Entscheidungsdatum
25.05.2021Norm
AsylG 2005 §5Spruch
W175 2242349-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Neumann über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , türkischer Staatsangehöriger, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.04.2021, Zahl: 1276150809-210395862, zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 5 AsylG und § 61 FPG idgF als unbegründet abgewiesen.
B)
Die ordentliche Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG idgF nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
I.1. Der Beschwerdeführer (BF) stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet am 23.03.2021 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF (AsylG).
Ein Eurodac-Abgleich der Fingerabdruckdaten des BF am Tag der Antragstellung ergab, dass der BF von Griechenland am 26.11.2020 wegen unrechtmäßigem Aufenthalt und am 18.12.2020 infolge Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gespeichert wurde. Weitere Speicherungen erfolgten von Kroatien am 20.02.2021 wegen illegalen Aufenthaltes und nachfolgendem Antrag auf internationalen Schutz und von Slowenien am 19.03.2021 aufgrund der Stellung eines weiteren Antrages auf internationalen Schutz.
I.2. Im Rahmen der Erstbefragung am 23.03.2021 gab der BF in Kurdisch befragt im Wesentlichen an, dass er volljährig und türkischer Staatsangehöriger sei, wobei er sich mit einem türkischen Führerschein auswies. Seinen Pass habe er in der Türkei zerrissen, da er von der türkischen Regierung verfolgt werde.
Er habe die Türkei im Dezember 2020 verlassen, da er inhaftiert gewesen sei, sein Ziel sei Österreich gewesen, da er hier Freunde habe. Er sei über Griechenland, Albanien und Serbien nach Kroatien eingereist, wo er sich 14 Wochen aufgehalten habe. Er sei gezwungen worden, sich erkennungsdienstlich behandeln zu lassen, da er sonst in die Türkei abgeschoben worden wäre. Von Kroatien sei er weiter nach Slowenien gereist, wo er ebenfalls zur erkennungsdienstlichen Behandlung gezwungen worden sei. Nach einem zehntägigen Aufenthalt über Italien sei er weiter nach Österreich gereist, wo er den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz eingebracht habe.
In Österreich oder einem anderen Mitgliedstaat habe er keine Verwandten. Gesundheitliche Probleme gab der BF nicht an.
I.3. Aufgrund der Eurodac-Treffer und der Angaben des BF richtete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) an Kroatien am 26.03.2021 ein auf Art. 18 Abs. 1 lit b der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III-VO), gestütztes Wiederaufnahmeersuchen betreffend den BF.
I.4. Mit Schreiben vom 15.04.2021 stimmten die kroatischen Behörden einer Wiederaufnahme des BF gemäß Art. 18 Abs. 1 lit b Dublin III-VO ausdrücklich zu, nachdem diese mit Schreiben vom 06.04.2021 unter Hinweis aus eine zuvor erforderliche Prüfung der Zuständigkeit Griechenlands abgelehnt worden war.
I.5. Anlässlich der Einvernahme zur Wahrung des Parteiengehörs vor dem BFA am 27.04.2021 gab der BF nach erfolgter Rechtsberatung und im Beisein eines Rechtsberaters in Kurdisch befragt im Wesentlichen Folgendes an:
Er sei nicht in ärztlicher Behandlung, nehme keine Medikamente ein und leide unter keine Erkrankungen.
In Österreich habe er keine familiären oder beruflichen oder sozialen Bindungen.
Der BF gab an, in Griechenland, Kroatien und Slowenien Anträge auf internationalen Schutz gestellt zu haben, um eine Abschiebung in die Türkei zu verhindern. Er habe jedoch die Verfahren nicht abgewartet und sei sobald als möglich nach Österreich weitergereist.
Nach einem Grund befragt, der gegen eine Überstellung nach Kroatien spräche, gab der BF an, man habe einen Freund von ihm in die Türkei schicken wollen, der BF habe dafür gesorgt, dass diese Abschiebung gestoppt werde. Er habe die Medien verständigt, dass das verhindert werde. In Kroatien gebe es den türkischen Geheimdienst, weshalb er nicht nach Kroatien wolle.
I.6. Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens wies das BFA mit dem beschwerdegegenständlichen Bescheid vom 29.04.2021, zugestellt am selben Tag, den Antrag auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurück und sprach aus, dass Kroatien für die Prüfung des Antrages gemäß Art. 18 Abs. 1 lit b der Dublin III-VO zuständig sei (Spruchpunkt I.). Die Außerlandesbringung des BF wurde gemäß § 61 Abs. 1 FPG, angeordnet und festgestellt, dass demzufolge die Abschiebung des BF nach Kroatien gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.).
Dem Bescheid sind folgende Feststellungen zu Kroatien zu entnehmen:
„Allgemeines zum Asylverfahren in Kroatien
Letzte Änderung: 17.06.2020
Es existiert ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit gerichtlicher Beschwerdemöglichkeit (AIDA 2 2.4.2020; USDOS 11.3.2020 für weitere Informationen siehe dieselben Quellen).
Im Jahr 2019 wurden laut Eurostat 1.265 Erstanträge gestellt (von insgesamt 1.400 Anträgen im Vergleich zu 800 Anträgen im Jahr 2018) (Eurostat 20.3.2020; vgl. Eurostat 2.4.2020). Die Zahl der mutmaßlich unbegleiteten Minderjährigen belief sich auf 35 Personen (Eurostat 21.4.2020).
Quellen:
? AIDA - Asylum Information Database (22.4.2020): National Country Report Croatia 2019, provided by Croatian Law Centre (HPC) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE), http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_hr_2019update.pdf, Zugriff 24.4.2020
? Eurostat (2.4.2020): Asylwerber und erstmalige Asylwerber. Jährliche aggregierte Daten, https://ec.europa.eu/eurostat/tgm/refreshTableAction.do?tab=table&plugin=1&pcode=tps00191&language=de, Zugriff 27.4.2020
? Eurostat (21.4.2020): Asylwerber. Mutmaßlich unbegleitete Minderjährige, https://ec.europa.eu/eurostat/tgm/table.do?tab=table&init=1&language=de&pcode=tps00194&plugin=1, Zugriff 27.4.2020
? Eurostat (20.3.2020): News Release. Asylum in the EU-Member States, https://ec.europa.eu/eurostat/documents/2995521/10554400/3-20032020-AP-EN.pdf/6ee052a9-ffb8-d170-e994-9d5107def1a8, Zugriff 24.3.2020
? USDOS - US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Croatia, https://www.ecoi.net/en/document/2027527.html, Zugriff 18.5.2020
Dublin-Rückkehrer
Letzte Änderung: 17.06.2020
Personen, die im Rahmen der Dublin-VO nach Kroatien zurückkehren (dies waren im Jahr 2019 insgesamt 99 Personen), haben prinzipiell vollen Zugang zum kroatischen Asylsystem. Wenn Rückkehrer Kroatien vor dem Ende ihres ursprünglichen Verfahrens verlassen haben und das Verfahren daher suspendiert wurde, müssen sie bei Rückkehr gemäß Art. 18(2) der Dublin-III-VO neuerlich einen Asylantrag stellen. Wer hingegen vor Verlassen des Landes seinen Antrag explizit zurückgezogen hat bzw. eine Zurückweisung erhalten hat, gilt in solch einem Fall als Folgeantragsteller (AIDA 22.4.2020).
Die Überstellung von Dublin-Rückkehrern nach Kroatien wurde von europäischen nationalen Gerichten nicht infrage gestellt. Dies wurde vom Gerichtshof der Europäischen Union bestätigt (AIDA 22.4.2020).
In einer im Februar 2019 veröffentlichten Studie der Organisation "Médecins du Monde" wird festgestellt, dass es Dublin-Rückkehrern in Kroatien an psychosozialer Unterstützung fehle (MdM 2.2019). (Siehe dazu auch Abschnitt 6.3. Medizinische Versorgung, Anm.)
Quellen:
? AIDA - Asylum Information Database (22.4.2020): National Country Report Croatia 2019, provided by Croatian Law Centre and European Council on Refugees and Exiles, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_hr_2019update.pdf, Zugriff 24.4.2020
? MdM – Medecins du Monde (2.2019): Nearing a point of no return, https://medecinsdumonde.be/system/files/publications/downloads/Mental%20health%20of%20asylum%20seekers%20in%20Croatia_0.pdf, Zugriff 24.3.2020
Non-Refoulement
Letzte Änderung: 17.06.2020
Seit 2016 gibt es eine Liste von zehn sicheren Herkunftsstaaten. Diese sind Albanien, Bosnien und Herzegowina, Nordmazedonien, Kosovo, Montenegro, Serbien, Marokko, Algerien, Tunesien und die Türkei. Auf letztere wird das Konzept des sicheren Herkunftsstaates in der Praxis nicht angewandt. Im Jahr 2018 wurde das Konzept in insgesamt 76 Fällen umgesetzt, die sich wie folgt verteilen: bei Algeriern (39), Marokkanern (13), Tunesiern (13), Kosovaren (5), Serben (4) und Bosniern (2). Entsprechende Zahlen für 2019 liegen nicht vor. Laut Gesetz kann ein Land dann als sicherer Drittstaat eingestuft werden, wenn ein Antragsteller dort sicher ist vor Verfolgung oder dem Risiko, ernsten Schaden zu erleiden, wenn das Non-Refoulement-Prinzip beachtet und effektiver Zugang zum Asylverfahren gewährt wird. Ob dies zutrifft, ist eine Einzelfallentscheidung. Wenn ein Antragsteller bereits in einem anderen Staat Schutz erhalten hat oder Refoulement-Schutz genießt, kann sein Antrag in Kroatien als unzulässig zurückgewiesen werden (AIDA 22.4.2020).
Eines der zentralen Themen in Kroatien war in den vergangenen Jahren der eingeschränkte Zugang zum Asylsystem für Personen, die via Serbien oder Bosnien und Herzegowina einreisen wollten (AIDA 22.4.2020). Internationale und kroatische NGOs sowie internationale Organisationen außerhalb des Landes wie das Amt des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR) berichteten über polizeiliche Pushbacks von Migranten, die versuchten, über die Grenze zu Serbien und insbesondere zu Bosnien und Herzegowina illegal in das Land einzureisen (USDOS 11.3.2020; vgl. HRW 8.11.2019, SRF 28.9.2019; AI 2019). Es gab auch Berichte über Polizeigewalt (FH 4.2.2019). Durch die erwähnten Pushbacks werden die Migranten von materieller und medizinischer Hilfe ausgeschlossen bzw. sogar ihre Besitztümer (Kleidung, Schlafsäcke, Rucksäcke, Zelte) verbrannt bzw. auch andere Gegenstände wie Mobiltelefone, Powerbanks oder persönliche Dokumente ins Visier genommen (ECRE 30.8.2019).
Es gibt Berichte über einen fortgesetzten und unverhältnismäßigen Einsatz von Gewalt und eine erniedrigende und unmenschliche Behandlung von Asylwerbern (ECRE 31.1.2020).
Seitens der Ombudsperson wurde nach Eingang einer anonymen Beschwerde eines Grenzpolizisten, wonach die illegale Misshandlung von Migranten von den Vorgesetzten der Polizei angeordnet worden sei, schließlich das Parlament informiert. Das Innenministerium wies diese Behauptungen als unbegründet und ungenau zurück. Die Regierung arbeitete in den meisten Fällen mit dem UNHCR und anderen humanitären Organisationen zusammen, um Flüchtlingen, Asylsuchenden, Staatenlosen und anderen Betroffenen Schutz und Hilfe zu gewähren. Die Regierung hat bedeutende Schritte unternommen, um Personen, die Menschenrechtsverletzungen begangen haben, strafrechtlich zu verfolgen und zu bestrafen (USDOS 11.3.2020). Auch die Europäische Kommission beurteilt die Einrichtung eines Kontrollregimes für das Verhalten der kroatischen Grenzbeamten sowie das Versprechen der kroatischen Regierung, allen Vorwürfen nachzugehen, positiv. Es gebe ausreichende Belege dafür, dass das Land bemüht ist, seine Verpflichtungen zum Schutze der Menschenrechte zu erfüllen (HRW 8.11.2019).
Quellen:
? AIDA - Asylum Information Database (22.4.2020): National Country Report Croatia 2019, provided by Croatian Law Centre and European Council on Refugees and Exiles, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_hr_2019update.pdf, Zugriff 24.4.2020
? AI – Amnesty International (2019): Pushed to the edge. Violence and abuse gainst refugees and migrants along the Balkan route, https://www.amnesty.org/download/Documents/EUR0599642019ENGLISH.PDF, Zugriff 13.3.2020
? ECRE - European Council on Refugees and Exiles (30.8.2019): Report on Illegal Pushback and Border Violence, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/Report%20on%20Illegal%20Pushback%20and%20Border%20Violence%20_%20European%20Council%20on%20Refugees%20and%20Exiles%20%28ECRE%29.pdf, Zugriff 17.1.2020
? ECRE - European Council on Refugees and Exiles (31.1.2020): New Report on Torture of Asylum Seekers by Authorities, https://www.ecre.org/croatia-new-report-on-torture-of-asylum-seekers-by-authorities/, Zugriff 17.4.2020
? FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Croatia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2015957.html, Zugriff 13.1.2020
? HRW – Human Rights Watch (8.11.2019): EU: Push-Backs an kroatischer Grenze beenden, https://www.hrw.org/de/news/2019/11/08/eu-push-backs-kroatischer-grenze-beenden, Zugriff 23.3.2020
? SRF - Schweizer Rundfunk (28.9.2019): lllegale Push-Backs - SEM bei Kroatien-Rückführungen zurückgepfiffen, https://www.srf.ch/news/schweiz/illegale-push-backs-sem-bei-kroatien-rueckfuehrungen-zurueckgepfiffen, Zugriff 24.3.2020
? USDOS - US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Croatia, https://www.ecoi.net/en/document/2027527.html, Zugriff 23.03.2020
Versorgung
Letzte Änderung: 17.06.2020
Asylwerber in Kroatien haben das Recht auf materielle Versorgung während des Asylverfahrens. Dieses Recht gilt ab dem Zeitpunkt, an dem die betreffenden Personen den Willen zur Asylantragsstellung erkennen lassen und umfasst Unterbringung in einem Aufnahmezentrum, Verpflegung, Kleidung und finanzielle Unterstützung sowie Refundierung der Fahrtkosten in öffentlichen Verkehrsmitteln. Die monatliche finanzielle Unterstützung wird ab der Unterbringung in einem Aufnahmezentrum gewährt und beläuft sich per 31.12.2019 auf 100 Kuna (EUR 13,40) pro Person. Auch wenn sich der Betrag bei abhängigen Familienmitgliedern erhöht, gilt er doch als sehr gering bemessen. Asylwerber, deren Verfahren nach neun Monaten noch nicht entschieden ist, haben das Recht zu arbeiten. Der faktische Zugang zum Arbeitsmarkt für Asylwerber wird jedoch durch die Sprachbarriere und die hohe Arbeitslosigkeit behindert. Asylwerber haben keinen Zugang zu Jobtrainings, sie können aber auf freiwilliger Basis innerhalb der Aufnahmezentren mitarbeiten. Auch können sie bei gemeinnützigen Tätigkeiten oder bei der Arbeit humanitärer Organisationen mitwirken (AIDA 22.4.2020).
Quellen:
? AIDA - Asylum Information Database (22.4.2020): National Country Report Croatia 2019, provided by Croatian Law Centre and European Council on Refugees and Exiles, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_hr_2019update.pdf, Zugriff 24.4.2020
UNTERBRINGUNG
Letzte Änderung: 17.06.2020
Gemäß Asylgesetz haben Asylwerber während des Asylverfahrens das Recht auf Unterbringung in entsprechenden Aufnahmezentren. Auf Antrag können sie auf eigene Kosten außerhalb eines Zentrums wohnen. Kroatien verfügt über zwei offene Aufnahmezentren für Asylwerber, in Zagreb im „Hotel Porin“ (Kapazität: 600 Plätze) und in Kutina (Kapazität: 100 Plätze). Beide Zentren werden vom kroatischen Innenministerium geführt. Das Zentrum in Kutina zielt auf die Unterbringung vulnerabler Antragsteller ab, auch wenn 2019 dort hauptsächlich umgesiedelte Personen beherbergt wurden, bis diese am Ende des Jahres in anderen Städten mit bezahlten Wohnungen ausgestattet wurden. Der Plan, in Mala Gorica ein neues Aufnahmezentrum zu bauen, wurde nach Protesten der lokalen Bevölkerung wieder verworfen und das veranschlagte Geld in die Renovierung der bestehenden Zentren investiert (AIDA 22.4.2020).
Das „Hotel Porin“, offizielle Bezeichnung „Reception Center for Asylum Seekers Zagreb“, ist ein ehemaliges Hotel, das nach der Schließung nunmehr im Eigentum der Polizei steht. Das Zentrum wird von Polizei und Regierung mit Unterstützung zahlreicher NGOs wie Croatian Baptist Aid, MSF, dem Roten Kreuz und IOM betrieben (BGAV 13.5.2019). Eine umfassende Renovierung 2019 hat die Lebensbedingungen für die Asylwerber wesentlich verbessert (AIDA 22.4.2020).
Die Bewohner können sich frei bewegen, müssen aber – sofern keine Sondergenehmigung vorliegt – bis 23 Uhr wieder im Haus sein. In Kutina teilen sich Familien ein Zimmer, unbegleitete Minderjährige und alleinstehende Frauen werden getrennt untergebracht. In Zagreb werden maximal vier Personen pro Zimmer untergebracht; Familien mit mehr als fünf Mitgliedern werden nach Möglichkeit zwei Zimmer zur Verfügung gestellt. Die Ausstattung mit Duschen und Toiletten ist ausreichend und die Einrichtungen werden regelmäßig gereinigt (AIDA 22.4.2020).
In beiden Zentren erhalten die Bewohner drei Mahlzeiten pro Tag und schwangere Frauen, Wöchnerinnen und Minderjährige bis 16 Jahre erhalten zusätzlich eine Nachmittagsjause. In vom Roten Kreuz ausgestatteten Küchen können sich die Asylwerber außerdem selbst Mahlzeiten zubereiten (AIDA 22.4.2020).
Das Personal des Innenministeriums in den Aufnahmezentren ist ausreichend. Es werden soziale und pädagogische Aktivitäten organisiert wie etwa Sportaktivitäten, Sprach- und EDV-Kurse und verschiedenste Workshops beispielsweise über kroatische Kultur und über Sitten und Gebräuche. Auch Kinderspielzimmer, Bibliothek, Friseur und ähnliches stehen zur Verfügung. Die meisten Asylwerber bleiben nicht lange in den Aufnahmezentren, da sie sich auf der Durchreise befinden (AIDA 22.4.2020).
Der Jesuitische Flüchtlingsdienst JRS organisiert zahlreiche Freizeitaktivitäten und Sprachkurse. Zudem können die Bewohner der Aufnahmezentren eine asylrechtliche Beratung und psychosoziale Unterstützung in Anspruch nehmen (JRS o.D.).
UNICEF setzt sich besonders dafür ein, dass bei der Organisation und Planung der Dienste in den Aufnahmezentren den Bedürfnissen der Kinder besondere Aufmerksamkeit geschenkt wird (AIDA 22.4.2020). Für Familien mit Kindern stellt UNICEF die medizinische Versorgung von Müttern und Kindern sowie Unterstützung für schwangere und stillende Mütter bereit. Weiters organisiert UNICEF abgeschlossene Bereiche, in denen die Kinder spielen und informell lernen können (UNICEF o.D.).
Antragsteller können bis zum Ende ihres Verfahrens in den Unterbringungszentren bleiben. Wenn eine rechtskräftig negative Entscheidung vorliegt und die postulierte Frist zur freiwilligen Ausreise verstrichen ist, muss das Zentrum verlassen werden (AIDA 22.4.2020).
Kroatien verfügt zurzeit über drei Schubhaftzentren mit einer Gesamtkapazität von insgesamt 219 Personen: das geschlossene (Schubhaft-) Zentrum (Center for Foreigners) in Jezevo mit 95 Plätzen und die Transitzentren in Trilj und in Torvarnik mit jeweils 62 Plätzen. 2018 wurden gemäß kroatischen Innenministerium insgesamt 928 Migranten inhaftiert, davon 535 in Jezevo, 109 in Tovarnik und 284 in Trilj. Diese Zahl umfasst nicht die von der Polizei angeordneten Inhaftierungen, sondern nur jene, die von Aufnahmezentren für Asylwerber oder den Asylbehörden angeordnet wurden. Es liegen keine Daten über die Inhaftierung von Migranten und Bewerbern um internationalen Schutz im Laufe des Jahres 2019 vor (AIDA 22.4.2020).
Quellen:
? AIDA - Asylum Information Database (22.4.2020): National Country Report Croatia 2019, provided by Croatian Law Centre and European Council on Refugees and Exiles, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_hr_2019update.pdf, Zugriff 24.4.2020
? BGAV - Baptist General Association of Virginia (13.5.2019): Via Will Cumbia, Venturer: Partnering with Croatian Baptists in Ministry with Refugees in Bosnia, https://bgav.org/partnering-with-croatian-baptists-in-ministry-with-refugees-in-bosnia/, Zugriff 7.1.2020
? JRS – Jesuit Refugee Service (o.D.): Activities in Organisation. Activities in the detention, http://www.jrs.hr/en/activities-in-organization/, Zugriff 27.4.2020
? UNICEF - Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (o.D.): Helping child refugees and migrants, https://www.unicef.org/croatia/en/helping-child-refugees-and-migrants, Zugriff 27.4.2020
MEDIZINISCHE VERSORGUNG
Letzte Änderung: 17.06.2020
Asylwerber haben das Recht auf medizinische Notversorgung und notwendige medizinische und psychologische Behandlung. Diese Behandlung ist in den Aufnahmezentren Zagreb und Kutina verfügbar. Zudem wurde in beiden Zentren eine Ambulanz für chronische und lebensbedrohliche Krankheiten eingerichtet. Das Kroatische Rote Kreuz bietet ein breites Spektrum verschiedenster Leistungen an. Dazu gehören eine permanente psychologische und psychosoziale Unterstützung sowie eine besondere Betreuung potentieller Opfer von Folter und Traumata (AIDA 22.4.2020).
Zur spezialisierteren Behandlung werden die betroffenen Personen an das Spital in Kutina überwiesen, das unter anderem über Ambulanzen in den Bereichen Kinderheilkunde, Gynäkologie und Neuropsychiatrie verfügt. Im Spital in Zagreb sind Suchtbehandlung, eine Zahnambulanz sowie eine Psychiatrie verfügbar. Darüber hinaus werden Antragsteller an lokale Krankenhäuser überwiesen, d.h. in Sisak für diejenigen, die in Kutina untergebracht sind, und an das Krankenhaus von Zagreb. Auch wurden für die Asylwerber zuständige Apotheken, jeweils eine in Zagreb und Kutina, festgelegt. Ein Ärzteteam von MdM war jeden Werktag von 9 bis 15 Uhr im Aufnahmezentrum in Zagreb und je nach Bedarf im Aufnahmezentrum in Kutina anwesend (AIDA 22.4.2020).
Vulnerable Antragsteller, insbesondere Opfer von Folter, Vergewaltigung oder sonstigen schwerwiegenden Formen psychischer, physischer oder sexueller Gewalt, sind entsprechend medizinisch zu behandeln. In der Praxis ist diese zusätzliche Gesundheitsversorgung jedoch nicht regelmäßig zugänglich. Ein Mechanismus zur Identifizierung Vulnerabler existiert nicht, sie werden oft an den Arzt im Unterbringungszentrum verwiesen. Seit 2010 betreibt das Croatian Law Centre das Projekt 'Protection of Victims of Torture among Vulnerable Groups of Migrants'. 24 Personen wurden 2019 im Rahmen dieses Projekts betreut (AIDA 22.4.2020).
Teams von Medecins du Monde - bestehend aus Allgemeinmedizinern, einer Krankenschwester, einem Psychologen und einem Dolmetscher - bieten bei Bedarf medizinische und psychologische Unterstützung an. MdM arbeitet täglich mit diesen Menschen, von denen die meisten Opfer von multiplen Traumata sind, zusammen und kümmert sich – sofern erforderlich - auch um den Transport und die Begleitung in Krankenhäuser. Weiters wird Asylwerbern auch eine spezialisierte Betreuung angeboten. Zweimal im Monat sind ein Psychiater, ein Kinderarzt und ein Gynäkologe bei den Konsultationen anwesend. Sie ermöglichen Frauen und Kindern eine fachärztliche Betreuung. Schließlich wird auch die Impfung von Kindern gefördert, indem diese zu den entsprechenden Einrichtungen begleitet werden (MdM o.D.; vgl. MdM 6.2018). Im Jahr 2019 führte das Ärzteteam von MdM 3.556 ärztliche Konsultationen durch, hiervon 1.360 Erstuntersuchungen neu eingetroffener Asylwerber, weiters 1.200 psychologische Einzelberatungen und 110 psychiatrische Fachuntersuchungen (AIDA 22.4.2020).
Darüber hinaus bietet als Teil des MdM-Teams ein Sozialarbeiter Informationen, Anleitungen und praktische Unterstützung für Asylwerber (z.B. Begleitung von Patienten in Gesundheitseinrichtungen, Begleitung von Kindern von Asylwerbern zur Impfung). Auch Schutzberechtigte werden entsprechend unterstützt, damit sie ihre Rechte geltend machen können. Durch Workshops oder individuelle Beratung informiert das medizinische Team von MdM über Prävention von Infektionskrankheiten, Hygiene, Zugang zur Gesundheitsversorgung und Familienplanung (MdM 6.2018).
Außerdem hat das 'Zentrum für Kinder, Jugend und Familie' (Modus) seit März 2015 mit der Bereitstellung von kostenloser Beratung und Psychotherapie für Antragsteller und Flüchtlinge begonnen. 2019 wurde die Beratung nicht in den Aufnahmezentren selbst, sondern in den Räumlichkeiten der Organisation angeboten und von drei Psychologen und zwei Dolmetschern für Farsi und Arabisch unterstützt. Eine Sitzung dauert zwischen 45 und 60 Minuten und beinhaltet die üblichen Regeln für die Gewährung psychologischer Unterstützung, wie z.B. Vertraulichkeit und die Möglichkeit, sich auf die zu behandelnden Themen zu einigen (AIDA 22.4.2020).
MedCOI bearbeitet grundsätzlich keine medizinischen Anfragen zu EU-Mitgliedsstaaten, da die medizinischen Mitarbeiter von MedCOI (Ärzte) davon ausgehen, dass medizinische Behandlungsmöglichkeiten in der EU generell in ausreichendem Maße verfügbar sind. Ausnahmen von dieser Regel sind nur in sehr spezifischen Einzelfällen möglich (MedCOI 14.12.2016).
Quellen:
? AIDA - Asylum Information Database (22.4.2020): National Country Report Croatia 2019, provided by Croatian Law Centre and European Council on Refugees and Exiles, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_hr_2019update.pdf, Zugriff 27.4.2020
? MdM - Médecins du Monde (o.D.): Soigner et soutenir les demandeurs d'asile à Zagreb & Kutina. Croatie, https://medecinsdumonde.be/projets/soigner-et-soutenir-les-demandeurs-dasile-a-zagreb-kutina#Notreaction, Zugriff 27.4.2020
? MdM - Médecins du Monde (6.2018): Croatia – Hidden (human) faces of European Union’s Dublin regulation from a health perspective, https://medecinsdumonde.be/system/files/publications/downloads/MdM-BE%20-%20Croatia%20Hidden%20human%20faces%20Dublin%20-%20June%202018.pdf, Zugriff 27.4.2020
? MedCOI – Medical Country of Origin Information (14.12.2016): Auskunft MedCOI, per E-Mail“
Zur aktuell vorliegenden Pandemie aufgrund des Corona-Virus wurde ausgeführt:
- „Zur COVID-19 Pandemie
Derzeit herrscht weltweit die als COVID-19 bezeichnete Pandemie. COVID-19 wird durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachte. In Kroatien wurden bisher 327.737 Fälle von mit diesem Corona-Virus infizierten Personen nachgewiesen, wobei bisher 7.001 Todesfälle bestätigt wurden (https://coronavirus.jhu.edu/map.html, abgerufen am 29.04.2021.
- Wie gefährlich der Erreger SARS-CoV-2 ist, kann derzeit noch nicht genau beurteilt werden. Man geht aber von einer Sterblichkeitsrate von bis zu drei Prozent aus, wobei v.a. alte Menschen und immungeschwächte Personen betroffen sind (https://www.sozialministerium.at/Informationen-zum-Coronavirus/Coronavirus---Haeufig-gestellte-Fragen.html, abgerufen am 29.04.2021).“
Beweiswürdigend wurde im Bescheid hervorgehoben, dass die Identität des BF für das gegenständliche Verfahren ausreichend feststehe. Schwere lebensbedrohliche Krankheiten seien vom BF weder behauptet noch belegt worden. Der BF sei nicht als vulnerabel einzustufen. Er habe in Österreich keine ihm nahestehenden Verwandten und auch keine sonstigen sozialen Beziehungen.
Aus den Länderfeststellungen zu Kroatien ergebe sich, dass die allgemeine Lage für nach Kroatien überstellte Asylwerber keineswegs die reale Gefahr einer gegen menschenrechtliche Bestimmungen verstoßende Behandlung erkennen lasse. Die Grundversorgung beziehungsweise die medizinische Notversorgung für Asylwerber sei in Kroatien gewährleistet. Auch anderen Fremden stehe der Zugang zu einer medizinischen Notversorgung offen.
In einer Gesamtbetrachtung habe sich daher kein Anlass für die Ausübung des Selbsteintrittsrechts des Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO ergeben.
Zudem hätten sich keine Hinweise ergeben, dass durch die Außerlandesbringung unzulässigerweise in das Recht auf Achtung des Privat- oder Familienlebens eingegriffen werden würde.
Es gäbe auch keine Gründe, die Durchführung der Entscheidung gemäß § 61 Abs. 3 FPG aufzuschieben.
Der BF verweigerte die Unterschrift der Übernahmebestätigung.
I.7. Mit 29.04.2021 stellte das BFA dem BF gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG einen Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) amtswegig zur Seite.
I.8. Mit Schreiben vom 10.05.2021 brachte der BF fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde ein, mit dem der Bescheid gesamtinhaltlich wegen Rechtswidrigkeit und Verletzung von Verfahrensvorschriften angefochten wurde.
Zum Nachweis dafür, dass Kroatien Schutzsuchende illegal in die Türkei zurückschiebe, werde ein „umfangreiches Konvolut an teils türkisch-sprachigen, jedoch großteils kroatisch-sprachigen Unterlagen und Dokumenten vorgelegt“. Namentlich könne der BF einige (namentlich angeführte) Personen und „die beiden AnwältInnen und MenschenrechtsaktivistInnen N und A nennen, die von staatlichen kroatischen Behörden seinen Angaben zufolge illegal - ohne entsprechend geeignetes Verfahren - in die Türkei abgeschoben worden wären“.
Verwiesen wurde auf mehrere Berichte zu Push-Backs. Es sei für den BF keine Einzelfallzusicherung eingeholt worden.
I.9. Die Beschwerdevorlage an die zuständige Gerichtsabteilung des BVwG iSd § 16 Abs. 4 BFA-VG erfolgte am 12.05.2021.
II. Das BVwG hat erwogen:
II.1. Beweisaufnahme:
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch Einsicht in:
- den dem BVwG vorliegenden Verwaltungsakt des BFA betreffend den BF, beinhaltend das Protokoll der Erstbefragung vom 23.03.2021, das Protokoll der Niederschrift vor dem BFA vom 27.04.2021 und die Beschwerde vom 10.05.2021
- Unterlagen betreffend das Konsultationsverfahren mit Kroatien
- aktenkundliche Dokumentationsquellen betreffend Kroatien im angefochtenen Bescheid.
II.2. Feststellungen:
II.2.1. Der BF ist volljährig und türkischer Staatsangehöriger. Seine Identität steht für die Zwecke des gegenständlichen Verfahrens mit ausreichender Sicherheit fest.
II.2.2. Der BF reiste über Kroatien illegal in das Schengengebiet ein und wurde von den kroatischen Behörden infolge Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz am 20.02.2021 erkennungsdienstlich behandelt. Danach reiste der BF ohne den Ausgang des Verfahrens abzuwarten und ohne das Gebiet der Mitgliedstaaten zu verlassen über Slowenien (wo er einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz stellte) weiter nach Österreich, wo er am 23.03.2021 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.
II.2.3. Am 26.03.2021 richtete das BFA aufgrund der Eurodac-Treffer und der Angaben des BF zu seiner Reiseroute und zu seinem Aufenthalt in Kroatien ein Wiederaufnahmeersuchen gemäß Art. 18 Abs. 1 lit b (iVm Art. 13. Abs. 1) Dublin III-VO an Kroatien, dass einer Wiederaufnahme gemäß Art. 18 Abs. 1 lit b Dublin III-VO letztlich mit Schreiben vom 15.04.2021 ausdrücklich zustimmte.
II.2.4. Der BF läuft im Falle einer Überstellung nach Kroatien nicht Gefahr, einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe beziehungsweise einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden. Im zuständigen Mitgliedstaat herrschen keine systemischen Mängel in Verfahren wegen internationalen Schutzes und wurden diese auch nicht konkret behauptet. Die Überstellungen in das jeweilige Heimatland erfolgen entsprechend den Regelungen der Mitgliedstaaten.
II.2.5. Der Verdacht einer akut lebensbedrohenden Krankheit, körperlichen Einschränkung oder einer bestehenden Immunschwäche liegt nicht vor.
II.2.6. Der BF hat keine familiären, privaten oder beruflichen Bindungen zu Österreich oder zu einem anderen Mitgliedstaat.
II.3. Beweiswürdigung:
II.3.1. Die Feststellungen zum Reiseweg und zu den Antragstellungen des BF ergeben sich aus den Angaben des BF, die mit den Eurodac-Treffern und den Antwortschreiben der kroatischen Behörden korrelieren
Die Feststellungen zum Verfahrensstand in Kroatien ergeben sich aus der ausdrücklichen Zustimmung Kroatiens. Daraus ergibt sich, dass das Verfahren auf internationalen Schutz des BF in Kroatien nach wie vor offen ist. Den Länderfeststellungen ist zu entnehmen, dass bei Rückkehrern gemäß Art. 18 Abs. 1 lit a und lit b der Dublin III-VO das Verfahren von den kroatischen Behörden in der Regel weitergeführt wird. Eine Folgeantragstellung ist möglich.
Aus der Aktenlage beziehungsweise aus den Angaben des BF ergibt sich im Übrigen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit, dass der BF zwischen seiner Antragstellung in Kroatien und seiner Ankunft in Österreich das Gebiet der Mitgliedstaaten nicht für mindestens drei Monate oder auf Grundlage eines Rückführungsbeschlusses oder einer Abschiebungsanordnung verlassen hat, Gegenteiliges wurde auch nicht vorgebracht.
Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen und zum Gesundheitszustand des BF ergeben sich aus seinen eigenen Angaben vor dem BFA und in der Erstbefragung. Der BF brachte während beider Befragungen keine Krankheitsaspekte vor und äußerte keine intensiven zu Österreich bestehenden sozialen, familiären oder beruflichen Beziehungen.
Es wurde vom BF kein Vorbringen erstattet, welches geeignet wäre, den Schutzbereich des Art. 3 EMRK zu tangieren (siehe Punkt II.4.3.3.). Eine den BF konkret treffende Bedrohungssituation in Kroatien wurde nicht glaubhaft vorgebracht (siehe dazu die weiteren Ausführungen in Punkt II.4.3.2.).
II.3.2. Die Gesamtsituation des Asylwesens im zuständigen Mitgliedstaat ergibt sich aus den umfangreichen und durch ausreichend aktuelle Quellen belegten Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheides, die auf alle entscheidungswesentlichen Fragen eingehen. Das BFA hat in seiner Entscheidung neben Ausführungen zur Versorgungslage von Asylwerbern in Kroatien auch Feststellungen zur dortigen Rechtslage und Vollzugspraxis von asyl- und fremdenrechtlichen Bestimmungen (darunter konkret auch im Hinblick auf Rückkehrer nach der Dublin III-VO) samt dem jeweiligen Rechtsschutz im Rechtsmittelweg getroffen. Zur Aktualität der Quellen älteren Datums verwies das BFA im angefochtenen Bescheid darauf, dass zwischenzeitlich keine entscheidungsrelevante Änderung der Lage eingetreten sei, dieser Einschätzung wird vom erkennenden Gericht im Wesentlichen beigepflichtet (vgl. näher unter Punkt II.4.3.2.).
Die Länderfeststellungen wurden in der Beschwerde nicht in Zweifel gezogen. Insofern in der Beschwerde Berichte hinsichtlich illegaler Push-Backs angeführt werden, haben sie für das Verfahren des BF keine Relevanz, der nach eigenen Angaben geradezu gezwungen worden sei, einen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen.
Aus den im angefochtenen Bescheid dargestellten Länderinformationen in Zusammenschau mit laufender Medienbeobachtung ergeben sich keine ausreichend begründeten Hinweise darauf, dass das kroatische Asylwesen grobe systemische Mängel aufweisen würde. Insofern war aus Sicht des BVwG insbesondere in Bezug auf die Durchführung des Asylverfahrens, die Abschiebepraxis, die medizinische Versorgung sowie die Sicherheitslage von Asylsuchenden in Kroatien den Feststellungen der verwaltungsbehördlichen Entscheidung zu folgen. Individuelle, unmittelbare und vor allem hinreichend konkrete Bedrohungen, welche den Länderfeststellungen klar und substantiell widersprechen würden, hat der BF nicht dargetan.
Die am 27.04.2021 vorgebrachten Behauptungen, „man habe in Kroatien einen Freund von ihm in die Türkei schicken wollen, er habe dafür gesorgt, dass diese Abschiebung gestoppt werde, er habe die Medien verständigt, dass das verhindert werde. In Kroatien gebe es den türkischen Geheimdienst, weshalb er nicht nach Kroatien wolle“, bleiben vage und werden auch in der Beschwerde nicht weiter ausgeführt. Der BF führt auch nicht aus, inwiefern dies seinen Aufenthalt in Kroatien konkret beeinträchtigen könnte. „Der türkische Geheimdienst“ wird voraussichtlich nicht auf Kroatien beschränkt sein. Abweichend dazu gab der BF in der Erstbefragung lediglich an, dass er nicht in Kroatien habe bleibe wollen, da sein Ziel Österreich gewesen sei. Es war daher von einer bloßen Schutzbehauptung auszugehen, um den Aufenthalt in Österreich zu ermöglichen.
Insofern die nicht in deutscher Übersetzung vorgelegten Unterlagen etwa dieses Vorbringen stützen sollten, wurde nicht dargelegt und ergibt sich auch bei großzügiger Auslegung nicht aus der Beschwerde.
II.4. Rechtliche Beurteilung:
II.4.1. Die gegenständliche Beschwerde ist nach dem 02.02.2015 beim BVwG anhängig geworden, sodass insgesamt nach der Rechtslage ab diesem Tag vorzugehen ist.
Gemäß § 6 Bundesgesetzes über das Verfahren der Verwaltungsgerichte, BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 82/2015 (VwGVG) entscheidet das BVwG durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
§ 1 Bundesgesetz, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 25/2016 (BFA-VG) bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem BFA, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem BVwG gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.
§ 16 Abs. 6 und § 18 Abs. 7 BFA-VG bestimmen für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, dass §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden sind.
Zu A) Abweisung der Beschwerden:
Die maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetz 2005 (AsylG) lauten:
„§ 5 (1) Ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuwiesen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzuhalten, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.
…
(3) Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.
…
§ 10 (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn
1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,
2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,
…
und in den Fällen der Z1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird.
…“
§ 9 Abs. 1 und 2 BFA-VG lautet:
„§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war.
2: das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl- Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, indem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.“
§ 61 Bundesgesetz über die Ausübung der Fremdenpolizei, die Ausstellung von Dokumenten für Fremde und die Erteilung von Einreisetitel, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF lautet:
„§ 61 (1) Das Bundesamt hat gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Außerlandesbringung anzuordnen, wenn
1. dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 zurückgewiesen wird oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4 a oder 5 AsylG 2005 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG oder
2. …
(2) Eine Anordnung zur Außerlandesbringung hat zur Folge, dass eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in den Zielstaat zulässig ist. Die Anordnung bleibt binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht.
(3) Wenn die Durchführung der Anordnung zur Außerlandesbringung aus Gründen, die in der Person des Drittstaatsangehörigen liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist die Durchführung für die notwendendige Zeit aufzuschieben.
(4) Die Anordnung zur Außerlandesbringung tritt außer Kraft, wenn das Asylverfahren gemäß § 28 AsylG 2005 zugelassen wird.“
Art. 49 der VO 604/2013 lautet auszugsweise:
„Artikel 49
Inkrafttreten und Anwendbarkeit
Diese Verordnung tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.
Die Verordnung ist auf Anträge auf internationalen Schutz anwendbar, die ab dem ersten Tag des sechsten Monats nach ihrem Inkrafttreten gestellt werden und gilt ab diesem Zeitpunkt — ungeachtet des Zeitpunkts der Antragstellung — für alle Gesuche um Aufnahme oder Wiederaufnahme von Antragstellern. Für einen Antrag auf internationalen Schutz, der vor diesem Datum eingereicht wird, erfolgt die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats nach den Kriterien der Verordnung (EG) Nr. 343/2003.
Die maßgeblichen Bestimmungen der Dublin III-VO lauten:
„KAPITEL II
ALLGEMEINE GRUNDSÄTZE UND SCHUTZGARANTIEN
Artikel 3
Verfahren zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz
(1) Die Mitgliedstaaten prüfen jeden Antrag auf internationalen Schutz, den ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird.
(2) Lässt sich anhand der Kriterien dieser Verordnung der zuständige Mitgliedstaat nicht bestimmen, so ist der erste Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig.
Erweist es sich als unmöglich, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU–Grundrechtecharta mit sich bringen, so setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat, die Prüfung der in Kapitel III vorgesehenen Kriterien fort, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann.
Kann keine Überstellung gemäß diesem Absatz an einen aufgrund der Kriterien des Kapitels III bestimmten Mitgliedstaat oder an den ersten Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wurde, vorgenommen werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat.
(3) Jeder Mitgliedstaat behält das Recht, einen Antragsteller nach Maßgabe der Bestimmungen und Schutzgarantien der Richtlinie 32/2013/EU in einen sicheren Drittstaat zurück- oder auszuweisen.
KAPITEL III
KRITERIEN ZUR BESTIMMUNG DES ZUSTÄNDIGEN MITGLIEDSTAATS
Artikel 7
Rangfolge der Kriterien
(1) Die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats finden in der in diesem Kapitel genannten Rangfolge Anwendung.
(2) Bei der Bestimmung des nach den Kriterien dieses Kapitels zuständigen Mitgliedstaats wird von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Antragsteller seinen Antrag auf internationalen Schutz zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt.
(3) Im Hinblick auf die Anwendung der in den Artikeln 8, 10 und 6 (Anmerkung: gemeint wohl 16) genannten Kriterien berücksichtigen die Mitgliedstaaten alle vorliegenden Indizien für den Aufenthalt von Familienangehörigen, Verwandten oder Personen jeder anderen verwandtschaftlichen Beziehung des Antragstellers im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, sofern diese Indizien vorgelegt werden, bevor ein anderer Mitgliedstaat dem Gesuch um Aufnahme- oder Wiederaufnahme der betreffenden Person gemäß den Artikeln 22 und 25 stattgegeben hat, und sofern über frühere Anträge des Antragstellers auf internationalen Schutz noch keine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist.
…
Artikel 13
Einreise und/oder Aufenthalt
(1) Wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 22 Absatz 3 dieser Verordnung genannten Verzeichnissen, einschließlich der Daten nach der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 festgestellt, dass ein Antragsteller aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaats illegal überschritten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig. Die Zuständigkeit endet zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts.
(2) Ist ein Mitgliedstaat nicht oder gemäß Absatz 1 dieses Artikels nicht länger zuständig und wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 22 Absatz 3 genannten Verzeichnissen festgestellt, dass der Antragsteller — der illegal in die Hoheitsgebiete der Mitgliedstaaten eingereist ist oder bei dem die Umstände der Einreise nicht festgestellt werden können — sich vor der Antragstellung während eines ununterbrochenen Zeitraums von mindestens fünf Monaten in einem Mitgliedstaat aufgehalten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.
Hat sich der Antragsteller für Zeiträume von mindestens fünf Monaten in verschiedenen Mitgliedstaaten aufgehalten, so ist der Mitgliedstaat, wo er sich zuletzt aufgehalten hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.
KAPITEL IV
ABHÄNGIGE PERSONEN UND ERMESSENSKLAUSELN
Artikel 16
Abhängige Personen
(1) Ist ein Antragsteller wegen Schwangerschaft, eines neugeborenen Kindes, schwerer Krankheit, ernsthafter Behinderung oder hohen Alters auf die Unterstützung seines Kindes, eines seiner Geschwister oder eines Elternteils, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, angewiesen oder ist sein Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, auf die Unterstützung des Antragstellers angewiesen, so entscheiden die Mitgliedstaaten in der Regel, den Antragsteller und dieses Kind, dieses seiner Geschwister oder Elternteil nicht zu trennen beziehungsweise sie zusammenzuführen, sofern die familiäre Bindung bereits im Herkunftsland bestanden hat, das Kind, eines seiner Geschwister oder der Elternteil in der Lage ist, die abhängige Person zu unterstützen und die betroffenen Personen ihren Wunsch schriftlich kundgetan haben.
(2) Hält sich das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil im Sinne des Absatzes 1 rechtmäßig in einem anderen Mitgliedstaat als der Antragsteller auf, so ist der Mitgliedstaat, in dem sich das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil rechtmäßig aufhält, zuständiger Mitgliedstaat, sofern der Gesundheitszustand des Antragstellers diesen nicht längerfristig daran hindert, in diesen Mitgliedstaat zu reisen. In diesem Fall, ist der Mitgliedstaat, in dem sich der Antragsteller aufhält, zuständiger Mitgliedstaat. Dieser Mitgliedstaat kann nicht zum Gegenstand der Verpflichtung gemacht werden, das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil in sein Hoheitsgebiet zu verbringen.
(3) Der Kommission wird die Befugnis übertragen gemäß Artikel 45 in Bezug auf die Elemente, die zur Beurteilung des Abhängigkeitsverhältnisses zu berücksichtigen sind, in Bezug auf die Kriterien zur Feststellung des Bestehens einer nachgewiesenen familiären Bindung, in Bezug auf die Kriterien zur Beurteilung der Fähigkeit der betreffenden Person zur Sorge für die abhängige Person und in Bezug auf die Elemente, die zur Beurteilung einer längerfristigen Reiseunfähigkeit zu berücksichtigen sind, delegierte Rechtsakte zu erlassen.
(4) Die Kommission legt im Wege von Durchführungsrechtsakten einheitliche Bedingungen für Konsultationen und den Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten fest. Diese Durchführungsrechtsakte werden nach dem in Artikel 44 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen.
Artikel 17
Ermessensklauseln
(1) Abweichend von Artikel 3 Absatz 1 kann jeder Mitgliedstaat beschließen, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist.
Der Mitgliedstaat, der gemäß diesem Absatz beschließt, einen Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen. Er unterrichtet gegebenenfalls über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet worden ist, den zuvor zuständigen Mitgliedstaat, den Mitgliedstaat, der ein Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder den Mitgliedstaat, an den ein Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuch gerichtet wurde.
Der Mitgliedstaat, der nach Maßgabe dieses Absatzes zuständig wird, teilt diese Tatsache unverzüglich über Eurodac nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 mit, indem er den Zeitpunkt über die erfolgte Entscheidung zur Prüfung des Antrags anfügt.
(2) Der Mitgliedstaat, in dem ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt worden ist und der das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder der zuständige Mitgliedstaat kann, bevor eine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist, jederzeit einen anderen Mitgliedstaat ersuchen, den Antragsteller aufzunehmen, aus humanitären Gründen, die sich insbesondere aus dem familiären oder kulturellen Kontext ergeben, um Personen jeder verwandtschaftlichen Beziehung zusammenzuführen, auch wenn der andere Mitgliedstaat nach den Kriterien in den Artikeln 8 bis 11 und 16 nicht zuständig ist. Die betroffenen Personen müssen dem schriftlich zustimmen.
Das Aufnahmegesuch umfasst alle Unterlagen, über die der ersuchende Mitgliedstaat verfügt, um dem ersuchten Mitgliedstaat die Beurteilung des Falles zu ermöglichen.
Der ersuchte Mitgliedstaat nimmt alle erforderlichen Überprüfungen vor, um zu prüfen, dass die angeführten humanitären Gründe vorliegen, und antwortet dem ersuchenden Mitgliedstaat über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet wurde, innerhalb von zwei Monaten nach Eingang des Gesuchs. Eine Ablehnung des Gesuchs ist zu begründen.
Gibt der ersuchte Mitgliedstaat dem Gesuch statt, so wird ihm die Zuständigkeit für die Antragsprüfung übertragen.
KAPITEL V
PFLICHTEN DES ZUSTÄNDIGEN MITGLIEDSTAATS
Artikel 18
Pflichten des zuständigen Mitgliedstaats
(1) Der nach dieser Verordnung zuständige Mitgliedstaat ist verpflichtet:
a. einen Antragsteller, der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat, nach Maßgabe der Artikel 21, 22 und 29 aufzunehmen;
b. einen Antragsteller, der während der Prüfung seines Antrags in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen;
c. einen Drittstaatsangehörigen oder einen Staatenlosen, der seinen Antrag während der Antragsprüfung zurückgezogen und in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich ohne Aufenthaltstitel im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen;
d. einen Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, dessen Antrag abgelehnt wurde und der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen.
(2) Der zuständige Mitgliedstaat prüft in allen dem Anwendungsbereich des Absatzes 1 Buchstaben a und b unterliegenden Fällen den gestellten Antrag auf internationalen Schutz oder schließt seine Prüfung ab.
Hat der zuständige Mitgliedstaat in den in den Anwendungsbereich von Absatz 1 Buchstabe c fallenden Fällen die Prüfung nicht fortgeführt, nachdem der Antragsteller den Antrag zurückgezogen hat, bevor eine Entscheidung in der Sache in erster Instanz ergangen ist, stellt dieser Mitgliedstaat sicher, dass der Antragsteller berechtigt ist, zu beantragen, dass die Prüfung seines Antrags