TE Bvwg Erkenntnis 2021/4/26 G312 2237234-4

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Veröffentlicht am 26.04.2021
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Entscheidungsdatum

26.04.2021

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4
FPG §76

Spruch


G312 2237234-4/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Manuela WILD als Einzelrichterin über die Anhaltung des XXXX , geb. XXXX ,
StA.: Tunesien, Zl. XXXX , im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Schubhaft zu Recht:

A)       Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Mit dem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA), Regionaldirektion XXXX , vom XXXX wurde über XXXX (im Folgenden: MF) gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zum Zweck der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme sowie zur Sicherung der Abschiebung angeordnet.

Am XXXX wurde vom BFA, RD XXXX , der Akt gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG dem BVwG zur amtswegigen Überprüfung der Anhaltung gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. MF führt die im Spruch angeführte Identität (Namen und Geburtsdatum) und ist Staatsangehöriger von Tunesien, XXXX , gesund und im arbeitsfähigem Alter.

MF besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft und ist somit Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG.

1.2. MF ist spätestens Ende Oktober 2020 illegal in das österreichische Bundesgebiet eingereist und wurde beim Versuch, illegal nach Deutschland weiterzureisen, aufgegriffen. Dabei erklärte er, in Frankreich zu leben, über abgelaufene Dokumente zu verfügen, die sich in Frankreich befinden würden, er für einen Besuch bei seiner Schwester in Bratislava gewesen sei, diese habe ein Kind bekommen. Er habe sie nur besuchen wollen und dann wieder zurück nach Frankreich reisen wollen.

Aus den Eurodac Daten geht hervor, dass kein Visum für Frankreich ausgestellt wurde (Visumsverweigerung, Tunis aufgrund einer Visumsbeantragung im Dezember 2019).

Am XXXX wurde MF nach seinem Aufgriff in Österreich niederschriftlich einvernommen, dabei gab er an, Tunesier, katholisch, von Beruf Maler und verheiratet zu sein. In Österreich wolle er keinen Asylantrag stellen, er verfüge über keinen Wohnsitz in Österreich, keine Familienangehörige, jedoch eine Frau in Frankreich. Er habe in Österreich niemanden, bei dem er wohnen könnte, er würde über kaum Barmittel verfügen und sei noch nie in sein Heimatland zurückgebracht worden. Er erklärte, dass er zu seiner Frau nach Frankreich wolle. Er verfüge über eine Adresse in Frankreich, XXXX in Paris, seine Frau sei XXXX , und wohne an der genannten Adresse.

1.3. Mit Bescheid des BFA vom XXXX wurde gegen MF die Schubhaft zur Sicherung des Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme sowie zur Sicherung der Abschiebung angeordnet.

Am XXXX wurde gegen MF eine Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot verhängt, dies wurde am XXXX zugestellt. Aufgrund seiner Asylbeantragung am XXXX erklärte der MF internationalen Schutz beantragen zu wollen, daher wurde die Rückkehrentscheidung behoben.

Mit Aktenvermerk zur Aufrechterhaltung der Schubhaft vom XXXX wurde festgestellt, dass zum jetzigen Zeitpunkt Gründe zur Annahme bestehen, dass der am XXXX gestellte Antrag auf internationalen Schutz zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde und die Schubhaft daher aufrecht bleibt.

Am XXXX wurde der Antrag betreffend den Status des Asylberechtigten sowie der Status des subsidiär Schutzberechtigten als unbegründet abgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung gegen ihn erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Tunesien zulässig ist. Zudem wurde keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt und einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des BVwG, I419 2238279-1/8E vom 11.01.2021 als unbegründet abgewiesen.

Mit Erkenntnis vom 30.11.2020, L510 2237234-1, (mündlich verkündet am 30.11.2020) wurde die Beschwerde gegen den oben genannten Schubhaftbescheid sowie gegen die Anhaltung in Schubhaft nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet abgewiesen, festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

Mit gek. Erkenntnis vom 08.03.2021, G303 2237234-2, wurde in dem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren zur Überprüfung der Anhaltung in Schubhaft des MF nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 02.03.2021 (mündlich verkündet) festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist.

Mit gek. Erkenntnis vom 15.04.2021, G303 2237234-3, wurde in dem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren zur Überprüfung der Anhaltung in Schubhaft des MF nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 31.03.2021 (mündlich verkündet) festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist.

1.4. MF verfügt in Österreich über keine familiären, beruflichen oder sozialen Bindungen. Er kann Österreich, mangels gültiges Reisedokument, nicht legal aus eigenem verlassen. Er verfügt über keinen Wohnsitz. MF besitzt auch nicht über ausreichende Barmittel, um seinen Unterhalt zu finanzieren und ging bis dato keiner legalen Beschäftigung nach.

Er hat bislang keine Bereitschaft gezeigt, freiwillig ihn seinen Herkunftsstaat Tunesien zurückzukehren. Auch in der zuletzt durchgeführten Rückkehrberatung zeigte er sich unwillig in seinen Herkunftsstaat zurückzukehren. MF ist haftfähig und sind keine Umstände hervorgekommen, welche die Verhältnismäßigkeit der Haft in Zweifel ziehen lassen.

1.5. Das BFA hat das Verfahren zur Identifizierung, wie auch zur Erreichung des HRZ rechtzeitig eingeleitet. Die Identifizierung als tunesischer Staatsangehöriger ist am XXXX erfolgt, die Ausstellung eines HRZ ist jederzeit möglich und ist daher davon auszugehen, dass eine tatsächliche Abschiebung innerhalb der gesetzlich festgesetzten Höchstdauer möglich sein wird.

Damit ist aus dieser Perspektive auch die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung in Schubhaft gegeben und steht somit fest, dass MF bis dato bei der Erlangung eines Heimreisezertifikates nicht mitwirkt und sich unkooperativ zeigt, wodurch auch die Dauer der bisherigen Anhaltung durch MF verursacht wurde.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das Risiko, dass MF untertaucht, bevor er abgeschoben wird, als schlüssig anzusehen ist und von massiver Fluchtgefahr auszugehen ist. Es liegen die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Anhaltung in Schubhaft weiterhin vor.

2. Beweiswürdigung:

Den Verfahrensgang, die getroffenen Feststellungen und die Haftfähigkeit des MF ergeben sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten der Behörde und dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichts.

Die oben getroffenen Feststellungen beruhen auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht durchgeführten Ermittlungsverfahrens und werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt.

Die im Spruch angeführte Identität (Namen und Geburtsdatum) und die Staatsangehörigkeit des MF beruhen auf den vom BFA im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen sowie seinen Angaben in den Befragungen und in den mündlichen Verhandlungen vor dem BVwG. Diese Feststellungen gelten ausschließlich für die Identifizierung der Person im gegenständlichen Verfahren.

Die Feststellung zum Fehlen maßgeblicher familiärer und nennenswerter privater Bindungen und zum Nichtvorliegen von Anhaltspunkten für die Annahme einer sozialen Verankerung oder umfassenden Integration in Österreich beruht auf den diesbezüglichen Feststellungen im angefochtenen Bescheid, in den abweisenden Erkenntnissen des BVwG, sowie auf dem Umstand, dass in der Beschwerde und den Angaben in den durchgeführten mündlichen Verhandlungen keinerlei konkrete Umstände vorgebracht wurden, die allenfalls eine andere Beurteilung zugelassen hätten.

Die mangelnde Vertrauenswürdigkeit des MR ergibt sich vor allem auch aus seinen stark widersprüchlichen Angaben, so erklärte er zB zuerst in Frankreich zu leben, dort eine Frau zu haben. In den mündlichen Verhandlungen vor dem BVwG erklärte er dazu widersprüchlich, dass er noch nie in Frankreich gewesen sei. Dann brachte er vor, von Bratislava zu kommen, da er dort seine Schwester besucht habe und dann wieder nach Frankreich zu seiner Frau zu wollen, später erklärte er von Italien nach Österreich gekommen zu sein und sich davor 4 ½ Monate in Italien aufgehalten zu haben. Er gab weiters an, über einen abgelaufenen Aufenthaltstitel für Frankreich zu verfügen, dieser sei vor 2 Jahren abgelaufen, vor dem BVwG erklärte er widersprüchlich dazu, noch nie in Frankreich gewesen zu sein. Weiters gab er an in Österreich arbeiten und leben zu wollen, dann brachte er vor, bereits in Deutschland einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt zu haben, dies seit am XXXX . gewesen, dieser sei jedoch nicht entgegengenommen worden.

Aus der Eurodac Abfrage geht lediglich hervor, dass der MF in Tunesien im Dezember 2019 für Frankreich ein Visum beantragt hat und ihm dies verweigert wurde.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt A):
Gemäß § 76 FPG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Die Schubhaft darf nur dann angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder der Abschiebung notwendig ist und sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

2. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen. Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder im Sinne des Art. 2 lit. n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird.“

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig. Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann. Die Verhängung der Schubhaft darf stets nur ultima ratio sein.

Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakte so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakte gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

3.2. Auf Grund des festgestellten Sachverhaltes erweist sich die Fortsetzung der seit XXXX andauernden Schubhaft wegen Vorliegens von Fluchtgefahr weiterhin als erforderlich und die Anhaltung in Schubhaft wegen Überwiegens des öffentlichen Interesses an der Sicherung der Abschiebung in den Herkunftsstaat im Vergleich zum Recht des betroffenen Fremden auf persönliche Freiheit auch als verhältnismäßig.

Zunächst ist festzuhalten, dass den vom BVwG im Erkenntnis G303 2237234-3 vom 31.03.2021 dargelegten Erwägungen zum Vorliegen eines konkreten Sicherungsbedarfs und zur Verhältnismäßigkeit der Schubhaft auch zum Zeitpunkt dieser Entscheidung weiterhin unverändert Geltung zukommt, wie auch den Erwägungen aus den Verfahren
L510 2237234-1 und G303 2237234-2.

MF hat sich in den bisherig nicht an die Rechtsvorschriften gehalten und war nicht kooperativ. Er hat durch seine Reisen nach Bratislava, Italien und der versuchten Einreise nach Deutschland gezeigt, dass er sehr mobil ist und sich ohne weiteres auch illegal über Staatsgrenzen hinwegsetzen kann. Er hält sich illegal im Bundesgebiet auf und hat keinerlei finanzielle Mittel. Er verfügt im Bundesgebiet über keine sozialen oder beruflichen Kontakte.

Der BF gab zudem in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 31.03.2021 an, und zwar entgegen seiner Angaben in der ersten Befragung vor der PI, nie in Frankreich gewesen zu sein. Dem steht auch entgegen, dass bei der ersten Befragung vorgebracht habe, in Frankreich eine Frau zu heben und in Frankreich zu leben. Er brachte in der Verhandlung weiters vor, dass er vor 7 Monaten Tunesien verlassen habe, in Österreich in Freiheit und stabilen Verhältnissen leben wollte. Auf die Frage, warum sein Ticket auf Berlin ausgestellt ist, erklärte er, dass er dort lediglich einen Freund besuchen wollte. Er habe dann von Berlin wieder nach Österreich zurückwollen. Er brachte – ebenfalls widersprüchlich zu seinen zuerst getätigten Angaben vor, dass er Verwandte in Österreich habe. Dies korrigierte er dann und erklärte, es sei ein Freund aus der Familie, er lebe seit 30 Jahren in Österreich und sei österreichischer Staatsbürger und heiße XXXX . Er erklärte, nicht freiwillig nach Tunesien zurückkehren zu wollen. Er habe 150 Euro an finanziellen Mitteln, er habe eine Wohnung und sei von Beruf Maler und Anstreicher. Er habe die Wohnung in Tirol, die Adresse befinde sich im Rucksack. Auf Nachfrage erklärte er, dass dies die Wohnung eines Freundes sei. Mit diesem Freund habe er Kontakt über Facebook. Er hatte erst letzte Woche Kontakt zu diesem. Auf Vorhalt, dass im AHZ keine Möglichkeit bestehe, Facebook zu nutzen, korrigierte er sich und erklärte, dass er mit diesem telefoniert habe und zwar vom einem Telefon eines Mitbewohners.

Das BFA erklärte in der mündlichen Verhandlung am 31.03.2021, dass der BF bei der französischen Botschaft in Tunesien ein Visum beantragt habe, dies ihm aber verweigert worden sei. Er verfügt über einen Reisepaß, eine Kopie (mit Dauer bis 20.03.2024) wurde dem Gericht vorgelegt sowie ein Schreiben mit der positiven Identifizierung als tunesischer Staatsangehöriger, sowie über die Verweigerung des Visums. Auf die Frage, wo sein Reisepaß sei, erklärte er, dass er diesen in Bratislava verloren habe. Rückführungen nach Tunesien finden statt, bei unbegleiteten Abschiebungen – die auch stattfinden – müsse man jedoch 10 Tage in Quarantäne. Die Behörde führte weiters aus, dass kein gelinderes Mittel möglich sei, auch unter Zugrundelegung der Ausführungen des MF in der mündlichen Verhandlung. Er zeigt eine erhöhte (illegale) Mobilität, wolle nach Frankreich zu seiner Frau/Freundin. Zuvor habe er angegeben, nach Österreich gekommen zu sein, um zu arbeiten, später erklärte er um hier in Freiheit zu leben. Er ist gänzlich unkooperativ.

Es ist auch bei Schubhaftverhängung die Dauer des Asylverfahrens abzuschätzen, so ist eine Schubhaft nur dann zu verhängen und aufrechtzuerhalten, wenn ihr Zweck innerhalb der Schubhafthöchstdauer voraussichtlich realisiert werden kann (vgl. VwGH 11.05.2017, Ra 2016/21/0144). Aufgrund des Umstandes, dass im gegenständlichen Fall bereits eine positive Identifizierung erfolgt ist, eine Kopie des Reisepasses vorliegt ist die Ausstellung eines HRZ jederzeit möglich, ist die Schubhaftverhängung ebenso unter diesem Aspekt als verhältnismäßig zu sehen.

Es ist davon auszugehen, dass sich der BF nach Haftentlassung der Rückführung nach Tunesien entzieht und er in ein anderes EU Land flüchtet. Er gab bereits mehrmals an, zuletzt in der mündlichen Verhandlung, nicht nach Tunesien zurückkehren zu wollen, sondern nach Frankreich zu wollen – dies obwohl ihm die Ausstellung eines Visums für Frankreich verweigert wurde.

Auf Grund des bisherigen Gesamtverhaltens des MF ist im Ergebnis festzustellen, dass sich MF als nicht vertrauenswürdig erwiesen hat. MF ist offensichtlich nicht gewillt, sich an die österreichische Rechtsordnung zu halten. Er ist hoch mobil und hat bereits bewiesen, dass es für ihn möglich ist, illegal zwischen den EU Staaten zu reisen. Es besteht gravierende Fluchtgefahr beim MF, da aus dem bisherigen Verhalten davon auszugehen ist, dass er eine Freilassung zum Untertauchen und zur Flucht nutzen wird.

Eine Gesamtabwägung aller angeführten Umstände ergibt daher, dass das öffentliche Interesse an der Sicherung der aufenthaltsbeendenden Maßnahmen und der Abschiebung das Interesse an der Schonung der persönlichen Freiheit überwogen und ein konkretes Sicherungsbedürfnis bestanden hat.

Darüber hinaus war im gegenständlichen Fall bei der Beurteilung des konkreten Sicherungsbedarfs (infolge Fluchtgefahr) der aktuelle Stand des Verfahrens sowie die äußerst widersprüchlichen Angaben des MF vor den Behörden und dem BVwG, auch was seine Einstellung zum rechtskonformen Verhalten anbelangte, maßgeblich zu berücksichtigen.

Aus der letzten durchgeführten, mündlichen Verhandlung am 31.03.2021 im Verfahren G303 2237234-3 ergibt sich, dass eine Rückführung nach Tunesien möglich ist. Es finden Charter-Abschiebungen statt.

Unter Berücksichtigung dieser Umstände kann nunmehr von einem verstärkten Sicherungsbedarf ausgegangen werden, zumal eine Rückführung (Abschiebung) in den Herkunftsstaat zeitnah möglich und auch wahrscheinlich ist und diese Tatsache MF auch bewusst ist. Auch die mangelnde Vertrauenswürdigkeit des BF, insbesondere auf Grund seines bisherigen Gesamtverhaltens, lässt eine Fluchtgefahr als erheblich erscheinen. So wird der Sicherungsbedarf gerade dadurch verstärkt, dass BF nunmehr davon in Kenntnis ist, dass eine Abschiebung unmittelbar bevorsteht und er somit seinen bisherigen Aufenthalt in Österreich bzw. in Europa, auch aufgrund seiner ausdrücklich erklärten Absicht, nicht zurück nach Tunesien zu wollen, nicht mehr fortsetzen kann und allenfalls auch eine illegale Weiterreise in andere europäische Staaten dadurch verunmöglicht wird, um damit einer Abschiebung zuvorzukommen, welche er bereits einmal nach Österreich und Deutschland durchgeführt hat.

Eine auf den vorliegenden Einzelfall bezogene Gesamtabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung der Abschiebung einerseits und der Schonung der persönlichen Freiheit andererseits ergibt somit, dass das erwähnte öffentliche Interesse überwiegt, weil ohne Anordnung der Schubhaft die Durchführung der Abschiebung wahrscheinlich vereitelt oder wesentlich erschwert werden würde. Dass besondere, in der Person des MF gelegene Umstände vorliegen, die der Schubhaft entgegenstehen würden, ist nicht hervorgekommen.

Die fortgesetzte Anhaltung in Schubhaft erweist sich daher zum Zweck der Sicherung der Abschiebung als notwendig und verhältnismäßig. Die Anhaltung in Schubhaft kann somit derzeit auch aus diesem Gesichtspunkt fortgesetzt werden.

3.3. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Angaben des MF vor der belangten Behörde sowie in den Verfahren vor dem BVwG L510 2237234-1 und G303 2237234-2 und G303 2237234-3 (mündlich verkündet) nach zwei durchgeführten mündlichen Verhandlungen geklärt erscheint, konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFAVG iVm 24 Abs. 4 VwGVG eine mündliche Verhandlung unterbleiben, zudem sich auch keine Änderungen im festgestellten Sachverhalt ergeben haben.

3.4. Zu Spruchpunkt B):

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen.

Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der einschlägigen Erkenntnisse des VwGH vom 19.02.2015, Zl. Ro 2013/21/0075, vom 23.04.2015, Zl. Ro 2014/21/0077, und vom 19.05.2015, Zl. Ro 2014/21/0071, sowie auch der die Schubhaft betreffenden Erkenntnisse des VfGH vom 12.03.2015, G 151/2014 ua., und E 4/2014.

Schlagworte

Fluchtgefahr Interessenabwägung öffentliche Interessen Schubhaft Schubhaftbeschwerde Sicherungsbedarf Verhältnismäßigkeit Voraussetzungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:G312.2237234.4.00

Im RIS seit

30.08.2021

Zuletzt aktualisiert am

30.08.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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