TE Bvwg Erkenntnis 2021/4/29 W203 2218234-4

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Veröffentlicht am 29.04.2021
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Entscheidungsdatum

29.04.2021

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §57
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §53
FPG §55

Spruch


W203 2218234-4/13E

AUSFERTIGUNG DES AM 13.04.2021 MÜNDLICH VERKÜNDETEN ERKENNTNISSES

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gottfried SCHLÖGLHOFER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Iran, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.01.2021, Zl. 1105447506/210084832, betreffend die Erlassung einer Rückkehrentscheidung und eines befristeten Einreiseverbots, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 13.04.2021 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass festgestellt wird, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage beträgt und dass die Dauer des Einreiseverbots auf 2 Jahre verkürzt wird.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

1. Mit Bescheid vom 25.02.2019 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: belangte Behörde) einen Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung von internationalem Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab und erließ gegen den Beschwerdeführer unter Setzung einer zweiwöchigen Frist für die freiwillige Ausreise eine Rückkehrentscheidung.

2. Die gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde wurde mit als Beschwerdevorentscheidung bezeichnetem Bescheid der belangten Behörde vom 25.06.2019 als verspätet zurückgewiesen. Diese zurückweisende Entscheidung der belangten Behörde wurde mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 20.09.2019 bestätigt.

3. Ein vom Beschwerdeführer gestellter Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 17.12.2019 abgewiesen. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 29.04.2020 als unbegründet abgewiesen.

4. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 20.01.2021, Zl. 1105447506/210084832 (im Folgenden: angefochtener Bescheid), wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt I.), gegen diesen eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt II.), festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in den Iran zulässig ist (Spruchpunkt III.), einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV.), gemäß § 55 Abs. 4 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkt V.) und gegen den Beschwerdeführer gemäß § 55 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG ein auf die Dauer von 3 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.

Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen sei und vielmehr „beharrlich im Bundesgebiet“ verbleibe. Etwaige Integrationsschritte seitens des Beschwerdeführers während seines knapp fünfjährigen Aufenthalts in Österreich könnten nicht festgestellt werden. Er sei zwar einer selbständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen, habe aber wiederholt die Versicherungsbeiträge nicht zahlen können. Es handle sich beim Beschwerdeführer um eine „mittellose Person“, die nicht selbsterhaltungsfähig und nicht in der Lage sei, sich ihren Lebensunterhalt selbst zu finanzieren. Aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sei die sofortige Ausreise des Beschwerdeführers aus dem Bundesgebiet erforderlich, um zu verhindern, dass sich dieser seinen weiteren Verbleib im Bundesgebiet durch „unrechtmäßige Einnahmequellen“ finanzieren könnte. Der Beschwerdeführer habe wissentlich und vorsätzlich gegen das Meldegesetz verstoßen und sei derzeit „untergetaucht“.

Der Beschwerdeführer verfüge über keine familiären oder sozialen Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet, seinen Aufenthalt im Bundesgebiet habe er nicht genutzt, um sich zu integrieren. Es bestünden auch keinerlei Abhängigkeitsverhältnisse des Beschwerdeführers zu Personen in Österreich. Der Beschwerdeführer sei mittellos und es müsse davon ausgegangen werden, dass dieser „weiterhin eine wirtschaftliche Belastung“ darstellen oder seinen Lebensunterhalt durch „illegale Einnahmequellen“ finanzieren werde.

Den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt in Österreich stehe eine daraus resultierende Gefährdung maßgeblicher öffentlicher Interessen gegenüber. Das Verhalten des Beschwerdeführers sei geeignet, die öffentliche Ordnung und Sicherheit zu gefährden.

Im Fall des Beschwerdeführers sei der Tatbestand des § 53 Abs. 2 Z 6 FPG - nämlich, dass dieser den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermöge - erfüllt. Er sei trotz rechtskräftigem, negativem Abschluss seines Asylverfahrens seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen, sei beharrlich illegal im Bundesgebiet verblieben und habe so die österreichische Rechtsordnung missachtet. Darüber hinaus habe er wissentlich und vorsätzlich gegen das Meldegesetz verstoßen. Es handle sich bei ihm um eine mittellose Person, die nicht in der Lage sei, sich seinen Lebensunterhalt selbst zu finanzieren. Er habe zumindest drei Verwaltungsübertretungen begangen und stelle eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit sowie das „wirtschaftliche Wohl“ des Landes dar.

Der Bescheid wurde am 11.02.2021 zugestellt.

5. Am 10.03.2021 erhob der Beschwerdeführer über seine Vertretung Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 20.01.2020 und begründete diese auf das Wesentlich zusammengefasst wie folgt:

Im Asylverfahren sei eindeutig hervorgekommen, dass der Beschwerdeführer aus ethnischen Gründen in seinem Herkunftsstaat verfolgt werde. Dies habe die belangte Behörde im Bescheid vom 25.02.2019 mit dem lapidaren Schluss, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht glaubhaft sei, abgetan. Lediglich aufgrund eines Fehlers der früheren rechtlichen Vertretung des Beschwerdeführers sei keine rechtsgültige Beschwerde eingebracht worden und die „unrichtige“ Entscheidung der belangten Behörde in Rechtskraft erwachsen.

Der Beschwerdeführer sei in Österreich gut integriert, seine Abschiebung würde ihn in seinen durch Art. 2, 3 und 8 EMRK gewährleisteten Rechten verletzen.

6. Einlangend am 16.03.2021 wurde die Beschwerde von der belangten Behörde – ohne von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung Gebrauch zu machen – samt zugehörigem Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

7. Mit hg. Beschluss vom 25.03.2021, GZ. W203 2218234-4/3Z, wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

8. Am 13.04.2021 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung statt, zu der der Beschwerdeführer und die belangte Behörde als Parteien geladen waren.

Im Rahmen der Verhandlung gab der Beschwerdeführer an, dass er keine in Österreich lebenden Familienangehörigen oder Verwandten habe und hier nicht in einer Partnerschaft lebe. Sein typischer Tagesablauf sehe so aus, dass er sich auf die inzwischen bereits abgelegte B1-Prüfung vorbereite und er Freunden helfe, wann immer diese die Hilfe eines Automechanikers benötigten. Er habe auch eine „österreichische Mutter“, der er bei der Hausarbeit und beim Einkaufen helfe. Es handle sich dabei um eine in Tulln lebende Deutschlehrerin des Beschwerdeführers, zu er dieser eine „sehr enge Beziehung“ pflege und die er ein bis zweimal in der Woche besuche. Ungefähr eineinhalb bis zwei Jahre lang sei er als Fahrradbote selbständig berufstätig gewesen. Seinen Lebensunterhalt bestreite er vor allem mit 50 bis 100 Euro, die er monatlich von seiner im Iran lebenden Familie bekomme. Er sei nicht Mitglied in einem Verein und habe sowohl österreichische als auch iranische Freunde, wobei es sich bei seinen österreichischen Freunden vor allem um seine Deutschlehrer handle. Einige einfache, auf Deutsch und ohne Zuhilfenahme des Dolmetschers direkt an den Beschwerdeführer gerichtete Fragen konnte dieser nur in bruchstückhaftem Deutsch beantworten. Nachgefragt konnte der Beschwerdeführer an berühmten österreichischen Persönlichkeiten lediglich „Egon Schieler“, der ein berühmter Maler gewesen sei, und an österreichischen Politikern den Bundespräsidenten und den Bundeskanzler namentlich nennen.

Der Beschwerdeführer gab an, er habe auch nach ergangener Rückkehrentscheidung nach Mitteln und Möglichkeiten gesucht, um weiterhin in Österreich bleiben zu können und dabei auch – aber nur ein einziges Mal – aus Angst, festgenommen und abgeschoben zu werden, gegen das Meldegesetz verstoßen.

Er habe im Juni 2020 die Ausstellung einer Karte für Geduldete deswegen beantragt, weil er „einen Weg finden“ habe wollen, um hier in Österreich bleiben zu können. Er könne nämlich nicht in den Iran einreisen, weil ihm dort Verfolgung aus politischen Gründen drohe. Er sei einmal bei der iranischen Botschaft in Wien gewesen, um einen Reisepass zu beantragen, mit dem er in ein anderes Land – z.B. Kanada oder die USA – weiterreisen habe wollen, die iranischen Botschaft hätte dabei aber „nicht mitgemacht“. Nachdem im Februar 2019 eine Rückkehrentscheidung gegen ihn erlassen worden sei, habe er sich erkundigt, welche Möglichkeiten für ihn bestünden, nach seinem bereits mehrere Jahre dauernden Aufenthalt weiter hier bleiben zu können. Er habe bereits bei der Antragstellung auf Ausstellung der Karte für Geduldete gewusst, dass ihm kein Pass ausgestellt werde, er habe es trotzdem im August 2020 versucht.

Am Ende der Verhandlung verkündete der Richter das im Spruch wiedergegeben Erkenntnis.

9. Mit Schreiben vom 14.04.2021 beantragte der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers gemäß § 29 Abs. 4 VwGVG eine Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Gegen den Beschwerdeführer wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen, die spätestens mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 29.04.2020, mit dem die Beschwerde gegen die Abweisung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist abgewiesen wurde, in Rechtskraft erwachsen ist.

Der Beschwerdeführer hat die zweiwöchige Frist ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung für die freiwillige Ausreise ungenützt verstreichen lassen.

Der Beschwerdeführer hat seit Erlassung der Rückkehrentscheidung gegen ihn am 25.02.2019 bis dato mindestens fünfmal seinen Wohnsitz geändert und einmal vorsätzlich gegen das Meldegesetz verstoßen.

Der Beschwerdeführer hat seinen fünfjährigen Aufenthalt in Österreich nur in geringem Umfang genutzt, um sich hier sozial und beruflich zu integrieren.

Der Beschwerdeführer hat zwar mindestens einmal vorsätzlich gegen das Meldegesetz verstoßen, ist aber strafrechtlich unbescholten.

2. Beweiswürdigung

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt und durch Einvernahme des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung.

Die Feststellungen zu den bereits abgeschlossenen asyl- und fremdenrechtlichen Verfahren des Beschwerdeführers und zum gegenständlichen Verfahrensgang ergeben sich aus dem Verfahrensakt, insbesondere den bezughabenden Bescheiden der belangten Behörde und Erkenntnissen des Bundesveraltungsgerichtes.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer die zweiwöchige Frist für die freiwillige Ausreise ungenützt verstreichen ließ, ergeben sich aus der Beschwerde sowie ebenfalls aus den Ergebnissen der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.

Die Feststellungen betreffend die mehrmaligen Wohnsitzwechsel und den Verstoß gegen die Bestimmungen des Meldegesetzes ergeben sich aus einem Einblick in das Zentrale Melderegister, einem in Verfahrensakt aufliegenden Bericht der Landespolizeidirektion Wien vom 25.03.2021, dem zu Folge im Zuge eines Erhebungsersuchens mehrfach an der Meldeadresse des Beschwerdeführers Nachschau gehalten, dieser dort aber nicht angetroffen worden sei und aus dem weiters hervorgeht, dass laut Aussage eines Bekannten der Beschwerdeführer sich nicht selber bei der Polizei melden würde, weil er Angst habe, festgenommen und abgeschoben zu werden, sowie den eigenen Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung, wonach er nur einmal und zwar aus Angst, festgenommen und in den Iran abgeschoben zu werden, gegen das Meldegesetz verstoßen habe.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer seinen Aufenthalt in Österreich nur in geringem Umfang genutzt hat, um sich hier sozial und beruflich zu integrieren, beruht vor allem auf den Angaben desselben in der mündlichen Verhandlung. Demnach verbringt er seine Freizeit – mit Ausnahme seiner Deutschlehrer, insbesondere einer Deutschlehrerin, die er selbst als seine „österreichische Mutter“ bezeichnet und die er auch ein- bis zweimal pro Woche besucht, um diese bei der Hausarbeit und bei den Einkäufen zu unterstützen – vor allem mit aus dem Iran stammenden Personen. So nahm auch eine aus dem Iran stammende, sich als Freund des Beschwerdeführers ausgebende Person nach der erfolglosen Nachschau an der Meldeadresse des Beschwerdeführers mit der Polizei Kontakt auf und wurde der Beschwerdeführer zur mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht auch von dieser Vertrauensperson begleitet. Dass der Beschwerdeführer vorrangig seine Freizeit mit nicht deutschsprechenden Personen verbringt steht auch im Einklang damit, dass er über nicht sehr gute, als unterdurchschnittlich anzusprechende Deutschkenntnisse verfügt, wovon sich der erkennende Richter im Rahmen der mündlichen Verhandlung unmittelbar selbst überzeugen konnte. Der Beschwerdeführer ist auch nicht Mitglied in einem Verein, nimmt nicht am gesellschaftlichen Leben seiner Umgebung teil und übt auch keine gemeinnützigen Tätigkeiten aus. Auch die berufliche Integration des Beschwerdeführers erweist sich nicht als besonders ausgeprägt, da dieser nur während eines vergleichsweise kurzen Zeitraums seines fünfjährigen Aufenthalts in Österreich einer Berufstätigkeit – und zwar als Fahrradkurier – nachgegangen ist. Hinzu kommt, dass er seinen sich aus den daraus erzielten Einkünften ergebenden abgaberechtlichen Verpflichtungen nicht in vollem Umfang nachgekommen ist. Der Beschwerdeführer lebt überwiegend von staatlichen Unterstützungsleistungen sowie finanzieller Hilfe seiner im Iran lebenden Familie. Von einer Selbsterhaltungsfähigkeit des Beschwerdeführers kann nicht gesprochen werden.

Dass der Beschwerdeführer bislang strafrechtlich unbescholten ist ergibt sich aus Einsichtnahme in den aktuellen Strafregisterauszug.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da eine Senatsentscheidung in den einschlägigen Bundesgesetzen nicht vorgesehen ist, liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer eheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

3.2. Zu Spruchpunkt A)

3.2.1. Zur Abweisung der Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides (Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen):

3.2.1.1. § 57 AsylG 2005 steht unter der Überschrift „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“; sie ist zu erteilen, wenn eine der drei folgenden Voraussetzungen zutrifft: (Z 1) wenn – neben weiteren Voraussetzungen – der Aufenthalt des Fremden im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist; (Z 2) um die Strafverfolgung gerichtlich strafbarer Handlungen zu gewährleisten oder damit zivilrechtliche Ansprüche im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen geltend gemacht und durchgesetzt werden können; oder (Z 3) wenn – neben weiteren Voraussetzungen – der Fremde Opfer von Gewalt geworden ist und eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO erlassen worden ist oder hätte erlassen werden können.

3.2.1.2. Da es keinen Hinweis darauf gibt, dass einer dieser Fälle vorläge, kommt ein Aufenthaltstitel nach § 57 AsylG 2005 nicht in Betracht.

3.2.2. Zur Abweisung der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides (Erlassung einer Rückkehrentscheidung):

3.2.2.1. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach dem AsylG 2005 mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Asylantrag abgewiesen und dem Fremden weder Asyl noch subsidiärer Schutz gewährt wird und wenn nicht von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 erteilt wird. Nach § 52 Abs. 2 Z 2 FPG ist in diesem Fall – mit hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen – eine Rückkehrentscheidung zu erlassen. Ob eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist, richtet sich nach § 9 BFA-VG.

Eine Rückkehrentscheidung ist mithin gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 dann zu erlassen, wenn § 9 BFA-VG dem nicht entgegensteht und wenn überdies nicht von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 erteilt wird.

Nach § 9 Abs. 1 BFA-VG ist eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, wenn durch sie in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, (nur dann) zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele dringend geboten ist. § 9 Abs. 2 BFA-VG zählt Umstände auf, die dabei insbesondere zu berücksichtigen sind.

Bei der Abwägung, die durch Art. 8 MRK vorgeschrieben wird, stehen die Interessen des Fremden an seinem Verbleib im Inland, die durch Art. 8 Abs. 1 MRK geschützt sind, dem öffentlichen Interesse an der Beendigung seines Aufenthaltes gegenüber.

Ist zu beurteilen, ob es aus dem Blickwinkel des Art. 8 MRK zulässig ist, eine aufenthaltsbeendende Maßnahme zu erlassen, so sind das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung und das persönliche Interesse des Fremden an seinem weiteren Verbleib in Österreich zu gewichten und einander gegenüber zu stellen. Das persönliche Interesse nimmt grundsätzlich mit der Dauer des bisherigen Aufenthalts des Fremden zu. Die bloße Aufenthaltsdauer ist freilich nicht allein maßgeblich, sondern es ist anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalles va. zu prüfen, inwieweit der Fremde die Zeit, die er in Österreich verbracht hat, dazu genützt hat, sich sozial und beruflich zu integrieren. Bei der Einschätzung des persönlichen Interesses ist auch auf die Auswirkungen Bedacht zu nehmen, die es auf die familiären oder sonstigen Bindungen des Fremden hätte, wenn sein Aufenthalt beendet würde (VwGH 15.12.2015, Ra 2015/19/0247, mwN).

Ob eine Rückkehrentscheidung unverhältnismäßig in die nach Art. 8 MRK geschützten Rechte eines Fremden eingreift, ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles zu beurteilen. Dabei muss das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden in Form einer Gesamtbetrachtung gewichtend abgewogen werden, im Rahmen derer insbesondere die in § 9 Abs. 2 BFA-VG genannten Kriterien zu berücksichtigen und in die die sich aus § 9 Abs. 3 BFA-VG ergebenden Wertungen einzubeziehen sind (VwGH 5.6.2019, Ra 2019/18/0078, mwN).

Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für diese Interessenabwägung zukommt (VwGH 5.6.2019, Ra 2019/18/0078, mwN).

3.2.2.2. Das Bundesamt hat die durch Art. 8 Abs. 2 MRK bzw. durch § 9 Abs. 2 BFA-VG vorgeschriebene Interessenabwägung mängelfrei vorgenommen.

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer bisher nur auf Grund eines Antrages auf internationalen Schutz zum Aufenthalt berechtigt war, der sich letztlich als nicht begründet erwiesen hat, sodass er sich seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst gewesen sein musste. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es im Sinne des § 9 Abs. 2 Z 8 BFA-VG maßgeblich relativierend, wenn integrationsbegründende Schritte in einem Zeitpunkt gesetzt worden sind, in dem sich der Fremde seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste (ausführlich VwGH 28.2.2019, Ro 2019/01/0003, mwN; 10.4.2019, Ra 2019/18/0049; 10.4.2019, Ra 2019/18/0058; 5.6.2019, Ra 2019/18/0078).

Dem Beschwerdeführer kommt auch kein nicht auf das AsylG 2005 gestütztes Aufenthaltsrecht zu.

Der Beschwerdeführer hält sich seit ca. 5 Jahren in Österreich auf. Diesen Zeitraum nutzte der Beschwerdeführer – wie bereits im Rahmen der Beweiswürdigung aufgezeigt - jedoch kaum, um sich sozial zu integrieren.

Gegenständlich liegt zusammengefasst eine „derart außergewöhnliche Konstellation", wie sie von der Judikatur in zahlreichen Entscheidungen gefordert wird, um davon ausgehen zu können, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung einen unverhältnismäßigen Eingriff in die nach Art. 8 EMRK geschützten Recht darstellen würde (vgl. z.B. VwGH 10.04.2020, Ra 2019/18/0058), nach Ansicht des BVwG nicht vor. Es besteht noch keine derartige Verdichtung der persönlichen Interessen des Beschwerdeführers, dass bereits von "außergewöhnlichen Umständen" gesprochen werden könne und ihm schon deshalb unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK ein dauernder Verbleib in Österreich ermöglicht werden müsste.

Unter diesen Umständen kommt den öffentlichen Interessen daran, dass der Beschwerdeführer das Land verlässt, größere Bedeutung zu als seinen persönlichen Interessen an einem Verbleib. Daran vermag auch die strafrechtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers nichts zu ändern (vgl. z.B. VwGH 19.04.2012, 2011/18/0253).

Da einer Rückkehrentscheidung weder § 9 BFA-VG entgegensteht noch von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 zu erteilen ist, hat die belangte Behörde zu Recht eine Rückkehrentscheidung gegen den Beschwerdeführer erlassen.

3.2.3. Zur Abweisung der Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides (Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung):

3.2.3.1. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG ist mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, der Drittstaat könnte aus Gründen, die der Drittstaatsangehörige zu vertreten hat, nicht festgestellt werden. Ob eine Abschiebung zulässig ist, richtet sich nach § 50 FPG, dessen erste beiden Absätze weitgehend den Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 und den Verfolgungsgründen der GFK entsprechen; der dritte Absatz betrifft den Fall, dass der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

Aus dem bisher Gesagten ergibt sich, dass der Abschiebung keine derartigen Gründe entgegenstehen; dass keine Konventionsgründe und keine Gründe nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 vorliegen, ist bereits in einem früheren, rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren bzw. oben geprüft und festgestellt worden. Es liegt derzeit auch keine diesbezügliche Empfehlung des Europäischen Gerichtshofes für Menschrechte im Sinne des 3. Absatzes des § 50 FPG den Iran betreffend vor.

Die belangte Behörde hat daher zu Recht festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in den Iran zulässig ist.

3.2.4. Zur Feststellung, dass eine 14-tägige Frist für die freiwillige Ausreise gewährt wird:

Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.

Diese Frist beträgt nach § 55 Abs. 2 FPG grundsätzlich 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, „sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.“

Diese Zuständigkeit kommt hier dem Bundesverwaltungsgericht zu.

Solche vorgängig angeführten Gründe sind im Verfahren weder vorgebracht worden noch sonst hervorgekommen. Daher ist die Frist mit 14 Tagen festzulegen.

Die Ausnahmebestimmung des § 55 Abs. 4 FPG kommt nicht zum Tragen, da der Beschwerde mit hg. Beschluss vom 25.03.2021 die aufschiebende Wirkung zuerkannt wurde.

3.2.5. Zur Herabsetzung der Dauer des Einreiseverbots von drei auf zwei Jahre:

Die belangte Behörde stützt das Einreiseverbot auf § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG. Demgemäß ist die Dauer des Einreiseverbots mit „höchstens 5 Jahren“ begrenzt.

In Anbetracht des Umstandes, dass § 53 Abs. 2 FPG insgesamt 9 Gründe demonstrativ anführt, die zu einer Verhängung eines Einreiseverbots führen können, und der Beschwerdeführer nur wenige dieser Tatbestände und dies auch nicht in einem besonders schwerwiegenden Ausmaß erfüllt, erscheint es geboten, sich bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots an der unteren Hälfte des vorgesehenen Rahmens zu orientieren, sodass eine Dauer von 2 Jahren als angemessen zu betrachten ist.

3.2.6. Die Beschwerde war daher mit den angeführten Maßgaben abzuweisen und gemäß Spruchpunkt A) zu entscheiden.

3.3. Zu Spruchpunkt B)

3.3.1. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

3.3.2. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung. Des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

3.3.3. Es war daher gemäß Spruchpunkt B) zu entscheiden.

Schlagworte

Einreiseverbot Frist Herabsetzung Interessenabwägung öffentliche Interessen Rückkehrentscheidung schriftliche Ausfertigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W203.2218234.4.01

Im RIS seit

30.08.2021

Zuletzt aktualisiert am

30.08.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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