TE Bvwg Erkenntnis 2021/5/28 W203 2220497-1

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Veröffentlicht am 28.05.2021
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Entscheidungsdatum

28.05.2021

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §9
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55

Spruch


W203 2220497-1/21E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Gottfried SCHLÖGLHOFER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.05.2019, Zl. 647161903 – 180742257 / BMI-BFA_WIEN_AST_04 zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird mit den folgenden Maßgaben als unbegründet abgewiesen:

I. Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides hat wie folgt zu lauten:

„Gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Enthaftung des Beschwerdeführers.“

II. Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheides hat wie folgt zu lauten:

„Gemäß § 53 Absatz 1 iVm Absatz 3 Ziffer 1 und 4 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. Nr. 100/2005 (FPG) idgF, wird gegen Sie ein auf die Dauer von 7 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen“.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.       Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 27.09.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2.       Mit Bescheid vom 26.02.2015 wurde dem Beschwerdeführer durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: belangte Behörde) der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 26.02.2016 erteilt.

Begründet wurde die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten damit, dass im Falle des Beschwerdeführers ein Abschiebehindernis vorliege, „fußend“ auf der aktuell instabilen Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan in Verbindung mit den zur Person des Beschwerdeführers getroffenen Feststellungen. Es wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer minderjährig sei und über kein soziales Netzwerk in Afghanistan verfüge.

3.       Am 24.06.2015 wurde der Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien zu einer dreimonatigen – unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren – Freiheitsstrafe gemäß § 27 Abs. 1 Z 1 8. Fall, Abs. 3 SMG verurteilt. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 21.01.2016 wurde die gesetzte Probezeit auf fünf Jahre verlängert und in der Folge – ebenfalls mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien – wurde die bedingte Nachsicht dieser Strafe widerrufen.

4.       Am 27.01.2016 wurde der Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien gemäß §§ 83 Abs. 1, 84 abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren rechtskräftig verurteilt. Diese Probezeit wurde jeweils mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien zweimalig auf fünf Jahre verlängert. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 23.08.2019 wurde schlussendlich die bedingte Strafnachsicht widerrufen.  

5.       Einlangend bei der belangten Behörde mit 11.02.2016 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005.

6.       Mit Bescheid der belangten Behörde vom 03.03.2016 wurde dem Beschwerdeführer eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 10.03.2018 erteilt.

7.       Am 24.10.2016 wurde der Beschwerdeführer mit Urteil des Bezirksgerichtes Floridsdorf wegen § 83 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von acht Wochen unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren rechtskräftig verurteilt. Es wurde Bewährungshilfe angeordnet. Diese bedingte Strafnachsicht wurde mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen vom 12.07.2017 widerrufen.

8.       Am 13.11.2016 wurde über den Beschwerdeführer wegen Fluchtgefahr sowie Tatbegehungsgefahr in Verbindung mit § 35 JGG die Untersuchungshaft verhängt. Der Beschwerdeführer war verdächtig, das Vergehen/Verbrechen nach §§ 27 Abs. 1 und 3 SMG, 15 StGB begangen zu haben.

9.       Am 23.11.2016 wurde der Beschwerdeführer durch das Bezirksgericht Floridsdorf wegen § 83 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Höhe von acht Wochen unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren rechtskräftig verurteilt. Es wurde eine Bewährungshilfe angeordnet.

10.      Am 24.11.2016 wurde der Beschwerdeführer durch das Landesgericht für Strafsachen Wien wegen §§ 27 Abs. 1 Z 1 8. Fall, 27 Abs. 3 SMG, § 15 StGB sowie § 218 Abs. 1 Z 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Höhe von vier Monaten verurteilt.

11.      Am 22.06.2017 teilte die Staatsanwaltschaft Wien der belangten Behörde mit, dass gegen den Beschwerdeführer Anklage beim Landesgericht für Strafsachen Wien erhoben wurde.

12.      Am 11.07.2017 wurde über den Beschwerdeführer eine Verwaltungsstrafe in der Höhe von € 50 verhängt, da er keinen Reisepass bei sich trug und die Einholung dieses Passes voraussichtlich länger als eine Stunde in Anspruch genommen hätte.

13.      Am 12.07.2017 wurde der Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien gemäß §§ 27 Abs. 1 Z 1 1. Fall, 27 abs. 1 Z 1 2. Fall, 27 Abs. 2 SMG, § 83 Abs. 1 StGB, 15 StGB sowie § 27 Abs. 2a SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Höhe von acht Monaten verurteilt. Mit Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt wurde der Beschwerdeführer am 17.02.2018 bedingt aus der Freiheitsstrafe entlassen unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren und der Anordnung einer Bewährungshilfe. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien wurde diese bedingte Entlassung widerrufen.

14.      Am 26.02.2018 stellte der Beschwerdeführer einen weiteren „Antrag auf Verlängerung des subsidiären Schutzes gemäß § 8 Abs. 4 AsylG“.

15.      Am 23.04.2018 wurde die belangte Behörde darüber verständigt, dass über den Beschwerdeführer die Untersuchungshaft wegen §§ 27 Abs. 2a, 27 abs. 3 SMG, § 15 StGB verhängt wurde.

16.      Am 03.07.2018 wurde die belangte Behörde darüber informiert, dass gegen den Beschwerdeführer wegen §§ 27 Abs. 2a, 27 Abs. 3 SMG, 15 StGB Anklage vor dem Landesgericht für Strafsachen Wien erhoben wurde.

17.      Am 18.07.2018 wurde der Beschwerdeführer durch das Landesgericht für Strafsachen Wien wegen §§ 27 Abs. 1 Z 1 8. Fall, 27 Abs. 2a, 27 Abs. 3 SMG, § 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Höhe von 12 Monaten verurteilt.

18.      Mit Schreiben vom 07.08.2018 wurde dem Beschwerdeführer durch die belangte Behörde mitgeteilt, dass aufgrund der bisherigen strafrechtlichen Verurteilungen gegen ihn von Amts wegen ein Verfahren zur Aberkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten eingeleitet worden sei. Es wurde ihm im Rahmen des Parteiengehörs eine Frist von zwei Wochen zur Abgabe einer diesbezüglichen Stellungnahme eingeräumt.

19.      Am 27.09.2018 langte eine Stellungnahme des Beschwerdeführers bei der belangten Behörde ein. In dieser wurde – zusammengefasst – wie folgt ausgeführt:

Der Beschwerdeführer sei zwar mehrmals strafgerichtlich verurteilt worden, es sei aber ein Aberkennungsverfahren nach § 9 Abs. 3 AsylG bei Straffälligkeit nur einzuleiten, wenn das Vorliegen der Voraussetzungen nach Abs. 1 oder 2 wahrscheinlich sei. Der Beschwerdeführer stellte keine „Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich“ (§ 9 Abs. 2 Z 2 AsylG) dar. Die Körperverletzung, welche der ersten Verurteilung zugrunde liege, sei im gegenständlichen Fall im „Rauschzustand“ erfolgt. Bei den Suchtmitteldelikten handele es sich um Beschaffungskriminalität, da der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Begehung selbst süchtig gewesen sei. Eine besondere Gefährlichkeit gehe vom Beschwerdeführer, welcher sich mittlerweile stabilisiert habe und sich in einer Therapie beim „Grünen Kreis“ befinde, nicht aus. Daher sei der Aberkennungstatbestand nicht erfüllt. Die Umstände, die zur Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten geführt hätten, hätten sich nicht verändert. Der Beschwerdeführer halte sich seit fünf Jahren im Bundesgebiet auf, spreche mittlerweile fließend Deutsch und habe ein ÖSD-Sprachzertifikat Niveau A2 erfolgreich absolviert. Seine Tante befinde sich ebenfalls in Österreich, diese verfüge mittlerweile über die österreichische Staatsbürgerschaft. Der Beschwerdeführer bereue seine früheren Verfehlungen, habe von seinem alten Bekannten- und Freundeskreis Abstand genommen und wolle nun ein gesetzeskonformes Leben führen. In seiner Freizeit betätige sich der Beschwerdeführer als Musiker. Er befinde sich in einer Substitutionstherapie beim Verein „Grüner Kreis“ und beabsichtige, nach Abschluss dieser Therapie eine Lehre aufzunehmen. Es seien Praktika geplant, der Beschwerdeführer habe auch schon solche absolviert. In einem beigefügten Schreiben des Vereins „Grüner Kreis“ werde dem Beschwerdeführer ein positiver Therapieverlauf bescheinigt, daher sei für diesen auch eine gute Zukunftsprognose zu treffen. Es bestehe ein schützenswertes Privat- und Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK, welches im Verfahren zu berücksichtigen sei.

20.      Am 09.08.2018 stellte der Beschwerdeführer einen „Antrag auf Verlängerung des subsidiären Schutzes gemäß § 8 Abs. 4 AsylG“.

21.      Am 21.05.2019 wurde der Beschwerdeführer niederschriftlich vor der belangten Behörde einvernommen. Im Zuge dieser Befragung gab der Beschwerdeführer zusammengefasst – und für den gegenständlichen Fall maßgeblich - wie folgt an:

Er habe – bevor er nach Österreich gekommen sei – „keine Ahnung von Drogen“ gehabt. Er sei zur Schule gegangen und habe dort „schlechte Freunde“ getroffen. In der Schule habe er begonnen, Marihuana zu rauchen und zu verkaufen. Er habe Probleme gehabt, deswegen habe er das gemacht. Er habe viel Alkohol getrunken und Familienprobleme gehabt. Er habe seine Familie im Iran besuchen sollen. Eine Person habe ihn beschimpft und der Beschwerdeführer habe – in alkoholisiertem Zustand - diese daraufhin geschlagen. Er bedauere, was er gemacht habe, und werde das nicht wieder tun. Er bitte um eine „andere Chance“. Der Beschwerdeführer wolle Arbeit finden und Sport treiben. Beschäftigung sei sehr wichtig für einen Menschen. Er wolle eine „Freundin finden“. Er werde „nie wieder Kriminalität machen“. Er habe viele Fehler gemacht, jeder mache mal einen Fehler. Es tue ihm leid. Er habe das bedauert und bitte um eine weitere Chance. Der Beschwerdeführer wolle auf keinen Fall nach Afghanistan zurückkehren, er habe dort niemanden und wisse nicht, zu wem er gehen solle. Die Sicherheitslage in Afghanistan sei nicht gut, er habe Angst vor Afghanistan.

Vorgelegt wurde unter anderem eine Aufenthaltsbestätigung, ausgestellt vom „Grünen Kreis“, aus der hervorgeht, dass der Beschwerdeführer in einer Einrichtung untergebracht sei, wo er sich einer stationären gesundheitsbezogenen Maßnahme unterziehe.

22.      Mit Bescheid der belangten Behörde vom 24.05.2019 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 9 Abs. 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.) und ihm die erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter entzogen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gegen diesen eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.) und es wurde dem Beschwerdeführer eine Frist für die freiwillige Ausreise in der Dauer von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung gesetzt (Spruchpunkt V.). Weiters wurde gegen den Beschwerdeführer ein befristetes Einreiseverbot in der Dauer von zehn Jahren erlassen (Spruchpunkt VII.).

Zu den Gründen für die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und der Situation des Beschwerdeführers im Falle seiner Rückkehr wurde festgestellt, dass die Voraussetzungen, die zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten geführt hätten, nicht mehr vorliegen würden. Der Beschwerdeführer sei niemals einer Verfolgung oder der Gefahr einer Todesstrafe, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung bzw. als Zivilperson in einem innerstaatlichen Konflikt in Mitleidenschaft gezogen zu werden unterlegen. Der Beschwerdeführer habe zudem einen weiteren Aberkennungsgrund gesetzt, indem er mehrmals im österreichischen Bundesgebiet straffällig und rechtskräftig durch inländische Gerichte verurteilt worden sei. Er stelle eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dar. Es habe nicht festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer aus anderen Gründen in seinem Herkunftsstaat von „solchen Verhältnissen“ betroffen sei, die dazu führen würden, dass - wenn er sich dort aufhalte - er einem realen Risiko unterworfen wäre, einer Art. 2 oder 3 EMRK widersprechenden Gefahr ausgesetzt zu sein oder einer dem 6. oder 13. Zusatzprotokoll zur EMRK widerstreitenden Behandlung unterworfen zu sein. Es habe nicht festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr „konventionsrelevanten Gründen“ unterworfen wäre. Die Niederlassung im sowie die Einreise und Hinreise des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat sei „reell möglich“, ebenso wie eine Existenzgründung. Der Beschwerdeführer verfüge über familiäre Beziehungen im Herkunftsstaat sowie im Iran. Er verfüge über eine mehrjährige Schulbildung, spreche Persisch, Dari und Griechisch, leide unter keiner lebensbedrohlichen Erkrankung und sei arbeitsfähig. Es habe nicht festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan in eine die Existenz bedrohende Notlage geraten würde. Im Falle der Rückkehr sei er „keinen asylrelevanten Schwierigkeiten“ ausgesetzt. Es sei dem Beschwerdeführer zuzumuten, dass er sich in Afghanistan den Lebensunterhalt durch eigene Arbeit und familiäre Unterstützung sichere. Der Beschwerdeführer sei nicht verheiratet und es bestünden keine Obsorgeverpflichtungen. Er sei kein Mitglied eines Vereins oder einer sonstigen Organisation. Er gehe keiner legalen Beschäftigung nach und befinde sich in keinem „Schulbesuch- oder Ausbildungsverhältnis“. Der Beschwerdeführer verfüge über keine engen Verbindungen in Österreich und sei in Österreich mehrfach straffällig geworden. Er sei in Österreich „nicht verfestigt oder verankert“ und habe hier auch keine sonstigen engen „Anbindungen“. Er habe „schwache Deutschkenntnisse“. Begründet wurden diese Feststellungen damit, dass der Beschwerdeführer im österreichischen Bundesgebiet wiederholt straffällig und rechtskräftig verurteilt worden sei. Die „Jugendstraftaten respektive Straftaten als junger Erwachsener“ würden sich auf „das Suchtmittelgesetz und auf Körperverletzung beziehungsweise schwere Körperverletzung“ beziehen. Die Gleichgültigkeit des Beschwerdeführers „gegenüber der österreichische Rechtsordnung“ sei „klar zu erkennen und hervorzuheben“ und es könne demgemäß daraus wohl die Einstellung des Beschwerdeführers während der Dauer des Aufenthaltes im Bundesgebiet gegenüber dem Staat bzw. der Gemeinschaft der in diesem Staat lebenden Bürger geschlossen werden. Bereits kurz nach Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten sei der Beschwerdeführer zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden. Es seien kontinuierlich weitere Straftaten erfolgt. Der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers stelle daher eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar. Eine im Rahmen der Rückkehrentscheidung zu prüfende, zu Gunsten des Beschwerdeführers ausfallende Verhaltensprognose sei daher aus nachfolgenden Gründen nicht möglich: Insbesondere wegen der Schwere der Tatbegehung sei offensichtlich, dass eine wesentliche Minderung der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefahr keineswegs angenommen werden könne. Seinen Beteuerungen, sich hinkünftig rechtstreu zu verhalten, sei daher „die Glaubwürdigkeit abzusprechen“. Es sei infolge „dieser Einstellung“ jedenfalls von einer permanenten und zukünftigen Gefahr seitens der Person des Beschwerdeführers auszugehen. Die öffentlichen Interessen zur Abwehr einer solchen „permanenten Gefahr“ seien jedenfalls als bei weitem höher zu bewerten als die Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt. Solcherart sei eine zu Gunsten des Beschwerdeführers ausfallende Verhaltensprognose nicht möglich. Es könne kein Zweifel bestehen, dass die zwingende Rückkehr dringend geboten und sohin zulässig sei.

Das verhängte Einreiseverbot betreffend wurde festgestellt, dass im Falle des Beschwerdeführers eine „Qualifikation“ vorliege, die dazu führe, dass ein Einreiseverbot für den gesamten Schengenraum auf die Dauer von bis zu zehn Jahren erlassen werden könne. Begründet wurde dies damit, dass die vorliegenden Straftatbestände sowie die negative Zukunftsprognose, die sich aus dem bisherigen Verhalten des Beschwerdeführers im Bundesgebiet ergebe, die Annahme rechtfertigen würde, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers im österreichischen Bundesgebiet eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle.

23.      Am 24.06.2019 erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde und führte in dieser im Wesentlichen aus, dass er sein Heimatland im Alter von nur einem Jahr verlassen habe und nie wieder dorthin zurückgekehrt sei. Er habe sein gesamtes Leben außerhalb Afghanistans verbracht. Der Beschwerdeführer habe keine Familie oder Freunde in Afghanistan, seine Eltern würden im Iran leben und wären nicht in der Lage, den Beschwerdeführer finanziell oder auf sonstige Weise zu unterstützen. Der Beschwerdeführer halte sich seit 2010 in Europa und ab 2013 in Österreich auf. Die Sicherheitslage in Afghanistan sei nach wie vor höchst volatil, dazu hätten insbesondere die sich intensivierenden Zusammenstöße zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften beigetragen. Beim Beschwerdeführer handele es sich zwar um einen arbeitsfähigen jungen Mann, doch verfüge er über keine Berufsausbildung und nur über eine geringe Schulbildung. Außerdem fehle es dem Beschwerdeführer an einem familiären oder sozialen Netzwerk, sowie an der finanziellen Unterstützung seiner Familie. Er wäre bei einer Rückkehr nach Afghanistan auf sich alleine gestellt und gezwungen, nach einem Wohnraum zu suchen. Zusammengefasst sei festzuhalten, dass für den Beschwerdeführer aufgrund seiner persönlichen Umstände sowie der allgemeinen Rahmenbedingungen vor Ort bei einer Rückkehr nach Afghanistan die reale Gefahr existenzbedrohender Verhältnisse und somit eine Verletzung des Art. 3 EMRK bestehe. Jedenfalls sei eine Rückkehrentscheidung gegen den Beschwerdeführer auf Dauer unzulässig und der Beschwerdeführer „genieße Bleiberecht“. Er lebe seit 2013 legal in Österreich und spreche sehr gut Deutsch. Er habe sich in Österreich ein soziales Umfeld aufgebaut. Der Beschwerdeführer befinde sich in Behandlung und versuche, seine Suchtprobleme in den Griff zu bekommen. Er stelle keine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar, jedenfalls keine solche, die ein Einreiseverbot in der verhängten Dauer rechtfertigen würde. Die in diesem Fall geforderte konkrete Beurteilung sei im gegenständlichen Fall nur lückenhaft und zudem inhaltlich falsch durchgeführt worden. In Anbetracht der konkreten Umstände des Falles hätte die Behörde bei richtiger rechtlicher Beurteilung somit zu dem Ergebnis kommen müssen, dass dem Beschwerdeführer der Status eines subsidiär Schutzberechtigten weiter zustehe.

24.      Am 25.06.2019 wurde die gegenständliche Beschwerde – ohne von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung Gebrauch zu machen – dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt, wo diese am 26.06.2019 einlangte.

25.      Am 28.06.2019 wurde der Beschwerdeführer wegen des Verdachts einer Körperverletzung nach § 83 StGB angezeigt.

26.      Am 07.08.2019 wurde das erkennende Gericht darüber verständigt, dass der Beschwerdeführer wegen §§ 27 Abs. 2a, 27 abs. 3 SMG, § 15 StGB, §§ 27 Abs. 1 Z 1 1. Fall, 27 Abs. 1Z 1 2. Fall, 27 abs. 2 SMG in Untersuchungshaft genommen wurde.

27.      Am 08.08.2019 wurde gegen den Beschwerdeführer durch die Staatsanwaltschaft Wien Anklage wegen §§ 27 Abs. 2a, 27 abs. 3, § 15 StGB, §§ 27 Abs. 1 Z 1 1. Fall, 27 Abs. 1 Z 1 2. Fall, 27 abs. 2 SMG erhoben.

28.      Am 23.08.2019 wurde der Beschwerdeführer durch das Landesgericht für Strafsachen Wien wegen §§ 27 Abs. 1 Z 1 8. Fall, 27 Abs. 2a, 27 Abs. 3, 27 abs. 5 SMG, §§ 27 Abs. 1 Z 1 1. Fall, 27 Abs. 1 Z 1 2. Fall, 27 abs. 2 SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Höhe von neun Monaten verurteilt.

29.      Am 26.08.2019 wurde durch die Justizanstalt Wien-Josefstadt mitgeteilt, dass der Beschwerdeführer ebendort in Strafhaft übernommen wurde.

30.      Am 04.09.2019 wurde der Beschwerdeführer wegen des Verdachtes nach § 83, 125 StGB angezeigt.

31.      Am 20.09.2019 wurde durch die Justizanstalt Josefstadt mitgeteilt, dass der Beschwerdeführer voraussichtlich am 20.09.2019 entlassen werde. Als Entlassungsgrund wurde ein Aufschub gemäß § 39 SMG bis 01.04.2020 angeführt.

32.      Am 02.10.2019 wurde durch das Landesgericht für Strafsachen Wien mitgeteilt, dass gegen den Beschwerdeführer wegen § 83 Abs. 1 StGB, § 84 Abs. 4 StGB, § 125 StGB Anklage erhoben wurde.

33.      Am 04.11.2019 wurde der Beschwerdeführer durch das Landesgericht für Strafsachen Wien wegen § 83 Abs. 1 StGB, § 84 Abs. 4 StGB und § 125 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Höhe von sieben Monaten rechtskräftig verurteilt.

34.      Am 28.09.2020 wurde der Beschwerdeführer in der Justizanstalt Wien-Josefstadt in Strafhaft übernommen. Am 09.11.2020 wurde er in die Justizanstalt Wien-Simmering überstellt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht auf Grundlage der Einvernahme des Beschwerdeführers durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und durch ein Organ der belangten Behörde sowie der Einsichtnahme in den Bezug habenden Verwaltungsakt, das Zentrale Melderegister, das Fremdeninformationssystem, das Strafregister sowie das Grundversorgungs-Informationssystem fest. Aus den diesbezüglichen Angaben und Informationen werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zu Grunde gelegt:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger, trägt den im Spruch angeführten Namen und ist an dem dort angegebenen Datum geboren. Er gehört der Volksgruppe der Hazara an und bekennt sich zum schiitischen Islam.

Der Beschwerdeführer ist volljährig.

Der Beschwerdeführer wurde in der Provinz Wardak im Distrikt XXXX , Afghanistan, geboren. Im Alter von ca. einem Jahr zog der Beschwerdeführer mit seiner Familie in den Iran, wo er auch aufgewachsen ist. Im Jahr 2010 reiste der Beschwerdeführer aus dem Iran aus und lebte drei Jahre lang in Griechenland. Im Juni oder Juli 2013 reiste der Beschwerdeführer in Österreich ein und stellte am 27.09.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz

Die gesamte Kernfamilie des Beschwerdeführers befindet sich im Iran. Eine Tante des Beschwerdeführers lebt mit ihren Kindern in Österreich.

Der Beschwerdeführer befand sich aufgrund seiner Suchtmittelabhängigkeit bereits in Therapie in der Einrichtung „Grüner Kreis“. Während dieser Zeit kam es zu Rückfällen auf Ausgängen.

Der Beschwerdeführer wurde in Österreich mehrfach strafrechtlich verurteilt.

Erstmalig wurde der Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen vom 24.06.2015, Zl. 142 HV 36/2015b, wegen §§ 27 Abs. 1 Z 1 8. Fall, 27 abs. 3 SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Höhe von drei Monaten, bedingt durch Setzung einer Probezeit von drei Jahren und der Anordnung einer Bewährungshilfe, verurteilt. Diese Probezeit wurde nachfolgend mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 27.01.2016 auf fünf Jahre verlängert. Schlussendlich wurde mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 12.07.2017 die bedingte Strafnachsicht widerrufen. Der Beschwerdeführer wurde schuldig gesprochen, am 23.02.2015 vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich Marihuana beinhaltend den Wirkstoff Delta-9-THC und THCA, anderen gewerbsmäßig (§ 70 StGB) durch gewinnbringenden Verkauf überlassen zu haben und zwar im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit einer abgesondert verfolgten Person ein Portionssäckchen mit rund 1,2 Gramm brutto Marihuana um einen Geldbetrag von € 20,-. Weiters wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, in Wien am 10.06.2015 im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB) vorschriftswidrig anderen gewerbsmäßig Suchtgift, nämlich Cannabiskraut, beinhaltend Delta-9-THC und THCA, überlassen zu haben und zwar durch den Verkauf von zwei Säckchen mit 1,4 Gramm brutto Cannabiskraut um € 20,- an einen verdeckten Ermittler. Am 13.05.2015 überließ der Beschwerdeführer vorschriftswidrig anderen gewerbsmäßig Suchtgift, nämlich Cannabiskraut beinhaltend Delta-9-THC und THCA, und zwar durch den Verkauf von einem Baggy mit ca. 1 Gramm Cannabiskraut um € 10,- an eine näher genannte Person sowie durch Verkauf von zwei Baggies mit insgesamt ca. 2 Gramm Cannabiskraut in zwei Angriffen um insgesamt € 20,- an zwei unbekannte Suchtgiftabnehmer. Auch hat der Beschwerdeführer seit Juni 2014 bis 10.6.2014 Cannabiskraut ausschließlich zum persönlichen Gebrauch erworben und besessen. Mildernd wurden die damalige Unbescholtenheit, das großteils reumütige Geständnis, das sehr junge Alter des Beschwerdeführers, dass er selber Konsument ist und die schwierige Situation, in der der Beschwerdeführer erwachsen werden musste, gewertet. Als erschwerend wurde angesprochen, dass der Beschwerdeführer bereits mehrmals einschlägig von der Polizei aufgegriffen wurde.

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 27.01.2016, Zl. 163 HV 1/2016m, wurde der Beschwerdeführer wegen dem Vergehen der schweren Körperverletzung nach § 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Höhe von sieben Monaten verurteilt. Diese Strafe wurde unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen, wobei diese Probezeit mit Urteil des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom 24.10.2016 auf fünf Jahre verlängert wurde. Eine weitere Verlängerung auf fünf Jahre erfolgte mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 24.11.2016. Mit Urteil – ebenfalls des Landesgerichtes für Strafsachen Wien – vom 23.08.2019 wurde die bedingte Nachsicht der Strafe widerrufen. Der Beschwerdeführer wurde schuldig gesprochen, am 08.08.2015 in Wien eine näher bezeichnete Person vorsätzlich am Körper verletzt zu haben, indem er dieser eine leere Bierflasche gegen den Kopf warf, die dabei zu Bruch ging, worauf die andere Person das Bewusstsein verlor und nach vorn zu Boden stürzte, wobei die Tat eine an sich schwere Körperverletzung, nämlich eine offene Verrenkung des rechten Sprunggelenkes mit Bruch des Außenknöchels und offener Luxationsfraktur des rechten Unterschenkels, eine Rissquetschwunde an der rechten Oberlippe und eine Schädelprellung, sowie aufgrund der notwendigen Behandlungsdauer eine Gesundheitsschädigung und Berufsunfähigkeit von mehr als 24-tägiger Dauer zur Folge hatte. Mildernd wurde das Geständnis gewertet, erschwerend die einschlägige Vorstrafe.

Mit Urteil des Bezirksgerichtes Floridsdorf wurde der Beschwerdeführer wegen des Deliktes der Körperverletzung gemäß § 83 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Höhe von acht Wochen bedingt auf drei Jahre unter Anordnung einer Bewährungshilfe verurteilt. Diese bedingte Strafnachsicht wurde mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 12.07.2017 widerrufen.

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 24.11.2016 wurde über den Beschwerdeführer eine Zusatzstrafe gemäß §§ 32 und 40 StGB in der Höhe von vier Wochen gemäß § 27 Abs. 1 Z 1 8. Fall SMG, § 15 unter Bedachtnahme auf das Urteil des Bezirksgerichtes Floridsdorf verhängt.

Am 12.07.2017 wurde der Beschwerdeführer durch das Landesgericht für Strafsachen Wien, Zl. 143 HV 56/2017d, wegen der Vergehen des unerlaubten Umganges mit Suchtgift nach § 27 Abs. 2a SMG und § 27 abs. 1 Z 1 1. und 2. Fall und Abs. 2 SMG sowie der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1, 15 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von acht Monaten verurteilt. Der Beschwerdeführer wurde schuldig erkannt, dass er am 14.06.2017 versucht hat, vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich Marihuana, auf einer öffentlichen Verkehrsfläche (Praterstern) öffentlich anderen Personen zu überlassen. Weiters verletzte er eine andere Person am Körper, indem er dieser einen Faustschlag ins Gesicht versetzte sowie versuchte, diese mit einem Fahrradsattel zu schlagen, wodurch diese Person ein Hämatom und eine Schürfwunde neben dem linken Auge erlitt. Auch hat der Beschwerdeführer vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich Marihuana, besessen und erworben. Mildernd wurde gewertet, dass die Tat vor Vollendung des einundzwanzigsten Lebensjahres begangen wurde, das teilweise Geständnis und dass es teilweise beim Versuch geblieben ist. Erschwerend wurden drei einschlägige Vorstrafen hatte, der rasche Rückfall und das Zusammentreffen mehrerer Vergehen gewertet. Aus dieser verhängten Haftstrafe wurde der Beschwerdeführer vorzeitig entlassen und es wurde eine Probezeit von drei Jahren sowie eine Bewährungshilfe angeordnet. Diese bedingte Entlassung aus der Freiheitsstrafe wurde mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen vom 18.07.2018 widerrufen.

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 18.07.2018, Zl. 142 HV 73/2018y, wurde der Beschwerdeführer wegen §§ 27 Abs. 1 Z 1 8. Fall, 27 Abs. 2a, 27 Abs. 3 SMG, § 15 StGB, zu einer Freiheitsstrafe in der Höhe von zwölf Monaten verurteilt. Der Beschwerdeführer wurde schuldig erkannt, in Wien gewerbsmäßig (§ 70 Abs. 1 Z 3 1. Und 2. Fall StGB) vorschriftswidrig Suchtgift auf einer öffentlichen Verkehrsfläche, und zwar im Bereich des Bahnhofes Praterstern, öffentlich anderen gegen Entgelt, nämlich um zumindest € 6,67 pro Gramm, überlassen zu haben, und zwar in einem Zeitraum von zumindest Anfang April 2018 bis 21.04.2018 ca. 82 Gramm an unbekannte Abnehmer. Weiters ist der Beschwerdeführer schuldig, Suchtgift zu überlassen versucht zu haben, indem er weitere Baggies zum unmittelbar bevorstehenden Verkauf an unbekannte Abnehmer bereithielt. Der Beschwerdeführer hat dadurch das Vergehen des teils vollendeten, teils versuchten unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach §§ 27 abs. 1 Z 1 8. Fall, Abs. 2a, Abs. 3 SMG, 15 StGB begangen. Mildernd wurde gewertet, dass es teilweise beim Versuch geblieben ist, dass der Beschwerdeführer unter 21 Jahre alt war, er einen Beitrag zur Wahrheitsfindung geleistet und er sich geständig verantwortet hat und dass das Suchtgift sichergestellt wurde. Erschwerend waren die mehrfache Tatbegehung, die einschlägigen Vorstrafen, der rasche Rückfall, die Tatbegehung trotz offener Probezeit sowie die mehrfache Qualifikation. Der Beschwerdeführer und seine Verteidigerin stellten einen Antrag auf Strafaufschub nach § 39 SMG, der Beschwerdeführer erklärte sich aber nicht mit einer stationären Therapie einverstanden.

Am 23.08.2019 wurde der Beschwerdeführer durch das Landesgericht für Strafsachen Wien wegen der Vergehen des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach §§ 27 Abs. 1 Z 1 8. Fall, Abs. 2a, Abs. 3 und Abs. 5 SMG sowie §§ 27 Abs. 1 Z 1 1. Fall und 2. Fall, Abs. 2 SMG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von neun Monaten verurteilt. Der Beschwerdeführer wurde für schuldig erkannt, in Wien vorschriftswidrig und gewerbsmäßig Suchtgift, nämlich Cannabiskraut, auf einer öffentlichen Verkehrsfläche namentlich genannten Personen durch gewinnbringenden Verkauf überlassen zu haben.

Mir Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 04.11.2019, Zl. 161 HV 98/19s, wurde der Beschwerdeführer wegen der Vergehen der Körperverletzung gemäß § 83 Abs. 1 StGB und der Sachbeschädigung gemäß § 125 StGB sowie des Verbrechens der schweren Körperverletzung gemäß § 84 Abs. 4 StGB unter Bedachtnahme auf das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 23.08.2019 zu einer Zusatzstrafe in der Höhe von sieben Monaten verurteilt. Der Beschwerdeführer wurde für schuldig befunden, am 28.06.2019 im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB) eine näher bezeichnete Person vorsätzlich am Körper verletzt zu haben, indem er gemeinsam mit einem Mittäter dieser Person mit der rechten Faust einen Schlag ins Gesicht versetzte und die Person zu Boden riss, wodurch die verletzte Person aus der Nase blutete und Abschürfungen am linken Ellenbogen sowie eine Schwellung unterhalb des linken Auges erlitt. Weiters verletzte der Beschwerdeführer gemeinsam mit einem weiteren Täter am 28.06.2019 eine Person - wenn auch nur fahrlässig - am Körper, sodass eine mehr als 24 Tage dauernde Gesundheitsschädigung dieser Person eintrat. Die verletzte Person wurde von einem der Mittäter mit der Faust ins Gesicht geschlagen, sodass diese zu Boden stürzte und der Beschwerdeführer gemeinsam mit einem zweiten Mittäter auf das am Boden liegende Opfer eintrat und einschlug, wodurch dieses einen offenen Nasenbeinbruch, eine Schädelprellung mit zahlreichen Hämatomen, Abschürfungen am linken Ellenbogen und eine Knieprellung beidseitig mit Abschürfungen der Kniescheibe erlitt. Weiters beschädigte der Beschwerdeführer gemeinsam mit einem Mittäter die Sachen des Opfers in einem Gesamtwert von € 204,-, nämlich dessen optische Brille, dessen Jogginghose und dessen T-Shirt. Mildernd wurde das Geständnis, der Beitrag zur Wahrheitsfindung, das Alter unter 21 Jahren sowie die Teilschadensgutmachung in der Hauptverhandlung gewertet. Als erschwerend wurden das Zusammentreffen von Vergehen und Verbrechen und die zahlreichen einschlägigen Vorstrafen gewertet.

1.2. Zur Aberkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten:

Dem Beschwerdeführer wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 26.02.2015 der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt und ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 26.02.2016 erteilt. Begründet wurde die Zuerkennung dieses Schutzstatus damit, dass im Falle des Beschwerdeführers ein Abschiebehindernis vorliege, fußend auf der „aktuellen“ instabilen Sicherheits- und Versorgungslage in Verbindung mit den getroffenen Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers. Die Tatsache, dass der Beschwerdeführer über keine Angehörigen in Afghanistan verfüge und „derzeit“ minderjährig sei, sei als maßgeblich anzusprechen gewesen.

Am 05.02.2016 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 03.03.2016 wurde diesem Antrag stattgegeben und dem Beschwerdeführer eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 10.03.2018 erteilt.

Am 26.02.2018 stellte der Beschwerdeführer erneut einen Antrag auf „Verlängerung des subsidiären Schutzes gemäß § 8 Abs. 4 AsylG“.

Am 07.08.2018 wurde dem Beschwerdeführer durch die belangte Behörde mitgeteilt, dass gegen ihn von Amts wegen ein Verfahren auf Aberkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten eingeleitet worden sei. Es wurde ihm eine Frist zur Stellungnahme gesetzt.

Am 09.08.2018 stellte der Beschwerdeführer – wie schon am 26.02.2018 – einen Antrag auf „Verlängerung des subsidiären Schutzes gemäß § 8 Abs. 4 AsylG“.

Am 21.05.2019 wurde der Beschwerdeführer durch die belangte Behörde niederschriftlich einvernommen.

Am 24.05.2019 wurde dem Beschwerdeführer mit Bescheid der belangten Behörde der Status eines subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.) und ihm die erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung entzogen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und es wurde gegen diesen eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) Es wurde festgestellt, dass eine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.) und es wurde dem Beschwerdeführer eine Frist zur freiwilligen Ausreise in der Dauer von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung gesetzt (Spruchpunkt VI.). Gegen den Beschwerdeführer wurde ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot verhängt (Spruchpunkt VII.). Begründet wurde die Aberkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten damit, dass die Voraussetzungen, die zur Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten geführt hatten, nicht mehr vorlägen. Der Beschwerdeführer sei niemals einer Verfolgung oder der Gefahr einer Todesstrafe, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung bzw. als Zivilperson in einem innerstaatlichen Konflikt in Mitleidenschaft gezogen zu werden, ausgesetzt gewesen. Er unterliege keiner Verfolgung durch einen staatlichen Akteur. Zudem habe er einen Aberkennungsgrund gesetzt, indem er mehrmals im österreichischen Bundesgebiet straffällig und rechtskräftig durch inländische Gerichte verurteilt worden sei. Er stelle eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dar. Der Beschwerdeführer verfüge über Beziehungen im Herkunftsstaat bzw. im Iran und über eine mehrjährige Schulbildung. Er sei gesund und arbeitsfähig. Es habe nicht festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan in eine die Existenz bedrohende Notlage geraten würde. Begründet wurde dies damit, dass ein wesentlicher Grund für die Einleitung des Aberkennungsverfahrens darin läge, dass der Beschwerdeführer im österreichischen Bundesgebiet wiederholt straffällig und rechtskräftig verurteilt worden sei. Die Jugendstraftaten bzw. Straftaten als junger Erwachsener würden sich auf das Suchtmittelgesetz und auf Körperverletzung bzw. schwere Körperverletzung beziehen. Die Gleichgültigkeit des Beschwerdeführers gegenüber der österreichischen Rechtsordnung sei klar zu erkennen. Bereits kurz nach der Zuerkennung des subsidiären Schutzes sei der Beschwerdeführer rechtskräftig verurteilt worden. Es seien kontinuierlich weitere Straftaten gefolgt und der weitere Aufenthalt stelle daher eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar. Wegen der Schwere der Tatbegehung sei offensichtlich, dass eine wesentliche Minderung der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefahr keineswegs angenommen werden könne. Den Beteuerungen des Beschwerdeführers, dass er sich hinkünftig rechtstreu verhalten, werde sei die Glaubwürdigkeit abzusprechen. Es sei von einer permanenten und zukünftigen Gefahr durch den Beschwerdeführer auszugehen und die öffentlichen Interessen zur Abwehr einer solchen Gefahr seien bei weitem höher zu bewerten als die Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt. Es sei eine zu Gunsten des Beschwerdeführers ausfallende Verhaltensprognose nicht möglich gewesen. Rechtlich wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer bereits volljährig sei und ihm deswegen schon nach § 9 Abs. 1 AsylG 2005 der Status eines subsidiär Schutzberechtigten abzuerkennen sei, aber jedenfalls wegen § 9 Abs. 2 AsylG 2005 aufgrund seiner mehrfachen Straffälligkeit.

1.3. Zu einer Rückkehrmöglichkeit des Beschwerdeführers nach Afghanistan:

Zum Zeitpunkt der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten durch die belangte Behörde mit Bescheid vom 26.02.2015 war der Beschwerdeführer 16 Jahre alt, d.h. als minderjährig anzusprechen. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 24.05.2019 wurde dem Beschwerdeführer – maßgeblich einerseits mit dem Erreichen der Volljährigkeit und andererseits aufgrund seiner Straffälligkeit in Österreich begründet – der Status eines subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen aberkannt.

Der Beschwerdeführer befindet sich aufgrund des Erreichens der Volljährigkeit nicht mehr in der gleichen vulnerablen Lage, wie dies zum Zeitpunkt der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten der Fall war. Er ist nunmehr älter, erfahrener und selbstständiger.

Der Beschwerdeführer ist volljährig, arbeitsfähig und –willig sowie körperlich gesund. Er leidet an keinen körperlichen Vorerkrankungen, die ihn als zugehörig zu einer Risikogruppe erscheinen lassen könnten, und die nahelegen könnten, dass der Beschwerdeführer aufgrund einer solchen Vorerkrankung schwer oder sogar mit tödlichem Verlauf an COVID-19 erkranken könnte.

Die Pandemie betreffend das Corona-Virus stellt im gegenständlichen Fall kein Rückkehrhindernis dar, da der Beschwerdeführer gesund ist und im Hinblick auf sein Alter bzw. fehlende Vorerkrankungen keiner spezifischen Risikogruppe angehört, die einer erhöhten Morbidität durch das Virus unterworfen sein könnte. Es besteht keine ausreichende Wahrscheinlichkeit, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Afghanistan einer COVID-19-Erkrankung mit schwerem oder gar tödlichem Verlauf ausgesetzt sein würde bzw. könnte.

Auch wenn der Beschwerdeführer seit seinem ersten Lebensjahr im Iran aufgewachsen ist, ist er mit den kulturellen Gepflogenheiten und mit einer dort gesprochenen Sprache vertraut und wuchs in einem afghanischen Familienverband auf. Der Beschwerdeführer hat ein Jahr den Kindergarten besucht und fünf Jahre lang eine Schule.

Es ist dem Beschwerdeführer unter den nunmehr vorliegenden Umständen möglich und zumutbar, sich in den Städten Herat oder Mazar-e Sharif niederzulassen. Der Beschwerdeführer hat zwar nie in diesen Städten gelebt und verfügt dort auch über keine familiären Anknüpfungspunkte, er kann sich aber – nicht zuletzt aufgrund des Erreichens der Volljährigkeit – eine Existenz durch anfängliche Hilfs- oder Gelegenheitsarbeiten aufbauen bzw. sichern. Er ist in der Lage, in Herat oder Mazar-e Sharif eine einfache Unterkunft zu finden. Auch wenn ihn seine im Iran lebende Familie dabei nicht unterstützen kann, hat er doch die Möglichkeit, finanzielle Unterstützung in Form einer Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen.

Außergewöhnliche Umstände, die eine Rückkehr des Beschwerdeführers nach Herat oder Mazar-e Sharif ausschließen, liegen nicht vor. Der Beschwerdeführer läuft bei einer Ansiedelung in diesen beiden Städten nicht Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können oder in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.

Herat bzw. Mazar-e Sharif sind für den Beschwerdeführer sicher von Österreich aus über Kabul mit dem Flugzeug erreichbar.

1.4. An den maßgeblichen subjektiven Umständen des Beschwerdeführers, die zur Gewährung des Status des subsidiär Schutzberechtigten geführt haben, hat sich seit Erlassung des diesbezüglichen Bescheides insoweit etwas geändert, als der Beschwerdeführer nunmehr als volljährig anzusprechen ist und diesem somit eine Rückkehr bzw. Neuansiedelung in Afghanistan, besonders in den Städten Mazar-e Sharif oder Herat, zuzumuten ist.

1.5. Aus einem Vergleich zwischen dem Länderberichtsmaterial zum Zeitpunkt der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten bzw. der bereits erfolgten Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung mit dem nunmehr aktuellen Material ist keine maßgebliche Verbesserung der Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan ersichtlich.

1.6. Zur Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers:

1.6.1. COVID-19

Letzte Änderung: 31.03.2021

Entwicklung der COVID-19 Pandemie in Afghanistan

Der erste offizielle Fall einer COVID-19 Infektion in Afghanistan wurde am 24.2.2020 in Herat festgestellt (RW 9.2020; vgl UNOCHA 19.12.2020). Laut einer vom afghanischen Gesundheitsministerium (Afghan MoPH) durchgeführten Umfrage hatten zwischen März und Juli 2020 35% der Menschen in Afghanistan Anzeichen und Symptome von COVID-19. Laut offiziellen Regierungsstatistiken wurden bis zum 2.9.2020 in Afghanistan 103.722 Menschen auf das COVID-19-Virus getestet (IOM 23.9.2020). Aufgrund begrenzter Ressourcen des öffentlichen Gesundheitswesens und der Testkapazitäten, der Testkriterien, des Mangels an Personen, die sich für Tests melden, sowie wegen des Fehlens eines nationalen Sterberegisters werden bestätigte Fälle von und Todesfälle durch COVID-19 in Afghanistan wahrscheinlich insgesamt unterrepräsentiert (HRW 14.1.2021; cf. UNOCHA 18.2.2021, USAID 12.1.2021, UNOCHA 19.12.2020, RFE/RL 23.2.2021a). Bis Dezember 2020 gab es insgesamt 50.536 [Anmerkung: offizielle] Fälle im Land. Davon ein Drittel in Kabul. Die tatsächliche Zahl der positiven Fälle wird jedoch weiterhin deutlich höher eingeschätzt (IOM 18.3.2021; vgl. HRW 14.1.2021).

Die fortgesetzte Ausbreitung der Krankheit in den letzten Wochen des Jahres 2020 hat zu einem Anstieg der Krankenhauseinweisungen geführt, wobei jene Einrichtungen die als COVID-19-Krankenhäuser in den Provinzen Herat, Kandahar und Nangarhar gelten, nach Angaben von Hilfsorganisationen seit Ende Dezember voll ausgelastet sind. Gesundheitseinrichtungen sehen sich auch zu Beginn des Jahres 2021 großen Herausforderungen bei der Aufrechterhaltung oder Erweiterung ihrer Kapazitäten zur Behandlung von Patienten mit COVID-19 sowie bei der Aufrechterhaltung grundlegender Gesundheitsdienste gegenüber, insbesondere, wenn sie in Konfliktgebieten liegen (BAMF 8.2.2021; cf. IOM 18.3.2021).

Die Infektionen steigen weiter an und bis zum 17.3.2021 wurden der WHO 56.016 bestätigte Fälle von COVID-19 mit 2.460 Todesfällen gemeldet (IOM 18.3.2021; WHO 17.3.2021), wobei die tatsächliche Zahl der positiven Fälle um ein Vielfaches höher eingeschätzt wird. Bis zum 10.3.2021 wurden insgesamt 34.743 Impfstoffdosen verabreicht (IOM 18.3.2021)

Maßnahmen der Regierung und der Taliban

Das afghanische Gesundheitsministerium (MoPH) hat verschiedene Maßnahmen zur Vorbereitung und Reaktion auf COVID-19 ergriffen. "Rapid Response Teams" (RRTs) besuchen Verdachtsfälle zu Hause. Die Anzahl der aktiven RRTs ist von Provinz zu Provinz unterschiedlich, da ihre Größe und ihr Umfang von der COVID-19-Situation in der jeweiligen Provinz abhängt. Sogenannte "Fix-Teams" sind in Krankenhäusern stationiert, untersuchen verdächtige COVID-19-Patienten vor Ort und stehen in jedem öffentlichen Krankenhaus zur Verfügung. Ein weiterer Teil der COVID-19-Patienten befindet sich in häuslicher Pflege (Isolation). Allerdings ist die häusliche Pflege und Isolation für die meisten Patienten sehr schwierig bis unmöglich, da die räumlichen Lebensbedingungen in Afghanistan sehr begrenzt sind (IOM 23.9.2020). Zu den Sensibilisierungsbemühungen gehört die Verbreitung von Informationen über soziale Medien, Plakate, Flugblätter sowie die Ältesten in den Gemeinden (IOM 18.3.2021; vgl. WB 28.6.2020). Allerdings berichteten undokumentierte Rückkehrer immer noch von einem insgesamt sehr geringen Bewusstsein für die mit COVID-19 verbundenen Einschränkungen sowie dem Glauben an weitverbreitete Verschwörungen rund um COVID-19 (IOM 18.3.2021; vgl. IOM 1.2021).

Gegenwärtig gibt es in den Städten Kabul, Herat und Mazar-e Sharif keine Ausgangssperren. Das afghanische Gesundheitsministerium hat die Menschen jedoch dazu ermutigt, einen physischen Abstand von mindestens einem Meter einzuhalten, eine Maske zu tragen, sich 20 Sekunden lang die Hände mit Wasser und Seife zu waschen und Versammlungen zu vermeiden (IOM 18.3.2021).

Laut IOM sind Hotels, Teehäuser und andere Unterkunftsmöglichkeiten derzeit [Anm.: März 2021] nur für Geschäftsreisende geöffnet. Für eine Person, die unter der Schirmherrschaft der IOM nach Afghanistan zurückkehrt und eine vorübergehende Unterkunft benötigt, kann IOM ein Hotel buchen. Personen, die ohne IOM nach Afghanistan zurückkehren, können nur in einer Unterkunftseinrichtung übernachten, wenn sie fälschlicherweise angeben, ein

Geschäftsreisender zu sein. Da die Hotels bzw. Teehäuser die Gäste benötigen, um wirtschaftlich überleben zu können, fragen sie nicht genau nach. Wird dies durch die Exekutive überprüft, kann diese - wenn der Aufenthalt auf der Angabe von falschen Gründen basiert - diesen jederzeit beenden. Die betreffenden Unterkunftnehmer landen auf der Straße und der Unterkunftsbetreiber muss mit einer Verwaltungsstrafe rechnen (IOM AUT 22.3.2021). Laut einer anderen Quelle gibt es jedoch aktuell [Anm.: März 2021] keine Einschränkungen bei der Buchung eines Hotels oder der Unterbringung in einem Teehaus und es ist möglich, dass Rückkehrer und Tagelöhner die Unterbringungsmöglichkeiten nutzen (RA KBL 22.3.2021).

Indien hat inzwischen zugesagt, 500.000 Dosen seines eigenen Impfstoffs zu spenden, erste Lieferungen sind bereits angekommen. 100.000 weitere Dosen sollen über COVAX (COVID-19 Vaccines Global Access) verteilt werden. Weitere Gespräche über Spenden laufen mit China (BAMF 8.2.2021; vgl. RFE/RL 23.2.2021a).

Die Taliban erlauben den Zugang für medizinische Helfer in Gebieten unter ihrer Kontrolle im Zusammenhang mit dem Kampf gegen COVID-19 (NH 3.6.2020; vgl. Guardian 2.5.2020) und gaben im Januar 2020 ihre Unterstützung für eine COVID-19-Impfkampagne in Afghanistan bekannt, die vom COVAX-Programm der Weltgesundheitsorganisation mit 112 Millionen Dollar unterstützt wird. Nach Angaben des Taliban-Sprechers Zabihullah Mudschahid würde die Gruppe die über Gesundheitszentren durchgeführte Impfaktion "unterstützen und erleichtern". Offizielle Stellen glauben, dass die Aufständischen die Impfteams nicht angreifen würden, da sie nicht von Tür zu Tür gehen würden (REU 26.1.2021; vgl. ABC News 27.1.2021, ArN 27.1.2021).

Bei der Bekanntgabe der Finanzierung sagte ein afghanischer Gesundheitsbeamter, dass das COVAX-Programm 20% der 38 Millionen Einwohner des Landes abdecken würde (REU 26.1.2021; vgl. ABC News 27.1.2021, ArN 27.1.2021, IOM 18.3.2021). Die Weltbank und die asiatische Entwicklungsbank gaben laut einer Sprecherin des afghanischen Gesundheitsministeriums an, dass sie bis Ende 2022 Impfstoffe für weitere 20% der Bevölkerung finanzieren würden (REU 26.1.2021; vgl. RFE/RL 23.2.2021a).

Im Februar 2021 hat Afghanistan mit seiner COVID-19-Impfkampagne begonnen, bei der zunächst Mitglieder der Sicherheitskräfte, Mitarbeiter des Gesundheitswesens und Journalisten geimpft werden (RFE/RL 23.2.2021a). Die Regierung kündigte an, 60% der Bevölkerung zu impfen, als die ersten 500.000 Dosen COVID-19-Impfstoff aus Indien in Kabul eintrafen. Es wurde angekündigt, dass zuerst 150.000 Mitarbeiter des Gesundheitswesens geimpft werden sollten, gefolgt von Erwachsenen mit gesundheitlichen Problemen. Die Impfungen haben in Afghanistan am 23.2.2021 begonnen (IOM 18.3.2021).

Gesundheitssystem und medizinische Versorgung

COVID-19-Patienten können in öffentlichen Krankenhäusern stationär diagnostiziert und behandelt werden (bis die Kapazitäten für COVID-Patienten ausgeschöpft sind). Staatlich geführte Krankenhäuser bieten eine kostenlose Grundversorgung im Zusammenhang mit COVID-19 an, darunter auch einen molekularbiologischen COVID-19-Test (PCR-Test). In den privaten Krankenhäusern, die von der Regierung autorisiert wurden, COVID-19-infizierte Patienten zu behandeln, werden die Leistungen in Rechnung gestellt. Ein PCR-Test auf COVID-19 kostet 3.500 Afghani (AFN) (IOM 18.3.2021).

Krankenhäuser und Kliniken haben nach wie vor Probleme bei der Aufrechterhaltung oder Erweiterung der Kapazität ihrer Einrichtungen zur Behandlung von Patienten mit COVID-19 sowie bei der Aufrechterhaltung wesentlicher Gesundheitsdienste, insbesondere in Gebieten mit aktiven Konflikten. Gesundheitseinrichtungen im ganzen Land berichten nach wie vor über Defizite bei persönlicher Schutzausrüstung, medizinischem Material und Geräten zur Behandlung von COVID-19 (USAID 12.1.2021; vgl. UNOCHA 12.11.2020, HRW 13.1.2021, AA 16.7.2020, WHO 8.2020). Bei etwa 8% der bestätigten COVID-19-Fälle handelt es sich um Mitarbeiter im Gesundheitswesen (BAMF 8.2.2021).

Während öffentliche Krankenhäuser im März 2021 weiterhin unter einem Mangel an ausreichenden Testkapazitäten für die gesamte Bevölkerung leiden, können stationäre Patienten während ihres Krankenhausaufenthalts kostenfreie PCR-Tests erhalten. Generell sind die Tests seit Februar 2021 leichter zugänglich geworden, da mehr Krankenhäuser von der Regierung die Genehmigung erhalten haben, COVID-19-Tests durchzuführen. In Kabul werden die Tests beispielsweise im Afghan-Japan Hospital, im Ali Jennah Hospital, im City Hospital, im Alfalah-Labor oder in der deutschen Klinik durchgeführt (IOM 18.3.2021).

In den 18 öffentlichen Krankenhäusern in Kabul gibt es insgesamt 180 Betten auf Intensivstationen. Die Provinzkrankenhäuser haben jeweils mindestens zehn Betten auf Intensivstationen. Private Krankenhäuser verfügen insgesamt über 8.000 Betten, davon wurden 800 für die Intensivpflege ausgerüstet. Sowohl in Kabul als auch in den Provinzen stehen für 10% der Betten auf der Intensivstation Beatmungsgeräte zur Verfügung. Das als Reaktion auf COVID-19 eingestellte Personal wurde zu Beginn der Pandemie von der Regierung und Organisationen geschult (IOM 23.9.2020). UNOCHA berichtet mit Verweis auf Quellen aus dem Gesundheitssektor, dass die niedrige Anzahl an Personen die Gesundheitseinrichtungen aufsuchen auch an der Angst der Menschen vor einer Ansteckung mit dem Virus geschuldet ist (UNOCHA 15.10.2020) wobei auch die Stigmatisierung, die mit einer Infizierung einhergeht, hierbei eine Rolle spielt (IOM 18.3.2021; vgl. UNOCHA 12.11.2020, UNOCHA 18.2.2021, USAID 12.1.2021).

Durch die COVID-19 Pandemie hat sich der Zugang der Bevölkerung zu medizinischer Behandlung verringert (AAN 1.1.2020). Dem IOM Afghanistan COVID-19 Protection Monitoring Report zufolge haben 53 % der Bevölkerung nach wie vor keinen realistischen Zugang zu Gesundheitsdiensten. Ferner berichteten 23 % der durch IOM Befragten, dass sie sich die gewünschten Präventivmaßnahmen, wie den Kauf von Gesichtsmasken, nicht leisten können. Etwa ein Drittel der befragten Rückkehrer berichtete, dass sie keinen Zugang zu Handwascheinrichtungen (30%) oder zu Seife/Desinfektionsmitteln (35%) haben (IOM 23.9.2020).

Sozioökonomische Auswirkungen und Arbeitsmarkt

COVID-19 trägt zu einem erheblichen Anstieg der akuten Ernährungsunsicherheit im ganzen Land bei (USAID 12.1.2021; vgl. UNOCHA 18.2.2021, UNOCHA 19.12.2020). Die sozioökonomischen Auswirkungen von COVID-19 beeinflussen die Ernährungsunsicherheit, die inzwischen ein ähnliches Niveau erreicht hat wie während der Dürre von 2018 (USAID, 12.1.2021; vgl. UNOCHA 19.12.2020, UNOCHA 12.11.2020). In der ersten Hälfte des Jahres 2020 kam es zu einem deutlichen Anstieg der Lebensmittelpreise, die im April 2020 im Jahresvergleich um rund 17% stiegen, nachdem in den wichtigsten städtischen Zentren Grenzkontrollen und Lockdown-Maßnahmen eingeführt worden waren. Der Zugang zu Trinkwasser war jedoch nicht beeinträchtigt, da viele der Haushalte entweder über einen Brunnen im Haus verfügen oder Trinkwasser über einen zentralen Wasserverteilungskanal erhalten. Die Auswirkungen der Handelsunterbrechungen auf die Preise für grundlegende Haushaltsgüter haben bisher die Auswirkungen der niedrigeren Preise für wichtige Importe wie Öl deutlich überkompensiert. Die Preisanstiege scheinen seit April 2020 nach der Verteilung von Weizen aus strategischen Getreidereserven, der Durchsetzung von Anti-Preismanipulationsregelungen und der Wiederöffnung der Grenzen für Nahrungsmittelimporte nachgelassen zu haben (IOM 23.9.2020; vgl. WHO 7.2020), wobei gemäß dem WFP (World Food Program) zwischen März und November 2020 die Preise für einzelne Lebensmittel (Zucker, Öl, Reis...) um 18-31% gestiegen sind (UNOCHA 12.11.2020). Zusätzlich belastet die COVID-19-Krise mit einhergehender wirtschaftlicher Rezession die privaten Haushalte stark (AA 16.7.2020).

Die Lebensmittelpreise haben sich mit Stand März 2021 auf einem hohen Niveau stabilisiert: Nach Angaben des Ministeriums für Landwirtschaft, Bewässerung und Viehzucht waren die Preise für Weizenmehl von November bis Dezember 2020 stabil, blieben aber auf einem Niveau, das 11 %, über dem des Vorjahres und 27 % über dem Dreijahresdurchschnitt lag. Insgesamt blieben die Lebensmittelpreise auf den wichtigsten Märkten im Dezember 2020 überdurchschnittlich hoch, was hauptsächlich auf höhere Preise für importierte Lebensmittel zurückzuführen ist (IOM 18.3.2021).

Laut einem Bericht der Weltbank zeigen die verfügbaren Indikatoren Anzeichen für eine stark schrumpfende Wirtschaft in der ersten Hälfte des Jahres 2020, was die Auswirkungen der COVID-19-Krise im Kontext der anhaltenden Unsicherheit widerspiegelt. Die Auswirkungen von COVID-19 auf den Landwirtschaftssektor waren bisher gering. Bei günstigen Witterungsbedingungen während der Aussaat wird erwartet, dass sich die Weizenproduktion nach der Dürre von 2018 weiter erholen wird. Lockdown-Maßnahmen hatten bisher nur begrenzte Auswirkungen auf die landwirtschaftliche Produktion und blieben in ländlichen Gebieten nicht durchgesetzt. Die Produktion von Obst und Nüssen für die Verarbeitung und den Export wird jedoch durch Unterbrechung der Lieferketten und Schließung der Exportwege negativ beeinflusst (IOM 18.3.2021; vgl. WB 15.7.2020).

Es gibt keine offiziellen Regierungsstatistiken, die zeigen, wie der Arbeitsmarkt durch COVID-19 beeinflusst wurde bzw. wird. Es gibt jedoch Hinweise darauf, dass die COVID-19-Pandemie erhebliche negative Auswirkungen auf die wirtschaftliche Lage in Afghanistan hat, einschließlich des Arbeitsmarktes (IOM 23.9.2020; vgl. AA 16.7.2020). Die afghanische Regierung warnt davor, dass die Arbeitslosigkeit in Afghanistan um 40% steigen wird. Die Lockdown-Maßnahmen haben die bestehenden prekären Lebensgrundlagen in dem Maße verschärft, dass bis Juli 2020 84% der durch IOM-Befragten angaben, dass sie ohne Zugang zu außerhäuslicher Arbeit (im Falle einer Quarantäne) ihre grundlegenden Haushaltsbedürfnisse nicht länger als zwei Wochen erfüllen könnten; diese Zahl steigt auf 98% im Falle einer vierwöchigen Quarantäne (IOM 23.9.2020). Insgesamt ist die Situation vor allem für Tagelöhner sehr schwierig, da viele Wirtschaftssektoren von den Lockdown-Maßnahmen im Zusammenhang mit COVID-19 negativ betroffen sind (IOM 23.9.2020; vgl. Martin/Parto 11.2020).

Die wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen, die durch die COVID-19-Pandemie geschaffen wurden, haben auch die Risiken für vulnerable Familien erhöht, von denen viele bereits durch lang anhaltende Konflikte oder wiederkehrende Naturkatastrophen ihre

begrenzten finanziellen, psychischen und sozialen Bewältigungskapazitäten aufgebraucht hatten (UNOCHA 19.12.2020).

Die tiefgreifenden und anhaltenden Auswirkungen der COVID-19-Krise auf die afghanische Wirtschaft bedeuten, dass die Armutsquoten für 2021 voraussichtlich hoch bleiben werden. Es wird erwartet, dass das BIP im Jahr 2020 um mehr als 5 % geschrumpft sein wird (IWF). Bis Ende 2021 ist die Arbeitslosenquote in Afghanistan auf 37,9% gestiegen, gegenüber 23,9% im Jahr 2019 (IOM 18.3.2021).

Nach einer Einschätzung des Afghanistan Center for Excellence sind die am stärksten von der COVID-19-Krise betroffenen Sektoren die verarbeitende Industrie (Non-Food), das Kunsthandwerk und die Bekleidungsindustrie, die Agrar- und Lebensmittelverarbeitung, der Fitnessbereich und das Gesundheitswesen sowie die NGOs (IOM 18.3.2021).

Bewegungsfreiheit

Im Zuge der COVID-19 Pandemie waren verschiedene Grenzübergänge und Straßen vorübergehend gesperrt (RFE/RL 21.8.2020; vgl. NYT 31.7.2020, IMPACCT 14.8.2020, UNOCHA 30.6.2020), wobei aktuell alle Grenzübergänge geöffnet sind (IOM 18.3.2021). Im Juli 2020 wurden auf der afghanischen Seite der Grenze mindestens 15 Zivilisten getötet, als pakistanische Streitkräfte angeblich mit schwerer Artillerie in zivile Gebiete schossen, nachdem Demons

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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