmaligen Verspürens des Haftübels ein Teil der Freiheitsstrafe in Höhe von zwei Jahren bedingt nachgesehen werden könne, nicht geboten. Das Einreiseverbot wurde daher aus diesen Gründen mit sieben Jahren befristet. Eine weitere Herabsetzung kam aufgrund der beschriebenen Vorgangsweise und der Tatumstände nicht in Betracht.

4. Gemäß § 24 Abs. 1 des VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 21 Abs. 7 erster Fall BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich ausführlich in seinem Erkenntnis vom 28.05.2014, Ra 2014/20/0017 und 0018, mit dem Verständnis dieser Bestimmung auseinandergesetzt und geht seitdem in seiner ständigen Rechtsprechung (vgl. dazu statt vieler die Erkenntnisse vom 12.11.2014, Ra 2014/20/0029, vom 2. September 2015, Ra 2014/19/0127, vom 15.03.2016, Ra 2015/19/0180, vom 18.05.2017, Ra 2016/20/0258, und vom 20.06.2017, Ra 2017/01/0039) davon aus, dass für die Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG enthaltenen Wendung "wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint" folgende Kriterien beachtlich sind:

Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten ist bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen.

Im gegenständlichen Fall hat das Bundesverwaltungsgericht keinerlei neue Beweismittel beigeschafft und sich für seine Feststellungen über die Person des BF auf jene des angefochtenen Bescheids gestützt. Die Beschwerde ist der Richtigkeit dieser Feststellungen und der zutreffenden Beweiswürdigung der Behörde nicht ansatzweise substanziiert entgegengetreten (VwGH vom 20.12.2016, Ra 2016/01/0102) und hat keine neuen Tatsachen vorgebracht. Die Beschwerde hat die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht zwar beantragt aber es nicht konkret aufzuzeigen unternommen, dass eine solche Notwendigkeit im vorliegenden Fall bestehen würde (vgl. zuletzt etwa VwGH 4.12.2017, Ra 2017/19/0316-14). Wie dargelegt, wurde auch in der Beschwerde der zur Begründung des Einreiseverbotes auf Basis der unstrittigen strafgerichtlichen Delinquenz des BF getroffenen Gefährdungsprognose inhaltlich nicht substantiiert entgegengetreten. Die für die Begründung der Gefährdungsprognose und Bemessung der Dauer des ausgesprochenen Einreiseverbotes maßgeblichen Sachverhalte wurden zur Gänze bereits im Verfahren vor dem BFA erhoben und im angefochtenen Bescheid offengelegt, wobei die Behörde unter Abwägung der vom BF konkret gesetzten strafbaren Handlungen eine einzelfallbezogene Begründung des Einreiseverbotes vorgenommen hat. Die Beschwerde hat die Beurteilung des angefochtenen Bescheides pauschal bestritten, jedoch keine Sachverhalte aufgezeigt, die zu einem für den BF allenfalls günstigeren Verfahrensergebnis hätten führen können. Die wesentlichen Feststellungen, nämlich das der Verurteilung zugrundeliegende strafrechtswidrige Verhalten des BF, sein fremdenrechtliches Fehlverhalten sowie die nicht vorhandenen familiären und privaten Anknüpfungspunkte, blieben unbestritten. Insofern wurden keine Sachverhaltselemente aufgezeigt, welche einer mündlichen Erörterung bedürften.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte daher im vorliegenden Fall von einem geklärten Sachverhalt im Sinne des § 21 Abs. 7 BFA-VG ausgehen; es war nach den oben dargestellten Kriterien nicht verpflichtet, eine mündliche Verhandlung durchzuführen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.


Schlagworte

Einreiseverbot Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung Gefährdungsprognose Herabsetzung strafrechtliche Verurteilung Suchtmitteldelikt Teilstattgebung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W241.2236390.1.00

Im RIS seit

30.08.2021

Zuletzt aktualisiert am

30.08.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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