Entscheidungsdatum
02.07.2021Norm
BFA-VG §22a Abs4Spruch
W150 2241236-4/7E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. KLEIN als Einzelrichter im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Zahl XXXX , über die weitere Anhaltung von Herrn XXXX , geb. XXXX 1986, StA. NIGERIA, in Schubhaft zu Recht:
A)
Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
I. Verfahrensgang
1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge auch: „BF“), ein nigerianischer Staatsangehöriger, gelangte unter Umgehung der Grenzkontrollen in das österreichische Bundesgebiet und stellte am 01.09.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser wurde mit Bescheid des BFA für Fremdenwesen und Asyl (in weiterer Folge auch: „BFA“) vom 12.05.2016 vollinhaltlich abgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF nicht erteilt, gegen ihn wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen sowie festgestellt, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig sei. Weiters wurde festgestellt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des BVwG (in weiterer Folge auch: „BVwG“) vom 26.11.2019 als unbegründet abgewiesen.
2. Der BF kam seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach und das BFA leitete am 10.12.2019 bei der nigerianischen Vertretungsbehörde ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den BF ein.
3. Am 19.12.2019 stellte der BF einen Antrag auf unterstützte freiwillige Rückkehr, welchen er in weiterer Folge wieder zurückzog.
4. Seit 15.01.2020 verfügte der BF im Bundesgebiet über keine Meldeadresse, er hielt sich seither im Verborgenen auf und war für die Behörde nicht mehr greifbar. Das BFA erließ in weiterer Folge einen Festnahmeauftrag.
5. Am 18.12.2020 wurde der BF im Zuge einer polizeilichen Zufallskontrolle von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes festgenommen und in ein Polizeianhaltezentrum überstellt.
6. Am 18.12.2020 wurde der BF vom BFA im Beisein eines Dolmetschers für die englische Sprache zur beabsichtigten Anordnung der Schubhaft niederschriftlich einvernommen. Dabei gab der BF zusammengefasst an, dass es ihm gesundheitlich gut gehe und dass er nicht gewusst habe, dass er Österreich verlassen müsse. Ihm sei gesagt worden, dass man sich immer wieder beschweren müsse und er so in Österreich bleiben könne. Aus diesem Grund habe er auch seinen Antrag auf unterstützte freiwillige Rückkehr in seinen Herkunftsstaat zurückgezogen. Zu seiner Wohnadresse befragt gab der BF an, diese nicht genau zu kennen. Er könne nur die Stadt angeben, wo er wohne. Auf Vorhalt des BFA, warum er dann in Wien aufgegriffen worden sei, gab der BF an, dass er hier als Zeitungsverkäufer arbeite. Weiters gab er an, dass er keinen Reisepass besitze und Österreich nicht verlassen wolle. Zu seinen Familienverhältnissen in Österreich befragt gab der BF an, dass er hier über keine Familienmitglieder verfüge. Ein Kind von ihm lebe in Italien. Zu seinen Vermögensverhältnissen gab der BF an, dass er über ca. € 140,-- an Barmittel verfüge.
7. Mit Bescheid vom 18.12.2020 ordnete das BFA gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG iVm § 57 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG über den BF Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung an. Dieser Bescheid wurde dem BF am 18.12.2020 durch persönliche Übergabe zugestellt, seit diesem Tag wird der BF in Schubhaft angehalten. Gegen den Schubhaftbescheid sowie die Anhaltung in Schubhaft wurde vom BF in weiterer Folge keine Beschwerde erhoben.
8. Mit Eingabe vom 30.12.2020 teilte der BF mit, dass seine Ehefrau und sein Sohn in Italien leben würden.
9. Am 11.02.2021 wurde der BF einer Delegation der nigerianischen Vertretungsbehörde vorgeführt und als nigerianischer Staatsangehöriger identifiziert. Zudem wurde von der nigerianischen Botschaft der Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den BF zugestimmt.
10. Die für den 16.03.2021 geplante Abschiebung des BF nach Nigeria musste aufgrund der aktuellen COVID-19 Pandemie aufgrund einer fehlenden Landegenehmigung storniert werden.
11. Mit Erkenntnis des BVwG vom 14.04.2021 wurde gemäß § 22a Abs. 4 BFA-Verfahrensgesetz – BFA-VG festgestellt, dass die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung des BF in Schubhaft vorliegen und dass die Anhaltung verhältnismäßig ist.
12. Am 05.05.2021 legte das BFA den Verwaltungsakt neuerlich zur amtswegigen Prüfung gemäß § 22a Abs. 4 BFA-Verfahrensgesetz – BFA-VG vor und führte dazu im Wesentlichen aus, dass geplant sei, den BF am 26.05.2021 auf dem Luftweg nach Nigeria abzuschieben. Das Heimreisezertifikat werde kurz vor diesem Termin ausgestellt.
Mit Erkenntnissen des BVwG vom 11.05.2021 (W250 2241236-2) und 04.06.2021 (W154 2241236-3) wurde jeweils gemäß § 22a Abs. 4 BFA-Verfahrensgesetz – BFA-VG festgestellt, dass die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung des BF in Schubhaft vorliegen und dass die Anhaltung verhältnismäßig ist.
13. Am 24.06.2021 legte das BFA den Verwaltungsakt neuerlich zur amtswegigen Prüfung gemäß § 22a Abs. 4 BFA-Verfahrensgesetz – BFA-VG vor und führte dazu in seiner Stellungnahme im Wesentlichen aus, dass der BF nach seiner rechtskräftig negativen Asylentscheidung einen Antrag auf freiwillige Rückkehr gestellt habe. Diesen habe er jedoch nicht einmal einen Monat später aus privaten Gründen widerrufen. Kurz darauf wäre er von der Meldeadresse abgemeldet und somit unbekannten Aufenthaltes gewesen. Bis zu seiner Festnahme am 18.12.2020 sei er untergetaucht gewesen. Er sei somit für das BFA fast ein Jahr nicht greifbar gewesen. Er selbst habe zu Protokoll gegeben, dass er zwar irgendwo in Wr. Neustadt wohnen würde, aber er wisse nicht genau wo. Es wäre für ihn auch ein Problem sich ein Reisedokument zu organisieren. Der BF hätte am 26.05.2021 sowie am 22.06.2021 mittels Charter nach Nigeria abgeschoben werden können, jedoch habe er beide Male den PCR-Test verweigert und somit die Abschiebung vereitelt. Er werde sobald bekannt für den nächsten Charter gebucht, da ein HRZ vorliegt.
Die maximale Schubhaftdauer im Falle des BF betrage gemäß § 80 Abs. 4 Z. 4 FPG 18 Monate, weil der BF am 26.05.2021 deshalb nicht abgeschoben habe werden können, weil er durch die Verweigerung des PCR-Nasenabstrichs die Abschiebung verhindert habe. Sollte er neuerlich den PCR-Nasenabstrich verweigern, könne ein PCR-Gurgeltest durchgeführt werden.
14. Die oben angeführte Stellungnahme des BFA wurde am 25.06.2021 dem BF gemäß § 45 Abs. 3 AVG in Verbindung mit § 17 VwGVG zur Kenntnis gebracht und ihm dazu Parteiengehör eingeräumt. Als Frist für eine Stellungnahme wurde ihm dazu der 29.06.2021 gesetzt. Eine Stellungnahme langte bis dato nicht ein.
15. Aufgrund eines gerichtlichen Auftrages vom 25.06.2021 übermittelte das BFA am 28.06.2021 eine aktuelle amtsärztliche Bestätigung vom gleichen Tage, welches die weitere Haftfähigkeit des BF bestätigte.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1. Zum Verfahrensgang
Der oben unter Punkt I.1. – I.15. geschilderte Verfahrensgang wird zur Feststellung erhoben.
2. Zur Person des BF und zu den Voraussetzungen der Schubhaft:
2.1. Der BF ist ein volljähriger Staatsangehöriger Nigerias. Die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt er nicht. Er ist weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter.
2.2. Der BF ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
2.3. Der BF wird seit 18.12.2020 in Schubhaft angehalten die gesetzliche Frist zur neuerlichen Überprüfung der Schubhaft endet am 02.07.2021.
2.4. Der BF ist haftfähig. Es liegen keine die Haftfähigkeit ausschließende gesundheitliche Beeinträchtigungen oder Erkrankungen vor. Der BF gehört keiner spezifischen Covid-19 Risikogruppe an. Der BF hat in der Schubhaft Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Versorgung.
3. Zur Fluchtgefahr und zum Sicherungsbedarf:
3.1. Mit Bescheid des BFA vom 12.05.2016 wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen sowie festgestellt, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig sei. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des BVwG vom 26.11.2019 als unbegründet abgewiesen. Es liegt eine den BF betreffende rechtskräftige und durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor.
3.2. Der BF verfügte bis 11.05.2021 über keine Meldeadresse im Bundesgebiet. Er hielt sich bis zur Inschubhaftnahme im Verborgenen auf und war für die Behörde nicht mehr greifbar, wodurch er seine Abschiebung zumindest erschwert hat.
3.3. Der BF ist im Hinblick auf sein bisheriges Verhalten nicht vertrauenswürdig. Er hat seine Ausreiseverpflichtung missachtet und seine Abschiebung durch Untertauchen und Aufenthalt im Verborgenen verhindert. Er hat sohin gegen verwaltungsrechtliche Normen verstoßen bzw. Handlungen gesetzt, um sich weiter illegal in Österreich aufzuhalten. Der BF ist nicht bereit, mit den Behörden zu kooperieren. Ein von ihm gestellter Antrag auf unterstützte freiwillige Rückkehr in seinen Herkunftsstaat wurde von ihm wieder zurückgezogen.
Zwei organisierte Abschiebungen vereitelte der BF durch Verweigerung der Durchführung des erforderlichen PCR-Tests.
3.4. Der BF verfügt in Österreich über keine familiären Kontakte. Im Zeitraum vom 01.11.2018 bis zum 21.02.2019 ging er einer geringfügigen Beschäftigung als Arbeiter nach. Weiters arbeitete er als Zeitungsverkäufer und verfügte so in der Vergangenheit über geringe finanzielle Mittel zur Existenzsicherung. Abgesehen von diesen Tätigkeiten ging er in Österreich keiner legalen Beschäftigung nach und verfügt zum aktuellen Zeitpunkt über kein Vermögen bzw. Barmittel. Der BF ist mittellos und verfügt über keine gesicherte Unterkunft.
4. Zur Verhältnismäßigkeit der Schubhaft:
4.1. Das BFA ist seiner Verpflichtung, auf eine möglichst kurze Dauer der Schubhaft hinzuwirken, nachgekommen und hat rechtzeitig und zielführend ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den BF eingeleitet. Der BF wurde am 11.02.2021 einer Delegation der nigerianischen Vertretungsbehörde vorgeführt und als nigerianischer Staatsangehöriger identifiziert. Der Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den BF wurde von der nigerianischen Botschaft zugestimmt. Aufgrund der aktuellen COVID-19 Pandemie musste die bereits für 16.03.2021 organisierte Charterabschiebung des BF aufgrund fehlender Landegenehmigung storniert werden. Zwei organisierte Charter-Abschiebungen vereitelte der BF durch Verweigerung der Durchführung des erforderlichen PCR-Tests.
Es ist nunmehr beabsichtigt, den BF mittels nächster Charterabschiebung nach Nigeria zu überstellen. Da bereits die Zustimmung der nigerianischen Botschaft für die Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den BF vorliegt erscheint seine Abschiebung innerhalb der Schubhafthöchstdauer nach wie vor möglich und ist hinreichend wahrscheinlich.
4.2. Eine Änderung der Umstände für die Aufrechterhaltung der Schubhaft zu Gunsten des BF hat sich seit der letzten Überprüfung ihrer Verhältnismäßigkeit im Verfahren nicht ergeben.
2. Beweiswürdigung:
Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungs- und Gerichtsakt, in den Akt des BVwG das bisherige Schubhaftverfahren des BF betreffend, in den Akt des BVwG das asyl- und fremdenrechtliche Verfahren des BF betreffend, in das Grundversorgungs-Informationssystem, in das Strafregister, in das Zentrale Fremdenregister, in das Zentrale Melderegister sowie in die Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres.
1. Zum Verfahrensgang, zur Person des BF und den Voraussetzungen der Schubhaft:
1.1. Der Verfahrensgang ergibt sich aus dem Akt des BFA, den Akten des BVwG das bisherige Schubhaftverfahren des BF betreffend, aus dem Akt des BVwG das asyl- und fremdenrechtliche Verfahren des BF betreffend, aus dem Auszug aus dem Zentralen Melderegister sowie aus dem Auszug aus dem Zentralen Fremdenregister und aus der Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung des Bundesministeriums für Inneres.
1.2. Die Feststellungen zur Identität des BF beruhen auf seinen Angaben in seinen bisherigen Verfahren, dass er nigerianischer Staatsangehöriger ist steht überdies insofern fest, als von der nigerianischen Vertretungsbehörde seine Staatsangehörigkeit bestätigt und der Ausstellung eines Heimreisezertifikates zugestimmt wurde. Anhaltspunkte dafür, dass er die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt sind im Verfahren nicht hervorgekommen, ebenso wenig besteht ein Zweifel an der Volljährigkeit des BF. Da sein Asylantrag rechtskräftig vollinhaltlich abgewiesen wurde, handelt es sich beim BF weder um einen Asylberechtigten noch um einen subsidiär Schutzberechtigten. Seine Unbescholtenheit ergibt sich aus dem Strafregister.
1.3. Der Zeitpunkt, seit dem der BF in Schubhaft angehalten wird, ergibt sich aus dem Verwaltungsakt und den damit übereinstimmenden Angaben in der Anhaltedatei. Da die letzte Überprüfung der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung des BF in Schubhaft am 04.06.2021 erfolgte, endet die vierwöchige Frist zur neuerlichen Überprüfung der Verhältnismäßigkeit am 02.07.2021.
1.4. Die Feststellung, wonach der BF haftfähig ist und keine die Haftfähigkeit ausschließende gesundheitliche Beeinträchtigungen oder Erkrankungen vorliegen ergibt sich insbesondere aus einem aktuellen amtsärztlichen Gutachten, weiters aus einer Einsichtnahme in die Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres, wo sich keine Einträge finden, die auf maßgebliche gesundheitliche Beeinträchtigungen oder Erkrankungen hindeuten. Hinweise, dass der BF einer spezifischen Covid-19 Risikogruppe angehört, haben sich nicht ergeben. Zudem hat der BF in der Schubhaft Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Versorgung. Das BVwG geht daher davon aus, dass auch weiterhin keine Haftunfähigkeit des BF vorliegt. Hinweise, dass der BF einer signifikant erhöhten Gefahr einer Infektion mit COVID-19 im Polizeianhaltezentrum, wo er in Schubhaft angehalten wird, ausgesetzt ist, haben sich im gegenständlichen Verfahren nicht ergeben.
2. Zur Fluchtgefahr und zum Sicherungsbedarf:
2.1. Das Bestehen einer rechtskräftigen und durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme (Rückkehrentscheidung) gegen den BF ergibt sich unzweifelhaft aus dem vorliegenden Verwaltungsakt sowie aus dem Akt des BVwG die Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom 12.05.2016 betreffend.
2.2. Die Feststellung, dass der BF nach Rechtskraft der Rückkehrentscheidung untergetaucht ist und bis 11.05.2021 nicht mehr aufrecht gemeldet gewesen ist, ergibt sich eindeutig aus dem Akteninhalt, insbesondere aus einem im Akt einliegenden Auszug aus dem Zentralen Melderegister. Somit war auch die Feststellung zu treffen, dass sich der BF bis zu seiner Inschubhaftnahme dem Zugriff der Behörden entzogen und dadurch seine Abschiebung zumindest erschwert hat.
2.3. Dass der BF nicht vertrauenswürdig ist, ergibt sich aus seinem festgestellten und aktenkundigen bisherigen Verhalten, insbesondere der Missachtung der Ausreiseverpflichtung, des Widerrufes seines gestellten Antrages auf unterstützte freiwillige Rückkehr in den Herkunftsstaat und in weiterer Folge der Verhinderung der Abschiebung durch Untertauchen und Aufenthalt im Verborgenen sowie durch Vereitelung der Abschiebung am 26.05.2021 durch Verweigerung der Durchführung des erforderlichen PCR-Tests. Es haben sich im Verfahren keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der BF sein bisher gezeigtes Verhalten ändern wird. Das BVwG geht daher zusammenfassend weiter davon aus, dass der BF bei einer Entlassung aus der Schubhaft untertauchen und sich vor den Behörden verborgen halten wird. In einer Gesamtschau ergibt sich, dass der BF nach wie vor nicht vertrauenswürdig ist und aktuell Fluchtgefahr sowie Sicherungsbedarf bestehen. Im Hinblick auf die getroffenen Feststellungen liegen auch die Voraussetzungen für die Anordnung eines gelinderen Mittels aktuell nicht vor.
2.4. Die Feststellungen, wonach der BF über keine familiären Kontakte in Österreich verfügt und in keiner Weise selbsterhaltungsfähig ist, ergeben sich aus der Aktenlage und den eigenen Angaben des BF. So hat er in seiner Einvernahme durch das BFA zur Anordnung der Schubhaft angegeben, dass in Österreich keine familiären Kontakte bestünden und er lediglich über Barmittel in Höhe von ca. € 140,-- verfüge. Ergänzend wurde von ihm mit Eingabe vom 30.12.2020 bekannt gegeben, dass seine Ehefrau und sein Sohn in Italien leben würden. Aus einem Auszug aus der Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres geht hervor, dass der BF aktuell über keine Barmittel verfügt. Die Feststellungen, dass der BF im Zeitraum vom 01.11.2018 bis zum 21.02.2019 einer geringfügigen Beschäftigung als Arbeiter nachgegangen ist sowie als Zeitungsverkäufer gearbeitet hat, ergeben sich aus den im Verfahren vor dem BVwG das Asylverfahren des BF betreffend vorgelegten Unterlagen. Somit war die Feststellung zu treffen, dass er in der Vergangenheit über geringe finanzielle Mittel zur Existenzsicherung verfügte. Substanzielle soziale Beziehungen im Bundesgebiet können daraus jedoch nicht abgeleitet werden. Daran vermag auch die Tatsache, dass der BF nunmehr seit 11.05.2021 – wie sich aus der Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister ergibt - über eine Meldeadresse verfügt, nichts zu ändern.
3. Zur Verhältnismäßigkeit der Schubhaft:
3.1. Die Feststellungen zum Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den BF ergeben sich aus dem vorliegenden Verwaltungsakt des BFA. Aus der Aktenlage ergibt sich außerdem, dass das BFA um die rasche Erlangung eines Heimreisezertifikates für den BF bemüht ist. Wie dem Verwaltungsakt zu entnehmen ist, hat die nigerianische Botschaft bereits der Ausstellung eines Heimreisezertifikates zugestimmt. Vor diesem Hintergrund und dem Umstand, dass gegen den BF eine rechtskräftige durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vorliegt, sind für das Bundesverwaltungsgericht keine Gründe ersichtlich, warum die nächstmögliche Charterabschiebung des BF nach Nigeria nicht durchgeführt werden sollte, hätte der BF doch bereits am 26.05.2021 nach Nigeria abgeschoben werden können, hätte er nicht durch Verweigerung der Durchführung des erforderlichen PCR-Tests diese Abschiebung vereitelt.
Es wird nicht verkannt, dass die für 16.03.2021 organisiert gewesene Charterabschiebung des BF nach Nigeria aufgrund fehlender Landegenehmigung aufgrund der aktuellen COVID-19 Pandemie wieder storniert werden musste. Aus derzeitiger Sicht ist aber damit zu rechnen, dass die gegenwärtigen Einschränkungen im Zusammenhang mit der Covid-19 Pandemie - auch in Hinblick auf die nunmehr weltweit einsetzenden Impfkampagnen - weiter gelockert und Charterabschiebungen nach Nigeria auch weiterhin möglich sein werden. Eine bereits jetzt feststehende faktische Unmöglichkeit der Abschiebung des BF in seinen Herkunftsstaat ist aufgrund des vorliegenden Akteninhaltes nicht ersichtlich.
3.2. Eine Änderung der Umstände für die Aufrechterhaltung der Schubhaft zu Gunsten des BF seit ihrer letzten Überprüfung ist dem Verwaltungsakt nicht zu entnehmen. Gegenteiliges ist auch im durchgeführten Ermittlungsverfahren nicht hervorgekommen.
Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht aufzunehmen.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zu Spruchteil A. – Fortsetzungsausspruch
3.1.1. Gesetzliche Grundlagen
Der mit „Schubhaft“ betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:
Der mit „Schubhaft“ betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 56/2018 idgF, lautet:
§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.
(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,
2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.
Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.
(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.
(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.
(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.
(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.
(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.
§ 77 Gelinderes Mittel
Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat das Bundesamt bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1 FPG.
Gemäß § 77 Abs. 2 FPG ist Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.
Gemäß § 77 Abs. 3 FPG sind gelindere Mittel insbesondere die Anordnung, (Z 1) in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen, (Z 2) sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder (Z 3) eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.
Kommt der Fremde gemäß § 77 Abs. 4 FPG seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.
Gemäß § 77 Abs. 5 FPG steht die Anwendung eines gelinderen Mittels der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.
Gemäß § 77 Abs. 6 FPG hat sich zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.
Gemäß § 77 Abs. 7 FPG können die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.
Gemäß § 77 Abs. 8 FPG ist das gelindere Mittel mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.
Gemäß § 77 Abs. 9 FPG können die Landespolizeidirektionen betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.
Zur Dauer der Schubhaft:
Gemäß § 80 Abs. 4 FPG kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden, wenn ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden kann, weil
1.
die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck
der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,
2.
eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht
vorliegt,
3.
der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13)
widersetzt, oder
4.
die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen
oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint.
§ 22a Abs. 4 BFA-VG lautet:
(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.
3.1.2. Zur Judikatur:
Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).
Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).
Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der – aktuelle – Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).
„Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines
Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis E 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde“ (VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, vgl. auch VwGH vom 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).
„Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer
Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22.05.2007, Zl. 006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29.04.2008, Zl. 2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom 28.02.2008, Zl. 2007/21/0512, und Zl. 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird“ (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).
Gemäß § 22a Abs. 4 dritter Satz BFA-VG gilt mit der Vorlage der Verwaltungsakten durch das BFA eine Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. In einem gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG ergangenen Erkenntnis wird entsprechend dem Wortlaut der genannten Bestimmung (nur) ausgesprochen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist. Diese Entscheidung stellt - ebenso wie ein Ausspruch nach § 22a Abs. 3 BFA-VG - einen neuen Hafttitel dar. Über vor (oder nach) der Entscheidung liegende Zeiträume wird damit nicht
abgesprochen (VwGH vom 29.10.2019, Ra 2019/21/0270; VwGH vom 30.08.2018, Ra 2018/21/0111).
In seinem Erkenntnis zur Zahl Ra 2020/21/0070 vom 26.11.2020 hielt der VwGH fest, dass die Frage der rechtzeitigen Erlangbarkeit eines Heimreisezertifikates bei länger andauernden Schubhaften, die gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG überprüft werden, für die weitere Verhältnismäßigkeit der Anhaltung (typischerweise) entscheidend ist. Dabei ist insbesondere relevant, ob die Bemühungen der Behörde mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit erfolgsversprechend sind. Bei der Ermittlung des gefordertes Grades dieser Wahrscheinlichkeit können auch die bisherige Anhaltedauer und die Schwere der Gründe für ihre Verhängung und Aufrechterhaltung eine Rolle spielen. Bisherige Erfahrungswerte mit der jeweiligen Vertretungsbehörde können – sofern diese nachvollziehbar festgestellt und nicht bloß behauptet würden – wesentliche Anhaltspunkte für die Beurteilung bieten (vgl. VwGH Ra 2020/21/0070 vom 26.11.2020 Ra 2020/21/0174 vom 22.12.2020, mwN).
3.1.3. Der BF besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft und ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG. Er ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter, weshalb die Anordnung der Schubhaft grundsätzlich – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen – möglich ist.
3.1.4. Die Anhaltung in Schubhaft und die Fortsetzung derselben gründen sich im Entscheidungszeitpunkt des BVwG auf § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG, da eine durchsetzbare aufenthaltsbeende Maßnahme gegen den BF vorliegt.
3.1.5. Hinsichtlich der Fluchtgefahrtatbestände des §76 Abs. 3 FPG hat sich in Hinblick auf die letzte Überprüfung der Verhältnismäßigkeit zur gegenständlich zu überprüfenden Schubhaft die Fluchtgefahr nicht vermindert. Die Schubhaft ist weiterhin jedenfalls wegen hoher Fluchtgefahr aufrechtzuerhalten, weil aus dem Verhalten des BF mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit darauf geschlossen werden kann, dass er seine Abschiebung mit allen Mitteln zu verhindern oder jedenfalls zu behindern beabsichtigt. Es besteht daher jedenfalls Fluchtgefahr im Sinne des § 76 Abs. 3 Z 1, 3 und 9 FPG und ist auch weiterhin Sicherungsbedarf gegeben.
3.1.6. Als weitere Voraussetzung ist die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft zu prüfen. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen.
Der BF hatte keine berücksichtigungswürdigen Umstände dargetan, wonach die Schonung seiner Freiheit das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung überwiegen würde. Die Schubhaft ist vor dem Hintergrund, dass die Behörde sich laufend um ein Heimreisezertifikat und die Abschiebung des BF bemüht hat, auch verhältnismäßig. Die für den 16.03.2021 organisierte Charterabschiebung nach Nigeria musste zwar auf Grund einer fehlenden Landeerlaubnis storniert werden, doch stand mit dem 26.05.2021 bereits ein neuer Termin für die Abschiebung des BF fest, der wegen der Verweigerung des BF, einen erforderlichen PCR-Test durchführen zu lassen, nicht eingehalten werden konnte. Die Behörde wird umgehend einen neuen Abschiebetermin organisieren. Eine bereits jetzt bestehende faktische Unmöglichkeit der Abschiebung des BF ist - wie bereits im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegt - aufgrund des vorliegenden Akteninhaltes nicht ersichtlich.
Der BF verfügt über keine nennenswerten familiären Kontakte in Österreich und über keine substanziellen sozialen Beziehungen im Bundesgebiet. Er ging in Österreich keiner legalen Beschäftigung nach und ist mittellos.
Unter Berücksichtigung dieser Umstände bleibt im Zuge der durchzuführenden Abwägung festzuhalten, dass aufgrund des vom BF in der Vergangenheit gezeigten Verhaltens (insbesondere sein Untertauchen und die mangelnde Kooperationsbereitschaft mit den Fremdenbehörden), das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung seiner Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des BF weiterhin überwiegt und auch der Gesundheitszustand des BF der weiteren Anhaltung in Schubhaft nicht entgegensteht.
Insgesamt kommt den persönlichen Interessen des BF ein geringerer Stellenwert zu als dem öffentlichen Interesse an der Sicherung seiner Aufenthaltsbeendigung.
Der BF wird seit 18.12.2020 durchgehend in Schubhaft angehalten. Hinsichtlich der Dauer der gegenständlichen Schubhaft ist gegenständlich jedenfalls der Tatbestand der Z. 4 des § 80 Abs. 4 FPG verwirklicht. Somit erweist sich die bisherige Anhaltung am soeben angeführten Maßstab als verhältnismäßig, da sie sich immer noch im unteren Rahmen des gesetzlich Erlaubten bewegt.
3.1.7. Zu prüfen ist, ob ein gelinderes Mittel im Sinne des § 77 FPG den gleichen Zweck wie die angeordnete Schubhaft erfüllt. Eine Sicherheitsleistung sowie die konkrete Zuweisung einer Unterkunft oder einer Meldeverpflichtung kann auf Grund des vom BF in der Vergangenheit gezeigten Verhaltens und angesichts fehlender persönlicher Vertrauenswürdigkeit nicht zum Ziel der Sicherung der Abschiebung führen, da diesfalls die konkrete Gefahr des neuerlichen Untertauchens des BF besteht. Insbesondere ist auf Grund seines bisher gezeigten Verhaltens nicht davon auszugehen, dass er einem angeordneten gelinderen Mittel tatsächlich nachkommen würde.
Die Verhängung eines gelinderen Mittels kommt daher weiterhin nicht in Betracht.
Die hier zu prüfende Schubhaft stellt daher nach wie vor eine „ultima ratio“ dar, da sowohl Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf als auch Verhältnismäßigkeit vorliegen und ein gelinderes Mittel nicht den Zweck der Schubhaft erfüllt. Das Verfahren hat keine andere Möglichkeit ergeben, eine gesicherte Außerlandesbringung des BF zu gewährleisten.
3.1.8. Es war daher gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG festzustellen, dass die angeordnete Schubhaft nach wie vor notwendig und verhältnismäßig ist und dass die maßgeblichen Voraussetzungen für ihre Fortsetzung im Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen.
3.1.9. Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte unterbleiben, da der Sachverhalt im Rahmen des behördlichen Verfahrens hinreichend geklärt wurde und das gerichtliche Verfahren keine wesentlichen Änderungen ergeben hat.
3.2. Zu Spruchpunkt B. - Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.
Da keine Auslegungsfragen hinsichtlich der anzuwendenden Normen hervorgekommen sind, es waren auch keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen, war die Revision daher nicht zuzulassen.
Schlagworte
Abschiebung Ausreiseverpflichtung Fluchtgefahr Fortsetzung der Schubhaft gelinderes Mittel Mittellosigkeit öffentliche Interessen Pandemie Rückkehrentscheidung Schubhaft Sicherungsbedarf Ultima Ratio Untertauchen Vereitelung VerhältnismäßigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W150.2241236.4.00Im RIS seit
30.08.2021Zuletzt aktualisiert am
30.08.2021