Entscheidungsdatum
10.05.2021Norm
BBG §40Spruch
L515 2234680-1/7E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. H. LEITNER als Vorsitzenden und die Richterin Mag. Irene ALTENDORFER und den fachkundigen Laienrichter RR Johann PHILIPP als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesens - Sozialministeriumservice, Landesstelle Oberösterreich, vom 17.04.2020, OB: XXXX , in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 Bundesverfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930 idgF nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
I.1. Die beschwerdeführende Partei: ("bP") beantragte am im Akt ersichtlichen Datum beim Sozialministeriumservice als belangte Behörde ("bB") unter Beifügung eines Befundkonvolutes die Ausstellung eines Behindertenpasses.
I.2. Die bP wurde am 08.07.2019 einer Begutachtung durch einen medizinischen Sachverständigen (Facharzt für Orthopädie und orthopädische Chirurgie und Allgemeinmediziner) zugeführt und darüber ein Gutachten erstellt. Das Gutachten ergab einen Gesamtgrad der Behinderung von 30 v.H.
I.3. Mit Schreiben vom 02.08.2019 wurde der bP das eingeholte Gutachten zur Kenntnis gebracht und ihr die Möglichkeit eingeräumt, sich dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung zu äußern. In einer am 09.09.2019 bei der belangten Behörde aufgenommenen Niederschrift erklärte sich die bP mit der Einschätzung von 30 v.H. nicht einverstanden. Sie stellte neue Befunde in Aussicht und erbat eine nochmalige Überprüfung ihrer Leidenszustände.
I.4. In der Folge wurde am 23.03.2020 ein ärztliches Sachverständigengutachten eines Facharztes für Orthopädie und Allgemeinmedizin erstellt (Begutachtung am 27.02.2020). Das Gutachten ergab einen Gesamtgrad der Behinderung von 30 v.H.
I.5. Mit Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Oberösterreich, vom 17.04.2020 wurde der Antrag der bP abgewiesen; mit einem Grad der Behinderung von 30% erfülle sie die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht. Das Gutachten des medizinischen Sachverständigen vom 23.03.2020 wurde dem Bescheid beigelegt.
I.6. Gegen diesen Bescheid erhob die bP mit E-Mail vom 03.05.2020 Beschwerde und übermittelte einen ärztlichen Befund vom 29.04.2020. Ihr Zustand habe sich verschlechtert. Die Bandscheibenprobleme würden im Bereich der Halswirbelsäule und der Schulter Schmerzen verursachen. Sie ersuche um eine erneute Untersuchung.
I.6.1. In weiterer Folge übermittelte die bP ohne Begleitdokument einen ärztlichen Bericht des Konventionshospitals der B.B. in L. vom 15.05.2020, über die stationäre Aufnahme der bP in der Zeit vom 10.05.2020 bis 15.05.2020.
I.7. Im Verfahren zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung wurde die bP am 10.08.2020 einer Begutachtung durch eine medizinische Sachverständige (FA f. Orthopädie und Allgemeinmedizinerin) zugeführt und darüber ein Gutachten erstellt. Das Gutachten ergab einen Gesamtgrad der Behinderung von 30 v.H.
I.8. Mit Schreiben vom 03.09.2020 erfolgte die Beschwerdevorlage an das Bundesverwaltungsgericht; diese langte am selben Tag hier ein.
I.9. Die Beschwerdesache wurde vorerst der ho. Gerichtsabteilung L517 zugewiesen. Mit Verfügung des ho. Geschäftsverteilungsausschusses wurde diese der ho. Gerichtsabteilung L517 wieder abgenommen und der Gerichtsabteilung L515 zur Erledigung zugewiesen.
I.10. Mit ho. Schreiben vom 15.1.2021 wurde der bP das unter Punkt I.7. genannte Gutachten zur Kenntnis gebracht und ihr die Möglichkeit eingeräumt, hierzu Stellung zu nehmen.
I.11. Im Rahmen einer nicht öffentlichen Beratung am beschloss der erkennende Senat am 5.5.2021 die Beschwerde abzuweisen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Feststellungen (Sachverhalt):
1.1. Die bP ist österreichischer Staatsbürger und an der im Akt ersichtlichen oberösterreichischen Adresse wohnhaft.
1.2. Im am 08.07.2019 von einem ärztlichen Sachverständigen (Facharzt für Orthopädie und orthopädische Chirurgie und Arzt für Allgemeinmedizin) erstellten Gutachten wurde ein Gdb von 30 vH festgestellt.
1.3. In der im Rahmen des Parteiengehörs am 09.09.2019 bei der belangten Behörde aufgenommenen Niederschrift erklärte sich die bP, insbesondere auf Grund ihrer starken Schmerzen in der Wirbelsäule (neuer Discusprolaps L3/L4), mit der Einschätzung von 30 v.H. nicht einverstanden. Auf Grund der starken Schmerzen speziell im linken Knie sei die Einschätzung mit 20 v.H. zu gering. Im rechten Arm habe sie starke Schmerzen und in den Fingern der linken Hand verspüre sie ein Taubheitsgefühl. Aktuelle Befunde werde sie in den nächsten 2-3 Monaten nachreichen. Sie ersuche um nochmalige Untersuchung ihres Leidenszustandes.
1.4. Das am 23.03.2020 von einem ärztlichen Sachverständigen (FA f. Orthopädie und orthopädische Chirurgie, Allgemeinmedizin) erstellte Gutachten kam ebenfalls zu einem Gdb von 30 vH.
1.5. Mit E-Mail vom 03.05.2020 erhob die bP auf Grund ihres verschlechterten Zustandes Beschwerde. Die Bandscheibenprobleme verursachen Schmerzen im Bereich der Halswirbelsäule sowie in den Schultern. Die bP ersuchte dringend um einen neuen Termin für eine erneute Untersuchung.
1.6. In weiterer Folge übermittelte die bP ohne Begleitdokument einen ärztlichen Bericht des Konventionshospitals der B.B. in L. vom 15.05.2020, über die stationäre Aufnahme der bP in der Zeit vom 10.05.2020 bis 15.05.2020.
1.7. Das am 17.08.2020 (Begutachtung am 10.08.2020) - im Verfahren zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung - von einer ärztlichen Sachverständigen (FA d. Orthopädie, Allgemeinmedizinerin) erstellte Gutachten weist nachfolgenden relevanten Inhalt auf:
„[…]
Derzeitige Beschwerden:
Herr XXXX beschreibt Dauerschmerzen im Lendenwirbelsäulenbereich, eine Lumbalbandage wird getragen. Unter regelmäßig wechselnder Körperhaltung bessern sich die Beschwerden. Heilgymnastik wird nach Möglichkeit alle 2 Tage durchgeführt, physikalmedizinische Maßnahmen erfolgen.
Beschrieben wird immer wieder auftretendes Schwindelgefühl bei Rotation in der Halswirbelsäule.
Die Lendenwirbelsäulenbeschwerden würden beidseits bis auf Kniehöhe ausstrahlen, links etwas stärker ausgeprägt als rechts.
Schmerzen im Bereich des linken Schultergelenkes, die belastungsabhängig seien. Einschränkungen bei der Arbeitstätigkeit als Lackierer, Herr XXXX ist Linkshänder.
Beschwerden im Bereich beider Kniegelenke, links stärker ausgeprägt als rechts mit Schmerzen beim Stiegen hinaufgehen. Ein Kompressionsstrumpf links wird getragen, sowie zusätzlich eine GenuTrain-Bandage links.
Die zurücklegbare Wegstrecke wird mit 500 Metern angegeben, dann müsse eine Möglichkeit zum Sitzen vorhanden sein.
Auch auf Nachfrage werden keine weiteren Beschwerden angegeben.
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Kompressionsstrumpf links, GenuTrain links, Lumbotrain.
Die geforderte Liste vom Hausarzt wird nicht vorgelegt, Rezeptkopie von Verordnung Notfallambulanz vorliegend.
Anamnestisch Sirdalud, Seractil, Novalgin-Tabletten oder Tropfen.
[…]
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
Begründung der Rahmensätze:
1) Degenerative Hals- und Lendenwirbelsäulenveränderungen mit polysegmentalen Bandscheibenveränderungen mit Nervenwurzelkontakt auf mehreren Segmenten ohne neurologische Ausfallserscheinungen
einfache Schmerzmedikation ohne Opiate, physikalische Therapien sind etabliert, keine weiteren Hilfsmittel, kein Gehbehelf, Bandscheibenvorwölbungen an der Halswirbelsäule mit Schwindelattacken wurden berücksichtigt;
Pos. Nr. 02.01.02, GdB 30 %
2) Krampfadern beidseits (Varicositas beidseits), Z.n. Varizenoperation links 01/2020
reizlose Lokalsituation, Kompressionsstrumpf wird getragen, keine Ulcerationen, keine sonstigen trophischen Störungen;
Pos. Nr. 05.08.01, GdB 20 %
3) Kniegelenksbeschwerden beidseits; Abnützung an beiden Kniegelenken, Z.n. Arthroskopie (Kniegelenksspiegelung) am rechten Kniegelenk
gute Beweglichkeit, reizlose Lokalsituation, stabile Gelenkssituation, keine analgetische Therapie;
Pos. Nr. 02.05.19, GdB 20 %
4) Schultergelenksbeschwerden beidseits; Radiologisch nachgewiesene degenerative Veränderungen an beiden Schultergelenken
belastungsabhängige Schmerzen, minimal eingeschränkte Beweglichkeit, reizlose Lokalsituation, keine regelmäßige Schmerzmedikation notwendig;
Pos. Nr. 02.06.02, GdB 20 %
Gesamtgrad der Behinderung 30 v. H.
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
Hauptleiden ist das Leiden in Position 1, die weiteren Leiden erhöhen den GdB bei fehlender zusätzlicher erheblicher Einschränkung nicht.
Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:
Maximal 16 mm messende zystische Formation zentral pelvin infravesikal - Urethralzyste - geringfügiges Leiden.
Phlebolithen - kein Erkrankung im engeren Sinn.
Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:
Auch durch die neu beigebrachten Befunde und die aktuelle klinische Untersuchung keine Änderung der zuletzt eingeschätzten Leiden erhebbar, keine neuen Leiden hinzugekommen.
Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung:
Mit insgesamt 30% keine Änderung im Vergleich zum Vorgutachten vom 23.3.2020 erstellt durch Dr. XXXX /FA Orthopädie.
Dauerzustand
[…]
Begründung:
Die ausgeprägt demonstrierte Bewegungseinschränkung im gesamten Bewegungsapparat ist orthopädisch und unter Berücksichtigung der vorliegenden Befunde nicht nachvollziehbar, von einer, zumindest teilweisen, zweckorientierten Aggravierung muss ausgegangen werden.
Es liegen keine medizinischen Indikationen für oben genannte Zusatzeintragungen wegen Krankendiätverpflegung vor.
…“
1.8. Im Rahmen des mit Schreiben vom 15.01.2021 gewährten Parteiengehörs übermittelte die bP ein vom Arbeits- und Sozialgericht L. in Auftrag gegebenes Gutachten vom 01.12.2020 und einen radiologischen Befund vom 03.02.2021. Darüber hinaus erklärte sie sich mit dem GdB von 30 v.H. nicht einverstanden.
2.0. Beweiswürdigung:
2.1. Zum Verfahrensgang:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der bB und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesver-waltungsgerichtes.
Der oben unter Punkt II.1. festgestellte Sachverhalt beruht auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens.
Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen ergeben sich durch Einsicht in die sonstigen relevanten Unterlagen, insbesondere den durch die bP in Vorlage gebrachten ärztlichen Bescheinigungsmittel, das der Entscheidung zu Grunde liegende Gutachten und dem Parteienvorbringen.
2.2. Aufgrund des vorliegenden Verwaltungsaktes ist das ho. Gericht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt im Rahmen der freien Beweiswürdigung ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen.
Nach der ständigen Judikatur des VwGH muss ein Sachverständigengutachten einen Befund und das eigentliche Gutachten im engeren Sinn enthalten. Der Befund ist die vom Sachverständigen - wenn auch unter Zuhilfenahme wissenschaftlicher Feststellungsmethoden - vorgenommene Tatsachenfeststellung. Die Schlussfolgerungen des Sachverständigen aus dem Befund, zu deren Gewinnung er seine besonderen Fachkenntnisse und Erfahrungen benötigt, bilden das Gutachten im engeren Sinn. Eine sachverständige Äußerung, die sich in der Abgabe eines Urteiles (eines Gutachtens im engeren Sinn) erschöpft, aber weder die Tatsachen, auf die sich dieses Urteil gründet, noch die Art, wie diese Tatsachen ermittelt wurden, erkennen lässt, ist mit einem wesentlichen Mangel behaftet und als Beweismittel unbrauchbar; die Behörde, die eine so geartete Äußerung ihrer Entscheidung zugrunde legt, wird ihrer Pflicht zur Erhebung und Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes (§ 37 AVG) nicht gerecht (VwGH vom 17.02.2004, GZ 2002/06/0151).
Hat eine Partei grundlegende Bedenken gegen ein ärztliches Gutachten, dann ist es nach Ansicht des VwGH an ihr gelegen, auf gleichem fachlichen Niveau diesem entgegenzutreten oder unter Anbietung von tauglichen Beweismitteln darzutun, dass die Aussagen des ärztlichen Sachverständigen mit dem Stand der medizinischen Forschung und Erkenntnis nicht vereinbar sind (VwGH vom 20.10.1978, 1353/78).
Eine Partei kann ein Sachverständigengutachten nur dann erfolgreich bekämpfen, wenn sie unter präziser Darstellung der gegen die Gutachten gerichteten sachlichen Einwände ausdrücklich erklärt, dass sie die Einholung eines weiteren Gutachtens bestimmter Fachrichtung zur vollständigen Ermittlung des Sachverhaltes für erforderlich halte und daher einen Antrag auf Beiziehung eines weiteren Sachverständigen stellt (VwGH vom 23.11.1978, GZ 0705/77).
Ebenso kann die Partei Sachverständigengutachten erfolgreich bekämpfen, ohne diesem auf gleichem fachlichem Niveau entgegentreten zu müssen, wenn es Widersprüche bzw. Ungereimtheiten im Gutachten aufzeigt (vgl. z. B. VwGH vom 20.10.2008, GZ 2005/07/0108).
Das seitens der belangten Behörde zuletzt im Rahmen der Beschwerdevorentscheidung eingeholte ärztliche Sachverständigengutachten aus dem Bereich der Orthopädie und Allgemeinmedizin vom 17.08.2020 zeigt den aktuellen Gesundheitszustand der bP im Lichte des BBG bzw. der Einschätzungsverordnung in nachvollziehbarer Weise auf, ist ausführlich begründet, schlüssig und weist keine Widersprüche auf. Die vorliegenden Funktionseinschränkungen wurden von der Sachverständigen im Rahmen der klinischen Untersuchung am 10.08.2020 unter Berücksichtigung aller vorgelegten Befunde erhoben und den entsprechenden Positionsnummern der Einschätzungsverordnung zugeordnet. Das zitierte Gutachten kommt zu einem Gesamtgrad der Behinderung von 30 v.H. Führendes Leiden ist die Funktionseinschränkung „Degenerative Hals- und Lendenwirbelsäulenveränderungen“, welche innerhalb des Rahmensatzes der Pos. Nr. 02.01.02 (Funktionseinschränkungen mittleren Grades) mit dem unteren Rahmensatz in Höhe von 30 % nachvollziehbar eingeschätzt wurde. Laut Gutachten der Sachverständigen sowie des seitens der bP vorgelegten ärztlichen Berichtes des Konventionshospitals der B.B. in L vom 15.05.2020 bestehen Wirbelsäulenveränderungen C5/6 und C6/7 im beschriebenen Ausmaß, ohne neurologische Ausfallserscheinungen mit einer einfachen Schmerzmedikation ohne Opiate, physikalische Therapien sind etabliert, keine weiteren Hilfsmittel, kein Gehbehelf. In der Einschätzung wurden die Bandscheibenvorwölbungen an der Halswirbelsäule mit Schwindelattacken berücksichtigt. Entscheidend für die Einstufung einer Funktionseinschränkung nach Pos. 02.01.03 sind maßgebliche Einschränkungen im Alltag und Arbeitsleben; diese stellen nach der Einschätzungsverordnung das Abgrenzungskriterium dar. Einer Einstufung der Wirbelsäulenerkrankung der bP als Funktionseinschränkung schweren Grades stehen daher die - wie oben erwähnt - fehlenden maßgeblichen Einschränkungen im Alltag und Arbeitsleben entgegen. In der Anamnese beschreibt die bP Dauerschmerzen im Lendenwirbelsäulenbereich und ein immer wieder auftretendes Schwindelgefühl bei Rotation in der Halswirbelsäule. Dass er im Alltag und Arbeitsleben maßgeblichen Einschränkungen unterworfen ist, wurde von der bP nicht behauptet und war auch nicht erhebbar. Die bP hat lediglich „Einschränkungen bei der Arbeitstätigkeit als Lackierer, die bP ist Linkshänder“ angeführt. Fachbefunde seit der Letztbegutachtung wurden nicht vorgelegt. Die weiteren festgestellten Funktionseinschränkungen (Krampfadern beidseits (Varicositas beidseits), Kniegelenksbeschwerden beidseits, Schultergelenksbeschwerden beidseits) vermochten den Gesamtgrad der Behinderung wegen Fehlen von zusätzlicher erheblicher Einschränkung nicht zu steigern.
Der im Rahmen der Stellungnahme vorgelegte radiologische Befund vom 03.02.2021 sowie das arbeitskundliche Gutachten vom 01.12.2020 – welche im Übrigen dem Neuerungsverbot im Beschwerdeverfahren gem. § 46 3. Satz BBG unterliegen - vermochten keine Änderung der Einschätzung des Sachverständigen herbeiführen, zumal die Funktionseinschränkungen weder einer Positionsnummer der Einschätzungsverordnung zugeordnet noch im Einzelnen begründet bewertet wurden; es mangelt sohin an Schlüssigkeit und Nachvollziehbarkeit und stellt der radiologische Befund vom 03.02.2021 und das Arbeitsrechtliche Gutachten vom 01.12.2020 keine taugliche Grundlage für eine Entscheidung dar. Hinsichtlich des arbeitskundlichen Gutachtens ist noch anzumerken, dass sich dieses mit dem Leistungskalkül der bP auseinandersetzt, nicht jedoch mit dem im Rahmen des Parteiengehörs übermittelten medizinischen Sachverständigengutachten vom 17.08.2020.
Die gutachterlichen Ausführungen wurden von der bP weder bestritten noch wurden Ungereimtheiten oder Widersprüche aufgezeigt, die eine Beeinspruchung auch ohne einem Entgegentreten auf gleichem fachlichen Niveau ermöglicht hätten (vgl. VwGH vom 20.10.2008, 2005/07/0108).
Mit ihren Ausführungen in der Beschwerde erweckt sie keine Zweifel an den nicht als unschlüssig zu erkennenden, dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegenden Sachverständigengutachten. Die Angaben der bP konnten nicht über den erstellten Befund hinaus objektiviert werden.
Da das Sachverständigengutachten auch mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch steht, wird es in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt.
3.0. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Entscheidungsrelevante Rechtsgrundlagen:
- Bundesverfassungsgesetz B-VG, BGBl. Nr. 1/1930 idgF
- Bundesbehindertengesetz BBG, BGBl. Nr. 283/1990 idgF
- Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010 idgF
- Bundesverwaltungsgerichtsgesetz BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 idgF
- Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF
- Verwaltungsgerichtshofgesetz VwGG, BGBl. Nr. 10/1985 idgF
- Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013 idgF
Nachfolgende Bestimmungen beziehen sich auf die im Pkt. 3.1. angeführten Rechtsgrundlagen in der jeweils geltenden Fassung.
3.2. Gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden
1. gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit; …
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
Gemäß § 45 Abs. 2 BBG ist ein Bescheid nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben oder der Pass eingezogen wird.
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
Gemäß § 45 Abs. 4 BBG hat bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.
Gemäß § 45 Abs. 5 BBG entsendet die im § 10 Abs. 1 Z 6 des BBG genannte Vereinigung die Vertreterin oder den Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung. Hinsichtlich der Aufteilung des Nominierungsrechtes auf gleichartige Vereinigungen ist § 10 Abs. 2 des BBG anzuwenden. Für jede Vertreterin und jeden Vertreter ist jeweils auch die erforderliche Anzahl von Ersatzmitgliedern zu entsenden.
In Anwendung des Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG iVm § 45 Abs. 3 BBG wird die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes in der zugrundeliegenden Beschwerdeangelegenheit begründet und fällt die Entscheidung der gegenständlichen Rechtssache jenem Richtersenat zu, der unter Berücksichtigung der zitierten Bestimmungen in der Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes dafür vorgesehen ist. Der erkennende Senat ist daher in diesem Beschwerdeverfahren zuständig.
3.3. Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 45 Abs. 3 AVG des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991, ist den Parteien Gelegenheit zu geben, vom Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen.
Das Sachverständigengutachten vom 17.08.2020 wurde dem Beschwerdeführer im Rahmen des Parteiengehörs mit Schreiben des BVwG vom 15.01.2021 übermittelt. In der Stellungnahme hatte die bP folglich – i.S. der obigen Ausführungen – die Möglichkeit, sich dazu zu äußern, was sie auch wahrgenommen hat.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Die gegenständliche Beschwerde erweist sich als rechtzeitig und zulässig.
3.4. Gemäß § 1 Abs 1 BBG soll Behinderten und von konkreter Behinderung bedrohten Menschen durch die in diesem Bundesgesetz vorgesehenen Maßnahmen die bestmögliche Teilnahme am gesellschaftlichen Leben gesichert werden.
Gemäß § 1 Abs. 2 BBG ist unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.
Gemäß § 40 Abs. 1 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.
Gemäß § 40 Abs. 2 BBG ist behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.
Gemäß § 41 Abs. 1 BBG gilt als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376.
Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.
Gemäß § 47 BBG ist der Bundesminister für Arbeit und Soziales ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpass und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen.
Gemäß § 54 Abs. 12 BBG treten § 1, § 13 Abs. 5a, § 41 Abs. 1 und 2, § 55 Abs. 4 und 5 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 81/2010 mit 1. September 2010 in Kraft.
Gemäß § 1 der Einschätzungsverordnung ist unter Behinderung die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, insbesondere am allgemeinen Erwerbsleben, zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.
Gemäß § 2 Abs. 1 leg cit sind die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage der Einschätzungsverordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.
Gemäß § 2 Abs. 2 leg cit ist bei Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen, die nicht in der Anlage angeführt sind, der Grad der Behinderung in Analogie zu vergleichbaren Funktionsbeeinträchtigungen festzulegen.
Gemäß § 2 Abs. 3 leg cit ist der Grad der Behinderung nach durch zehn teilbaren Hundertsätzen festzustellen. Ein um fünf geringerer Grad der Behinderung wird von ihnen mit umfasst. Das Ergebnis der Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist zu begründen.
Gemäß § 3 Abs. 1 leg cit ist eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.
Gemäß § 3 Abs. 2 leg cit ist bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.
Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.
Gemäß § 3 Abs. 3 leg cit liegt eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbe-einträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, vor, wenn
- sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,
- zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.
Gemäß § 3 Abs. 4 leg cit ist eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.
Gemäß § 4 Abs. 1 leg cit bildet die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. Erforderlichenfalls sind Experten aus anderen Fachbereichen - beispielsweise Psychologen - zur ganzheitlichen Beurteilung heran zu ziehen.
Gemäß § 4 Abs. 2 leg cit hat das Gutachten neben den persönlichen Daten die Anamnese, den Untersuchungsbefund, die Diagnosen, die Einschätzung des Grades der Behinderung, eine Begründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes sowie die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung und dessen Begründung zu enthalten.
Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat die Gesamtbeurteilung mehrerer Leidenszustände nicht im Wege einer Addition der aus den Richtsatzpositionen sich ergebenden Hundertsätze der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu erfolgen, sondern nach den Grundsätzen des § 3 der genannten Richtsatzverordnung. Nach dieser Bestimmung ist dann, wenn mehrere Leiden zusammentreffen, bei der Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit zunächst von der Gesundheitsschädigung auszugehen, die die höchste Minderung der Erwerbsfähigkeit verursacht. Sodann ist zu prüfen, ob und inwieweit der durch die Gesamteinschätzung zu erfassende Leidenszustand infolge des Zusammenwirkens aller zu berücksichtigenden Gesundheitsschädigungen eine höhere Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit rechtfertigt, wobei im Falle der Beurteilung nach dem BEinstG gemäß § 27 Abs. 1 dieses Gesetzes Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 v H. außer Betracht zu lassen sind, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht (u.a VwGH vom 24. September 2003, Zl. 2003/11/0032; VwGH vom 21. August 2014, Zl. Ro 2014/11/0023-7).
Das angeführte Sachverständigengutachten und die Angaben der bP im Verfahren sowie die im Rahmen der Beschwerde vorgelegten Befunde und das arbeitsrechtliche Gutachten wurden im oben beschriebenen Umfang in freier Beweiswürdigung der Entscheidung des Gerichtes zu Grunde gelegt. Das zitierte Gutachten erfüllt sämtliche der in der Einschätzungsverordnung normierten Voraussetzungen.
Die von der ärztlichen Sachverständigen erfolgte Bewertung der angegebenen Beschwerden und Krankheitszustände entspricht der Einschätzungsverordnung sowohl hinsichtlich Position, als auch Prozentsatz. Festlegungen innerhalb eines Rahmensatzes wurden schlüssig begründet.
Im Ermittlungsverfahren stellte sich heraus, dass bei der bP ein Gesamtgrad von 30 v.H. vorliegt. Ein Gesamtgrad der Behinderung von 30 v.H. reicht aber noch nicht zur Ausstellung eines Behindertenpasses aus (notwendig wären 50 v.H.); die Beschwerde war daher abzuweisen.
Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass bei einer späteren Verschlechterung der Leidenszustände ein neuer Antrag des Beschwerdeführers beim Sozialministeriumservice und damit eine neuerliche Prüfung des Grades der Behinderung nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG in Betracht kommt.
3.5. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seiner Entscheidung vom 19. Februar 1998, Zl. 8/1997/792/993 (Fall Jacobsson; ÖJZ 1998, 41) unter Hinweis auf seine Vorjudikatur das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung dann als mit der EMRK vereinbar erklärt, wenn besondere Umstände ein Absehen von einer solchen Verhandlung rechtfertigen. Solche besonderen Umstände erblickt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte darin, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers im Fall Jacobsson vor dem Obersten Schwedischen Verwaltungsgericht nicht geeignet war, irgendeine Tatsachen- oder Rechtsfrage aufzuwerfen, die eine mündliche Verhandlung erforderlich machte (vgl. VwGH 03.11.2015, Zl. 2013/08/0153).
Maßgebend für die gegenständliche Entscheidung über den Grad der Behinderung sind die Art und das Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen, welche auf Grundlage eines medizinischen Sachverständigengutachtens einzuschätzen sind. Wie im gegenständlichen Erkenntnis ausgeführt wurde, wurde das hierfür eingeholte – auf Basis einer klinischen Untersuchung erstellte - Gutachten als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet und zeigt die bP weder Widersprüche, Ungereimtheiten noch Mängel auf. Der auf sachverständiger Basis ermittelte, entscheidungsrelevante Sachverhalt ist sohin geklärt, nicht ergänzungsbedürftig und wurden in der Beschwerde keine Rechts- oder Tatsachenfragen von einer solchen Art aufgeworfen, dass deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätte. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte daher abgesehen werden.
Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH sind für das Absehen einer mündlichen Verhandlung wegen geklärten Sachverhalts folgende Kriterien beachtlich vgl. Erk. d. VwGH vom 28.5.2014, Ra 2014/20/0017, Beschluss des VwGH vom 25.4.2017, Ra 2016/18/0261-10):
- Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt wurde von der bB vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben und weist dieser bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung durch das ho. Gericht noch immer die gebotene Aktualität und Vollständigkeiten auf.
- Die bB musste die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das ho. Gericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen.
- In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der bB festgestellten Sachverhalts ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, welches gegen das Neuerungsverbot gem. § 46 BBG verstößt.
- Auf verfahrensrechtliche Besonderheiten ist Bedacht zu nehmen.
Da die oa. Kriterien im gegenständlichen Fall erfüllt sind, bzw. die genannten Mängel im Lichte der genannten Ausführungen nicht relevant waren und für es im Rahmen der Gewährung des schriftlichen Parteiengehörs im Beschwerdeverfahren auf den persönlichen Eindruck nicht ankam, da die Leiden der bP in tatsächlicher Hinsicht nicht in Zweifel gezogen wurden, konnte eine Beschwerdeverhandlung unterbleiben.
Der VwGH wies wiederholt darauf hin, dass bei der im Rahmen der Entscheidungen durch das Verwaltungsgericht auf die Verschaffung eines persönlichen Eindrucks im Rahmen der mündlichen Verhandlung besondere Bedeutung zukommt. Daraus ist jedoch keine generelle Pflicht zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung abzuleiten. In eindeutigen Fällen, bei denen bei Berücksichtigung aller zugunsten des Fremden sprechenden Fakten auch dann für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das ho. Gericht von ihm einen persönlichen Eindruck verschafft, kann auch eine beantragte mündliche Verhandlung unterbleiben. Im gegenständlichen Fall wurden zum einen die seitens der bP durch die Befundlage dokumentierten Erkrankungen in tatsächlicher Hinsicht nicht angezweifelt und letztlich der für die bP günstigste Sachverhalt, wie er sich darstellen würde, wenn sich das Gericht im Rahmen einer Verhandlung einen positiven Eindruck verschafft hätte, der rechtlichen Beurteilung unterzogen, weshalb keine Verhandlung durchzuführen war.
Zur Frage der Erforderlichkeit einer persönlichen Einvernahme der bP ist festzustellen, dass in der Beschwerde nicht angeführt wird, was bei einer solchen konkret an entscheidungsrelevantem und zu berücksichtigendem Sachverhalt noch hervorkommen hätte können, zumal sie bereits im Administrativverfahren die Gelegenheit hatte, ihren Antrag zu begründen. So argumentiert auch der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung, dass schon in der Beschwerde darzulegen ist, welche wesentlichen Umstände (Relevanzdarstellung) dadurch hervorgekommen wären (zB. VwGH 4.7.1994, 94/19/0337). Wird dies –so wie im gegenständlichen Fall- unterlassen, so besteht keine Verpflichtung zur neuerlichen Einvernahme iSe hier weiteren Beschwerdeverhandlung.
3.6. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen (VwGH vom 22.05.2014, Ra 2014/01/0030).
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlichen Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen. Diesbezüglich ist die vorliegende Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
Sonstige Hinweise, die auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage schließen lassen, liegen ebenfalls nicht vor. Darüber hinaus lag der wesentliche Schwerpunkt des gegenständlichen Erkenntnisses im Rahmen der Beurteilung der Frage der Beweiskraft eines schlüssigen Gutachtens. Zu dieser Frage liegt umfangreiche und einheitliche Judikatur des VwGH vor. Im Rahmen der Frage des Umfanges der Ausnahme von der Verhandlungspflicht orientierte sich das ho. Gericht ebenfalls an der Judikatur des VwGH.
Die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG waren somit nicht gegeben.
Schlagworte
Behindertenpass Grad der Behinderung SachverständigengutachtenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:L515.2234680.1.00Im RIS seit
03.09.2021Zuletzt aktualisiert am
03.09.2021