TE Vwgh Erkenntnis 1997/2/18 96/11/0282

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Veröffentlicht am 18.02.1997
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

AVG §59 Abs1;
AVG §66 Abs4;
KDV 1967 §30 Abs1;
KDV 1967 §31a;
KFG 1967 §65 Abs1;
KFG 1967 §66 Abs3;
KFG 1967 §67 Abs2;
KFG 1967 §73 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Neumeister, über die Beschwerde des H in S, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in M, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 29. August 1996, Zl. I/7-St-W-969, betreffend Entziehung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird insoweit, als mit ihm die Lenkerberechtigung des Beschwerdeführers für Kraftfahrzeuge der Gruppen A, C, F und G entzogen wird, wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde, im übrigen wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.800,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 73 Abs. 1 KFG 1967 die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppen A, B, C, F und G entzogen und gemäß § 73 Abs. 2 KFG 1967 ausgesprochen, daß ihm vor Wiedererlangung der geistigen Eignung keine neue Lenkerberechtigung erteilt werden darf.

In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Erstbehörde (die Bezirkshauptmannschaft Mödling) hatte in ihrem Bescheid vom 30. April 1996 die Lenkerberechtigung des Beschwerdeführers lediglich in Ansehung von Kraftfahrzeugen der Gruppe B gemäß § 73 Abs. 1 KFG 1967 entzogen, obwohl der Beschwerdeführer eine Lenkerberechtigung auch für Kraftfahrzeuge der Gruppen A, C, F und G hatte.

Obwohl der besagte Umstand offensichtlich auf ein Versehen zurückzuführen war, war die belangte Behörde als Berufungsbehörde nicht befugt, die Entziehung auf alle von der Lenkerberechtigung des Beschwerdeführers erfaßten Kfz-Gruppen auszudehnen. Hinsichtlich der Entziehung der Lenkerberechtigung für verschiedene Kfz-Gruppen ist Trennbarkeit gegeben. Die Entziehung der Lenkerberechtigung für andere Gruppen als die vom Erstbescheid entzogene war daher nicht "Sache" im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG, über die die Berufungsbehörde zu entscheiden zuständig ist (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. Dezember 1985, Zl. 85/11/0060). Der angefochtene Bescheid war daher insoweit, als er die Entziehung der Lenkerberechtigung des Beschwerdeführers für Kraftfahrzeuge der Gruppen A, C, F und G verfügt, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG aufzuheben, ohne daß dies in der Beschwerde geltend gemacht worden wäre (§ 41 Abs. 1 VwGG).

2. Die bekämpfte Entziehungsmaßnahme wurde nach der Begründung des angefochtenen Bescheides auf ein amtsärztliches Sachverständigengutachten vom 18. Juli 1996 gestützt. Dieses Gutachten verwertete einen verkehrspsychologischen Befund des Kuratoriums für Verkehrssicherheit vom 18. März 1996 (welcher bereits vom amtsärztlichen Sachverständigen der Erstbehörde dessen Gutachten zugrundegelegt worden war). Befundersteller und Gutachter kamen übereinstimmend zum Ergebnis, daß der Beschwerdeführer infolge mangelhafter Bereitschaft zur Verkehrsanpassung zum Lenken von Kraftfahrzeugen geistig nicht geeignet sei.

Soweit sich der Beschwerdeführer gegen die Annahme seiner Verkehrsunzuverlässigkeit wendet, verkennt er den Inhalt des angefochtenen Bescheides. Zum Unterschied von der der vorliegenden Entziehung der Lenkerberechtigung vorausgegangenen, im Zusammenhang mit der Begehung eines Alkoholdeliktes vom 6. Februar 1996 verfügten, vorübergehenden Entziehung der Lenkerberechtigung durch Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Mödling vom 12. Februar 1996 erfolgte die nunmehrige Entziehung wegen Fehlens einer anderen Erteilungsvoraussetzung, nämlich der geistigen Eignung, im besonderen der eine Komponente dieser Eignung bildenden Bereitschaft zur Verkehrsanpassung. Die Beurteilung der geistigen Eignung unterliegt nicht der Wertung im Sinne des § 66 Abs. 3 KFG 1967. Einer solchen Wertung sind vor Annahme der Verkehrsunzuverlässigkeit einer bestimmten Person die hinsichtlich dieser vorliegenden, ihre Verkehrsunzuverlässigkeit indizierenden bestimmten Tatsachen (§ 66 Abs. 1 und 2 KFG 1967) zu unterziehen.

Den Schwerpunkt der Beschwerdeausführungen bildet die Behauptung der Unrichtigkeit und Unvollständigkeit des amtsärztlichen Gutachtens vom 18. Juli 1996. Der Sache nach bekämpft der Beschwerdeführer darin in Wahrheit die Schlüssigkeit dieses Gutachtens, insbesondere wenn es ausführt, daß "Widersprüche und Dissimulation", welche die Annahme der Bereitschaft zur Verkehrsanpassung ausschlössen, nicht nur im "Kuratoriumsgutachten", sondern auch "bei der hieramtlichen Untersuchung" festgestellt worden seien.

Dem Gutachten ist tatsächlich in keiner Weise entnehmbar, wie der Gutachter zu dieser Aussage gekommen ist, was er darunter versteht und welche Schlüsse er daraus auf das Verhalten des Beschwerdeführers im Straßenverkehr zieht.

Auch durch die Bezugnahme auf den verkehrspsychologischen Befund vom 18. März 1996 ist - abgesehen davon, daß sich der Gutachter ausdrücklich auf eigene Wahrnehmungen beruft - diesbezüglich nichts zu gewinnen. Dort ist zwar von einer "Neigung zu gelegentlichem Alkoholüberkonsum in Geselligkeit bei deutlich erhöhter Labilität" die Rede, was zur Nichtumsetzung eigener Vorsätze in Bezug auf Alkohol und Autofahren führe. Der Beschwerdeführer könne "sozialen Trinkzwängen" nicht widerstehen, ein diesbezügliches Problembewußtsein könne nicht abgeleitet werden; es bestehe ein erhöhtes Rückfallrisiko. Im Gegensatz dazu ergibt sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt, daß der Beschwerdeführer - abgesehen von dem erwähnten Alkoholdelikt vom 6. Februar 1996 - bislang im Hinblick auf Alkoholkonsum und Straßenverkehr nur insofern auffällig geworden ist, als er am 9. März 1984 sowie am 20. Dezember 1986 Alkoholdelikte begangen hat. Das Verwaltungsstrafverfahren wegen eines am 21. September 1989 begangenen Alkoholdeliktes wurde gemäß § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG eingestellt und ein Mandatsbescheid betreffend Entziehung der Lenkerberechtigung daraufhin mit Vorstellungsbescheid aufgehoben.

Vor dem Hintergrund dieses aktenkundigen Sachverhaltes sind die Aussagen in dem in Rede stehenden Befund nicht schlüssig. Die Angaben des Beschwerdeführers im Zusammenhang mit dem Alkoholdelikt vom 6. Februar 1996 allein können die Neigung zu Alkoholüberkonsum, ein erhöhtes Rückfallrisiko und einen damit gegebenen Mangel der Bereitschaft zur Verkehrsanpassung nicht begründen.

Auch in Ansehung der Entziehung der Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppe B war der angefochtene Bescheid aufzuheben; diesfalls gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme Trennbarkeit gesonderter Abspruch

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996110282.X00

Im RIS seit

12.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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