Entscheidungsdatum
15.06.2021Norm
BFA-VG §22a Abs1Spruch
W117 2206705-6/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. DRUCKENTHANER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Tunesien (ungeklärt), vertreten durch XXXX ), gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , sowie die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft von XXXX zu Recht:
A)
I. Der Beschwerde wird gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG, § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 80 Abs. 1 FPG stattgegeben, der Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , aufgehoben und die Anhaltung in Schubhaft von XXXX für rechtswidrig erklärt.
II. Gemäß § 35 VwGVG hat der Bund (Bundesminister für Inneres) der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 767,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
B)
Die Revision ist gem. Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge: BF) stellte nach unrechtmäßiger Einreise am 16.11.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in weiterer Folge: BFA) vom 05.04.2018 vollinhaltlich abgewiesen und eine Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot in der Dauer von acht Jahren erlassen. Dieser Bescheid blieb unbekämpft und erwuchs am 05.05.2018 in Rechtskraft.
Der BF wurde während des anhängigen Asylverfahrens in Österreich straffällig und zwei Mal rechtskräftig von einem Landesgericht verurteilt.
Nach seiner Entlassung aus der Strafhaft wurde der BF von 08.06.2018 bis 05.12.2018 zur Sicherung der Abschiebung in Schubhaft angehalten. Die Abschiebung konnte nicht effektuiert werden, da dem BF mangels seiner Mitwirkung kein Heimreisezertifikat ausgestellt wurde.
Nach Abschluss seines Asylverfahrens wurde der BF erneut straffällig und mit Beschluss eines Oberlandesgerichts vom 09.07.2019 zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 16 Monaten rechtskräftig verurteilt.
Nach seiner Entlassung aus der Strafhaft wurde über den BF zur Sicherung der Abschiebung neuerlich die Schubhaft angeordnet. Der BF wurde von 17.04.2020 bis 18.08.2020 in Schubhaft angehalten. Das Bundesverwaltungsgericht (in weiterer Folge: BVwG) stellte mit Erkenntnis vom 18.08.2020 gemäß § 22a Abs. 4 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) fest, dass die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung des BF in Schubhaft nicht vorlagen. Begründend führte das BVwG im Wesentlichen aus, dass zum Entscheidungszeitpunkt nicht absehbar war, dass innerhalb der verbleibenden Schubhafthöchstdauer die Ausstellung eines Heimreisezertifikates erfolgen werde.
Mit Bescheid des BFA vom 17.11.2020 wurde über den BF gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) iVm § 57 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) erneut die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme sowie zur Sicherung der Abschiebung angeordnet und der BF ab 17.11.2020 neuerlich in Schubhaft angehalten.
Am 01.03.2021 legte das BFA den Verwaltungsakt gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG dem BVwG zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung des BF in Schubhaft vor.
Mit hg. Erkenntnis vom 15.03.2021 stellte das BVwG fest, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen nicht vorlagen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung nicht verhältnismäßig war. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass es zum Entscheidungszeitpunkt nicht wahrscheinlich war, dass innerhalb der Schubhafthöchstdauer von weiteren vier Monaten die Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den BF erfolgen werde.
Mit Schriftsatz vom 26.04.2021 (Poststempel vom 26.04.2021) brachte der BF durch seine ausgewiesene rechtliche Vertreterin fristgerecht Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom 17.11.2020 sowie gegen seine Anhaltung in Schubhaft im Zeitraum von 17.11.2020 bis 15.03.2021 ein. Begründend führte er zusammengefasst im Wesentlichen aus, dass seine Anhaltung in Schubhaft im gesamten Zeitraum von 17.11.2020 bis 15.03.2021 aufgrund fehlender Fluchtgefahr sowie Nicht-Effektuierbarkeit der Abschiebung als unverhältnismäßig und damit rechtswidrig zu werten sei. Die Behörde habe es verabsäumt, sich hinreichend mit der konkreten Situation des BF auseinanderzusetzen und lasse der angefochtene Bescheid daher auch eine nachvollziehbare Begründung hinsichtlich der Notwendigkeit der Schubhaft vermissen. Das BVwG habe bereits im Zuge der amtswegigen Überprüfung mit Erkenntnis vom 18.08.2020 festgestellt, dass die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung nicht vorlagen, weil mit der Effektuierbarkeit der Abschiebung innerhalb der Schubhafthöchstdauer nicht zu rechnen war. Es sei aber nicht ersichtlich, dass die Behörde zwischen der Enthaftung am 18.08.2020 und der neuerlichen Verhängung der Schubhaft am 17.11.2020 etwaige Schritte gesetzt habe, um ein Heimreisezertifikat zu erlangen. Auch gebe es keine Hinweise darauf, dass sich seit 18.08.2020 Veränderungen ergeben hätten und lägen bereits negative Beantwortungen in Bezug auf die Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates durch Algerien und Tunesien (sowie Ägypten, Libyen, Marokko) vor. Es müsse daher davon ausgegangen werden, dass die Behörde in Bezug auf die Erlangung eines Heimreisezertifikates für den BF im Zeitraum von (spätestens) 18.08.2020 bis 17.11.2020 untätig geblieben sei und sich seit dem 18.08.2020 keine Veränderungen in Bezug auf die Voraussetzungen für die Effektuierbarkeit der Abschiebung des BF und dadurch für eine Anhaltung des BF in Schubhaft ergeben hätten. Lediglich nach der Anordnung der Schubhaft am 17.11.2020 seien neuerlich Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates bei der tunesischen und der algerischen Vertretungsbehörde eingeleitet worden. Im Sinne einer möglichst kurzen Anhaltung in Schubhaft wäre eine neuerliche Anfrage an die Vertretungsbehörden für den BF jedoch bereits vor 18.08.2020 (gemeint wohl: vor 17.11.2020) tunlich gewesen und habe die Behörde es verabsäumt, Schritte zur beabsichtigen Effektuierbarkeit der Abschiebung des BF zu setzen.
Darüber hinaus sei es der belangten Behörde auch nicht gelungen, eine konkrete Fluchtgefahr darzulegen. Dass die Behörde davon ausging, dass der BF untertauchen und sich dem Verfahren entziehen würde, sei nicht nachvollziehbar. So habe der BF im Rahmen der Einvernahme vom 17.11.2020 der Behörde die Adresse bekanntgegeben, bei welcher er Unterkunft nahm. In derselben Einvernahme habe er angegeben, dass es ihm mangels Identitätsdokuments nicht möglich sei, sich behördlich zu melden. Der BF habe keine Absicht, seine Unterkunft zu verschleiern und wäre für die Behörde an der angegebenen Adresse greifbar gewesen. Der BF sei zudem darüber in Kenntnis gesetzt worden, dass kein Heimreisezertifikat für ihn erlangt werden konnte, weshalb dieser davon ausgegangen sei, dass die Abschiebung nicht durchführbar ist und bestand demnach für den BF kein Interesse daran, unterzutauchen.
Weiters habe die Behörde es verabsäumt, den BF in Bezug auf die allfällige Anordnung gelinderer Mittel einzuvernehmen. Für den BF wäre neben einer periodischen Meldeverpflichtung auch das gelindere Mittel der Unterkunftnahme in von der Behörde bestimmten Räumlichkeiten durchaus in Betracht gekommen und wäre er bereit gewesen, einer entsprechenden Anordnung Folge zu leisten.
Beantragt wurde die Behebung des angefochtenen Bescheides, der Ausspruch über die Rechtswidrigkeit der Anhaltung in Schubhaft, der belangten Behörde den Ersatz der Aufwendungen des BF aufzuerlegen sowie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, in eventu die Zulassung der ordentlichen Revision an den VwGH.
Am 29.04.2021 langte die vom BVwG angeforderte Stellungnahme des BFA zur Beschwerde vom 26.04.2021 ein, in der lediglich auf das Datum der Zustellung des angefochtenen Bescheides, die Dauer der Anhaltung sowie den Inhalt des hg. Erkenntnisses vom 15.03.2021 hingewiesen wurde.
Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Feststellungen:
Für den BF konnte bislang kein Heimreisezertifikat erlangt werden.
Die Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den BF bei den Vertretungsbehörden von Ägypten, Libyen, Algerien und Marokko wurde vom Bundesamt erstmalig am 04.07.2018 eingeleitet. Diese Verfahren wurden negativ beendet.
Am 07.04.2018 wurde ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den BF bei der Vertretungsbehörde Tunesiens eingeleitet. Am 03.07.2018 wurde dem Bundesamt von der tunesischen Vertretungsbehörde mitgeteilt, dass der BF nicht als tunesischer Staatsangehöriger identifiziert werden konnte. Am 01.03.2019 gelangte dem Bundesamt ein Sprachgutachten zur Kenntnis, aus welchem sich ergibt, dass die vom BF gesprochene Sprache in Übereinstimmung mit der arabischen Sprachgemeinschaft tunesischer Koine steht. Am 07.04.2020 wurde neuerlich ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates bei der tunesischen Vertretungsbehörde eingeleitet, die Ausstellung wurde jedoch abermals abgelehnt.
Unmittelbar nach Anordnung der Schubhaft am 17.11.2020 wurde neuerlich ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates bei der tunesischen Vertretungsbehörde eingeleitet.
Am 05.03.2021 langte auch diesbezüglich eine negative Verbalnote beim BFA ein.
Am 30.10.2018 wurde erneut ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates bei der Vertretungsbehörde Algeriens eingeleitet. Am 06.11.2018 wurde der BF der algerischen Botschaft zur Identifizierung vorgeführt. Es wurde dem BFA von der algerischen Vertretungsbehörde mitgeteilt, dass der BF nicht als algerischer Staatsangehöriger identifiziert werden konnte, eine Identitätsüberprüfung in Algerien sei erforderlich. Zuletzt wurde die Ausstellung eines Heimreisezertifikates am 09.03.2021 bei der algerischen Vertretungsbehörde urgiert. Derzeit versucht das BFA einen Termin für ein Videointerview zur Identifizierung des BF zu vereinbaren. Wann dieser Termin stattfindet ist – auch auf Grund der Einschränkungen wegen der COVID-19-Pandemie – nicht absehbar.
Es kann nicht festgestellt werden, dass die Behörde im Zeitraum von 18.08.2020 bis 17.11.2020 Schritte gesetzt hat, um ein Heimreisezertifikat für den BF zu erlangen, oder sich seit seiner Enthaftung am 18.08.2020 (infolge des hg. Erkenntnisses vom 18.08.2020) sonstige Veränderungen in Bezug auf die Durchführbarkeit der Abschiebung des BF ergeben hätten.
Die Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den BF innerhalb der verbleibenden Schubhafthöchstdauer war zum Zeitpunkt der Anordnung der Schubhaft am 17.11.2020 nicht wahrscheinlich.
Beweiswürdigung:
Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt und in die hg. Gerichtsakten der bisherigen Schubhaftverfahren (W152 2206705-1, W154 2206705-2, W251 2206705-3, W283 2206705-4, W250 2206705-5) sowie in das Strafregister, in das Zentrale Fremdenregister, in das GVS-Betreuungsinformationssystem, in das Zentrale Melderegister und in die Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung des Bundesministeriums für Inneres.
Dass für den BF bislang kein Heimreisezertifikat erlangt werden konnte, ergibt sich aus der Aktenlage, bzw. aus den oben angeführten Gerichtsakten des BVwG.
Die Feststellungen zu den am 04.07.2018 eingeleiteten Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den BF sowie zu den negativen Beendigungen derselben beruhen insbesondere auf jenen Aktenteilen, die dem BVwG im Verfahren zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung des BF im August 2020 (W283 2206705-4) vom BFA vorgelegt wurden.
Die Feststellungen zu den mit Tunesien geführten Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den BF beruhen auf den in den bisherigen Schubhaftverfahren vom BFA vorgelegten Verfahrensakten. Aus der Stellungnahme des BFA vom 27.02.2021 (im Verfahren W250 2206705-5) ergibt sich, dass unmittelbar nach der Anordnung der Schubhaft am 17.11.2020 ein weiteres Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates bei der tunesischen Vertretungsbehörde eingeleitet worden ist. Dass diesbezüglich eine negative Verbalnote beim Bundesamt einlangte, ergibt sich aus der Mitteilung des BFA vom 08.03.2021 (ebenfalls im Verfahren W250 2206705-5).
Die Feststellungen zu den Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates bei der algerischen Vertretungsbehörde beruhen auf den in den bisherigen Schubhaftverfahren vom BFA vorgelegten Verfahrensakten (insbesondere W283 2206705-4). Dass die Ausstellung eines Heimreisezertifikates bei der algerischen Vertretungsbehörde zuletzt am 09.03.2021 urgiert wurde, ergibt sich aus einer Mitteilung des BFA an das BVwG vom 11.03.2021 (im Verfahren W250 2206705-5). Dass das BFA derzeit versucht, einen Termin für ein Videointerview zur Identifizierung des BF zu organisieren, ergibt sich aus der Stellungnahme des BFA vom 27.02.2021 sowie aus der Mitteilung vom 11.03.2021 (W250 2206705-5).
Dass das erkennende Gericht nicht feststellen konnte, dass die Behörde im Zeitraum von 18.08.2020 bis 17.11.2020 etwaige Schritte gesetzt hat, um das Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den BF zu betreiben, oder sich sonstige Veränderungen in Bezug auf die Durchführbarkeit der Abschiebung ergeben hätten, ist dem Umstand geschuldet, dass das BFA – trotz Aufforderung zur Stellungnahme durch das Gericht – nicht vermochte, entsprechende Schritte oder sonstige Änderungen der Sachlage in Bezug auf die Durchführbarkeit der Abschiebung des BF im Zeitraum von 18.08.2020 bis 17.11.2020 darzulegen. Auch aus der Aktenlage ließ sich eine diesbezügliche Änderung der Umstände seit 18.08.2020 nicht ableiten.
Dass es bereits zum Zeitpunkt der Anordnung der Schubhaft mit gegenständlich angefochtenem Bescheid vom 17.11.2020 nicht wahrscheinlich war, dass für den BF innerhalb der verbleibenden Schubhafthöchstdauer ein Heimreisezertifikat erlangt werden kann, ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
Bereits mit hg. Erkenntnis vom 18.08.2020, mit dem über die Zulässigkeit der Fortsetzung der Schubhaft (Bescheid vom 08.04.2020, Anhaltung in Schubhaft ab 17.04.2020) abgesprochen wurde, wurde (rechtskräftig) festgestellt, dass eine weitere Anhaltung des BF in Schubhaft nicht verhältnismäßig ist.
Begründend führte das Gericht in seinem Erkenntnis aus, dass die Ausstellung eines Heimreisezertifikates – trotz laufender Urgenzen – bislang weder für Algerien noch für Tunesien erreicht werden habe können und die Erlangung eines solchen innerhalb der verbleibenden Schubhafthöchstdauer von ca. acht Monaten zum Entscheidungszeitpunkt nicht wahrscheinlich sei.
An dieser Ausgangslage hat sich bis zur neuerlichen Anordnung der Schubhaft am 17.11.2020 nichts geändert. Insbesondere konnte die belangte Behörde in ihrer Stellungnahme vom 29.04.2021 keine Gründe für das Unterbleiben bzw. keine Bescheinigung über das tatsächliche Betreiben des Verfahrens zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den BF vor dem 17.11.2020 (also vor seiner neuerlichen Anhaltung in Schubhaft) darlegen, oder plausibel machen, welche sonstigen Veränderungen sich in Bezug auf die Durchführbarkeit der Abschiebung in der Zeit zwischen der Aufhebung der Schubhaft infolge des hg. Erkenntnisses vom 18.08.2020 bis zur neuerlichen Anordnung der Schubhaft am 17.11.2020 ergeben hätten. Vielmehr ergibt sich aus der Aktenlage (vgl. insbesondere W250 2206705-5), dass die Behörde erst am 17.11.2020 ein neuerliches Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates bei den tunesischen Vertretungsbehörden eingeleitet hat. Auch dafür, dass vom BFA im laufenden Verfahren mit den algerischen Vertretungsbehörden seit 18.08.2020 vor der neuerlichen Anhaltung des BF in Schubhaft maßgebliche Schritte zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den BF gesetzt worden wären, finden sich keine Hinweise im Akt und wurde dies vom BFA auch nicht dargelegt. Lediglich in der Stellungnahme vom 27.02.2021 sowie in der Mitteilung vom 11.03.2021 wies das BFA darauf hin, dass es am 18.02.2021 bzw. am 09.03.2021 Urgenzen an die algerischen Vertretungsbehörden gab. Auch sonstige Umstände, die auf eine – seit 18.08.2020 – geänderte Sachlage im Hinblick auf die Durchführbarkeit der Abschiebung des BF hinweisen würden, sind nicht hervorgekommen, sodass festzustellen war, dass die Erlangung eines Heimreisezertifikates im konkreten Fall zum Zeitpunkt der Anordnung der Schubhaft am 17.11.2020 innerhalb der verbleibenden Schubhafthöchstdauer von ca. acht Monaten nicht wahrscheinlich war.
Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht aufzunehmen.
Rechtliche Beurteilung:
Gesetzliche Grundlagen
Gemäß Artikel 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) idgF erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden
1. gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit;
2. gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit;
3. wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch eine Verwaltungsbehörde;
4. gegen Weisungen gemäß Art. 81a Abs. 4.
Gemäß § 9 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 3 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, entscheidet über Beschwerden gegen Maßnahmen unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt gemäß dem 1. Hauptstück des 2. Teiles des BFA-VG und gemäß dem 7. und 8. Hauptstück des FPG das Bundesverwaltungsgericht.
Für das gegenständliche Verfahren ist sohin das Bundesverwaltungsgericht zuständig.
Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 11 VwGVG sind, soweit in diesem und im vorangehenden Abschnitt nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren nach diesem Abschnitt jene Verfahrensvorschriften anzuwenden, die die Behörde in einem Verfahren anzuwenden hat, das der Beschwerde beim Verwaltungsgericht vorangeht.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984 und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in den dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Zu A)
Der mit „Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft“ betitelte § 22a des BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, lautet:
§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn
1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,
2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder
3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.
(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.
(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.
(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.
(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.
(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig.
Das Bundesverwaltungsgericht ist somit gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG für die Entscheidung der gegenständlichen Beschwerde zuständig.
Der mit „Schubhaft“ betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:
§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.
(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,
2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.
Der mit „Dauer der Schubhaft“ betitelte § 80 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:
§ 80 (1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.
(2) Die Schubhaftdauer darf, vorbehaltlich des Abs. 5 und der Dublin-Verordnung, grundsätzlich
1. drei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen angeordnet wird;
2. sechs Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, angeordnet wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt.
(3) Darf ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil über einen Antrag gemäß § 51 noch nicht rechtskräftig entschieden ist, kann die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden.
(4) Kann ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil
1. die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,
2. eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt,
3. der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt, oder
4. die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint,
kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden.
(5) Abweichend von Abs. 2 und vorbehaltlich der Dublin-Verordnung darf die Schubhaft, sofern sie gegen einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, angeordnet wurde, bis zum Zeitpunkt des Eintritts der Durchsetzbarkeit der aufenthaltsbeendenden Maßnahme die Dauer von 10 Monaten nicht überschreiten. Wird die Schubhaft über diesen Zeitpunkt hinaus aufrechterhalten oder nach diesem Zeitpunkt neuerlich angeordnet, ist die Dauer der bis dahin vollzogenen Schubhaft auf die Dauer gemäß Abs. 2 oder 4 anzurechnen.
(5a) In den Fällen des § 76 Abs. 2 letzter Satz ist auf die Schubhaftdauer gemäß Abs. 5 auch die Dauer der auf den Festnahmeauftrag gestützten Anhaltung anzurechnen, soweit sie nach Stellung des Antrags auf internationalen Schutz gemäß § 40 Abs. 5 BFA-VG aufrechterhalten wurde. Die Anrechnung gemäß Abs. 5 letzter Satz bleibt davon unberührt.
(6) Das Bundesamt hat von Amts wegen die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung in Schubhaft längstens alle vier Wochen zu überprüfen. Ist eine Beschwerde gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG anhängig, hat diesfalls die amtswegige Überprüfung zu entfallen.
(7) Das Bundesamt hat einen Fremden, der ausschließlich aus den Gründen des Abs. 3 oder 4 in Schubhaft anzuhalten ist, hievon unverzüglich schriftlich in Kenntnis zu setzen.
Fremder iSd FPG ist gemäß § 2 Abs. 4 Z 1 leg. cit., wer die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt.
Zur Judikatur
Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 des Bundesverfassungsgesetzes vom 29. November 1988 über den Schutz der persönlichen Freiheit und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 30.08.2007, 2007/21/0043).
Schubhaft darf stets nur "ultima ratio" sein (vgl. VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0054; VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, VwGH 24.02.2011, Zl. 2010/21/0502; VwGH 17.03.2009, Zl. 2007/21/0542; VwGH 30.08.2007, 2007/21/0043). Daraus leitete der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 19.05.2011, Zl. 2008/21/0527, unter Hervorhebung der in § 80 Abs. 1 FPG 2005 ausdrücklich festgehaltenen behördliche Verpflichtung, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert, insbesondere auch ab, „dass die Behörde schon von vornherein angehalten ist, im Fall der beabsichtigten Abschiebung eines Fremden ihre Vorgangsweise nach Möglichkeit so einzurichten, dass Schubhaft überhaupt unterbleiben kann. Unterlässt sie das, so erweist sich die Schubhaft als unverhältnismäßig“ (VwGH 19.05.2011, Zl. 2008/21/0527).
Zur Verhältnismäßigkeit im gegenständlichen Fall:
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung aber immer nur dann verhältnismäßig sein, wenn mit der Möglichkeit einer Abschiebung auch tatsächlich zu rechnen ist. Ergibt sich, dass diese fremdenpolizeiliche Maßnahme innerhalb der Schubhafthöchstdauer nicht durchführbar ist, so darf die Schubhaft nicht verhängt werden, bzw. ist – wenn sich das erst später herausstellt – umgehend zu beenden (VwGH 28.08.2012, 2010/21/0517; vgl. auch VwGH 19.04.2012, 2009/21/0047). Es sind daher regelmäßig Feststellungen zur möglichen Realisierbarkeit der Abschiebung innerhalb der (jeweils) zulässigen Schubhafthöchstdauer zu treffen (vgl. VwGH 12.01.2021, Ra 2020/21/0378).
Der BF wurde bereits von 08.06.2018 bis 05.12.2018 und von 17.04.2020 bis 18.08.2020 zur Sicherung der Abschiebung auf Grund der oben genannten Rückkehrentscheidung in Schubhaft angehalten. Gemäß § 80 Abs. 4 FPG darf der BF zwar im konkreten Fall insgesamt maximal 18 Monate in Schubhaft angehalten werden, da die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit zur Erlangung eines Heimreisezertifikates nicht möglich ist (Z 1 leg. cit.), es sind jedoch sämtliche Zeiten, in denen der BF zur Sicherung der Abschiebung auf Grund der mit Bescheid des BFA vom 05.04.2018 erlassenen Rückkehrentscheidung in Schubhaft angehalten wurde, auf die Dauer der Anhaltung in Schubhaft seit 17.11.2020 anzurechnen (vgl. VwGH vom 19.11.2020, Ro 2020/21/0015).
Da der BF zum Zeitpunkt der am 17.11.2020 erfolgten Anordnung der Schubhaft (ebenso wie zum Zeitpunkt der zuvor ergangenen hg. Entscheidung vom 18.08.2020) insgesamt bereits ca. zehn Monate wegen desselben Sachverhaltes – der Sicherung seiner Abschiebung auf Grund der Rückkehrentscheidung vom 05.04.2018 – in Schubhaft angehalten wurde, war von der Behörde bei Anordnung der Schubhaft mit gegenständlich angefochtenem Bescheid zu prüfen, ob seine Abschiebung innerhalb der verbleibenden Schubhafthöchstdauer von weiteren acht Monaten realisierbar sein werde.
Das Bundesamt ist darüber hinaus gemäß § 80 Abs. 1 FPG verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert, bzw. hat sie ihre Vorgangsweise so einzurichten, dass die Schubhaft nach Möglichkeit überhaupt unterbleiben kann. Dieser Verpflichtung entsprach die belangte Behörde nicht.
Wie festgestellt und bereits ausführlich beweiswürdigend ausgeführt, hat die Behörde nämlich im Zeitraum zwischen der Enthaftung des BF infolge des hg. Erkenntnisses vom 18.08.2020 und der neuerlichen Anordnung und Anhaltung in Schubhaft ab 17.11.2020 keine weiteren Schritte gesetzt, um die Durchführbarkeit der Abschiebung des BF zu erwirken. Da sich auch sonst keine Änderungen der Sachlage in Bezug auf die Durchführbarkeit der Abschiebung des BF ergeben haben, konnte die Behörde zum Zeitpunkt der neuerlichen Anordnung der Schubhaft am 17.11.2020 jedenfalls nicht zulässigerweise (und entgegen der rechtskräftig gewordenen Feststellung des BVwG, wonach – auf Grundlage desselben Sachverhaltes – eine weitere Anhaltung in Schubhaft als unverhältnismäßig und daher unzulässig qualifiziert wurde), davon ausgehen, dass eine neuerliche Anordnung und Anhaltung des BF in Schubhaft ohne, dass geänderte Umstände eingetreten wären, verhältnismäßig ist.
Die Verhängung der Schubhaft mit Bescheid vom 17.11.2020 und die Anhaltung des BF in Schubhaft im Zeitraum von 17.11.2020 bis 15.03.2021 war daher – ungeachtet des erheblichen Sicherungsbedarfs – vor dem Hintergrund der Untätigkeit der belangten Behörde im Zeitraum zwischen 18.08.2020 und 17.11.2020 und den seit der hg. Entscheidung vom 18.08.2020 unveränderten Umständen in Bezug auf die Wahrscheinlichkeit der Durchführbarkeit der Abschiebung innerhalb der (verbleibenden) Schubhafthöchstdauer bereits im Zeitpunkt ihrer Anordnung unverhältnismäßig. Es hätte mit der Anwendung gelinderer Mittel das Auslangen gefunden werden müssen.
Es war daher gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG festzustellen, dass die Anhaltung in Schubhaft im Zeitraum von 17.11.2020 bis 15.03.2021 rechtswidrig war und der Bescheid von 17.11.2020 zu beheben.
Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist.
Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt aufgrund der Aktenlage und des Inhaltes der Stellungnahme der belangten Behörde geklärt war und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen.
Zum Kostenersatz
Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.
Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei. Die §§ 52 bis 54 VwGG sind gemäß Abs. 6 auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden. Gemäß § 35 Abs. 7 VwGVG ist Aufwandersatz auf Antrag der Partei zu leisten, der Antrag kann bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt werden.
Im gegenständlichen Verfahren wurde gegen den Bescheid des BFA vom 17.11.2020, mit dem über den BF die Schubhaft angeordnet wurde sowie gegen die Anhaltung in Schubhaft im Zeitraum von 17.11.2020 bis 15.03.2021 Beschwerde erhoben. Der BF hat einen Antrag auf Kostenersatz im Sinne des § 35 VwGVG gestellt sowie den Ersatz der Eingabengebühr beantragt. Die Eingabengebühr ist zwar im Katalog der ersatzfähigen Aufwendungen nicht angeführt, sie ist jedoch als ersatzfähig anzusehen, zumal es sich dabei letztlich im Sinn des § 35 Abs. 4 Z 1 VwGVG nur um besondere „Barauslagen, für die der Beschwerdeführer aufzukommen hat“ handelt (vgl. VwGH vom 28.05.2020, Ra 2019/21/0336).
Da der Beschwerde stattgegeben, der angefochtene Bescheid behoben und die Anhaltung in Schubhaft im Zeitraum von 17.11.2020 bis 15.03.2021 für rechtswidrig erklärt wurde, ist der BF die obsiegende Partei. Ihm gebührt daher entsprechend seinem Antrag Kostenersatz im gesetzlich vorgesehenen Umfang, nämlich gemäß § 35 Abs. 1, 2 und Abs. 4 Z 3 VwGVG iVm § 1 Z 1 VwG-Aufwandersatzverordnung in der Höhe von EUR 737,60 und gemäß § 35 Abs. 1, 2 und 4 Z 1 VwGVG iVm § 2 Abs. 1 der BuLVwG-Eingabengebührverordnung in der Höhe von EUR 30,00, insgesamt sohin in der Höhe von EUR 767,60.
Der belangten Behörde gebührt als unterlegener Partei kein Kostenersatz und wurde ein solcher von ihr auch nicht beantragt.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B)
Zur Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Dauer gelinderes Mittel Heimreisezertifikat Kostenersatz Rechtswidrigkeit Schubhaft Strafhaft VerhältnismäßigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W117.2206705.6.00Im RIS seit
02.09.2021Zuletzt aktualisiert am
02.09.2021