TE Bvwg Erkenntnis 2021/5/4 W285 2232012-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.05.2021
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Entscheidungsdatum

04.05.2021

Norm

B-VG Art133 Abs4
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6

Spruch


W285 2232012-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Eva WENDLER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit: Bosnien und Herzegowina, gegen Spruchpunkt VI. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.03.2020, Zahl: 1108495006-200276912, zu Recht:

A)       Der Beschwerde gegen Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides wird mit der Maßgabe, dass das Einreiseverbot auf § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG gestützt wird, insofern stattgegeben, als die Dauer des Einreiseverbotes auf 30 (dreißig) Monate herabgesetzt wird. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

B)       Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA), Regionaldirektion XXXX , wurde dem sich im Stande der Schubhaft befindenden Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt I.), gegen ihn gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt II.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Bosnien und Herzegowina zulässig ist (Spruchpunkt III.), dem Beschwerdeführer gemäß § 55 Abs. 4 FPG keine Frist zur freiwilligen Ausreise eingeräumt (Spruchpunkt IV.) und einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.) und gegen ihn gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 und Z 7 FPG ein auf die Dauer von vier Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VI.). Begründend wurde im Wesentlichen zusammengefasst ausgeführt, der Beschwerdeführer sei in Österreich einer fremdenpolizeilichen Kontrolle unterzogen worden, nachdem er mit einem gefälschten slowakischen Personalausweis, der im SIS ausgeschrieben gewesen sei, mit einem Wohnsitz angemeldet habe. Im Zuge der Kontrolle am 27.05.2020 hätte der Beschwerdeführer auch zugegeben, mit dem gefälschten Ausweis eine Schwarzarbeit aufgenommen zu haben. Wegen der Corona-Krise wäre ihm eine Ausreise nach Bosnien nicht möglich gewesen. Es seien ihm die finanziellen Mittel ausgegangen, weshalb er illegale Beschäftigungen aufgenommen hätte. Er verfüge über keine, aus legalen Quellen stammenden, wesentlichen Geldbeträge. Es lägen daher die Voraussetzungen des § 53 Abs. 2 Z 6 und Z 7 FPG vor.

Mit Schreiben der Staatsanwaltschaft XXXX vom 09.06.2020 wurde dem Bundesamt mitgeteilt, dass von der strafrechtlichen Verfolgung des Beschwerdeführers wegen §§ 27 Abs. 1 Z 1 erster Fall, 27 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall und Abs. 2 SMG vorläufig zurückgetreten wurde.

Mit dem mit 12.06.2020 datierten und am selben Tag beim Bundesamt per Fax einlangenden Schriftsatz erhob der Beschwerdeführer durch seine bevollmächtigte Rechtsvertretung Beschwerde ausschließlich gegen das in Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides gegen den Beschwerdeführer erlassene Einreiseverbot in der Dauer von vier Jahren. Es wurde beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge Spruchpunkt VI. ersatzlos beheben; in eventu die Dauer des Einreiseverbotes reduzieren; in eventu den Bescheid zur Gänze aufheben und zur neuerlichen Verhandlung an das Bundesamt zurückzuverweisen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass dem Beschwerdeführer bewusst sei, dass er sich gesetzwidrig verhalten habe und er sein Fehlverhalten bedaure. Er habe aber die Absicht, freiwillig aus dem Bundesgebiet auszureisen. Es bestehe daher nie die Gefahr, dass von ihm eine Gefahr ausgehen, die Grundinteressen der Gesellschaft berühre. Eine Gefährdungsprognose habe das Bundesamt nicht vorgenommen und erweise sich jedenfalls die Dauer des gegenständlichen Einreiseverbotes von vier Jahren als unverhältnismäßig.

Der Beschwerdeführer wurde am 17.06.2020 aus der Schubhaft entlassen. Er reiste daraufhin noch am 17.06.2020 freiwillig, unter Inanspruchnahme der Rückkehrhilfe, aus dem Bundesgebiet nach Bosnien und Herzegowina aus.

Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht vom Bundesamt vorgelegt und langten dort am 17.06.2020 ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Bosnien und Herzegowina. Seine Identität steht nicht fest. Es handelt sich um eine Verfahrensidentität.

Es konnte nicht festgestellt werden, wann der Beschwerdeführer erstmals in das Bundesgebiet einreiste. Zuletzt reiste er am 21.02.2020 in den Schengen-Raum (Ungarn) über Serbien ein. Ein paar Tage später reiste der Beschwerdeführer weiter nach Österreich (vgl Niederschrift Bundesamt vom 28.05.2020, AS 19 ff).

Der Beschwerdeführer verfügt über keinen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet oder einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union und auch über keine arbeitsmarktbehördliche Bewilligung (vgl Fremdenregisterauszug vom 18.06.2020 und 04.05.2021; Niederschrift Bundesamt vom 28.05.2020, AS 19ff).

Durch das Bundeskriminalamt erging eine Meldung an die zuständige Landespolizeidirektion, dass am 18.05.2020 ein XXXX , geboren XXXX , slowakischer Staatsbürger, mit einem als gestohlen oder verloren gemeldeten slowakischen Personalausweis eine Wohnsitzanmeldung im Bundesgebiet durchgeführt hatte. Aufgrund des bestehenden Fälschungsverdachtes wurde die Wohnung, an welcher die Wohnsitzmeldung erfolgt war, am 27.05.2020 durch Polizeibeamte einer Kontrolle unterzogen. Dabei wurde der Beschwerdeführer angetroffen, der sich gegenüber den Beamten erst mit dem gefälschten slowakischen Personalausweis auswies. Nach Vorhalt der offenkundigen Fälschung gab der Beschwerdeführer seine wahre Identität an und auch, dass er seinen richtigen Reisepass vernichtet hat. Der Beschwerdeführer wurde in der Folge festgenommen und angezeigt. Im Zuge der Kontrolle wurden beim Beschwerdeführer auch drei Joints (Marihuana) gefunden und sichergestellt. Es wurde darüber hinaus eine Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 400,00 eingehoben (vgl Anzeige der LPD vom 27.05.2020, AS 1 ff; aktenkundige Kopie des gefälschten Personalausweises, AS 5 f; Anhalteprotokoll vom 27.05.2020, AS 9 ff; Abschluss-Bericht der LPD vom 28.05.2020, AS 78 ff).

Mit Mandatsbescheid des Bundesamtes vom 28.05.2020 wurde über den Beschwerdeführer die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme sowie der Abschiebung verhängt (vgl Fremdenregisterauszug vom 18.06.2020 und 04.05.2021; Mandatsbescheid, AS 29 ff).

Er hat sich unter Verwendung des gefälschten slowakischen Personalausweises, für den er rund EUR 250,00 bezahlt hat, mit einem Wohnsitz im Bundesgebiet angemeldet (vgl Auszug aus dem Zentralen Melderegister vom 27.05.2020 und 04.05.2021, AS 8; Beschuldigtenvernehmung LPD vom 27.05.2020, AS 84) und ein Bankkonto eröffnet (vgl aktenkundige Kopie der Bankomatkarte, lautend auf die gefälschte Alias-Identität, AS 5 f).

Neben seiner Hauptwohnsitzmeldung unter der gefälschten Alias-Identität ab 18.05.2020 (weist der Beschwerdeführer nur für die Zeit seiner Anhaltung in Schubhaft von 27.05.2020 bis 17.06.2020 eine (Haupt-)Wohnsitzmeldung im Bundesgebiet auf (vgl Auszug aus dem Zentralen Melderegister vom 18.06.2020 und 04.05.2021).

Der Beschwerdeführer ging bisher keiner legalen Beschäftigung im Bundesgebiet nach und ist darüber hinaus strafgerichtlich unbescholten (Niederschrift Bundesamt vom 28.05.2020, AS 19 ff; Auszüge aus den Sozialversicherungsdaten und dem Strafregister jeweils vom 18.06.2020 02.07.2020 und 04.05.2021).

Die Staatsanwaltschaft trat von der strafrechtlichen Verfolgung des Beschwerdeführers wegen §§ 27 Abs. 1 Z 1 erster Fall, 27 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall und Abs. 2 SMG vorläufig zurück (vgl Schreiben der Staatsanwaltschaft XXXX vom 09.06.2020, AS 107).

Bedingt durch die Pandemie COVID-19 konnte der Beschwerdeführer nicht aus dem Bundesgebiet ausreisen, sodass ihm die finanziellen Mittel ausgingen. Daraufhin hat er sich über soziale Medien illegale Beschäftigungen bei Privatpersonen gesucht und sich in weiterer Folge den gefälschten slowakischen Personalausweis gekauft. Unter Verwendung der gefälschten Identität nahm der Beschwerdeführer für etwa zehn Tage eine Beschäftigung bei einem Unternehmen auf. Direkt bei der Ausübung von Schwarzarbeit wurde der Beschwerdeführer aber nicht betreten. Er erwirtschaftete mit seinen illegalen Beschäftigungen in Österreich rund EUR 1.500,00 (vgl Niederschrift Bundesamt vom 28.05.2020, AS 19 ff; Anzeige der LPD vom 27.05.2020, AS 1 ff; Sozialversicherungsdatenauszüge vom 27.05.2020, 02.07.2020 und 04.05.2021, wonach zumindest eine Sozialversicherungsnummer vergeben wurde).

Zum Zeitpunkt der Einvernahme vor dem Bundesamt am 28.05.2020 verfügte der Beschwerdeführer – nach Sicherheitsleistung von EUR 400,00 im Zuge seiner Festnahme – noch über EUR 104,00 an Bargeld und rund EUR 100,00 auf seinem Bankkonto. Diese Finanzmittel stammen aus seinen illegalen Beschäftigungen. Dem Beschwerdeführer stehen keine legalen Möglichkeiten zur Finanzierung seines Aufenthalts im Bundesgebiet zur Verfügung (vgl Niederschrift Bundesamt vom 28.05.2020, AS 20).

Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder, Sorge- oder finanzielle Verpflichtungen. Er ist gesund und arbeitsfähig, in Bosnien und Herzegowina geboren, aufgewachsen und hat dort acht Jahre eine Grundschule besucht und dann eine dreijährige Berufsschule zum Maschinenschlosser abgeschlossen. Er hat in Österreich keinerlei familiären Bindungen. In Bosnien und Herzegowina hingegen lebt er gemeinsam mit seiner Mutter und seinem Bruder in einem Einfamilienhaus. Auch seine Schwester lebt in Bosnien. Er hat nicht näher genannte familiäre Bindungen in Belgien. Ein Abhängigkeitsverhältnis konnte jedoch nicht festgestellt werden. Der Beschwerdeführer verfügt in Bosnien und Herzegowina über eine Kranken- und Unfallversicherung. Dass der Beschwerdeführer über maßgebliche Deutschkenntnisse oder private Bindungen in Österreich bzw. im Schengen-Raum verfügt, konnte nicht festgestellt werden. Sein Lebensmittelpunkt befindet sich in Bosnien und Herzegowina (vgl Beschuldigtenvernehmung LPD vom 27.05.2020, AS 83 f; Niederschrift Bundesamt vom 28.05.2020, AS 19 ff).

Der Beschwerdeführer reiste am 17.06.2020 unter Inanspruchnahme der Rückkehrhilfe freiwillig aus dem Bundesgebiet nach Bosnien und Herzegowina aus (vgl Ausreisebestätigung vom 19.06.2020).

2. Beweiswürdigung:

Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl sowie des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

Zur Person und zum Vorbringen der beschwerdeführenden Partei:

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität und zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers getroffen wurden, beruhen diese auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, denen in der gegenständlichen Beschwerde nicht entgegengetreten wurde.

Mangels echtem und gültigen Personaldokument steht die Identität des Beschwerdeführers jedoch nicht abschließend fest. Die Feststellung der Identität gilt ausschließlich für das gegenständliche Verfahren.

Das Bundesverwaltungsgericht nahm Einsicht in das Zentrale Melderegister, das Strafregister sowie das Schengener Informationssystem und die Sozialversicherungsdaten des Beschwerdeführers.

Entgegen den Feststellungen des Bundesamtes wurde der Beschwerdeführer nicht bei der Ausübung einer illegalen Erwerbstätigkeit direkt betreten, sondern er hat diese im Rahmen der durchgeführten fremdenpolizeilichen Kontrolle, neben dem Umstand, dass er sich einen gefälschten slowakischen Personalausweis besorgt und diesen im Rechtsverkehr auch verwendet hatte, eingestanden. Auch wenn der Beschwerdeführer im Ergebnis nicht bei der Ausübung einer unerlaubten Beschäftigung betreten wurde, so hat er dennoch eingestanden, dass er seinen Unterhalt im Bundesgebiet mit legalen Mitteln nicht sichern konnte. Diesbezüglich wurden auch keine Nachweise vorgelegt, wonach er mit der finanziellen Unterstützung seiner Angehörigen rechnen könnte.

Es waren daher die entsprechenden Feststellungen zu treffen.

Die übrigen Feststellungen ergeben sich aus den im Verwaltungs- bzw. Gerichtsakt einliegenden Beweismitteln und insbesondere den im gesamten Verfahren vom Beschwerdeführer gemachten eigenen Angaben, welche jeweils in Klammer zitiert und vom Beschwerdeführer zu keiner Zeit substantiiert bestritten wurden.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

Zu den Spruchpunkten I. bis V. des angefochtenen Bescheides:

Im gegenständlichen Fall wurde ausschließlich und ausdrücklich gegen das im angefochtenen Bescheid in Spruchpunkt VI. erlassene Einreiseverbot Beschwerde erhoben. Damit erwuchsen die Spruchpunkte I. bis V. in Rechtskraft.

Zu Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides (Einreiseverbot):

Der mit „Rückkehrentscheidung“ betitelte § 52 FPG lautet wie folgt:

„§ 52. (1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich
1.         nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder
2.         nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.

(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn
1.         dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,
2.         dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,
3.         ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder
4.         ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

(3) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn
1.         nachträglich ein Versagungsgrund gemäß § 60 AsylG 2005 oder § 11 Abs. 1 und 2 NAG eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels entgegengestanden wäre,
1a.         nachträglich ein Versagungsgrund eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Einreisetitels entgegengestanden wäre oder eine Voraussetzung gemäß § 31 Abs. 1 wegfällt, die für die erlaubte visumfreie Einreise oder den rechtmäßigen Aufenthalt erforderlich ist,
2.         ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht und im ersten Jahr seiner Niederlassung mehr als vier Monate keiner erlaubten unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,
3.         ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er länger als ein Jahr aber kürzer als fünf Jahre im Bundesgebiet niedergelassen ist und während der Dauer eines Jahres nahezu ununterbrochen keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,
4.         der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund (§ 11 Abs. 1 und 2 NAG) entgegensteht oder
5.         das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, aus Gründen, die ausschließlich vom Drittstaatsangehörigen zu vertreten sind, nicht rechtzeitig erfüllt wurde.

Werden der Behörde nach dem NAG Tatsachen bekannt, die eine Rückkehrentscheidung rechtfertigen, so ist diese verpflichtet dem Bundesamt diese unter Anschluss der relevanten Unterlagen mitzuteilen. Im Fall des Verlängerungsverfahrens gemäß § 24 NAG hat das Bundesamt nur all jene Umstände zu würdigen, die der Drittstaatsangehörige im Rahmen eines solchen Verfahrens bei der Behörde nach dem NAG bereits hätte nachweisen können und müssen.

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes auf Dauer rechtmäßig niedergelassen war und über einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“ verfügt, hat das Bundesamt eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 die Annahme rechtfertigen, dass dessen weiterer Aufenthalt eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde.

(6) Ist ein nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältiger Drittstaatsangehöriger im Besitz eines Aufenthaltstitels oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedstaates, hat er sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben. Dies hat der Drittstaatsangehörige nachzuweisen. Kommt er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach oder ist seine sofortige Ausreise aus dem Bundesgebiet aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich, ist eine Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 zu erlassen.

(7) Von der Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 ist abzusehen, wenn ein Fall des § 45 Abs. 1 vorliegt und ein Rückübernahmeabkommen mit jenem Mitgliedstaat besteht, in den der Drittstaatsangehörige zurückgeschoben werden soll.

(8) Die Rückkehrentscheidung wird im Fall des § 16 Abs. 4 BFA-VG oder mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland gemäß unionsrechtlichen oder bilateralen Rückübernahmeabkommen oder anderen Vereinbarungen oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde. Liegt ein Fall des § 55a vor, so wird die Rückkehrentscheidung mit dem Ablauf der Frist für die freiwillige Ausreise durchsetzbar. Im Falle einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist § 28 Abs. 2 Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 auch dann anzuwenden, wenn er sich zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält.

(9) Mit der Rückkehrentscheidung ist gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

(10) Die Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 kann auch über andere als in Abs. 9 festgestellte Staaten erfolgen.

(11) Der Umstand, dass in einem Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung deren Unzulässigkeit gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG festgestellt wurde, hindert nicht daran, im Rahmen eines weiteren Verfahrens zur Erlassung einer solchen Entscheidung neuerlich eine Abwägung gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG vorzunehmen, wenn der Fremde in der Zwischenzeit wieder ein Verhalten gesetzt hat, das die Erlassung einer Rückkehrentscheidung rechtfertigen würde.“

Der mit „Einreiseverbot“ betitelte § 53 FPG lautet wie folgt:

„§ 53. (1) Mit einer Rückkehrentscheidung kann vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.

(Anm.: Abs. 1a aufgehoben durch BGBl. I Nr. 68/2013)

(2) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots hat das Bundesamt das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige
1.         wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs. 2 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), BGBl. Nr. 159, iVm § 26 Abs. 3 des Führerscheingesetzes (FSG), BGBl. I Nr. 120/1997, gemäß § 99 Abs. 1, 1 a, 1 b oder 2 StVO, gemäß § 37 Abs. 3 oder 4 FSG, gemäß § 366 Abs. 1 Z 1 der Gewerbeordnung 1994 (GewO), BGBl. Nr. 194, in Bezug auf ein bewilligungspflichtiges, gebundenes Gewerbe, gemäß den §§ 81 oder 82 des SPG, gemäß den §§ 9 oder 14 iVm § 19 des Versammlungsgesetzes 1953, BGBl. Nr. 98, oder wegen einer Übertretung des Grenzkontrollgesetzes, des Meldegesetzes, des Gefahrengutbeförderungsgesetzes oder des Ausländerbeschäftigungsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist;
2.         wegen einer Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe von mindestens 1 000 Euro oder primären Freiheitsstrafe rechtskräftig bestraft wurde;
3.         wegen einer Übertretung dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist, sofern es sich dabei nicht um eine in Abs. 3 genannte Übertretung handelt;
4.         wegen vorsätzlich begangener Finanzvergehen oder wegen vorsätzlich begangener Zuwiderhandlungen gegen devisenrechtliche Vorschriften rechtskräftig bestraft worden ist;
5.         wegen eines Verstoßes gegen die Vorschriften, mit denen die Prostitution geregelt ist, rechtskräftig bestraft worden ist;
6.         den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag;
7.         bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem AuslBG nicht ausüben hätte dürfen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige hätte nach den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes für denselben Dienstgeber eine andere Beschäftigung ausüben dürfen und für die Beschäftigung, bei der der Drittstaatsangehörige betreten wurde, wäre keine Zweckänderung erforderlich oder eine Zweckänderung zulässig gewesen;
8.         eine Ehe geschlossen oder eine eingetragene Partnerschaft begründet hat und sich für die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, für den Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, für den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, zwecks Zugangs zum heimischen Arbeitsmarkt oder zur Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen auf diese Ehe oder eingetragene Partnerschaft berufen, aber mit dem Ehegatten oder eingetragenen Partner ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK nicht geführt hat oder
9.         an Kindes statt angenommen wurde und die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, der Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, der Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, der Zugang zum heimischen Arbeitsmarkt oder die Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen ausschließlicher oder vorwiegender Grund für die Annahme an Kindes statt war, er jedoch das Gericht über die wahren Verhältnisse zu den Wahleltern getäuscht hat.

(3) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Z 5 bis 9 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn
1.         ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten oder mindestens einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;
2.         ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht wegen einer innerhalb von drei Monaten nach der Einreise begangenen Vorsatztat rechtskräftig verurteilt worden ist;
3.         ein Drittstaatsangehöriger wegen Zuhälterei rechtskräftig verurteilt worden ist;
4.         ein Drittstaatsangehöriger wegen einer Wiederholungstat oder einer gerichtlich strafbaren Handlung im Sinne dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft oder verurteilt worden ist;
5.         ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;
6.         auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB) oder eine Person zur Begehung einer terroristischen Straftat anleitet oder angeleitet hat (§ 278f StGB);
7.         auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet;
8.         ein Drittstaatsangehöriger öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt oder
9.         der Drittstaatsangehörige ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung hat und im Hinblick auf deren bestehende Strukturen oder auf zu gewärtigende Entwicklungen in deren Umfeld extremistische oder terroristische Aktivitäten derselben nicht ausgeschlossen werden können, oder auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass er durch Verbreitung in Wort, Bild oder Schrift andere Personen oder Organisationen von seiner gegen die Wertvorstellungen eines europäischen demokratischen Staates und seiner Gesellschaft gerichteten Einstellung zu überzeugen versucht oder versucht hat oder auf andere Weise eine Person oder Organisation unterstützt, die die Verbreitung solchen Gedankengutes fördert oder gutheißt.

(4) Die Frist des Einreiseverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise des Drittstaatsangehörigen.

(5) Eine gemäß Abs. 3 maßgebliche Verurteilung liegt nicht vor, wenn sie bereits getilgt ist. § 73 StGB gilt.

(6) Einer Verurteilung nach Abs. 3 Z 1, 2 und 5 ist eine von einem Gericht veranlasste Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gleichzuhalten, wenn die Tat unter Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes begangen wurde, der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht.“

Der mit „Schutz des Privat- und Familienlebens“ betitelte § 9 BFA-VG lautet wie folgt:

„§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1.         die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2.         das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3.         die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4.         der Grad der Integration,
5.         die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6.         die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7.         Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8.         die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9.         die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(Anm.: Abs. 4 aufgehoben durch Art. 4 Z 5, BGBl. I Nr. 56/2018)

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt.“

Im konkreten Fall ergibt sich daraus:

Beim Erstellen der für ein Einreiseverbot zu treffenden Gefährdungsprognose ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die in § 53 Abs. 2 FrPolG 2005 idF FrÄG 2011 umschriebene Annahme gerechtfertigt ist. Bei dieser Beurteilung kommt es nicht auf die bloße Tatsache unter anderem von Bestrafungen nach den Verwaltungsgesetzen, sondern auf das diesen zugrundeliegende Fehlverhalten, die Art und Schwere der Verwaltungsübertretungen und das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild an. Dies gilt umso mehr, wenn sich der Fremde mit dem ihm zur Last gelegten Fehlverhalten selbst nicht strafbar (vgl. § 28 AuslBG) gemacht hat (VwGH 19.02.2013, 2012/18/0230).

Die Z 1 bis 9 in § 53 Abs. 2 FPG stellen einen Katalog dar, der demonstrativ Beurteilungskriterien für das Verhalten des Drittstaatsangehörigen aufstellt (VwGH vom 15.12.2011, 2011/21/0237; 26.06.2014, Ro 2014/21/0026).

Der VwGH hat bereits wiederholt festgehalten, dass Schwarzarbeit einen Verstoß gegen die öffentliche Ordnung darstelle (vgl. VwGH 04.09.1992, 92/18/0350) und ein großes Interesse an der Verhinderung derselben bestünde (vgl. VwGH 20.12.2013, 2013/21/0047). Letztlich führte der VwGH – unter Bezug auf seine eigene Judikatur –aus, dass die Erfüllung eines Tatbestandes nach § 53 Abs. 2 FPG indiziere, dass der (weitere) Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit nicht nur geringfügig gefährde, wobei diese Gefährdungsannahme beim Tatbestand des § 53 Abs. 2 Z 7 FPG auch bereits bei einmaliger Verwirklichung berechtigt sei (vgl. VwGH 24.05.2018, Ra 2017/19/0311).

Der Beschwerdeführer hat zugegeben, in Österreich verschiedenen unerlaubten Beschäftigungen nachgegangen zu sein und dafür ein Entgelt in Höhe von insgesamt rund EUR 1.500,00 erhalten zu haben. Der Beschwerdeführer wurde bei der Ausübung einer unerlaubten Beschäftigung nicht betreten, sodass der Tatbestand des § 53 Abs. 2 Z 7 FPG per se nicht erfüllt wurde. Dennoch ist vom Beschwerdeführer verübte Schwarzarbeit im Zuge der Gefährdungsprognose zu berücksichtigen, zumal der VwGH entsprechend der angeführten Judikatur auch die einmalige Ausübung von Schwarzarbeit die Annahme einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung begründet.

Weiters verfügte der Beschwerdeführer bei seiner Festnahme zwar über einen Bargeldbetrag in Höhe von etwas über EUR 500,00, jedoch stammte dieser ausschließlich aus der vom Beschwerdeführer verübten unerlaubten Beschäftigung. Zusätzliche EUR 100,00 befinden sich auf einem Bankkonto, dass der Beschwerdeführer mit seiner gefälschten slowakischen Identität eröffnet hat. Abgesehen von den Einkünften aus seiner illegalen Beschäftigung verfügte der Beschwerdeführer über keine nachweisbaren, legalen Einkünfte oder Unterstützung durch seine Familie. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass künftig keine Wiederholungsgefahr bestünde.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 60 Abs. 2 Z 7 FPG (vor Inkrafttreten des FrÄG 2011) hat der Fremde initiativ, untermauert durch Vorlage entsprechender Bescheinigungsmittel, nachzuweisen, dass sie nicht bloß über Mittel zur kurzfristigen Bestreitung ihres Unterhalts verfügt, sondern ihr Unterhalt für die beabsichtigte Dauer ihres Aufenthalts gesichert erscheint. Die Verpflichtung, die Herkunft der für den Unterhalt zur Verfügung stehenden Mittel nachzuweisen, besteht insoweit, als für die Behörde ersichtlich sein muss, dass der Fremde einen Rechtsanspruch darauf hat und die Mittel nicht aus illegalen Quellen stammen (vgl VwGH 13.09.2012, 2011/23/0156; 22.01.2013, 2012/18/0191).

Ein derartiges Vorbringen hinsichtlich der konkret beabsichtigten Dauer seines Aufenthaltes in der Europäischen Union bzw. dem Europäischen Wirtschaftsraum und der dabei geplanten Bestreitung seines Unterhaltes hat der Beschwerdeführer nicht erstattet und keine entsprechenden Bescheinigungsmittel vorgelegt, weshalb die belangte Behörde zutreffend vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 53 Abs. 2 Z 6 FPG ausgegangen ist.

Darüber hinaus muss gegenständlich auch noch berücksichtigt werden, dass sich der Beschwerdeführer ein gefälschtes Identitätsdokument beschaffte, damit eine Unionsbürgerschaft und einhergehend eine Berechtigung zum Aufenthalt im Bundesgebiet und zur Arbeitsaufnahme vortäuschte, dieses Personaldokument sowohl bei der Anmeldung eines Wohnsitzes, bei der Beschäftigungsaufnahme und auch bei der Eröffnung eines Bankkontos verwendete und sich schließlich im Zuge der fremdenpolizeilichen Kontrolle auch zuerst mit diesem Ausweis auswies. Auch wurden beim Beschwerdeführer Suchtmittel, nämlich drei Joints (Marihuana) sichergestellt. Wenngleich die Menge vermuten lässt, dass er sie tatsächlich zum Eigengebrauch besessen hat und seitens der Staatsanwaltschaft diesbezüglich von der Verfolgung vorläufig zurückgetreten wurde, so handelt es sich auch hierbei dennoch um eine grundsätzlich um eine strafbare Handlung.

Die genannten Umstände rechtfertigten deshalb nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes jedenfalls die Annahme, dass ein Verbleib des Beschwerdeführers im Bundesgebiet eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellt.

Bei Erlassung einer Rückkehrentscheidung ist unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 MRK ihre Verhältnismäßigkeit am Maßstab des § 9 BFA-VG 2014 zu prüfen. Nach dessen Abs. 1 ist nämlich (ua.) die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52FPG, wenn dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei Beurteilung dieser Frage ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG 2014 genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA-VG 2014 ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen. Das gilt aber nicht nur für die Rückkehrentscheidung und für das in § 9 Abs. 1 BFA-VG 2014 weiters ausdrücklich genannte Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG, sondern auch für das - nur bei gleichzeitiger Erlassung einer Rückkehrentscheidung zulässige - Einreiseverbot iSd § 53 FPG, in dessen Abs. 2 und 3 in Bezug auf die Bemessung der Dauer auch die Abwägung nach Art. 8 MRK angesprochen wird (VwGH 22.08.2019, Ra 2019/21/0062 mwN).

Der Beschwerdeführer hat zu Österreich keinerlei familiäre Bindungen. Maßgebliche familiäre Bindungen in Belgien wurden vom Beschwerdeführer nicht substantiiert vorgebracht. Seine Kernfamilie und sein Lebensmittelpunkt befinden sich in Bosnien und Herzegowina, wo der Beschwerdeführer auch aufgewachsen ist, die Schule absolvierte, einen Lehrberuf erlernte und wohin der Beschwerdeführer inzwischen auch zurückgekehrt ist. In Österreich ist der Beschwerdeführer bisher keiner legalen Beschäftigung nachgegangen und verfügt weder in Österreich noch einem sonstigen Mitgliedsstaat der Europäischen Union über eine Aufenthaltsberechtigung. Dass er über maßgebliche Deutschkenntnisse verfügt, konnte nicht festgestellt werden. Von einer maßgeblichen sozialen oder gesellschaftlichen Integration kann somit nicht ausgegangen werden. Der Beschwerdeführer hat somit kein maßgebliches privates oder familiäres Interesse an der Einreise in den Schengen-Raum.

Der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften kommt aus der Sicht des Schutzes der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein hoher Stellenwert zu (vgl VwGH vom 31.08.2006, 2006/21/0140), welches – ebenso wie das öffentliche Interesse eines geregelten Arbeitsmarktes – durch das Verhalten des Beschwerdeführers erheblich beeinträchtigt wurde. Allfällige, vom Beschwerdeführer jedoch nicht vorgebrachte, persönlichen Interessen haben daher kein solches Gewicht, das dem genannten öffentlichen Interesse auch nur gleichgehalten werden könnte.

Im Rahmen einer gewichtenden Abwägung zwischen der Schutzwürdigkeit des Privat- und Familienlebens des Beschwerdeführers und dem Interesse an der Wahrung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ist angesichts des Gesamtfehlverhaltens des Beschwerdeführers im Hinblick auf seinen im Ergebnis unrechtmäßigen Aufenthalt und die fehlenden Unterhaltsmittel, letzterem der Vorrang einzuräumen, zumal der Beschwerdeführer in Serbien sozial verankert ist. Die Erlassung eines Einreiseverbotes ist somit zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten.

Die Verhängung eines Einreiseverbotes von vier Jahren erscheint in Anbetracht der Tatsache, dass der Beschwerdeführer im Ergebnis sein Fehlverhalten nicht leugnete, freiwillig aus dem Bundesgebiet ausreiste und er erstmals im Bundesgebiet wegen eines unrechtmäßigen Aufenthalts betreten wurde, nicht geboten. Es konnte daher mit einer Befristung von 30 Monaten das Auslangen gefunden werden.

Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Der Sachverhalt ist im Gegenstand aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt, weshalb gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG eine mündliche Verhandlung unterbleiben konnte. Eine mündliche Verhandlung wurde seitens des Beschwerdeführers auch nicht beantragt.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Zulässigkeit eines Einreiseverbots sowie zur Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK ab, noch fehlt es dazu an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes noch ist diese Rechtsprechung als uneinheitlich zu beurteilen. Es liegen somit keine Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der gegenständlich zu lösenden Rechtsfragen vor.

Schlagworte

Einreiseverbot Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung Gefährdungsprognose Herabsetzung illegale Beschäftigung Mittellosigkeit Teilstattgebung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W285.2232012.1.00

Im RIS seit

30.08.2021

Zuletzt aktualisiert am

30.08.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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