TE Bvwg Erkenntnis 2021/5/4 W189 2187211-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.05.2021
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Entscheidungsdatum

04.05.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §54 Abs2
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §55 Abs1 Z2
AsylG 2005 §55 Abs2
AsylG 2005 §58 Abs1
AsylG 2005 §58 Abs11
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §58 Abs7
AsylG 2005 §8
AVG §13 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §52
IntG §9
VwGVG §17
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §31 Abs1
VwGVG §7 Abs2

Spruch


W189 2187211-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK

I. Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Mag. Irene RIEPL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Ukraine, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH - BBU, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.01.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 23.03.2021:

A)

Das Verfahren wird wegen Zurückziehung der Beschwerde hinsichtlich des Spruchpunktes I. und II. des angefochtenen Bescheides eingestellt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

II. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Irene RIEPL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Ukraine, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH - BBU, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.01.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 23.03.2021, zu Recht:

A)

Gemäß § 9 BFA-VG wird festgestellt, dass eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist, und gemäß §§ 54, 55 und 58 Abs. 1 AsylG 2005 wird XXXX der Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung“ für die Dauer von 12 Monaten erteilt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin (in der Folge: BF), eine Staatsangehörige der Ukraine, reiste im Jahr 2009 mit einem polnischen Visum legal in Österreich ein und hielt sich danach rechtswidrig im Bundesgebiet auf und ging einer illegalen Beschäftigung nach.

2. Am 20.05.2014 wurde die BF wegen rechtswidrigen Aufenthalts von der Polizei angehalten und dazu einvernommen. Bei der Zeugenvernehmung gab die BF unter anderem an, dass sie sich seit 5 Jahren in Österreich befinde, weil sie von ihrem Ex-Mann bedroht worden sei und deshalb ihr Heimatland verlassen habe. Sie sei am 24.04.2009 in XXXX angekommen. Sie habe sich dann Arbeit gesucht, habe als Erntehelferin in einem Glashaus und später als Haushaltskraft gearbeitet und lebe seit 4 Jahren als Untermieterin im XXXX . Zur Identitätsfeststellung der BF wurde ihr ukrainischer Reisepass, der bis 22.01.2019 gültig war, eingeholt. Am 21.05.2014 wurde die BF aus dem polizeilichen Gewahrsam entlassen.

3. Nach Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA) vom 21.10.2014, wonach die BF über eine geplante Rückkehrentscheidung mit Einreiseverbot informiert wurde, stellte sie am 19.11.2014 durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt einen schriftlichen Asylantrag.

Seit 08.07.2014 hat die BF ihren Hauptwohnsitz an der XXXX gemeldet.

4. Am 17.09.2015 stellte die BF einen mündlichen Asylantrag und wurde am 06.10.2015 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt. Zu den Fluchtgründen brachte sie vor, dass sie von ihrem Ex-Mann bedroht worden sei und er sie umbringen würde, falls sie in die Ukraine zurückkommen würde. Außerdem sei die Situation in der Ukraine derzeit unruhig und es gebe immer wieder Kampfhandlungen und Schießereien.

5. Am 05.10.2017 wurde die BF durch das BFA niederschriftlich einvernommen. Die BF gab im Wesentlichen an, dass sie seit dem Jahr 2001 geschieden sei und zwei volljährige Kinder habe, die in der Ukraine leben. Zudem seien ihre zwei Schwestern in der Ukraine aufhältig und es bestehe Kontakt über Skype. Sie sei am 24.04.2009 legal mit einem polnischen Schengenvisum eingereist. Um ihren Lebensunterhalt zu sichern, habe sie illegal gearbeitet. Seit der Asylantragstellung habe sie nicht mehr illegal gearbeitet und sie besuche einen Deutschkurs. Zu ihren Fluchtgründen befragt gab sie an, dass es in der Ukraine unruhig sei und sie ihr Ex-Mann bedroht habe. Er habe sie auch geschlagen und in der Arbeit aufgesucht. Genauer könne sie diese Erlebnisse nicht schildern, weil sie nicht in der Vergangenheit wühlen möchte.

Die BF legte mehrere medizinische Unterlagen und eine Teilnahmebestätigung in einer Deutschgruppe vor.

6. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des BFA vom 13.01.2018 (zugestellt am 26.01.2018) wurde der Antrag auf internationalen Schutz der BF bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und des Status der subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel gem. § 57 AsylG wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.), eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass die Abschiebung in die Ukraine zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist zur freiwilligen Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).

7. Mit Eingabe vom 21.02.2018 erhob die BF binnen offener Frist das Rechtsmittel der Beschwerde in vollem Umfang und monierte die inhaltliche Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie die Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die belangte Behörde sei ihrer Ermittlungspflicht nicht ausreichend nachgekommen und habe nicht die notwendigen Fragen zu Sachverhaltserhebungen gestellt. Die BF sei geflüchtet, weil ihr Ex-Mann sie wiederholt bedroht habe und gegenüber ihr auch mehrmals gewalttätig geworden sei. Daher sei der BF Asyl wegen der privaten Verfolgung aufgrund der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe zu gewähren. Für die BF bestehe auch keine IFA, denn ihr Ex-Mann würde sie in der ganzen Ukraine suchen. Darüber hinaus würde die BF auch in eine ausweglose finanzielle Lage geraten und deshalb sei der BF zumindest subsidiärer Schutz zuzuerkennen. Schließlich befinde sich die BF seit fast zehn Jahren durchgängig in Österreich und habe sich ihren Aufenthalt selbst finanziert, ohne einer Gebietskörperschaft zur Last zu fallen. Aufgrund der langjährigen Abwesenheit vom Heimatstaat könne nicht mehr von einer nennenswerten Bindung gesprochen werden. Insgesamt sei vor allem aufgrund der langen Aufenthaltsdauer in Österreich auszusprechen, dass eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist und sei ein Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG zu erlassen.

8. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 23.03.2021 eine öffentliche, mündliche Verhandlung unter Beiziehung einer geeigneten Dolmetscherin für die Sprache Russisch durch, an welcher die BF und ihre Rechtsberaterin als gewillkürte Vertreterin teilnahmen. Die BF wurde ausführlich zu ihrer Person und den Fluchtgründen befragt, und es wurde ihr Gelegenheit gegeben, die Fluchtgründe umfassend darzulegen sowie zu den im Rahmen der Verhandlung in das Verfahren eingeführten Länderberichten Stellung zu nehmen. Zur Integration der BF wurde eine Zeugin einvernommen. Die BF legte einen ärztlichen Entlassungsbericht, einen Arbeitsvorvertrag (Beilage ./1) und verschiedene Fotos vor (Beilage ./2). Im Zuge der mündlichen Verhandlung zog die BF ausdrücklich ihre Beschwerde gegen Spruchpunkt I. und II. des angefochtenen Bescheides zurück.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

1.1. Zur Person der BF

Die BF ist ukrainische Staatsangehörige, gehört der Volksgruppe der Ukrainer an und ist christlich-orthodoxen Glaubens. Die BF ist volljährig und im erwerbsfähigen Alter. Sie spricht Ukrainisch und Russisch. Sie hat zehn Jahre die Grundschule besucht, ist geschieden und hat zwei Kinder.

Die BF ist in XXXX Ukraine geboren und war dort 23 Jahre aufhältig. Danach lebte sie bis zu ihrer Ausreise im April 2009 mit ihren Kindern in XXXX . Sie hat zuletzt in der Ukraine als Köchin, Büglerin und Geschirrwäscherin gearbeitet. Die Eltern der BF sind bereits verstorben. In der Ukraine leben ihre zwei Kinder und zwei Schwestern. Ihre Tochter und ihr Sohn haben ebenfalls Kinder; ihr Sohn arbeitet in einer Geldwechselstube. Sie steht mit ihren Familienmitgliedern über Facebook oder per Telefon in Kontakt.

Die BF ist bis auf im Jahr 2018 operativ entfernten Lipomen gesund und steht aktuell nicht in ärztlicher Behandlung.

Die BF ist strafrechtlich unbescholten.

1.2. Zur Situation der BF in Österreich

Die BF reiste am 24.04.2009 mit einem polnischen Visum nach Österreich und befindet sich seither – seit knapp 12 Jahren – im Bundesgebiet. Sie ist seit Juli 2014 durchgehend an der Adresse XXXX gemeldet und lebte auch die fünf Jahre zuvor ohne Meldung an dieser Adresse. Am 20.05.2015 wurde die BF wegen rechtswidrigen Aufenthalts von der Polizei angehalten und am 17.09.2015 stellte sie einen Antrag auf internationalen Schutz. Sie bezieht seit Asylantragstellung bis dato Leistungen aus der Grundversorgung und ist aktuell nicht selbsterhaltungsfähig. Von 2009 bis 2015 hat sich die BF ihren Lebensunterhalt mit illegaler Erwerbstätigkeit als Erntehelferin oder auch als Haushaltshilfe gesichert. Die BF verfügt über einen Arbeitsvorvertrag für eine Vollzeitbeschäftigung als Reinigungskraft von der XXXX .

Die BF besuchte im Jahr 2017 eine Deutschgruppe im XXXX . Sie absolvierte noch keine Deutschprüfung und besuchte auch keinen weiteren Deutschkurs. Sie ist fähig, Lebenssituationen in deutscher Sprache zu bewältigen und versteht die an sie gerichteten Fragen in Deutsch, kann aber in einem noch sehr ausbaufähigen grammatikalisch noch schlechten Deutsch antworten.

Die BF ist ledig und lebt in einer Wohngemeinschaft mit einem Ukrainer. Sie hat keinen Lebenspartner. Sie pflegt eine freundschaftliche Beziehung zu der Zeugin XXXX und deren erweiterten Familienkreis (Ex-Mann, Kinder und Enkelkinder der Zeugin), die sie bereits seit 2009 kennt. Ihr soziales Umfeld begrenzt sich hauptsächlich auf die Familien von XXXX ; sie ist bei Familienfeiern dabei oder geht mit dem Hund spazieren oder unterstützt ihre Freundin bei Krankheit oder im Alltag. Umgekehrt wird die BF auch von ihrer Freundin unterstützt, die sie zum Beispiel zu Arztbesuchen begleitet. Darüber hinaus bestehen keine weiteren, familiären oder sonstig verwandtschaftlichen bzw. familienähnlichen sozialen Bindungen im Bundesgebiet.

Im Übrigen übt die BF keine ehrenamtlichen Tätigkeiten aus und ist nicht Mitglied in einem Verein, einer religiösen Gruppe oder einer sonstigen Organisation. Die BF wäre aber bereit gemeinnützige Hilfeleistungen zu verrichten.

Es bestehen keine weiteren, substantiellen Anknüpfungspunkte im Bereich des Privatlebens in Österreich.

Die BF zog in der mündlichen Verhandlung und in Absprache mit ihrer Rechtsberaterin die Beschwerde zu Spruchpunkt I. und II. des angefochtenen Bescheides explizit zurück.

2. Beweiswürdigung

2.1. Zur Person der BF

Die Identität der BF steht aufgrund des vorgelegten ukrainischen Auslandsreisepasses fest (AS 9-10, 32). Die Feststellungen zur Staats-, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit der BF gründen sich im Übrigen auf ihre gleichbleibenden und insoweit glaubhaften Angaben in den bisherigen Befragungen (AS 21, 55) sowie in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht bzw. ihren Kenntnissen der russischen Sprache (AS 3, 51; Niederschrift der mündlichen Verhandlung (in der Folge: NSV), S. 3). Dass die BF darüber hinaus auch Ukrainisch spricht, wurde ebenso glaubhaft von ihr vorgebracht (AS 21; NSV S.3). Die Volljährigkeit ergibt sich aus der Aktenlage und die Feststellung zum erwerbsfähigen Alter aus der Tatsache, dass die BF 53 Jahre alt ist. Die Feststellungen über ihren Schulbesuch, ihrer Scheidung und über ihre Kinder ergeben sich ebenso aus ihren glaubhaften Angaben im behördlichen und gerichtlichen Verfahren (AS 21, 23, 55; NSV S. 4).

Die Feststellungen zu ihrem Lebenslauf (Geburts- und Wohnort, Erwerbstätigkeit) gründen auf den übereinstimmenden und im Wesentlichen gleichbleibenden Angaben der BF im gesamten Verfahren (AS 23, 55-56; NSV S. 5); diese stehen auch im Einklang mit den Angaben bei der Zeugenvernehmung vor der LPD Wien im Rahmen der Anhaltung wegen rechtswidrigen Aufenthalts (AS 4-5).

Dass die Eltern bereits verstorben sind und die Feststellungen zu den sonstigen Familienangehörigen basieren ebenfalls auf den glaubhaften Angaben der BF im behördlichen und gerichtlichen Verfahren (AS 55-56; NSV S. 4). Die BF gab auch in der mündlichen Verhandlung an, dass sie täglich mit ihrer Tochter und seltener auch mit ihrem Sohn und ihren Schwestern in Kontakt stehe.

Dass die BF bis auf im Jahr 2018 operativ entfernten Lipomen gesund ist und aktuell nicht in ärztlicher Behandlung stehe, folgt aus ihren glaubhaften Angaben in der mündlichen Verhandlung (NSV S. 3) und steht in Einklang mit den vorgelegten medizinischen Unterlagen (AS 51, insbesondere dem ärztlichen Entlassungsbericht der Chirurgischen Abteilung des Franziskus Spitals vom 10.08.2018 (Beilage ./1).

Die Feststellung, dass die BF strafrechtlich unbescholten ist, beruht auf einem aktuellen Strafregisterauszug.

2.2. Zur Situation der BF in Österreich

Dass die BF bereits am 24.04.2009 nach Österreich reiste basiert einerseits auf die diesbezüglichen gleichbleibenden Angaben der BF in den Befragungen (AS 6, 24, 56). Zudem ist auf der Kopie des ukrainischen Auslandsreisepasses der BF zwei Ein- oder Ausreisestempel erkennbar und einer davon ist ebenfalls mit dem 24.04.2009 datiert. Dies stimmt mit der Aussage der BF in der mündlichen Verhandlung überein, dass sie mit ihrem Pass eingereist und dieser an beiden Grenzen abgestempelt worden sei (NSV S. 5-6). Die durchgehende Meldung der BF seit Juli 2014 an der Adresse in XXXX ergibt sich aus einem aktuellen ZMR-Auszug. Dass sie auch zuvor an der selben Adresse wohnhaft war, ergibt sich aus den glaubhaften Angaben der BF im behördlichen und gerichtlichen Verfahren (AS 56, NSV S. 5).

Die Feststellung über die polizeiliche Anhaltung wegen rechtswidrigen Aufenthalts und der Antragstellung auf internationalen Schutz ergibt sich aus dem unbestrittenen Akteninhalt.

Die Feststellung, dass die BF seit 2016 Leistungen aus der Grundversorgung bezieht, ergibt sich aus dem eingeholten Grundversorgungsauszug. Dass die BF von 2009 bis 2015 ihren Lebensunterhalt mit illegaler Erwerbstätigkeit („Schwarzarbeit“) finanzierte, gab sie gleichbleibend vor der Polizei, der Behörde und in der mündlichen Verhandlung an (AS 6, 57, NSV S. 5-6). Dass die BF über eine Arbeitszusage verfügt, belegt der bei der mündlichen Verhandlung vorgelegte Vorvertrag für eine Vollzeitarbeitsstelle als Reinigungskraft mit einem monatlichen Bruttogehalt von € 1.200,- (14 mal) von der XXXX (NSV Beilage ./1).

Die Feststellungen zu den Deutschkenntnissen der BF ist Folge ihrer Aussage in der mündlichen Verhandlung (NSV S. 11) sowie ihrer Vorlage einer Teilnahmebestätigung von der Deutschgruppe im XXXX (AS 53). Dass die BF grundlegende Deutschkenntnisse hat, bestätigte auch die Rechtsberaterin in der Verhandlung, die angab, dass sie die Verhandlungsvorbereitung per Telefon mit der BF auf Deutsch gemacht habe.

Die Feststellungen über das soziale Umfeld der BF in Österreich folgen aus der glaubhaften Aussage der BF (NSV S. 8, 9 und 11) sowie der Zeugenaussage von XXXX in der mündlichen Verhandlung (NSV S. 8-19). Außerdem legte die BF verschiedene Fotos von Familienfeiern (Weihnachten, Geburtstage) vor, auf welchen die BF immer im Kreise von vielen Personen fotografiert wurde (NSV Beilage ./2). Dass die BF ledig ist, keinen Lebenspartner hat und in einer Wohngemeinschaft lebt, ergibt sich ebenfalls aus ihrer glaubhaften Aussage in der mündlichen Verhandlung (NSV S. 5).

Dass die BF im Übrigen derzeit keinen ehrenamtlichen Tätigkeiten nachgeht und nicht Mitglied in einem Verein, einer religiösen Gruppe oder einer sonstigen Organisation ist sowie keine weiteren substantiellen Anknüpfungspunkte im Bereich des Privatlebens bestehen, folgt aus der Aussage der BF in der mündlichen Verhandlung. Dabei konnte die BF glaubhaft darlegen, dass sie gerne arbeitet und auch bereit ist gemeinnützige Hilfeleistungen zu verrichten (NSV S. 12).

Die Feststellungen zur Zurückziehung der Beschwerde zu Spruchpunkt I. und II. des angefochtenen Bescheides ergibt sich ebenfalls explizit aus der mündlichen Verhandlung (NSV S. 8).

3. Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. A)

3.1. Zur Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides

§ 7 Abs. 2 VwGVG normiert, dass eine Beschwerde nicht mehr zulässig ist, wenn die Partei nach Zustellung oder Verkündung des Bescheides ausdrücklich auf die Beschwerde verzichtet hat. Eine Zurückziehung der Beschwerde durch die BF ist in jeder Lage des Verfahrens ab Einbringung der Beschwerde bis zur Erlassung der Entscheidung möglich (Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, § 7 VwGVG, K 6). Dasselbe folgt sinngemäß aus § 17 VwGVG iVm § 13 Abs. 7 AVG.

Die Annahme, eine Partei ziehe die von ihr erhobene Beschwerde zurück, ist nur dann zulässig, wenn die entsprechende Erklärung keinen Zweifel daran offen lässt. Maßgebend ist daher das Vorliegen einer in dieser Richtung eindeutigen Erklärung (vgl. zB VwGH 22.11.2005, 2005/05/0320 uvm. zur insofern auf die Rechtslage nach dem VwGVG übertragbaren Judikatur zum AVG).

Eine solche Erklärung lag im gegenständlichen Fall zweifelsfrei vor; die BF hat die Zurückziehung der Beschwerde gegen die Spruchpunkt I. und II. des angefochtenen Bescheides in der mündlichen Verhandlung nach Belehrung durch ihre Rechtsberaterin als gewillkürte Vertreterin eindeutig zum Ausdruck gebracht.

Gem. § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder einzustellen ist.

Da die BF die Beschwerde gegen die Spruchpunkt I. und II. zurückgezogen hat, war das Beschwerdeverfahren insoweit gem. § 28 Abs. 1 iVm § 31 Abs. 1 VwGVG einzustellen.

Zu Spruchpunkt II. A)

3.2. Zur Beschwerde gegen die Spruchpunkte III. bis VI. des angefochtenen Bescheides

3.2.1. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird.

Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist gemäß § 57 Abs. 1 AsylG 2005 von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zu erteilen, wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt (Z 1), wenn dies zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel notwendig ist (Z 2) oder wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist (Z 3).

Der Aufenthalt der BF im Bundesgebiet ist nicht im Sinne der soeben dargelegten Bestimmung geduldet bzw. zur Gewährleistung einer Strafverfolgung erforderlich. Sie ist nicht Zeuge oder Opfer von strafbaren Handlungen und auch kein Opfer von Gewalt. Die Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 liegen daher nicht vor und wurden weder im Verfahren noch in der Beschwerde behauptet.

3.2.2. Gemäß § 52 Abs. 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

Die BF ist als Staatsangehörige der Ukraine keine begünstigte Drittstaatsangehörige und es kommt ihr kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu, weil mit der erfolgten Verfahrenseinstellung ihres Antrags auf internationalen Schutz das Aufenthaltsrecht nach § 13 AsylG 2005 mit der Erlassung dieser Entscheidung endet. Gegenteiliges wurde von der BF auch nicht vorgebracht.

3.2.3. Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG insbesondere zu berücksichtigen: die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war (Z 1), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (Z 2), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens (Z 3), der Grad der Integration (Z 4), die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden (Z 5), die strafgerichtliche Unbescholtenheit (Z 6), Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts (Z 7), die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (Z 8) und die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (Z 9).

Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff NAG) verfügen, unzulässig wäre.

Nach Art 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff in die Ausübung des Rechts auf Privat- und Familienleben nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutze der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Der Begriff des „Familienlebens“ in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität aufweisen, etwa wenn ein gemeinsamer Haushalt vorliegt.

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Ausweisung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden schwerer wiegen würden, als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

Bei dieser Interessenabwägung sind - wie in § 9 Abs. 2 BFA-VG unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird - insbesondere die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration des Fremden, die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren sowie die Frage zu berücksichtigen, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (vgl. VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479).

Nach ständiger Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts kommt dem öffentlichen Interesse aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSd Art 8 Abs. 2 EMRK ein hoher Stellenwert zu. Der Verfassungsgerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof haben in ihrer Judikatur ein öffentliches Interesse in dem Sinne bejaht, als eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragsstellung im Inland aufhalten durften, verhindert werden soll (VwGH vom 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479).

Die BF hat keine Verwandten oder sonstigen nahen Angehörigen in Österreich. Die Rückkehrentscheidung bildet daher keinen unzulässigen Eingriff in das Recht der BF auf Schutz des Familienlebens.

Unter dem Privatleben sind nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. EGMR 16.6.2005, Fall Sisojeva ua, Appl 60.654/00, EuGRZ 2006, 554). In diesem Zusammenhang kommt dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.

Bei der Beurteilung der Frage, ob die BF in Österreich über ein schützenswertes Privatleben verfügt, spielt die zeitliche Komponente eine zentrale Rolle, da - abseits familiärer Umstände - eine von Art. 8 EMRK geschützte Integration erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen ist (vgl. Thym, EuGRZ 2006, 541). Einem inländischen Aufenthalt von weniger als fünf Jahren kommt für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung hinsichtlich der durchzuführenden Interessenabwägung zu (VwGH 15.03.2016, Ra 2016/19/0031). Im Unterschied dazu kann nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ein über zehnjähriger inländischer Aufenthalt den persönlichen Interessen eines Fremden am Verbleib im Bundesgebiet – unter Bedachtnahme auf die jeweils im Einzelfall zu beurteilenden Umstände – ein großes Gewicht verleihen (vgl. VwGH 10.05.2011, 2011/18/0100; mwN). Bei einem mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt des Fremden ist regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen. Nur dann, wenn der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit überhaupt nicht genützt hat, um sich sozial und beruflich zu integrieren, wurden etwa Aufenthaltsbeendigungen ausnahmsweise auch nach so langem Inlandsaufenthalt noch für verhältnismäßig angesehen (Vgl. VwGH 10.12.2013, 2012/22/0129; 23.02.2017, Ra 2016/21/0340; mwN). Diese Rechtsprechungslinie betrifft aber nur Konstellationen, in denen der Inlandsaufenthalt bereits über zehn Jahre dauerte und sich aus dem Verhalten des Fremden - abgesehen vom unrechtmäßigen Verbleib in Österreich - sonst keine Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit ergab (VwGH 25.04.2014, Ro 2014/21/0054; 10.11.2015, Ro 2015/19/0001; 10.09.2018, Ra 2018/19/0169).

Die BF ist seit knapp 12 Jahren in Österreich wohnhaft und reiste legal mit einem Schengenvisum ein und hielt sich danach ca. 6,5 Jahre unrechtmäßig im Bundesgebiet auf. In dieser Zeit finanzierte sie sich ihren Lebensunterhalt mit „Schwarzarbeit“ als Erntehelferin und zu einem großen Teil als Haushälterin bei verschiedenen Familien. Sie lebt in einem Zimmer in einer Mietwohnung gemeinsam mit ihrem Mitbewohner. Seit September 2015 hält sie sich rechtmäßig aufgrund der Antragstellung auf internationalen Schutz auf. Sohin ebenfalls weitere 5,5 Jahre. Sie ging danach keiner illegalen Erwerbstätigkeit nach und bezieht seit 2016 bis dato Leistungen aus der Grundversorgung. Dennoch verfolgt sie das Ziel selbsterhaltungsfähig zu sein und verfügt über einen Vorvertrag für eine Vollzeitanstellung als Reinigungskraft mit einem Bruttogehalt von € 1.200,- (14 mal). Mit dem in Aussicht stehenden Dienstverhältnis ist davon auszugehen, dass die BF in Zukunft fähig sein wird, selbst für ihren Unterhalt aufzukommen. Während des Aufenthalts in Österreich hat sie auch Bemühungen gezeigt, sich sozial und sprachlich zu integrieren. In der mündlichen Verhandlung konnten anfängliche Deutschkenntnisse festgestellt werden und die BF ist zumindest fähig, Lebenssituationen in deutscher Sprache zu bewältigen und versteht die an sie gerichteten Fragen in Deutsch, kann aber in einem noch sehr ausbaufähigen grammatikalisch noch schlechten Deutsch antworten. Hierbei ist auch anzumerken, dass die BF bis auf eine Teilnahmebestätigung für eine Deutschgruppe, keine weiteren Deutschkursbestätigungen oder Deutschzertifikate vorweisen konnte. Positiv zu erwähnen ist, dass sich die BF ein soziales Umfeld mit FreundInnen und Bekannte in Österreich aufbaute. Insbesondere führt sie eine enge freundschaftliche Beziehung zu der Zeugin und deren Familien, mit der sie auch gemeinsam Weihnachten und die Geburtstage der Familienmitglieder feiert. Ihre Freundin XXXX kennt sie ebenfalls seit 2009. Die BF nimmt zwar keine ehrenamtlichen Tätigkeiten wahr und ist nicht Mitglied ein einem Verein oder sonstigen Organisation, jedoch konnte sie in der mündlichen Verhandlung glaubhaft darlegen, dass sie gerne arbeitet und auch bereit ist gemeinnützige Hilfeleistungen zu verrichten. Ihre Integration kann aus diesen Gründen im Vergleich mit anderen Fällen, insbesondere aufgrund der erst anfänglichen Deutschkenntnisse nicht als außergewöhnlich betrachtet werden, aber ist ihre soziale Integration und das in Aussicht gestellte Dienstverhältnis und die Unbescholtenheit der BF hervorzuheben und besteht auch noch ein Steigerungspotenzial.

In der Ukraine bestehen mit ihrer Familie (Kinder, Schwestern) noch weiterhin Bindungen. Obgleich die BF dennoch den Großteil ihres Lebens in der Ukraine verbracht hat, mit Ukrainisch und Russisch zwei Landessprachen beherrscht und mit den dortigen Gepflogenheiten vertraut ist, sind ihre Bindungen durch die mittlerweile fast zwölfjährige Abwesenheit aus ihrer Heimat und den sozialen Verwurzelungen in Österreich, geschmälert.

Des weiteren ist festzuhalten, dass die Verfahrensdauer der BF nicht angelastet werden kann, zumal sie keine verfahrensverzögernden Handlungen setzte (vgl. VfGH 03.10.2013, U 477/2013; VfGH vom 21.02.2014, U 2552/2013; VfGH 06.06.2014, U 145/2014).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nehmen die persönlichen Interessen des Fremden an seinem Verbleib in Österreich grundsätzlich mit der Dauer seines bisherigen Aufenthalts zu. Die Aufenthaltsdauer von knapp 12 Jahren erreicht zudem im Sinne der obzitierten Judikatur bereits jenen Zeitraum, dem regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen ist und daher die Interessen der BF entsprechend verstärkt, was in die Abwägungen entsprechend miteinzubeziehen ist und entsprechend von Fällen mit kürzerer Aufenthaltsdauer zu unterscheiden ist.

Die BF ist strafrechtlich unbescholten.

Wenn auch zu berücksichtigen ist, dass der Aufenthaltsstatus der BF in Österreich bislang unsicher war sowie zu Beginn rechtswidrig war, ist dem doch zu entgegnen, dass – wie bereits ausgeführt –die BF nichtsdestotrotz seit knapp 12 Jahre in Österreich aufhältig ist und in dieser Zeit soziale, sprachliche und berufliche Integrationsschritte setzte sowie die Verfahrensdauer bereits fünf Jahre überschreitet und somit gleichfalls zugunsten der BF miteinzubeziehen ist.

Da somit das Interesse an der Aufrechterhaltung insbesondere des Privatlebens der BF im konkreten Fall die in Art. 8 Abs. 2 EMRK angeführten öffentlichen Interessen überwiegt, war in Erledigung der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid die Rückkehrentscheidung für dauerhaft unzulässig zu erklären.

Es wird nicht verkannt, dass dem Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, insbesondere der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften grundsätzlich ein hoher Stellenwert zukommt, doch überwiegen nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts in diesem vorliegenden Fall die privaten Interessen der BF angesichts der erwähnten knapp 12-jährigen Aufenthaltsdauer in ihrer Gesamtheit die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung zugunsten eines geordneten Fremdenwesens. Eine Rückkehrentscheidung gegen die BF würde sich daher zum maßgeblichen aktuellen Entscheidungszeitpunkt als unverhältnismäßig im Sinne von Art. 8 Abs. 2 EMRK erweisen.

Das Bundesverwaltungsgericht kommt daher aufgrund der vorgenommenen Interessenabwägung unter Berücksichtigung der genannten besonderen Umstände dieses Beschwerdefalles zu dem Ergebnis, dass eine Rückkehrentscheidung gegen die BF unzulässig ist. Des Weiteren ist davon auszugehen, dass die drohende Verletzung des Privat- Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend, sondern auf Dauer sind und es ist daher gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG festzustellen, dass die Rückkehrentscheidung gegen die BF auf Dauer unzulässig ist.

3.2.4. Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ zu erteilen, wenn dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist (Z 1) und der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 IntG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 ASVG) erreicht wird (Z 2). Liegt nur die Voraussetzung des § 55 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 vor, ist gemäß Abs. 2 eine „Aufenthaltsberechtigung“ zu erteilen.

Dass die Erteilung jedenfalls zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens der BF iSd Art. 8 EMRK geboten ist, ergibt sich bereits aus der rechtlichen Beurteilung zur ersatzlosen Behebung der Rückkehrentscheidung und dem Ausspruch, dass diese auf Dauer unzulässig ist (vgl. dazu die Ausführungen unter Punkt II.3.2.3.).

Im gegenständlichen Fall hat die BF jedoch keinen entsprechenden Nachweis über die Absolvierung einer Integrations-und Deutschprüfung vorgelegt und erfüllt sohin nicht das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 IntG. Auch übt sie angesichts des Umstandes, dass sie zum Entscheidungszeitpunkt Leistungen aus der Grundversorgung bezieht, keine legale Erwerbstätigkeit aus, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze iSd § 5 Abs. 2 ASVG erreicht wird.

Da die BF somit keine der beiden Alternativvoraussetzungen des § 55 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 erfüllt, ist ihr gemäß § 55 Abs. 2 AsylG 2005 eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen. Der Aufenthaltstitel ist gemäß § 54 Abs. 2 AsylG 2005 auf die Dauer von zwölf Monaten, beginnend mit dem Ausstellungsdatum, auszustellen und ist nicht verlängerbar. Die belangte Behörde hat diesen Aufenthaltstitel gemäß § 58 Abs. 7 AsylG 2005 auszufolgen und die BF hat daran gemäß § 58 Abs. 11 AsylG 2005 mitzuwirken.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt I. und II. B) wegen Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Es liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Im gegenständlichen Fall konnte sich daher das Bundesverwaltungsgericht auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Asylverfahren Aufenthaltsberechtigung Aufenthaltstitel Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK befristete Aufenthaltsberechtigung Beschwerdeverzicht Beschwerdezurückziehung Einstellung Einstellung des (Beschwerde) Verfahrens Integration Integrationsvereinbarung Interessenabwägung mündliche Verhandlung mündliche Verkündung öffentliche Interessen Privat- und Familienleben private Interessen Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig schriftliche Ausfertigung subsidiärer Schutz Verfahrenseinstellung Zurückziehung Zurückziehung der Beschwerde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W189.2187211.1.00

Im RIS seit

31.08.2021

Zuletzt aktualisiert am

31.08.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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