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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
BAO §212a Abs9;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner, Mag. Heinzl und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde der "A"-reg GenmbH in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 16. Dezember 1994, Zl GA 7-1151/11/94, betreffend Aussetzungszinsen, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Anläßlich der Einbringung einer Berufung gegen einen Abgabenbescheid betreffend Umsatzsteuer hatte die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a BAO hinsichtlich der strittigen Abgaben gestellt. Das Finanzamt gab diesem Antrag statt. Nach Erledigung der Berufung mit Berufungsvorentscheidung verfügte das Finanzamt den Ablauf der Aussetzung und schrieb für den Zeitraum 31. Jänner 1992 bis 11. März 1993 Aussetzungszinsen vor. Mit Berufungsentscheidung vom 18. Juni 1993 wurde eine dagegen eingebrachte Berufung abgewiesen. Die Beschwerdeführerin erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Nachdem der Verfassungsgerichtshof aus Anlaß der Beschwerde B 823/91 am 16. Oktober 1992 (zu G 275/92) und am 14. Juni 1993 aus Anlaß weiterer Beschwerden das Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 212a Abs 9 BAO in der Fassung der Novelle BGBl Nr 312/1987 eingeleitet hatte, hob er diese Gesetzesbestimmung mit Erkenntnis vom 30. Juni 1993, G 275/92 ua, als verfassungswidrig auf. In der Folge hob der Verfassungsgerichtshof unter Bezugnahme auf dieses Erkenntnis mit Erkenntnis vom 6. Oktober 1993, B 1157/93, auch die oben angeführte Berufungsentscheidung wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes auf.
Zwischenzeitig hatte die Beschwerdeführerin hinsichtlich der Berufung gegen den eingangs erwähnten Abgabenbescheid betreffend Umsatzsteuer einen Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz und abermals einen in der Folge positiv erledigten Antrag auf Aussetzung der Einhebung hinsichtlich der strittigen Abgaben gestellt. Nach Erlassung einer Berufungsentscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz verfügte das Finanzamt mit Bescheid vom 26. April 1994 den Ablauf der Aussetzung der Einhebung und setzte für den Zeitraum 29. Oktober 1993 bis 26. April 1994 Aussetzungszinsen (bis 31. Dezember 1993 im Ausmaß von 11,25 %, ab 1. Jänner 1994 im Ausmaß von 6,25 % und darunter) fest.
In einer dagegen eingebrachten Berufung wandte die Beschwerdeführerin ein, daß sie Anlaßfall zum Gesetzesprüfungsverfahren gewesen sei, mit welchem § 212a Abs 9 BAO aufgehoben worden war, weshalb sich die Vorschreibung von Aussetzungszinsen vom 29. Oktober bis 31. Dezember 1993 verbiete. Allenfalls wären Zinsen in Höhe von 6,25 % vorzuschreiben gewesen, weil gemäß Art XXIV Z 21 des Steuerreformgesetzes 1993 § 212a Abs 9 in der neuen Fassung anzuwenden sei, soweit hievon Zeiträume nach dem 31. Dezember 1993 betroffen seien. Da die Aussetzung nach dem 31. Dezember 1993 abgelaufen sei, wäre daher die neue Fassung anzuwenden gewesen.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde die Berufung abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, das Verfahren, in welchem die Beschwerdeführerin Anlaßfall gewesen sei, habe Aussetzungszinsen für den Zeitraum 31. Jänner 1992 bis 11. März 1993 betroffen, das nunmehrige Verfahren jedoch solche für den Zeitraum 29. Oktober 1993 bis 26. April 1994, weshalb eine Identität mit dem Anlaßfall nicht vorliege.
Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht auf "Freiheit von Aussetzungszinsen", in eventu auf richtige Berechnung von Aussetzungszinsen (für 1993 lediglich in der Höhe von 6,25 %) verletzt und beantragt dessen Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragt die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Als Anlaßfall im Sinne des Art 140 Abs 7 B-VG wird jene konkrete Rechtssache bezeichnet, die tatsächlich Anlaß für die Einleitung des Normprüfungsverfahrens durch den Verfassungsgerichtshof war, sowie jene, die zur Zeit des Beginnes der mündlichen Verhandlung oder der nichtöffentlichen Beratung vor dem Verfassungsgerichtshof im Normprüfungsverfahren beim Verfassungsgerichtshof anhängig ist (vgl das hg Erkenntnis vom 29. März 1993, 92/15/0066, und das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 9. Oktober 1983, B 168/85, VfSlg 10.616).
Im Beschwerdefall teilt der Verwaltungsgerichtshof die Ansicht der belangten Behörde, daß es sich bei dem Verfahren zur Festsetzung von Aussetzungszinsen für den Zeitraum vom 29. Oktober 1993 bis 26. April 1994 um eine ANDERE Rechtssache handelt als bei dem Verfahren zur Festsetzung von Aussetzungszinsen für den Zeitraum 31. Jänner 1992 bis 11. März 1993. Zwar ist der Beschwerdeführerin zuzustimmen, daß in beiden Verfahren Aussetzungszinsen aus der Aussetzung der Einhebung ein und desselben Abgabenbetrages festgesetzt wurden, aktenwidrig ist allerdings die Beschwerdebehauptung, daß der strittige Abgabenbetrag (an Umsatzsteuer) in "ein- und demselben Verfahren nach Berufung" ausgesetzt wurde. Die Beschwerdeführerin räumt selbst ein, daß es nach Verfügung des Ablaufes der Aussetzung (nach Erlassung einer Berufungsvorentscheidung in der zugrunde liegenden Berufungssache) und nach entsprechender Antragstellung gemäß § 276 BAO durch die Beschwerdeführerin einer neuerlichen Antragstellung bedurfte, um eine weitere Aussetzung der Einhebung desselben Abgabenbetrages zu erreichen, für welche nach erfolgter Berufungsentscheidung und abermaliger Verfügung des Ablaufes der Einhebung zeitraumbezogen entsprechende Aussetzungszinsen festzusetzen waren. Die Identität des jeweils ausgesetzten Abgabenbetrages darf daher nicht mit einer "Identität" von jedenfalls in verschiedenen Verfahren für verschiedene Zeiträume festgesetzten Aussetzungszinsen gleichgesetzt werden. Es kann aber auch keine Rede davon sein, daß im Fall der Erlassung einer Berufungsvorentscheidung die Zeitspanne zwischen Antrag auf Aussetzung der Einhebung in einer Berufung und Entscheidung über diese Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz eine sich auch auf die für diesen Zeitraum festzusetzenden Aussetzungszinsen erstreckende Einheit darstellt, welche durch eine Berufungsvorentscheidung keine Unterbrechung erfahren dürfe. Dies ganz abgesehen davon, daß für den Zeitraum zwischen verfügtem Ablauf der Aussetzung und neuerlicher Antragstellung auf Aussetzung der Einhebung nach einem Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz gar keine Aussetzungszinsen festzusetzen sind. Das Beschwerdevorbringen ist daher nicht geeignet, die Identität der für verschiedene Zeiträume und in verschiedenen Verfahren festgesetzten Aussetzungszinsen erfolgreich darzutun.
Der Beschwerdeführerin kann aber auch nicht zugestimmt werden, wenn sie meint, der Abgabenanspruch betreffend die Aussetzungszinsen entstehe erst mit Ablauf der Aussetzung der Einhebung, weshalb im Beschwerdefall für den gesamten Zeitraum, für welche Aussetzungszinsen festgesetzt wurden, bereits die für 1994 geltende Rechtslage anzuwenden gewesen wäre, weil die Festsetzung der Aussetzungszinsen im Jahr 1994 erfolgte.
Die Beschwerdeführerin geht richtigerweise davon aus, daß der Abgabenanspruch gemäß § 4 Abs. 1 BAO entsteht, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft, und § 4 BAO keine auf die Aussetzungszinsen abstellenden Sonderregelungen enthält. Die allein damit begründete Ansicht, der Tatbestand wäre erst mit Verfügung des Ablaufes der Aussetzung der Einhebung verwirklicht, weil erst zu diesem Zeitpunkt die Aussetzungszinsen festzusetzen wären, überzeugt schon deswegen nicht, weil der abstrakte Abgabenanspruch grundsätzlich unabhängig von einer behördlichen Tätigkeit entsteht. Darüber hinaus knüpft § 212a Abs 9 BAO die Verpflichtung zur Entrichtung von Aussetzungszinsen aber bereits an den Zeitpunkt, ab welchem infolge eines Antrages, über den noch nicht entschieden wurde, Einhebungsmaßnahmen weder eingeleitet noch fortgesetzt werden dürfen, somit an die Antragstellung selbst. Der Umstand, daß die Festsetzung von Aussetzungszinsen vor der Erlassung des dem Aussetzungsantrag nicht stattgebenden Bescheides oder im Fall der Bewilligung der Aussetzung vor der Verfügung des Ablaufes oder des Widerrufes der Aussetzung nicht festzusetzen sind, ändert nichts daran, daß der Tatbestand, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft, bereits mit erfolgter Antragstellung verwirklicht ist, wobei der Aussetzungszinsenanspruch laufend während jener Zeit entsteht, in der der Zahlungsaufschub in Anspruch genommen wird (vgl das hg Erkenntnis vom 23. Juni 1994, 92/17/0166).
Die Beschwerde erweist sich daher insgesamt als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen war, wobei von der beantragten Verhandlung aus dem Grunde des § 39 Abs 2 Z 6 VwGG abgesehen werden konnte.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl Nr 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1995130046.X00Im RIS seit
20.11.2000Zuletzt aktualisiert am
12.04.2017