TE Bvwg Erkenntnis 2021/5/7 W159 2217555-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.05.2021
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Entscheidungsdatum

07.05.2021

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §54 Abs2
AsylG 2005 §55 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs5

Spruch


W159 2217555-1/16E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Clemens KUZMINSKI als Einzelrichter über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörige von Serbien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.03.2019, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 09.02.2021 zu Recht erkannt:

A)

I.

Die Beschwerde zu den Spruchpunkten I. bis III. wird gemäß § 3 Abs. 1, 8 Abs.1 und 57 AsylG abgewiesen.

II.

Der Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunkte IV. bis VI. wird stattgegeben und diese ersatzlos behoben.

III.

Gemäß § 9 BFA-VG wird festgestellt, dass eine Rückkehrentscheidung von XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörige von Serbien, auf Dauer unzulässig ist und XXXX eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ gemäß § 55 Abs. 1 und 56 Abs. 2 AsylG 2005 idgF erteilt wird.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin, eine serbische Staatsbürgerin und Angehörige der Volksgruppe der Roma, wurde am XXXX in XXXX geboren, verbrachte die ersten sieben Jahre in Österreich, war dann wieder in Serbien, teilweise auch mit ihrer Mutter in der Slowakei, teilweise pendelte sie auch zwischen Österreich und Serbien hin und her. Am 21.11.2018 stellte sie (gemeinsam mit ihren Eltern) den Antrag auf internationalen Schutz. Sie wurde dazu noch am gleichen Tag von der Landespolizeidirektion XXXX , einer Erstbefragung unterzogen. Zu den Fluchtgründen gab sie an, dass ihr Vater Obmann der XXXX Partei und im serbischen Parlament vertreten sei. Aufgrund seiner politischen Aktivitäten sei es in den letzten Jahren immer wieder zu Zwischenfällen gekommen, wobei auch ihr Wohnhaus verwüstet worden sei. Da ihr Vater Angst um sein Leben, aber auch seiner Familie hatte, hätten sie beschlossen, hier um Asyl anzusuchen. Auch ihre Gesundheit sei angegriffen. Sie habe auch in ihrer Heimat keine Familienangehörigen mehr.

Nach Zulassung zum Asylverfahren erfolgte am 31.01.2019 eine niederschriftliche Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Außenstelle Wien. Die Beschwerdeführerin gab an, dass sie am XXXX in XXXX geboren sei. Sie habe einen serbischen Reisepass. Zuletzt habe sie in XXXX gelebt, mit ihren Eltern und ihrer Schwester. Sie gehöre der Volksgruppe der Roma an und sei serbisch-orthodox. Sie spreche Serbisch, Deutsch, Englisch, Slowakisch und Romanes. Sie habe eine Baufachschule in XXXX abgeschlossen und dann an der Kunstuniversität in XXXX Innenarchitektur studiert und mit dem Bachelor abgeschlossen. Anschließend habe sie ein Jahr lang in einem Architekturbüro gearbeitet. Hier in Österreich lebe ihre Großmutter, ihr Onkel, ihre Schwester XXXX , welche glaublich über eine Rot-Weiß-Rot-Karte verfüge, nur die Kinder des Bruders ihres Großvaters würden noch in Serbien leben. Sie sei nicht verheiratet und habe keine Kinder. Sie sei glaublich Anfang 2017 legal mit dem Reisepass eingereist. Sie führe ein Familienleben mit ihren Eltern und ihrer Schwester und würde auch derzeit von den Ersparnissen ihrer Familie leben. Sie sei nicht in Grundversorgung. Auch ihre Großmutter unterstütze sie. Sie habe auch eine österreichische Freundin, mit der sie öfters ins Theater oder ins Kino gehe. Sie hätte auch bei der XXXX gerne Freiwilligenarbeit verrichtet, aber dies sei nicht möglich gewesen. In Serbien habe sie Probleme mit dem Gericht gehabt, weil sie in der Wahlkampagne ihres Vaters mitgearbeitet habe. Sie habe aber kein politisches Mandat angestrebt. Ihr sei vorgeworfen worden, dass sie Stempel auf Unterstützungslisten gefälscht habe. Es sei daraufhin ein Sachverständiger bestellt worden, um herauszufinden, ob dieser Stempel gefälscht worden sei. Dieser habe dies jedoch auch nicht feststellen können. Trotzdem hätten sie eine Anklage gegen sie eingeleitet, obwohl es nur ihre Aufgabe gewesen sei, die eingelangten Unterschriften in elektronischer Form in eine Excel-Tabelle einzutragen. Sie habe dann einen Rechtsanwalt namens XXXX engagiert. Dieser habe vom Gericht die Information bekommen, dass sie verstorben sei. Sie habe von sich aus das Gericht kontaktiert und gesagt, dass sie lebe. Daraufhin sei sie zur Fahndung ausgeschrieben worden. Sie habe auch keinen Strafregisterauszug bekommen. Bei ihnen im Haus sei viermal eingebrochen worden. Während ihrer Schulausbildung sei sie provoziert worden, weil sie eine Roma sei. Das Haus der Familie sei auch nicht mehr sicher gewesen. Es sei mit Öl beschmiert worden und habe sie dann im Haus ihrer Großmutter übernachtet. Weitere Fluchtgründe habe sie nicht. Die Vorfälle hätten sich vor und nach der Wahl 2016 ereignet. Sie habe auch in den Nachrichten gehört, dass gegen sie eine Anzeige erstattet worden sei. Die Zeitschrift XXXX habe auch darüber berichtet. Sie sei auch zu Gericht gegangen und habe eine Aussage gemacht. Sie glaube, es sei Anfang 2017 gewesen. Ein Urteil liege noch immer nicht vor. Durch die jahrelangen Prozesse habe sie gesundheitlichen Schaden davongetragen. Sie habe eine Entzündung der Bauchspeicheldrüse. Es sei auch ein Stent in den Gallengang eingebaut worden und sei die Galle herausoperiert worden. Über Vorhalt, dass ihr ein rechtsstaatlicher Weg in Serbien offenstehe, gab sie an, dass aufgrund der vielen Prozesse ihres Vaters und der Anklage gegen sie und der Verweigerung ihr einen Strafregisterauszug auszustellen, sie der Meinung sei, dass sie ihrer Rechte in Serbien beraubt sei. Sie habe weder den Ombudsmann aufgesucht noch sei sie jemals strafgerichtlich verurteilt worden. Wenn sie in ihren Herkunftsstaat zurückkehren würde, würde sie jedoch nichts Gutes erwarten. Sie würde für etwas verurteilt werden, das sie nicht angestellt habe. In das alte Haus könne sie nicht einziehen, weil es nicht sicher sei. Die Angriffe gegen ihre Familie würden sich fortsetzen. Die Drohungen wurden gegen die gesamte Familie ausgesprochen.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.03.2019, Zl. XXXX wurde unter Spruchteil I. der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen, unter Spruchpunkt II. dieser Antrag auf hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Serbien abgewiesen, unter Spruchpunkt III. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, unter Spruchpunkt IV. eine Rückkehrentscheidung erlassen, unter Spruchpunkt V. festgestellt, dass die Abschiebung nach Serbien zulässig sei und unter Spruchpunkt VI. eine Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise festgelegt.

In der Begründung des Bescheides wurde der bisherige Verfahrensgang einschließlich der oben im wesentlichen Inhalt wiedergegebene Einvernahmen dargestellt und nach Feststellungen zur Person und zum Herkunftsstaat wurde beweiswürdigend ausgeführt, dass den behaupteten Bedrohungen in einem Strafrechtsverfahren kein Glauben geschenkt werde, denn die Antragstellerin habe bei der Erstbefragung nur das politische Engagement ihres Vaters hervorgehoben. Sie habe ihr Fluchtvorbringen massiv gesteigert. Weiters wurde darauf hingewiesen, dass Serbien ein sicherer Herkunftsstaat sei und dass er ihr möglich gewesen wäre, den rechtsstaatlichen Weg zu beschreiten. Es müsse auch als fahrlässig eingestuft werden, dass ihr Vater als öffentliche Person weder eine Alarmanlage noch eine Versicherung besessen hätte. Während ihre Mutter Einbrüche mit 2012/2013 datierte und der Vater mit 2013/2014, habe sie von 2016 gesprochen. Eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit einer Bedrohung, wie sie von der GFK verlangt werde, habe das gesamte Vorbringen nicht erreicht. Rechtlich wurde zu Spruchpunkt I. insbesondere ausgeführt, dass aufgrund des Ermittlungsverfahrens keine Hinweise auf das Vorliegen eines Sachverhaltes, welcher zur Gewährung von Asyl führen würde, sich ergeben hätten. Zum Spruchpunkt II. wurde zunächst festgehalten, dass von einer Glaubhaftmachung der Fluchtgründe nicht gesprochen werden könne, weswegen auch nicht vom Vorliegen einer Gefahr im Sinne des § 50 FPG ausgegangen werden könne. Aus den Feststellungen zur allgemeinen Lage in Serbien würde sich kein Hinweis ergeben, dass im gesamten Staatsgebiet eine extreme Gefahrenlage herrsche. Auch sei die medizinische und ökonomische Versorgung in Serbien grundsätzlich gewährleistet und würde die Antragstellerin bei einer Abschiebung auch nicht in eine aussichtslose Situation dort geraten.

Zu Spruchpunkt III. wurde darauf hingewiesen, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 57 nicht vorlägen. Zu Spruchpunkt IV. wurde angeführt, dass die Antragstellerin weder Verwandte noch Familienangehörige in Österreich habe und aus diesem Grunde auch nicht davon ausgegangen werden könne, dass sie in Österreich über ein entsprechendes Familienleben verfügen würde. Es wurde jedoch hinsichtlich des Privatlebens hervorgehoben, dass die Beschwerdeführerin mit ihren Eltern und ihrer Schwester in einem gemeinsamen Haushalt lebe. Es sei kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen zu erteilen und eine Rückkehrentscheidung als zulässig zu bezeichnen. Da sich auch keine Gefährdung im Sinne des § 50 FPG ergeben habe und einer Abschiebung nach Serbien auch keine Empfehlung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte entgegenstehe, sei eine solche als zulässig zu bezeichnen (Spruchpunkt V). Auch Gründe für die Verlängerung der Frist für die freiwillige Ausreise hätten nicht festgestellt werden können (Spruchpunkt VI.).

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin (in einem gemeinsamen Schriftsatz mit ihren Eltern, vertreten durch die XXXX ) gegen alle Spruchpunkte fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht, die sich in den meisten Passagen auf den Vater der Beschwerdeführerin bezieht. Zur Beschwerdeführerin wird insbesondere ausgeführt, dass die belangte Behörde sich selbst widerspreche, indem sie angebe, dass die Beschwerdeführerin keine Familienangehörigen in Österreich habe und gleichzeitig anführe, dass ihre Großmutter in XXXX lebe. Weiters sei sie in Österreich geboren und hier bis zum siebenten Lebensjahr aufgewachsen. Sie verfüge über Deutschkenntnisse auf sehr hohem Niveau und habe hier einen großen Freundeskreis. Auch sei nach der Judikatur darauf hinzuweisen, dass ein Familienleben zwischen Eltern und minderjährigen Kindern nicht automatisch mit der Volljährigkeit beendet werde, wenn das Kind weiter bei den Eltern lebe und bestehe daher im Falle der Beschwerdeführerin ein de facto schützenswertes Familienleben. Durch die Rückkehrentscheidung würde jedenfalls in die Rechte des Fremden nach Art. 8 EMRK eingegriffen werden.

Das Bundesverwaltungsgericht führte eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung am 09.02.2021 durch, welche mit jener der Eltern der Beschwerdeführerin verbunden wurde. Nach Befragung ihrer Eltern führte die Beschwerdeführerin Folgendes aus: Sie wolle die Beschwerde und ihr bisheriges Vorbringen aufrecht erhalten und nichts korrigieren oder ergänzen. Sie sei serbische Staatsangehörige, Roma und serbisch orthodox. Sie sei am XXXX in XXXX geboren und habe die ersten sechs bis sieben Lebensjahre in XXXX verbracht. Dann sei sie in Serbien in die Schule gegangen und habe auch in Serbien studiert. Anschließend habe sie in Österreich eine Firma gegründet und sei eine Zeit lang hin und her gependelt. In der Folge habe sei bei ihrer Mutter in der Slowakei gelebt. Das sei 2015 und 2016 gewesen. Sie habe sich mit Design, Inneneinrichtung und technischen Zeichnungen beschäftigt. Seit glaublich 2017 sei sie in Österreich, das genauere Datum wisse sie nicht. Seit sie gemerkt hätten, dass sie in Serbien nicht weiterleben könnten und keine Unterlagen bekommen würden, seien sie nunmehr ununterbrochen in Österreich. Nach der Pflichtschule habe sie in Serbien eine HTL für Hochbau besucht und dann den Bachelor in Innenarchitektur gemacht. Ob sie einen Aufenthaltstitel in Österreich besessen habe, wisse sie nicht. Gefragt, ob sie sich auch in Serbien politisch betätigt habe, gab sie an: „Eher weniger“, aber sie sei bei der letzten Wahl 2016 Zustellungsbevollmächtigte für Wahlunterlagen gewesen. Sie habe die Unterstützungslisten elektronisch in eine Excel-Tabelle eingegeben und die Unterschriften alphabetisch geordnet. Dann hätten sie die Unterlagen abgegeben. Obwohl sie genug Unterschriften abgegeben hätten, seien ihnen die Registrierung als Wahlpartei verweigert worden. Die Behörden hätten auch behauptet, dass der Stempel nicht echt gewesen sei. Sie habe auch eine Vorladung zum Staatsanwalt bekommen, weil ihr vorgeworfen worden sei, dass sie den Stempel gefälscht habe, obwohl dies überhaupt nicht ihre Aufgabe gewesen sei. Das Gericht hätte dann einen Sachverständigen beauftragt, um festzustellen, ob der Stempel echt sei. Dieser habe herausgefunden, dass es keine Anzeichen einer Fälschung gebe und dass sich der Stempel noch immer bei der Gemeinde befinde. Sie habe gedacht, dass die sie nunmehr nichts damit zu tun habe, habe einen Rechtsanwalt beauftragt und habe sich zeitweilig in Wien aufgehalten. Sie habe aber dann gehört, dass eine Fahndung nach ihr eingeleitet worden sei. Sie hätten aber weder sie noch ihren Anwalt geladen. Sie hätten sie fast für tot erklärt. Sie habe sich dann gemeldet, dass sie in XXXX lebe. Wie das Verfahren aber letztlich ausgegangen sei, wisse sie nicht. Der Anwalt habe sogar gesagt, dass die Vollmacht, die sie ihm vorgelegt habe, nicht mehr existiere.

Um ihren Aufenthaltstitel in der Slowakei zu verlängern, hätte sie ein serbisches Leumundszeugnis gebraucht. Das habe man ihr aber nicht gegeben, obwohl sie nicht verurteilt sei. Weder ihr Anwalt noch ein Bekannter, der vor Ort gewesen sei, habe ein solches bekommen könne. Es sei auch bei ihnen mehrmals eingebrochen, das habe ihr ihr Vater erzählt. Diebesgut sei beim Bruder des Polizeiinspektors gefunden worden. Gefragt nach Drohungen gegenüber der Familie gab sie an, dass dies auch ein paarmal passiert sei, ihr Vater habe ihr aber nicht alles erzählt. Sie weiß, dass auf das Haus geschmiert worden sei „Tod der Familie XXXX “ und dass sie das Haus hätten anzünden wollen. Sie habe sich selbst immer aus der Politik herausgehalten. Sie habe aber Probleme gehabt, weil sie Roma sei. Sie sei stolz Roma zu sein und sage das auch jedem. 2014 sei gar nicht geplant gewesen, dauernd in Österreich zu bleiben. Sie habe zwischen Österreich und Serbien pendeln wollen. Sie habe auch die Prüfung für die Anmeldung an der Fachhochschule gemacht, aber in der Zwischenzeit habe sich eine Arbeit in einem Architekturbüro ergeben. Gefragt, ob sei eine Firma in XXXX habe, gab sie an, dass sie Gewerbe angemeldet habe. Die Firma habe sie aber zuletzt in XXXX gehabt. Ihre Oma, ihr Opa, der Halbbruder ihrer Mutter, seine Schwester, Cousins und Onkel seien neben ihren Eltern und Schwester alle in Österreich. In Serbien habe sie nur Cousins und Cousinen dritten und vierten Grades, zu denen sie kaum Kontakt habe. Sie sei in keiner ärztlichen oder psychiatrischen Behandlung, habe aber kleinere Panikattacken, mit denen sie gut umgehen könne. In Österreich führe sie ein technisches Büro für Zeichnungen. Es seien offiziell zwei Gewerbe. Das eine beschäftige sich mit Reinzeichnungen von architektonischen Plänen und das zweite dient der Erstellung von architektonischen Modellen, damit meine sie, eine Visualisierung am Computer. Sie lebe mit ihren Eltern und ihrer Schwester in einem Haushalt und lebe derzeit nicht in einer Partnerschaft. Auch ihre ältere Schwester sei nach der Scheidung wieder zur Familie gezogen. Sie und ihre Schwester seien eng verbunden. Sie sei ihre beste Freundin. Sie hätten viel im Leben durchgemacht und würden zusammenhalten. Die Schwester habe eine Zeit in XXXX Sad studiert und habe sie sie immer besucht. Sie sei ihr ein und alles. Ihre Schwester habe eine Rot-weiß-rot-Karte. Ihre Schwester XXXX habe Jus studiert, aber sie habe eine Firma für Filmproduktionen. Derzeit könne sie aber wegen der Corona-Krise nicht viele Filme machen. Die Beschwerdeführerin möchte unbedingt in Österreich bleiben. Sie wisse sicher, dass sie nicht nach Serbien zurückkehren würde. Bei einer Rückkehr in Serben würde nichts Gutes geschehen. Das wäre keine Option für sie. Der Grund für die Nichtausstellung eines Leumundszeugnisses sei, denke sie, dass man auf sie Druck wegen ihres Vaters ausüben hätte wollen. Sie habe in Österreich viele Freunde und auch ein paar gute Freundinnen, mit denen sie privat über alles reden könne. Durch ihre Tätigkeit auf Baustellen in der XXXX habe sie viele Bekannte gefunden. Ein weiteres Vorbringen habe sie nicht.

Die Befragung der Beschwerdeführerin erfolgte ausschließlich in deutscher Sprache.

Der Rechtsvertreter ersuchte im Hinblick auf die erst im März stattfindenden Arzttermine um Einräumung einer Frist von sechs Wochen. Diese wurde eingeräumt, wobei nicht nur zu den folgenden Länderdokumenten, sondern auch zu den weiteren Verfahrensergebnissen (allenfalls auch unter Einschluss von Rechtsausführungen) Stellung genommen werden könne.

-        Länderinformationsblatt zur Staatendokumentation Serbien, zuletzt aktualisiert am 01.07.2020

-        Deutsches Bundesamt für politische Bildung, Danja Antovic, eine Reportage aus Serbien, Die Ärmsten der Armen sind die Roma.

Nach Fristerstreckung erstattete der Beschwerdeführervertreter für die Familie XXXX eine gemeinsame Stellungnahme.

Die Beschwerdeführerin legte auch Nachweise über Beruf und Einnahmen mit E-Mail vom 09.04.2021 vor, weiters auch noch eine Zusage für einen Studienplatz für den Fachhochschulstudiengang „Architektur“ an der Fachhochschule XXXX aus dem Jahre 2014.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat wie folgt festgestellt und erwogen:

1. Feststellungen:

Feststellungen zur Person der Beschwerdeführerin

Die Beschwerdeführerin ist serbische Staatsangehörige, gehört der Volksgruppe der Roma an und ist serbisch orthodox. Sie wurde am XXXX in XXXX geboren und verbrachte ihre ersten sechs bis sieben Lebensjahre in XXXX . Anschließend besuchte sie in Serbien die Pflichtschule sowie eine HTL für Bautechnik und studierte in der Folge an der Kunstuniversität in XXXX Architektur (Abschluss Bachelor). Später war sie teilweise in Serbien, teilweise in Österreich und längere Zeit auch bei ihrer Mutter in der Slowakei tätig und hat auch selbständig bautechnische Zeichnungen hergestellt. Sie wurde an der Fachhochschule XXXX , Fachrichtung Architektur aufgenommen, hat jedoch in der Folge in einem Architekturbüro gearbeitet. Seit 2017/2018 ist sie dauernd in Österreich aufhältig. Die Beschwerdeführerin hat sich in Serbien nicht selbst politisch betätigt. Sie hat nur ihren Vater im Zuge der Wahlkampagne 2016 im administrativen Bereich unterstützt (Eingabe von Unterstützungsunterschriften in Excel-Tabellen). Sie wurde auch persönlich nicht bedroht, wenn ihr auch die Ausstellung eines Leumundszeugnisses in Serbien verweigert wurde und sie kurzfristig zur Fahndung ausgeschrieben wurde.

Die Beschwerdeführerin verfügt über mehrere Gewerbeberechtigungen, einerseits Erstellung von Reinzeichnungen (technisches Zeichenbüro) sowie Erzeugung von Architekturmodellen zu Anschauungszwecken und weiters für das Gastgewerbe (in eingeschränktem Umfang). Nach den von ihr vorgelegten Unterlagen bezog sie im ersten Quartal 2021 (trotz Corona) ca. ein Nettoeinkommen von ca. 1.450,-- Euro monatlich.

Sie lebt gemeinsam mit ihren Eltern und ihrer älteren Schwestern XXXX in einem angemieteten Haus in XXXX , wobei die Familie dabei ist, dieses längerfristig käuflich zu erwerben. Auch ihre Eltern sind selbständig tätig und unterstützt die Familie sich gegenseitig. Es besteht nach wie vor ein Familienleben mit ihren Eltern und ihrer älteren Schwester, die ihr sehr nahe steht. Außer geringfügigen Panikattacken ist die Beschwerdeführerin gesund. Sie hat einen erheblichen Teil ihres Lebens in Österreich verbracht, starke Bindungen zu Österreich, verfügt hier auch über einen großen Freundeskreis, wobei sie in Serbien nur über entfernte Verwandte, mit denen sie kaum Kontakt hat, verfügt. Sie ist unbescholten.

Zu Serbien wird verfahrensbezogen Folgendes festgestellt:

1. Politische Lage

Letzte Änderung: 1.7.2020

Am 21. Juni 2020 fanden in Serbien die Parlamentswahlen statt. Dies waren die ersten Wahlen, die in Europa in Zeiten der Covid-19 Pandemie abgehalten wurden. Die serbische Fortschrittspartei des Präsidenten Vu?i? gewann rund 62% der Stimmen und erhielt 191 der 250 Sitze im Parlament. Eine so große Mehrheit eröffnet Präsident Vu?i? und der SNS die Möglichkeit, die Verfassung zu ändern. Der bisherige Regierungspartner der SNS, die Sozialisten unter Führung von Außenminister Ivica Dacic, erreichten etwa elf Prozent der Wählerstimmen und sicherte sich damit 32 Mandate. Die neue Partei „Spas“ (Rettung) des ehemaligen Wasserballers Aleksandar Šapi? kommt auf etwa vier Prozent der Stimmen und zwölf Mandate (oiip 30.6.2020).

Wenig überraschend bescherten die Parlamentswahlen am 21. Juni 2020 der regierenden Serbischen Fortschrittspartei (Srpska Napredna Stranka, SNS) einen klaren Wahlsieg. Genau genommen hatte sich die SNS hierfür einen anderen Namen gegeben. Sie trat als Liste "Aleksandar Vu?i? - für unsere Kinder" auf. So erschien Präsident Vu?i? zwar nicht als Kandidat, dominierte aber dennoch den Wahlkampf mit seiner medialen Omnipräsenz. Dass es sich hier um keine freien, geheimen und demokratischen Wahlen handelt, wurde schnell klar. Als um 14 Uhr Ortszeit die Wahlbeteiligung noch bei mageren 22% lag, berichteten Einwohner von Novi Sad und Belgrad, dass Aktivisten der SNS, in Einzelfällen sogar ortsbekannte Hooligans, die sich schon in der Vergangenheit als mietbare Helfer der Regierungspartei hervorgetan hatten, von Haus zu Haus gingen, um Bewohner dazu zu nötigen, zur Wahl zu gehen und für "die richtige Partei" zu stimmen. Tatsächlich verdoppelte sich bis 19 Uhr die Wahlbeteiligung (DS 29.6.2020).

Die zehnte Sitzung der Beitrittskonferenz mit Serbien auf Ministerebene fand am 27.6.2019 in Brüssel statt, um Verhandlungen über Kapitel 9 - Finanzdienstleistungen - aufzunehmen. Mit dieser Konferenz wurden von insgesamt 35 Verhandlungskapiteln 17 für die Verhandlungen geöffnet, von denen zwei bereits vorläufig abgeschlossen wurden. Weitere Beitrittskonferenzen werden gegebenenfalls geplant, um den Prozess in der zweiten Jahreshälfte 2019 voranzutreiben (Der Europäische Rat 27.6.2019).

Serbien führt bereits seit 2014 Beitrittsverhandlungen mit der EU. Die Aussöhnung mit dem Kosovo gilt aber als zentrale Bedingung dafür, dass die Gespräche irgendwann einmal erfolgreich abgeschlossen werden können (Handelsblatt 26.4.2019).

Quellen:

- Der Europäische Rat, Der Rat der Europäischen Union (27.6.2019): Pressemitteilung, Tenth meeting of the Accession Conference with Serbia at Ministerial level, Brussels, 27 June 2019
https://www.consilium.europa.eu/de/press/press-releases/2019/06/27/tenth-meeting-of-the-accession-conference-with-serbia-at-ministerial-level-brussels-27-june-2019/, Zugriff 20.9.2019

- DS - der Standard (29.6.2020): Eastblog, Die serbischen Parlamentswahlen 2020 als Dystopie, https://www.derstandard.at/story/2000118311811/die-serbischen-parlamentswahlen-2020-als-dystopie, Zugriff 1.7.2020

- Handelsblatt (26.4.2019): EU-Beitritt, Balkanstaaten können auf Start von EU-Beitrittsverhandlungen hoffen,
https://www.handelsblatt.com/politik/international/eu-beitritt-balkanstaaten-koennen-auf-start-von-eu-beitrittsverhandlungen-hoffen/24261104.html?ticket=ST-4670786-2vsL5mwajJEBcdLU5dAX-ap2, Zugriff 20.9.2019

- oiip - Österreichisches Institut für Internationale Politik (30.6.2020): Serbien und die ersten Wahlen in Europa im Zeitalter von Covid-19. Eine Kurzanalyse in drei Akten, https://www.oiip.ac.at/publikation/serbien-und-die-ersten-wahlen-in-europa-im-zeitalter-von-covid-19-eine-kurzanalyse-in-drei-akten/, Zugriff 1.7.2020

2. Sicherheitslage

Letzte Änderung: 5.6.2020

Die politische Lage ist stabil. In der Grenzregion zu Kosovo kann es zu Spannungen kommen. Insbesondere in Belgrad und anderen Städten sind vereinzelt Proteste und Demonstrationen möglich, die meistens friedlich verlaufen (AA 23.9.2019b).

Tausende von Demonstranten gingen auch am 11.5.2019 auf die Straßen, um gegen Präsident Aleksandar Vu?i? und seine Regierung zu demonstrieren. Sie werfen der Regierung Korruption und Einschränkung der Medienfreiheit vor. Die wöchentlichen Proteste begannen im Dezember 2018 und wurden durch einen Angriff auf einen Oppositionsführer ausgelöst (BN 13.5.2019).

Serbien hat ein gewisses Maß an Vorbereitung bei der Umsetzung des Rechtsbestands im Bereich Sicherheit erreicht. Einige Fortschritte wurden durch die Stärkung des Rechtsrahmens zur Bekämpfung der Geldwäsche und die Erfüllung der meisten Empfehlungen des letzten Jahres erzielt. Serbien trägt als Transitland weiterhin erheblich zur Steuerung der gemischten Migrationsströme in die EU bei, indem Serbien eine aktive und konstruktive Rolle spielt und effektiv mit seinen Nachbarn und EU-Mitgliedstaaten zusammenarbeitet. Bei der Umsetzung der integrierten Grenzschutzstrategie und des Aktionsplans hat Serbien einige Fortschritte erzielt. Die Strategie und der Aktionsplan zur Bekämpfung der irregulären Migration wurden angenommen (EK 29.5.2019).

Ein Zwischenfall mit serbischen Soldaten, denen am 7.9.2019 die Einreise zu einer Gedenkfeier in Kroatien verweigert wurde, hat zu einem Eklat zwischen den beiden Ländern geführt. Zagreb kritisierte eine "Provokation" aus Belgrad, in Serbien wurde dem Nachbarland Geschichtsrevisionismus vorgeworfen. Die serbische Militärdelegation hatte am 7.9.2019 in Jasenovac an einer Gedenkfeier der serbisch-orthodoxen Kirche für die Opfer des dortigen Konzentrationslagers teilnehmen wollen. Elf Militärangehörigen, die laut Medien in Zivil unterwegs waren und ihre Uniformen im Gepäck hatten, hatte die kroatische Grenzpolizei die Einreise verweigert. Laut Kroatien war die Delegation nicht angemeldet, die serbische Seite behauptet das Gegenteil. Der Delegation gehörten Berichten zufolge Offiziere der Militärakademie sowie Kadetten und Schüler des Militärgymnasiums an (Der Standard 9.9.2019).

Die im Norden der Republik Serbien gelegene Provinz Vojvodina zeichnet sich durch eine eigenständige, durch jahrhundertealte Koexistenz der Serben mit verschiedenen nationalen Minderheiten (u.a. Ungarn, Rumänen, Ruthenen, Kroaten, Deutschen) geprägte Tradition aus. In der mehrheitlich von ethnischen Albanern bewohnten Grenzregion Südserbiens zu Kosovo und Nordmazedonien (Gebiet der Gemeinden Bujanovac, Preševo, Medvedja) ist die Lage stabil (AA 3.11.2019).

Die von serbischer Seite als politische Strafzölle empfundenen 100 %-Erhöhungen der Importzölle für Waren in den Kosovo bleiben weiterhin der Hauptgrund der erneut belasteten bilateralen Beziehungen zu Pristina (VB 29.9.2019).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (23.9.2019b): Serbien: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/serbien-node/serbiensicherheit/207502, Zugriff 23.9.2019

- AA - Auswärtiges Amt (3.11.2019): Bericht im Hinblick auf die Einstufung der Republik Serbien als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylG (Stand: August 2019), https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/ 2000/702450/683266/684671/10074631/10075491/10075545/21601316/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_im_Hinblick_auf_die_Einstufung_der_Republik_Serbien_als_sicheres_Herkunftsland_im_Sinne_des_%C2%A7_29_a_AsylVfG_%28Stand_August_2019%29%2C_03%2E11.2019.pdf?nodeid=21601317&vernum=-2, Zugriff 13.5.2020

- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (13.5.2019): Briefing Notes (BN) 13. Mai 2019, Serbien, Proteste halten an, https://www.ecoi.net/en/file/local/2010672/Deutschland___Bundesamt_f%C3%Bcr_ Migration_und_Fl%C3%Bcchtlinge%2C_Briefing_Notes%2C_13.05.2019_%28deutsch%29.pdf, Zugriff 20.9.2019

- Der Standard (9.9.2019): International Europa, Kroatien, Gedenkfeier, Neue Spannungen zwischen Kroatien und Serbien, https://www.derstandard.at/story/2000108422227/neue-spannungen-zwischen-kroatien-und-serbien; Zugriff 24.9.2019

- EK - Europäische Kommission (29.5.2019): Serbia 2019 Report [SWD(2019) 219 final], Fortschrittsbericht zum Stand der Vorbereitungen auf die EU-Mitgliedschaft (Demokratie und Rechtsstaatlichkeit; Justiz, Freiheit und Sicherheit; wirtschaftliche Lage, einschließlich Freiheiten und Sozialpolitik), https://www.ecoi.net/en/file/ local/2010473/20190529-serbia-report.pdf, Zugriff 20.9.2019

- VB des BM.I in Serbien (29.9.2019): Auskunft des VB, per E-Mail

3. Rechtsschutz / Justizwesen

Letzte Änderung: 5.6.2020

Die Verfassung sieht eine unabhängige Justiz vor, aber die Gerichte bleiben weiterhin anfällig für Korruption und politischen Einfluss (USDOS 11.3.2020).

Das serbische Justizwesen besteht aus einem Verfassungsgericht, dem Obersten Gerichtshof, 30 Bezirksgerichten und 138 Gemeindegerichten. Daneben bestehen spezielle Gerichte wie Verwaltungsgerichte und Handelsgerichte. Im Belgrader Bezirksgericht existiert eine Sonderkammer für die Verfolgung von Kriegsverbrechen, daneben existiert eine Staatsanwaltschaft für Kriegsverbrechen - beiden zusammen obliegt die juristische Aufarbeitung der Kriegsverbrechen aus den Balkankriegen der 1990er Jahre. Ihre Einrichtung ist Teil des Prozesses der Schließung des UN-Kriegsverbrechertribunals für das ehemalige Jugoslawien (Den Haag) und der Überführung seiner Aufgaben auf die nationalen Justizbehörden in den Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawien (LIPortal 6.2019).

Serbien hat im Bereich Justiz einige Fortschritte erzielt; während die Empfehlungen des Vorjahres nur teilweise umgesetzt wurden, wurden bei der Reduzierung alter Vollstreckungsfälle und der Weiterverfolgung von Maßnahmen zur Harmonisierung der Gerichtspraxis Fortschritte erzielt. Einige Änderungen der Regeln für die Ernennung von Richtern und Staatsanwälten und für die Bewertung der Arbeit von Richtern und Staatsanwälten wurden angenommen, aber das System muss nach der Annahme der Verfassungsänderungen grundlegend überarbeitet werden, um eine leistungsbezogene Stellenbesetzungen und Beförderungen von Richtern zu ermöglichen. Politische Einflussnahme im Bereich der Justiz bleibt weiterhin ein Problem. Die Verfassungsreform befindet sich im Gange (EK 25.9.2019).

Das Parlament hat am 21.5.2019 eine umstrittene Änderung des Strafrechts gebilligt, gemäß der Straftäter, die wegen Vergewaltigung und Ermordung eines Minderjährigen oder einer schwangeren oder behinderten Person zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt werden, zukünftig keine Möglichkeit einer frühzeitigen Entlassung mehr haben. Bislang belief sich die Höchststrafe in Serbien auf 40 Jahre. Der Europarat kritisierte den Gesetzesentwurf und sprach von einem Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention (BN 27.5.2019).

Prinzipiell kann sich jede Person in Serbien, die sich privaten Verfolgungshandlungen ausgesetzt sieht, sowohl an die Polizei wenden als auch direkt bei der Staatsanwaltschaft persönlich oder schriftlich eine Anzeige einbringen. Auch können entsprechende Beschwerden an die Ombudsmann Institutionen getätigt werden. Darüber hinaus besteht auch für solche Personen, die Möglichkeit der Aufnahme in das Zeugen- bzw. Opferschutzprogramm. Die Bevölkerung hat die Möglichkeit, sich wegen rechtswidriger Akte der Sicherheitsdienste an den serbischen Ombudsmann oder den serbischen Datenschutzbeauftragten zu wenden (VB 29.9.2019).

Quellen:

- Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (27.5.2019): Briefing Notes (BN) 27. Mai 2019, Serbien, Parlament beschließt lebenslange Haft ohne vorzeitige Entlassung in besonders schweren Fällen, https://www.ecoi.net/en/file/local/2010482/briefingnotes-kw22-2019.pdf, Zugriff 20.9.2019

- EK - Europäische Kommission (29.5.2019): Serbia 2019 Report [SWD(2019) 219 final], Fortschrittsbericht zum Stand der Vorbereitungen auf die EU-Mitgliedschaft (Demokratie und Rechtsstaatlichkeit; Justiz, Freiheit und Sicherheit; wirtschaftliche Lage, einschließlich Freiheiten und Sozialpolitik), https://www.ecoi.net/en/file/ local/2010473/20190529-serbia-report.pdf, Zugriff 20.9.2019

- LIPortal - Das Länder-Informations-Portal (6.2019): Serbien, Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/ serbien/geschichte-staat/#c19777, Zugriff 20.9.2019

- USDOS - US Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Serbia, 11. März 2020, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026363.html, Zugriff 13.5.2020

- VB des BM.I in Serbien (29.9.2019): Auskunft des VB, per E-Mail

4. Sicherheitsbehörden

Letzte Änderung: 5.6.2020

Die Polizei des Landes untersteht der Aufsicht des Innenministeriums, wobei die Behörden eine wirksame Kontrolle über die Sicherheitskräfte ausüben. Die Effektivität der Polizei variiert. Die meisten Beamten sind ethnische Serben, jedoch sind auch Angehörige von Minderheiten als Polizeibeamte tätig. Korruption und Straffreiheit in der Polizei sind ein Problem. Im Laufe des Jahres 2019 stellten Experten der Zivilgesellschaft fest, dass sich die Qualität der polizeilichen internen Ermittlungen weiter verbessert hat. Die neu geschaffene Antikorruptionsabteilung im Innenministerium wurde geschaffen, um schwere Korruption zu untersuchen. Es gibt keine spezialisierte Regierungsstelle, die Morde durch die Sicherheitskräfte untersuchen kann. Die Polizei, das Sicherheitsinformationszentrum (BIA) und die Direktion für die Vollstreckung strafrechtlicher Sanktionen untersuchen solche Fälle durch interne Kontrollen. In den ersten acht Monaten 2019 reichte die interne Kontrolle des Innenministeriums 136 Strafanzeigen gegen 285 Personen wegen 388 Verbrechen ein; 124 waren Polizisten und 161 Zivilbeamte. In 45 der Fälle wurden die Täter zu Haftstrafen verurteilt (USDOS 13.3.2020).

Durch eine unsystematische Umsetzung der Reform, ohne größeren Plan und Strategie, sind die eigentlichen Ziele, die Polizei zu de-kriminalisieren, de-politisieren, de-militarisieren und eine Dezentralisierung einzuleiten, bis heute nur bedingt erreicht. Gegenwärtig unterstehen die etwa 43.000 Polizisten des Landes dem Innenministerium und sind u.a. unterteilt in Zoll, Kriminalpolizei, Grenzpolizei sowie zwei Anti-Terroreinheiten, die „Special Antiterrorist Unit“ und die „Counterterrorist Unit“ (BICC 6.2019).

Es kommt in Einzelfällen immer noch vor, dass die Sicherheitsbehörden ihre Vollmachten überschreiten oder Anträge und Anfragen nicht so effizient bearbeiten. Dies beschränkt sich jedoch nicht auf bestimmte Personengruppen, sondern bezieht sich auf alle Einwohner der Republik Serbien. Alle Einwohner bzw. Bürger der Republik Serbien haben den gleichen Zugang zum Justizwesen, zu den Gerichten und den Polizeibehörden. Rechtsschutzmittel gegen polizeiliche Übergriffe sind vorgesehen, nämlich Strafanzeige und/oder Disziplinarverfahren. Jedoch gibt es keine „besonderen“ Rechtsschutzmittel betreffend Übergriffe gegen Roma-Angehörige. Diese sind, wie alle Einwohner der Republik Serbien, vor dem Gesetz gleich (VB 29.9.2019).

Quellen:

- BICC - Bonn International Center for Conversion (6.2019): Länderbericht Serbien, http://ruestungsexport. info/user/pages/04.laenderberichte/serbien/2019_Serbien.pdf, Zugriff 20.9.2019

- VB des BM.I in Serbien (29.9.2019): Auskunft des VB, per E-Mail

- USDOS - US Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Serbia, 11. März 2020, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026363.html, Zugriff 13.5.2020

5. Folter und unmenschliche Behandlung

Letzte Änderung: 5.6.2020

Obwohl die Verfassung Folter verbietet, soll diese bei Festnahmen und in Untersuchungshaft zur Erpressung von Geständnissen gelegentlich angewandt werden. Die Straflosigkeit bei Missbrauch oder Folter ist bei der Festnahme oder Erstinhaftierung weit verbreitet. Es gibt nur wenige strafrechtliche Verfolgungen und noch weniger Verurteilungen wegen Missbrauch oder Folter (USDOS 13.3.2020).

Der Ausschuss des Europarates zur Verhütung von Folter und unmenschlicher und erniedrigender Behandlung oder Strafe (CPT) veröffentlichte im Mai 2018 einen Bericht, in dem der Ausschuss Bedenken hinsichtlich der Misshandlung von Personen in Polizeigewahrsam äußerte und die Behörden aufforderte, die Misshandlung der Polizei zu bekämpfen (HRW 17.1.2019).

Quellen:

- HRW - Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 - Serbia/Kosovo, https://www.ecoi.net/de/ dokument/2002219.html, Zugriff 25.9.2019

- USDOS - US Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Serbia, 11. März 2020, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026363.html, Zugriff 13.5.2020

6. Korruption

Letzte Änderung: 17.10.2019

Korruption gehört zu den zentralen politischen Problemen in Serbien, mit weitreichenden, negativen Auswirkungen auf das Funktionieren von politischem System, staatlichen Institutionen und die serbische Wirtschaft. Systemische Korruption findet sich heute vor allem bei der Vergabe öffentlicher Aufträge und der Verteilung anderer staatlicher Haushaltsmittel, sowie im Gesundheits- und Bildungswesen. Korruption in der Wirtschaft findet v.a. an den Schnittstellen zu staatlichen Institutionen statt. Abgenommen hat die Korruption in den letzten Jahren bei der Polizei. Auf staatlicher Seite ist eine eigenständige Institution, die Anti-Korruptionsagentur mit dem Kampf gegen Korruption befasst; in der serbischen Zivilgesellschaft beschäftigt sich Transparency International mit dem Phänomen Korruption. Druck auf serbische Behörden zu effektiverer Bekämpfung der systemischen Korruption kommt v.a auch von der EU. Unterstützung bei der Bekämpfung der Korruption in Serbien leistet außerdem das UN Development Program (UNDP). Die Bekämpfung der Korruption gehört zu den zentralen Reformbedingungen der EU in Serbiens Beitrittsverhandlungen bzw. in den Justizkapiteln 23 und 24 (LIPortal 6.2019).

Serbien rangiert im Transparency Corruption Perceptions Index (2018) am 87. Platz von 180 Ländern (TI 2018).

Quellen:

- LIPortal - Das Länder-Informations-Portal (6.2019): Serbien, Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/ serbien/geschichte-staat/#c19777, Zugriff 20.9.2019

- TI - Transparency International (2018): Corruption Perceptions Index 2018, https://www.transparency. org/cpi2018, Zugriff 25.9.2019

7. NGOs und Menschenrechtsaktivisten

Letzte Änderung: 5.6.2020

Eine Vielzahl unabhängiger nationaler und internationaler Menschenrechtsgruppen operiert im Allgemeinen ohne staatliche Einschränkung, untersucht und veröffentlicht ihre Ergebnisse zu Menschenrechtsfällen. Während Regierungsbeamte im Allgemeinen kooperativ sind und auf ihre Fragen reagieren, werden die Gruppen von nicht staatlichen Akteuren, einschließlich der Pro-Regierungs-Medien, kritisiert, belästigt und bedroht, weil sie sich kritisch gegenüber der Regierung oder entgegen den nationalistischen Ansichten zum Kosovo, dem Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) und den Kriegen der 90er Jahre äußern. Im Laufe des Jahres 2019 veröffentlichten mehrere Medien Artikel, in denen zahlreichen Journalisten, NGO-Aktivisten und unabhängige Einrichtungen vorgeworfen wurde, "Verräter" des Landes zu sein, die versuchen, die Verfassungsordnung gewaltsam zu stürzen (USDOS 13.3.2020).

Ausländische und inländische Nichtregierungsorganisationen (NGO) agieren in der Regel frei, aber diejenigen, die offen kritische Positionen gegenüber der Regierung vertreten oder sensible oder kontroverse Themen ansprechen, sind in den letzten Jahren mit Bedrohungen und Belästigungen konfrontiert worden. Während des gesamten Jahres 2018 war die Direktorin der NGO Center for Euro-Atlantic Studies, Gegenstand einer anhaltenden Schmutzkampagne in den Medien als Reaktion auf ihre Unterstützung von Kriegsverbrecherverfolgungen und die Mitgliedschaft Serbiens in der NATO (FH 4.2.2019).

Quellen:

- FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Serbia, https://www.ecoi.net/de/dokument/ 2006457.html, Zugriff 20.2019

- USDOS - US Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Serbia, 11. März 2020, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026363.html, Zugriff 13.5.2020

8. Ombudsmann

Letzte Änderung: 5.6.2020

Der Bürgerbeauftragte spielt eine Schlüsselrolle bei der Gewährleistung des Rechts der Bürger auf eine gute Verwaltungspraxis und die Behörden sind verpflichtet, über die Umsetzung seiner Empfehlungen zu berichten. Im vierten Jahr in Folge diskutierte das Parlament jedoch nicht in der Plenarsitzung den Jahresbericht des Bürgerbeauftragten, sodass keine Schlussfolgerungen im Hinblick auf die Überprüfung der Regierung gezogen wurden (EK 29.5.2019).

Im Jahr 2018 haben insgesamt 9.120 Bürgerinnen und Bürger die Dienste des Bürgerbeauftragten in Anspruch genommen, von denen 2.432 durch persönliche und 3.350 durch Telefongespräche. Es gab insgesamt 3.338 eingereichte Beschwerden, davon 56 auf eigene Initiative des Bürgerbeauftragten. 2.346 Fälle wurden abgeschlossen. Gleichzeitig wurden rund 2.720 Fälle aus den Vorjahren bearbeitet und davon 1.443 Fälle abgeschlossen, sodass 2018 insgesamt 3.789 Fälle abgeschlossen wurden. Der Anteil der Beschwerden hinsichtlich Minderheitenangelegenheiten ist im Jahresbericht des Ombudsmann Büros 2018 mit 64 unter 3.338 Beschwerden mittlerweile gering und macht lediglich 1,92 % aller Beschwerden aus (Protector of Citizens 15.3.2019).

In Serbien gibt es entsprechende Stellen auf Republiksebene (Ministerium für Menschen- und Minderheitenrechte, Staatsverwaltung und lokale Selbstverwaltungs-Abteilung für Menschen- und Minderheitenrechte), als auch auf der lokalen Ebene (Stadtgemeinden-Ombudsmann), an die sich Bürger im Falle erlittenen Unrechts wenden können. Weiters bestehen auch zahlreiche NGOs, welche sich mit Rechten der nationalen Gemeinschaften befassen, u.a. Helsinki Committee for Human Rights, The Humanitarian Law Centre, The Lawyers Committee for Human Rights, Belgrade Centre for Human Rights, als auch zahlreiche Roma Organisationen in ganz Serbien (VB 29.9.2019).

In drei Gemeinden mit signifikantem albanischem Bevölkerungsanteil gibt es eigene Zweigstellen der nationalen Ombudsmanninstitution. In der Provinz Wojwodina kann ein eigenständiges Ombudsmannsbüro seinen Aktivitäten unabhängig nachgehen (USDOS 13.3.2020).

Quellen:

- EK - Europäische Kommission (29.5.2019): Serbia 2019 Report [SWD(2019) 219 final], Fortschrittsbericht zum Stand der Vorbereitungen auf die EU-Mitgliedschaft (Demokratie und Rechtsstaatlichkeit; Justiz, Freiheit und Sicherheit; wirtschaftliche Lage, einschließlich Freiheiten und Sozialpolitik), https://www.ecoi.net/en/file/ local/2010473/20190529-serbia-report.pdf, Zugriff 20.9.2019

- Republik of Serbia - Protector of Citizens (15.3.2019): Regular annual Report of the Protector of Citizens for 2018, https://www.ombudsman.org.rs/attachments/article/141/Regular%20Annual%20Report%20of% 20the%20Protector%20of%20Citizens%20for%202018.pdf, Zugriff 9.10.2019

- USDOS - US Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Serbia, 11. März 2020, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026363.html, Zugriff 13.5.2020

- VB des BM.I in Serbien (29.9.2019): Auskunft des VB, per E-Mail

9. Allgemeine Menschenrechtslage

Letzte Änderung: 17.10.2019

Die rechtlichen und institutionellen Rahmen für die Wahrung der Grundrechte sind weitgehend vorhanden. Es wurden Änderungen zur Verbesserung des Rechtsrahmens für nationale Minderheiten angenommen. Eine konsequente und effiziente Umsetzung der Rechtsvorschriften und der politischen Maßnahmen muss jedoch sichergestellt werden (EK 29.5.2019).

Die Lage der Menschenrechte in Serbien ist insgesamt gut. Serbien hat die wichtigsten internationalen Menschenrechtskonventionen in nationales Recht übernommen. 2013 hat die serbische Regierung eine Anti-Diskriminierungsstrategie verabschiedet. Ein effektiver gesetzlicher Rahmen zum Schutz von Serbiens zahlreichen ethnischen Minderheiten existiert. Trotzdem existieren verschiedene Schwächen im Menschenrechts- und Minderheitenschutz. Probleme in der Verwirklichung der Menschenrechte bestehen etwa durch die Schwäche des Rechtsstaats und die noch immer unzureichende juristische Aufarbeitung der Kriegszeit (GIZ Geschichte & Staat 6.2019).

In Serbien gibt es entsprechende Stellen auf Republiksebene (Ministerium für Menschen- und Minderheitenrechte, Staatsverwaltung und lokale Selbstverwaltungs-Abteilung für Menschen- und Minderheitenrechte), als auch auf der lokalen Ebene (Stadtgemeinden-Ombudsmann), an die sich Bürger im Falle erlittenen Unrechts wenden können. Weiters bestehen auch zahlreiche NGOs, welche sich mit Rechten der nationalen Gemeinschaften befassen, u.a. Helsinki Committee for Human Rights, The Humanitarian Law Centre, The Lawyers Committee for Human Rights, Belgrade Centre for Human Rights, als auch zahlreiche Roma Organisationen in ganz Serbien (VB 29.9.2019).

Die regierende serbische progressive Partei (SNS) hat laufend die politischen Rechte und bürgerlichen Freiheiten ausgehöhlt und Druck auf unabhängige Medien und die politische Opposition sowie Organisationen in der Zivilgesellschaft ausgeübt (Freedom House, freedom- World/scores 2020.

Quellen:

- EK - Europäische Kommission (29.5.2019): Serbia 2019 Report [SWD(2019) 219 final], Fortschrittsbericht zum Stand der Vorbereitungen auf die EU-Mitgliedschaft (Demokratie und Rechtsstaatlichkeit; Justiz, Freiheit und Sicherheit; wirtschaftliche Lage, einschließlich Freiheiten und Sozialpolitik), https://www.ecoi.net/en/file/ local/2010473/20190529-serbia-report.pdf, Zugriff 20.9.2019

- LIPortal - Das Länder-Informations-Portal (6.2019): Serbien, Geschichte & Staat, https://www.liportal.de /serbien/geschichte-staat/#c19777, Zugriff 20.9.2019

- VB des BM.I in Serbien (29.9.2019): Auskunft des VB, per E-Mail

10. Meinungs- und Pressefreiheit

Letzte Änderung: 5.6.2020

Wie in den vergangenen Jahren funktionierten die Medien in Serbien auch 2019 vor allem auf Druck der Regierung und der regierenden SNS Partei. Während die (ohnehin begrenzte) Anzahl unabhängiger Medien weitgehend stabil blieb, sehen sich einzelne Medien und Journalisten politischem und finanziellem Druck sowie verbalen und manchmal auch physischen Angriffen ausgesetzt. Serbische Journalisten veranstalteten mehrere Proteste, in denen sie Schutz und ein Ende der Drohungen und des Drucks forderten, aber mit wenig Erfolg (FH 6.5.2020).

Die Regierung hat die Medienfreiheit aktiv unterminiert, indem sie unterstützende Medien mit Werbung und Finanzmitteln belohnt und kritische Medien durch Besteuerung oder Gerichtsverfahren schikaniert. Das Land fiel im Pressefreiheitsindex von Reporter ohne Grenzen 2019 um 14 Plätze zurück. Der Präsident und die Minister führen eine Verleumdungskampagne gegen unabhängige Journalisten durch. Drohungen sind an der Tagesordnung. Auf die Berichterstattung über die Geschäftsinteressen des Bruders des Präsidenten folgten im April 2019 Angriffe der sozialen Medien auf den Reporter des Balkan Investigative Reporting Network (BIRN). Im Oktober 2019 protestierten Tausende von Journalisten gegen wiederholte Morddrohungen gegen Kollegen des unabhängigen Nachrichtensenders N1TV (AI 16.4.2020).

Die Verfassung sieht Meinungs- und Pressefreiheit vor, aber eine anhaltende Beteiligung der Regierung an Medien, sowie Drohungen gegen und Angriffe auf Journalisten untergraben diese Freiheiten. Der Trend zur Einschränkung der Medienfreiheit hält an und Reporter ohne Grenzen bewertete Anfang des Jahres das Medienumfeld des Landes als unsicher. Im Laufe des Jahres 2019 stufte Freedom House seine Bewertung der Medienlandschaft des Landes von "frei" auf "teilweise frei" zurück. Unausgewogene Medienberichterstattung und eine große Zahl gefälschter, irreführender oder nicht überprüfter Nachrichten bedrohen weiterhin die Fähigkeit der Bürger, sich sinnvoll am demokratischen Prozess zu beteiligen (USDOS 11.3.2020).

Seitdem Aleksandar Vu?i? seit 2014 zunächst als Ministerpräsident und dann als Präsident die Politik Serbiens bestimmt, können Journalisten dort weder auf Sicherheit noch auf Schutz durch den Staat zählen. Anschläge auf Medien und Todesdrohungen gegen Journalisten haben zugenommen, doch die Täter werden nicht verfolgt. Regierungstreue Medien verunglimpfen Investigativreporter. Selbst Regierungsvertreter hetzen gegen Journalisten. Wer dennoch zu heiklen Themen wie organisierter Kriminalität oder Korruption recherchiert, kann seine Berichte meist nur in Publikationen mit begrenzter Reichweite veröffentlichen. Der Medienmarkt ist sehr stark konzentriert und der Staat übt als größter Geldgeber und Werbekunde erheblichen Einfluss auf die Berichterstattung aus. Auf der Rangliste der Pressefreiheit belegt Serbien den 93. Platz von insgesamt 180 bewerteten Ländern (RSF 21.4.2020).

Die Übergriffe auf freie Journalisten werden fortlaufend von der serbischen Opposition in politischen Diskussionen bzw. auch politischen Statements erwähnt. Relative Kritik kam auch im internationalen Bereich auf, nachdem Staatspräsident VUCIC nach seiner Reaktion betreffend nicht so angenehmen Pressefragen bei den ursprünglich täglichen COVID-19 Konferenzen die Einstellung weiterer Pressekonferenzen verfügte. Seit 04.05 werden die täglichen COVID-19 Mitteilungen nur mehr auf der Webseite der Regierung verlautbart. Es wird weiterhin von verbalen als auch körperlichen Attacken auf Journalisten/innen, insbesondere auf freischaffende Aufdeckungsjournalisten, sowie von vermehrten Einfluss auf den Mediensektor im Land, berichtet. Dieser Einfluss erfolgt sowohl im Rahmen von Medienübernahmen durch Regierungsnahe Konsortien, als auch generell bei der Vergabe von Medienfördermitteln. Dass die Entwicklung in diese Richtung geht, wird aber von Vertretern der regierenden SNS bei öffentlichen Podiumsdiskussionen immer wieder in Abrede gestellt und zugleich die Medienfreiheit im Land betont. Negative Journalistenberichte über unzureichende Gesundheitssicherheitsmaßnahmen für das eingesetzte medizinische Personal als auch die Sicherheitskräfte wurden in den Pressekonferenzen der Regierung umgehend zurückgewiesen. Die Opposition wiederum kritisierte, dass freie Journalisten/innen an ihrer Berufsausübung gerade zu Beginn der COVID-19 Pandemie beeinträchtigt wurden. Inwieweit angezeigte Übergriffe auf Journalisten noch gerichtlich aufgearbeitet werden, bleibt abzuwarten. Die serbischen Justizbehörden waren von der generellen Schließung nahezu aller Staatsstellen genauso umfasst. Die nächsten Monate werden hier einen näheren Einblick ermöglichen (VB 11.5.2020).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (3.11.2019): Bericht im Hinblick auf die Einstufung der Republik Serbien als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylG (Stand: August 2019), https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe /fetch/2000/702450/683266/684671/10074631/10075491/10075545/21601316/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_im_Hinblick_auf_die_Einstufung_der_Republik_Serbien_als_sicheres_Herkunftsland_im_Sinne_des_%C2%A7_29_a_AsylVfG_%28Stand_August_2019%29%2C_03%2E11.2019.pdf?nodeid=21601317&vernum=-2, Zugriff 13.5.2020

- AI - Amnesty International (16.4.2020): Human Rights in Europe - Review of 2019 - Serbia (including Kosovo) [EUR 01/2098/2020], 16. April 2020 https://www.ecoi.net/de/dokument/2028213.html, Zugriff 13.5.2020

- FH - Freedom House (6.5.2020): Nations in Transit 2020 - Serbia, 6 May 2020 https://www.ecoi.net/en/ document/2029665.html, 6.5.2020

- RSF - Reporter ohne Grenzen (21.4.2020): Serbien, https://www.reporter-ohne-grenzen.de/serbien/, Zugriff 13.5.2020

- USDOS - US Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Serbia, 11. März 2020, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026363.html, Zugriff 13.5.2020

- VB des BM.I in Serbien (11.5.2020): Auskunft des VB, per E-Mail

11. Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition

Letzte Änderung: 5.6.2020

Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit wird seitens der Verfassung garantiert aber die Regierung hat diese Rechte in einigen Fällen eingeschränkt. Protestkundgebungen müssen vorher von der Polizei genehmigt werden. Zulassungen für Versammlungen, die ein hohes Sicherheitsrisiko darstellten, werden von höheren Stellen entschieden. NGOs registrierten zwischen März und Juli 2019 verschiedene Fälle von behaupteten Verletzung der Versammlungsfreiheit und achtzehn Fälle von Verletzung der Vereinigungsfreiheit (USDOS 11.3.2020).

Die politische Opposition kann sich frei betätigen. Sie erhält jedoch im Vergleich zu den Regierungsparteien deutlich weniger Raum in den Medien, die Berichterstattung regierungsnaher Medien ist einseitig. Zudem wird sie in der Ausübung der Parlamentsarbeit durch eine Reihe von Geschäftsordnungstricks der Regierungsfraktionen eingeschränkt (AA 3.11.2019).

Im November 2018, kurz vor einem Treffen der Opposition in der Stadt Kruševac, wurde einer der Führer der Oppositionskoalition Allianz für Serbien (SzS) angegriffen und verletzt. Oppositionsführer warfen dem serbischen Präsidenten und SNS-Führer Aleksandar Vu?i? vor, ein Klima geschaffen zu haben, in dem sich die Gewalt gegen politische Gegner von der verbalen auf die physische Ebene verlagert habe. In der Folge kam es in der Hauptstadt Belgrad zu spontanen Demonstrationen gegen politische Gewalt. Die Proteste nahmen in den ersten Monaten des Jahres 2019 kontinuierlich weiter zu und breiteten sich auf Dutzende von Städten in ganz Serbien aus (FH 6.5.2020).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (3.11.2019): Bericht im Hinblick auf die Einstufung der Republik Serbien als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylG (Stand: August 2019), https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/ 2000/702450/683266/684671/10074631/10075491/10075545/21601316/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_im_Hinblick_auf_die_Einstufung_der_Republik_Serbien_als_sicheres_Herkunftsland_im_Sinne_des_%C2%A7_29_a_AsylVfG_%28Stand_August_2019%29%2C_03%2E11.2019.pdf?nodeid=21601317&vernum=-2, Zugriff 13.5.2020

- FH - Freedom House (6.5.2020): Nations in Transit 2020 - Serbia, 6 May 2020
https://www.ecoi.net/en/document/2029665.html, Zugriff 7.5.2020

- USDOS - US Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Serbia, 11. März 2020, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026363.html, Zugriff 13.5.2020

12. Ethnische Minderheiten

Letzte Änderung: 5.6.2020

Die 2006 erlassende Verfassung garantiert allen in der Republik Serbien lebenden Menschen (insbesondere Minderheiten) alle Rechte, im Einklang mit den höchsten internationalen Standards (VB 29.9.2019).

Die nationalen Minderheitenräte vertreten die ethnischen Minderheiten des Landes und verfügen über eine breite Kompetenz in den Bereichen Bildung, Medien, Kultur und Minderheitensprachen. Ethnische albanische Führer in den südlichen Gemeinden Presevo, Medvedja und Bujanovac sowie Bosniaken in der südwestlichen Region Sandzak beklagen, dass sie in staatlichen Institutionen auf lokaler Ebene unterrepräsentiert seien. Nach Angaben des Direktors des Regierungsbüros für Menschen- und Minderheitenrechte haben mehr als 60.000 Schüler aus Minderheitengruppen eine muttersprachliche Ausbildung absolviert. Die Regierung machte einige Fortschritte bei der Genehmigung neuer muttersprachlicher Lehrbücher, obwohl zu Beginn des Schuljahres 2019/20 nicht alle Lehrbücher in Minderheitensprachen verfügbar waren (USDOS 13.3.2020).

Die Volkszählung von 2011 ergab folgende ethnische Struktur – 83,32% der Bevölkerung bezeichneten sich als Serben. Der überwiegende Teil des Rests bezeichnet sich als zu einer der Minderheiten zugehörig, die zahlenmäßig größten darunter sind: Ungarn - 3,53%, Bosniaken (v.a. in der Region Sandschak) - 2,02%, Roma - 2,05%, Jugoslawen - 1,08%, Kroaten - 0,81%, Albaner (überwiegend: Südserbien) - 0,82% (letzte verfügbare Zahl aus 2002, da die Mehrzahl der Albaner die Volkszählung 2011 boykotiert hatten). In der Provinz Vojvodina gibt es die größte Anzahl ethnischer Minderheiten, über 25. Sie machen rund ein Drittel der Bevölkerung aus. Die größten Gruppen sind: Ungarn – 13%, Slowaken – 2,60%, Kroaten – 2,43%, Montenegriner – 1,15%, Jugoslawen – 0,63%. Der serbische Staat garantiert gewisse Minderheitenrechte hinsichtlich der offiziellen Verwendung von Minderheitensprachen, der Gründung von Minderheitenräten als nationale Vertretung sowie der Aufhebung der Sperrklausel für ethnische Minderheitenparteien im serbischen Parlament (LIPortal Gesellschaft & Kultur 9.2019).

Serbien hat das Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten sowie die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen des Europarats ratifiziert. Die serbische Verfassung enthält ausführliche Bestimmungen zum Schutz nationaler Minderheiten. Die Minderheitengesetzgebung entspricht internationalem Standard. Die serbische Regierung hat Anfang März 2016 einen Aktionsplan für Minderheiten (als Teil des Aktionsplans zum EU-Verhandlungskapitel) verabschiedet. Ein am 26.3.2009 verabschiedetes allgemeines Antidiskriminierungsgesetz stärkt u.a. auch die Rechte nationaler Minderheiten. Probleme ergeben sich aber immer wieder bei der Implementierung. Die Antidiskriminierungsstrategie der Regierung ist im Januar 2018 ausgelaufen, eine neue Strategie wurde bislang noch nicht verabschiedet. In der serbischen Öffentlichkeit sind Vorbehalte und Vorurteile gegen Angehörige bestimmter Minderheiten (Roma, Albaner, Bosniaken, LGBTI) unverändert weit verbreitet. Allerdings sind in bestimmten Bereichen auch Fortschritte zu verzeichnen (z.B. höhere Einschulungsquote von Roma-Kindern, Einsatz pädagogischer Assistenten und Roma-Mediatorinnen oder Anerkennung von Schulbüchern in Minderheitensprachen). Menschen mit Behinderungen erfahren zudem faktische Benachteiligung und zählen zu den am stärksten benachteiligten Bevölkerungsgruppen in Serbien. In Serbien gibt es 21 nationale und ethnische Minderheiten mit mehr als 2000 Angehörigen. Aus der letzten Volkszählung 2011 ergibt sich, dass rund 1 Mio. (von 7,18 Mio.) einer Minderheit angehören, darunter 4.064 Angehörige der deutschen Minderheit. Laut OSZE bezeichnen die meisten Minderheitenvertreter ihre eigene Situation als grundsätzlich zufriedenstellend (AA 3.11.2019).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (3.11.2019): Bericht im Hinblick auf die Einstufung der Republik Serbien als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylG (Stand: August 2019), https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/ fetch/2000/702450/683266/684671/10074631/10075491/10075545/21601316/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_im_Hinblick_auf_die_Einstufung_der_Republik_Serbien_als_sicheres_Herkunftsland_im_Sinne_des_%C2%A7_29_a_AsylVfG_%28Stand_August_2019%29%2C_03%2E11.2019.pdf?nodeid=21601317&vernum=-2, Zugriff 13.5.2020

- LIPortal - Das Länder-Informations-Portal (9.2019): Serbien, Gesellschaft & Kultur, https://www.liportal.de/ serbien/gesellschaft/#c19593, Zugriff 27.9.2019

- USDOS - US Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Serbia, 11. März 2020, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026363.html, Zugriff 13.5.2020

- VB des BM.I in Serbien (29.9.2019): Auskunft des VB, per E-Mail

12.1. Roma

Letzte Änderung: 5.6.2020

Roma sind, wie alle

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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