Entscheidungsdatum
06.07.2021Norm
AsylG 2005 §34 Abs3Spruch
W265 2193503-1/19E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Karin RETTENHABER-LAGLER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.03.2018, Zl. XXXX , zu Recht:
A)
I. Dem Beschwerdeführer XXXX wird gemäß § 8 Abs. 1 Z. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt.
II. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird dem Beschwerdeführer eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter für die Dauer eines Jahres erteilt.
B)
Die Revision ist nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer reiste als mündiger Minderjähriger gemeinsam mit seinen Eltern und seinen vier Brüdern unrechtmäßig in das Bundesgebiet ein und stellte am 22.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
2. Am 01.12.2015 fand seine Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes statt.
3. Die Ersteinvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden belangte Behörde) fand am 13.12.2017 statt. Dabei gab der Beschwerdeführer zu seinen persönlichen Umständen im Wesentlichen an, er gehöre der Volksgruppe der Tadschiken an und sei sunnitischer Moslem. Er sei im Ort XXXX , im Distrikt XXXX , in der Provinz Kabul geboren. Er habe fünf Jahre die Grundschule dort besucht und habe im Lebensmittelgeschäft seines Vaters gearbeitet. Bis 2013 hätte er mit seiner Familie in ihrem Heimatdorf gelebt, danach seien sie für vier Monate nach Kabul und später seien sie in den Iran übersiedelt, wo sie ca. zwei Jahre bei einer Tante väterlicherseits gewohnt hätten.
4. Mit verfahrensgegenständlichem Bescheid vom 24.03.2018 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) ab. Es wurde dem Beschwerdeführer kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt (Spruchpunkt III.), gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass die vorgebrachten Fluchtgründe als nicht wahr erachtet werden würden. Es habe nicht festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer in Afghanistan aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit verfolgt werden würde. Er verfüge über ausreichend heimatliche Sprachkenntnisse, Schulbildung, Arbeitserfahrung und er sei in einem arbeitsfähigen Alter. Es sei ihm zuzumuten, dass er sich mit Hilfe der eigenen Arbeitsleistung und der Unterstützung seines Vaters sowie weiterer Familienangehörigen den Lebensunterhalt in Afghanistan sichern könne. Seine Familie befinde sich ebenfalls im laufenden Asylverfahren und somit unsicheren Aufenthaltes im Bundesgebiet. Es würden keine weiteren Familienangehörigen im Bundesgebiet leben. Er sei erst seit einem relativ kurzen Zeitraum in Österreich aufhältig und sei kein Mitglied in einem Verein oder in einer Organisation. In der Gesamtbetrachtung könne nicht festgestellt werden, dass er über ein bestehendes und schützenswertes Familien- oder Privatleben im Bundesgebiet verfüge.
5. Der Beschwerdeführer erhob gegen den Bescheid mit Schreiben vom 20.04.2018 durch seine damalige bevollmächtigte Vertretung, der Verein ZEIGE, fristgerecht Beschwerde. Darin brachte er im Wesentlichen vor, dass die belangte Behörde in Bezug auf die Ermittlung der Sachlage bezüglich der Frage des Vorliegens asylrelevanter Verfolgung, wie auch hinsichtlich der Beurteilung der Rückkehrsituation des Beschwerdeführers, nicht mit der gebotenen Sorgfalt und Genauigkeit vorgegangen sei. Sie habe die maßgebliche Sachlage nicht festgestellt und sich in der Bescheidbegründung nur mangelhaft mit der aktuellen Berichtslage und den individuellen Umständen des Beschwerdeführers auseinandergesetzt.
Der Beschwerdeführer beantragte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.
6. Die belangte Behörde legte das Beschwerdeverfahren mit Schreiben vom 24.04.2018 dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor, wo dieses am 25.04.2018 in der Gerichtsabteilung W265 einlangte (vgl. OZ 1).
7. Mit Eingabe vom 20.09.2018 legte der Beschwerdeführer durch seine bevollmächtigte Vertretung Integrationsunterlagen vor. (vgl. OZ 2)
8. Mit Eingabe vom 28.01.2019 gab der Beschwerdeführer durch seine bevollmächtigte Vertretung eine Stellungnahme zur Berichtslage mit Verweis auf den EASO-Bericht vom Juni 2018, auf die UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018 und auf den ACCORD-Bericht 12/2018, betreffend Dürre, ab und legte weitere Integrationsunterlagen vor (vgl. OZ 4).
9. Die öffentliche Verhandlung betreffend seine Eltern und seine drei minderjährigen Brüder fand am 07.02.2019 statt; am 28.05.2019 fand die öffentliche mündliche Verhandlung seines mittlerweile volljährigen Bruders XXXX statt.
10. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 15.03.2019 wurden die Beschwerden seiner Eltern und seiner minderjährigen Brüder als unbegründet abgewiesen.
11. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 21.03.2019 eine mündliche Verhandlung durch, im Zuge derer der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen und der Situation im Falle seiner Rückkehr befragt wurde. Die belangte Behörde nahm an der Verhandlung entschuldigt nicht teil, die Verhandlungsschrift wurde ihr übermittelt. Das Bundesverwaltungsgericht legte die aktuellen Länderinformationen vor und räumte den Parteien des Verfahrens die Möglichkeit ein, hierzu eine Stellungnahme abzugeben. Dafür wurde den Parteien die Möglichkeit einer Stellungnahme gegeben. Der Beschwerdeführer legte durch seine bevollmächtigte Vertretung eine schriftliche Stellungnahme zur aktuellen Lage in Afghanistan vor.
12. Die Behandlung der, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 15.03.2019 betreffend seine Eltern und minderjährigen Brüder, erhobenen Beschwerde wurde vom Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 23.09.2019, E 1545-1549/2019-16, abgelehnt. Mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 05.11.2019, Zl. E 1545-1549/2019-18, wurde die Beschwerde über nachträglichen Antrag an den Verwaltungsgerichtshof abgetreten.
13. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 13.11.2019 (W265 2193503-1) wurde die Beschwerde des Beschwerdeführers als unbegründet abgewiesen.
Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers in seiner Gesamtschau nicht glaubwürdig sei und es dem Beschwerdeführer nicht gelungen sei, eine wohlbegründete, aktuelle und damit asylrelevante Verfolgungsgefahr innerhalb seines Herkunftsstaates, den Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 AsylG iVm Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK entsprechend, glaubhaft zu machen. Außerdem habe, im Rahmen des Ermittlungsverfahrens, nicht festgestellt werden können, dass dem Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr nach Afghanistan Folter oder eine erniedrigende, unmenschliche Behandlung oder Strafe drohen würde. Der Beschwerdeführer könne von Österreich aus Mazar-e Sharif gefahrlos auf dem Luftweg erreichen. Die Region entwickle sich wirtschaftlich gut und ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen in Afghanistan. Des Weiteren sei Herat als innerstaatliche Fluchtalternative möglich. Herat gelte als relativ friedliche Provinz. Der Beschwerdeführer verfüge über Schulbildung und Arbeitserfahrung. Es handle sich um einen gesunden, arbeitsfähigen Mann, dem die Teilnahme am Erwerbsleben zuzumuten sei. Nach Maßgabe der Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG überwiege das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet sein persönliches Interesse am Verbleib im Bundesgebiet.
14. Mit Schriftsatz vom 03.12.2019 erhoben die Eltern und minderjährigen Brüder des Beschwerdeführers gegen das sie betreffende Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 15.03.2019 außerordentliche Revision.
15. Mit Eingabe vom 13.11.2019 erhob der Beschwerdeführer gegen das ihn betreffende Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes außerordentliche Revision. Mit Eingabe vom 27.12.2019 bewilligte der Verwaltungsgerichtshof die Verfahrenshilfe für die außerordentliche Revision des Beschwerdeführers gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgericht vom 13.11.2019 (vgl. OZ 11).
16. Zur Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts betreffend das Beschwerdeverfahren des Bruders XXXX fand am 28.05.2019 eine Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt, im Rahmen welcher er zu seinem Leben in Afghanistan, zu seiner Rückkehrsituation sowie zu seinem Privat- und Familienleben in Österreich einvernommen wurde. Mit Schriftsatz vom 06.06.2019, ergänzt durch eine Eingabe vom 07.06.2019, erstattete der Bruder XXXX im Wege seiner Vertretung eine Stellungnahme zur allgemeinen Situation in Afghanistan. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 05.07.2019, Zl. W264 2193507-1/15E, wurde die Beschwerde des Bruders als unbegründet abgewiesen. Die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis erhobenen Beschwerde wurde vom Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 26.02.2020, E 4566/2019-7, abgelehnt. Mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 18.03.2020, E 4566/2019-9, wurde die Beschwerde über nachträglichen Antrag des Bruders an den Verwaltungsgerichtshof abgetreten. Die außerordentliche Revision des Bruders XXXX gegen das ihn betreffende Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 05.07.2019 wurde mit der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 08.03.2021, Ra 2019/14/0572-14, soweit sie sich gegen die Nichtzuerkennung des Status von Asylberechtigten richtete, zurückgewiesen. In seinem übrigen Umfang wurde das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
17. Am XXXX wurde die Schwester namens XXXX des Beschwerdeführers in Österreich geboren und stellte im Wege ihrer gesetzlichen Vertreter (= Erstbeschwerdeführer und Zweitbeschwerdeführerin) einen Antrag auf internationalen Schutz, der nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.08.2019 hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt II.) abgewiesen wurde. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde ihr nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Unter Spruchpunkt V. wurde festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt V.). Die Frist zur freiwilligen Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.). Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 13.01.2020, Zl. W118 2223606-1/4E, als unbegründet abgewiesen. Gegen dieses Erkenntnis erhob die Schwester des Beschwerdeführers im Wege ihrer rechtsfreundlichen Vertretung außerordentliche Revision.
18. Die außerordentliche Revision der Eltern und der Geschwister des Beschwerdeführers gegen die sie betreffenden Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts wurde mit der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 08.03.2021, Ra 2019/14/0581, 0585-9 und 0443-9, soweit sie sich gegen die Nichtzuerkennung des Status von Asylberechtigten richtete, zurückgewiesen. In seinem übrigen Umfang wurde das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Begründend führte der Verwaltungsgerichtshof im Wesentlichen Folgendes aus:
Letzteres wurde zusammengefasst damit begründet, dass nach den Empfehlungen des UNHCR, welchen nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Indizwirkung zukomme, die Inanspruchnahme einer internen Schutzalternative in Afghanistan nur zumutbar sei, wenn Zugang zu Unterkünften, grundlegenden Dienstleistungen wie Sanitärversorgung, Gesundheitsversorgung sowie Bildung und Möglichkeiten für den Lebensunterhalt oder bewährte und nachhaltige Unterstützung bestehe, um Zugang zu einem angemessenen Lebensstandard zu ermöglichen. Überdies müsse die betroffene Person im Gebiet der Neuansiedlung Zugang zu einem Unterstützungsnetzwerk von Mitgliedern ihrer (erweiterten) Familie oder Mitgliedern ihrer größeren ethnischen Gemeinschaft haben, hinsichtlich derer festgestellt worden sei, dass sie bereit und in der Lage seien, dem Antragsteller in der Praxis echte Unterstützung zu leisten. Soweit das Bundesverwaltungsgericht in der rechtlichen Beurteilung die Möglichkeit und die Zumutbarkeit der Wiederansiedelung der Beschwerdeführer – und damit auch der minderjährigen Kinder – im Rahmen einer innerstaatlichen Fluchtalternative damit begründe, dem Vater des Beschwerdeführers, der über ein vermindertes Hörvermögen verfügen dürfte, sei es möglich, unter anderem mit „Hilfe eines sozialen Netzwerks seiner Familie in Afghanistan“ eine berufliche Existenz aufzubauen, finde dies in seinen Feststellungen, aus denen sich lediglich die Existenz einer Mutter und von Schwestern des Erstbeschwerdeführers in Pakistan ergebe, keine Deckung. Auch inwieweit Netzwerke in den Städten Herat oder Mazar-e Sharif, in die der Vater des Beschwerdeführers nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes aufgrund jeweils einmaliger geschäftlicher Besuche eingebunden sein solle, der Familie tatsächlich die erforderliche Unterstützung leisten könnten und würden, sei dem angefochtenen Erkenntnis nicht zu entnehmen. Dies betreffe schließlich auch die vom Bundesverwaltungsgericht herangezogene Möglichkeit, auf die Mitglieder der eigenen Volksgruppe zurückzugreifen. Auch diesbezüglich würden jegliche Erwägungen dazu, ob von diesen eine relevante und ausreichende Unterstützung zu erwarten wäre, fehlen.
19. Die außerordentliche Revision des Beschwerdeführers gegen das ihn betreffende Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 13.11.2019 wurde mit der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 08.03.2021, Ra 2019/14/0587-12, soweit sie sich gegen die Nichtzuerkennung des Status von Asylberechtigten richtete, zurückgewiesen. In seinem übrigen Umfang wurde das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. (vgl. OZ 17)
Begründend führte der Verwaltungsgerichtshof im Wesentlichen Folgendes aus:
„Die vorliegende Revision bekämpft das angefochtene Erkenntnis zwar ausdrücklich im gesamten Umfang, führt jedoch eine Verletzung im Recht auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten nicht als Revisionspunkt an. Auch der primäre Revisionsantrag ist lediglich auf die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten oder die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 gerichtet. Die Revision war daher, soweit sie sich gegen die Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten richtet, nach § 34 Abs. 1 und Abs. 3 VwGG mit Beschluss zurückzuweisen, weil der Revisionswerber durch das Erkenntnis insoweit nicht in den von ihm geltend gemachten Rechten verletzt sein konnte.
Im vorliegenden Fall handelt es sich um ein Familienverfahren vor dem BVwG im Sinne des § 34 Abs. 4 und 5 AsylG 2005, weil der Revisionswerber zum Zeitpunkt der Antragstellung noch minderjährig war (zur Relevanz des Antragszeitpunktes vgl. VwGH 24.10.2018, Ra 2018/14/0040 bis 0044, Rn 21, mwN) und die Verfahren über seinen Antrag auf internationalen Schutz und die Anträge seiner Eltern auf Grund der gleichzeitigen Beschwerdeerhebung auch gleichzeitig vor dem BVwG angängig waren. Zwar waren die Anträge der Eltern des Revisionswerbers zum Entscheidungszeitpunkt des BVwG über die Beschwerde des Revisionswerbers rechtskräftig abgewiesen, jedoch wurden die betreffenden Erkenntnisse in Bezug auf den Status des subsidiär Schutzberechtigten mittlerweile vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom heutigen Tag, Ra 2019/14/0581 bis 0585, aufgehoben, sodass die Beschwerdeverfahren nunmehr insoweit unerledigt sind. Gemäß § 42 Abs. 3 VwGG wirkt die Aufhebung eines Erkenntnisses eines Verwaltungsgerichts durch den Verwaltungsgerichtshof „ex tunc“. Das bedeutet, dass der Rechtszustand im Nachhinein so zu betrachten ist, als ob das aufgehobene Erkenntnis von Anfang an nicht erlassen worden wäre (VwGH 6.5.2020, Ra 2019/14/0311 bis 0314, mwN). Somit liegen keine gleichförmigen Entscheidungen des BVwG über die Nichtzuerkennung eines Schutzstatus (mehr) vor, sodass eine Auswirkung auf das Verfahrensergebnis durch die Nichtbeachtung der Verfahrensbestimmung über die Führung der Verfahren eines Asylwerbers und seiner Familienangehörigen (auch vor dem BVwG) „unter einem“ nach § 34 Abs. 4 und 5 AsylG 2005 nicht mehr ausgeschlossen werden kann. Dem Zulässigkeitsvorbringen kann daher im Umfang der Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und der davon abhängigen Aussprüche die erforderliche Relevanz für das Verfahrensergebnis nicht von vornherein abgesprochen werden. Die Revision ist somit im genannten Umfang schon aus diesem Grund zulässig, sie ist im Ergebnis auch begründet. Der Umstand, dass ein Erkenntnis eines Familienangehörigen durch den Verwaltungsgerichtshof aufgehoben wird, schlägt im Familienverfahren gemäß § 34 Abs. 4 AsylG 2005 nämlich auf die übrigen Familienmitglieder durch und führt zur inhaltlichen Rechtswidrigkeit der sie betreffenden Entscheidungen (VwGH 23.4.2020, Ra 2019/01/0368 bis 0371, mwN). Das angefochtene Erkenntnis war daher in Bezug auf die Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten sowie die rechtlich darauf aufbauenden Aussprüche, die ihre Grundlage verlieren, in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.“
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX und ist am XXXX geboren. Er ist afghanischer Staatsangehöriger, Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken und wuchs als sunnitischer Muslim auf. Seine Muttersprache ist Dari, er spricht auch Deutsch auf B1-Niveau. Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder.
Sein Vater heißt XXXX (geb. XXXX ) und seine Mutter heißt XXXX (geb. XXXX ). Er hat vier Brüder, XXXX (geb. XXXX ), XXXX (geb. XXXX ), XXXX (geb. XXXX ) und XXXX (geb. XXXX ) und eine Schwester namens XXXX (geb. XXXX ).
Der Beschwerdeführer ist im Dorf XXXX , im Distrikt XXXX , in der Provinz Kabul geboren und aufgewachsen. Er besuchte bis zur fünften Klasse die Schule. In Afghanistan konnte er erste Berufserfahrung erlangen, da er im Lebensmittelgeschäft seines Vaters mitarbeitete. Vor der Weiterreise nach Europa war der Beschwerdeführer gemeinsam mit seiner Familie zirka ein Jahr lang im Iran aufhältig.
Verwandte mütterlicherseits des Beschwerdeführers leben in Afghanistan. Die Familie des Beschwerdeführers hat keinen Kontakt zu diesen Verwandten.
Am 22.10.2015 stellte er als mündiger Minderjähriger einen Antrag auf internationalen Schutz.
Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig.
Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
Mit Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 08.03.2021 und vom 30.03.2021, Ra 2019/14/0572-14 und Ra 2020/19/0443-9, wurde die außerordentliche Revision gegen die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts vom 15.03.2019, vom 05.07.2019 und vom 13.01.2020 bezüglich seiner Eltern, seiner vier Brüder und seiner Schwester, soweit sie sich gegen die Nichtzuerkennung des Status von Asylberechtigten richtete, zurückgewiesen. In seinem übrigen Umfang wurde das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 11.06.2021 wurde seinen Eltern und seinen fünf Geschwistern jeweils der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt (W235 2193510-1, W235 2193499-1, W235 2193507-1, W235 2193505-1, W235 2193516-1, W235 2193515-1, W235 2223606-1).
1.2. Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:
Im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 11.06.2021, W235 2193510-1, 2193499-1, 2193507-1, 2193505-1, 2193516-1, 2193515-1 und 2223606-1, betreffend die Eltern und fünf Geschwister des Beschwerdeführers wurde Folgendes festgestellt:
„Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sowie die minderjährigen Viert, Fünft- sowie Sechstbeschwerdeführer und die minderjährige Siebtbeschwerdeführerin verfügen in Afghanistan über keine gesicherte Existenzgrundlage. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind nicht in der Lage, im Herkunftsstaat den Lebensunterhalt für sich sowie für ihre vier minderjährigen Kinder durch die Ausübung einer Erwerbstätigkeit zu erwirtschaften. Der ledige, gesunde und arbeitsfähige Drittbeschwerdeführer, welcher über Schulbildung verfügt und mit den afghanischen Gepflogenheiten vertraut ist, ist im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan in der Lage, seine Existenz eigenständig zu sichern. Als Rückkehrer ist es ihm jedoch nicht möglich, einen wesentlichen Beitrag zum Lebensunterhalt der übrigen Beschwerdeführer zu leisten. Die Beschwerdeführer verfügen weder in der Stadt Kabul noch in den Städten Mazar-e Sharif oder Herat über ein soziales oder familiäres Netzwerk, welches willens und in der Lage ist, ihnen im Fall der Rückkehr nach Afghanistan echte Unterstützung zu leisten. Es steht überdies nicht fest, dass die Angehörigen des Erstbeschwerdeführers und/oder der Zweitbeschwerdeführerin willens und in der Lage sind, die Beschwerdeführer durch finanzielle Zuwendungen nachhaltig zu unterstützen. Die Beschwerdeführer verfügen über kein ausreichendes Vermögen, welches ihre Existenz im Fall der Ansiedlung in einem urbanen Gebiet in Afghanistan sichern würde. Festgestellt wird, dass dem Erstbeschwerdeführer und der Zweitbeschwerdeführerin sowie den minderjährigen Viert-, Fünft- und Sechstbeschwerdeführern sowie der minderjährigen Siebtbeschwerdeführerin aufgrund der allgemeinen problematischen Sicherheits- und Versorgungslage im gesamten Staatsgebiet Afghanistans sowie aufgrund des Fehlens ausreichender finanzieller Mittel sowie eines familiären oder sozialen Netzwerkes in Afghanistan, welches sie im Fall ihrer Rückkehr unterstützen könnte, bei einer Rückkehr nach Afghanistan die Gefahr unmenschlicher und erniedrigender Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK droht bzw. sie eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes treffen würde.“
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:
Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen dahingehend übereinstimmenden Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, vor der belangten Behörde, in der Beschwerde und vor dem Bundesverwaltungsgericht. Die getroffenen Feststellungen zum Namen und zu den Geburtsdaten des Beschwerdeführers gelten ausschließlich zur Identifizierung der Person des Beschwerdeführers im Asylverfahren.
Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers, zu seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, seiner Muttersprache, seinem Lebenslauf, seinem Aufwachsen sowie seiner familiären Situation in Afghanistan und seiner Schulbildung gründen auf seine diesbezüglich schlüssigen und stringenten Angaben sowie den vorgelegten Nachweisen. Das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen im gesamten Verfahren gleich gebliebenen Aussagen des Beschwerdeführers zu zweifeln.
Die Feststellung zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers gründet auf seinen glaubhaften Angaben in der mündlichen Verhandlung. Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer abgesehen von einer Speisenröhrenentzündung gesund ist und an keinen relevanten medizinischen Beschwerden leidet, konnte aufgrund der Aussagen des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht getroffen werden (vgl. Seite 5 des Verhandlungsprotokolls).
Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister.
2.2. Zu den Feststellungen zur Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:
Zu den Feststellungen im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 11.06.2021, W235 2193510-1, 2193499-1, 2193507-1, 2193505-1, 2193516-1, 2193515-1 und 2223606-1, bezüglich der Eltern und der fünf Geschwister des Beschwerdeführers führte das Bundesverwaltungsgericht in der Beweiswürdigung Folgendes aus:
„Die Feststellung, dass der Erstbeschwerdeführer, die Zweitbeschwerdeführerin und die minderjährigen Viert-, Fünft- und Sechstbeschwerdeführer sowie die minderjährige Siebtbeschwerdeführerin in Afghanistan über keine gesicherte Existenzgrundlage verfügen, beruht auf folgenden Erwägungen:
Vor dem Hintergrund der aus den Länderberichten ersichtlichen allgemein angespannten Wirtschafts- und Versorgungslage in Afghanistan in Verbindung mit den individuellen Umständen des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin ist davon auszugehen, dass diese nicht in der Lage sein werden, durch die Ausübung einer Erwerbstätigkeit den Lebensunterhalt für sich sowie für die minderjährigen Viert-, Fünft- und Sechstbeschwerdeführer sowie die minderjährige Siebtbeschwerdeführerin zu erwirtschaften. Die Zweitbeschwerdeführerin ist bereits infolge ihrer Betreuungspflichten, insbesondere gegenüber der zweijährigen Siebtbeschwerdeführerin, wohl kaum in der Lage, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Der Erstbeschwerdeführer ist – wie bereits dargelegt – grundsätzlich arbeitsfähig. Aufgrund seines fortgeschrittenen Alters sowie seiner Schwerhörigkeit hat er am ohnehin angespannten afghanischen Arbeitsmarkt jedoch einen erheblichen Wettbewerbsnachteil, sodass nicht angenommen werden kann, dass er Arbeit finden wird, durch welche er den Lebensunterhalt für sich, seine Ehefrau sowie seine minderjährigen Kinder sichern könnte. Ebenso wenig erscheint es vor diesem Hintergrund realistisch, dass der Erstbeschwerdeführer unmittelbar nach der Rückkehr in den Herkunftsstaat in der Lage sein wird, neuerlich ein Lebensmittelgeschäft zu betreiben und hierdurch ausreichende Einkünfte für sich und seine Familie zu erzielen.
Wie bereits ausgeführt, hat der Erstbeschwerdeführer zur Finanzierung der Flucht sein Lebensmittelgeschäft sowie sein Auto verkauft. Seine Landwirtschaft in Afghanistan hat er zurückgelassen und kann nicht angenommen werden, dass er nach einer Abwesenheit vom Herkunftsstaat von zumindest sieben Jahren diese wieder in Besitz nehmen kann. Anhaltspunkte, dass die Beschwerdeführer über sonstiges Vermögen oder finanzielle Ressourcen verfügen, sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Ausgehend von diesen Erwägungen war festzustellen, dass die Beschwerdeführer über kein ausreichendes Vermögen verfügen, welches ihre Existenz im Fall der Ansiedlung in einem urbanen Gebiet in Afghanistan sichern würde.
Die Feststellung, wonach die Beschwerdeführer über kein soziales oder familiäres Netzwerk verfügen, welches im Fall ihrer Rückkehr nach Afghanistan willens und in der Lage ist, sie zu unterstützen, ergibt sich zunächst aus dem glaubhaften Vorbringen des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin, wonach sie keinen Kontakt zu ihren Angehörigen pflegen. Selbst wenn sie aber in der Lage sein sollten, den Kontakt wiederherzustellen, bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass diese Angehörigen über ausreichende Ressourcen verfügen, ein Ehepaar sowie vier minderjährige Kinder nachhaltig zu unterstützen. Angesichts der angespannten wirtschaftlichen Lage in Afghanistan, welche sich nach den aktuellen Länderinformationen infolge der COVID-19 Pandemie weiter verschärft hat, kann ebenso wenig davon ausgegangen werden, dass die Beschwerdeführer in Afghanistan von allfälligen sozialen Kontakten oder Angehörigen derselben Volksgruppe hinreichende Unterstützung erhalten werden. Da der volljährige und arbeitsfähige Drittbeschwerdeführer – ebenso wie die übrigen Beschwerdeführer – seit mindestens sieben Jahren nicht mehr im Herkunftsstaat war, kann im Übrigen auch nicht angenommen werden, dass er in der Lage sein wird, im Fall der Rückkehr seine eigene Existenz zu sichern und gleichzeitig einen wesentlichen Beitrag zum Unterhalt seiner Eltern und seiner minderjährigen Geschwister zu leisten.
In einer Gesamtschau war daher festzustellen, dass dem Erstbeschwerdeführer, der Zweitbeschwerdeführerin und den minderjährigen Viert-, Fünft- und Sechstbeschwerdeführern sowie der minderjährigen Siebtbeschwerdeführerin aufgrund der allgemein problematischen Sicherheits- und Versorgungslage im gesamten Staatsgebiet Afghanistans sowie aufgrund des Fehlens ausreichender finanzieller Mittel und eines familiären oder sozialen Netzwerkes, welches sie im Fall ihrer Rückkehr unterstützen könnte, bei einer Rückkehr nach Afghanistan die Gefahr unmenschlicher und erniedrigender Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK droht bzw. sie eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes treffen würde.“
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da im vorliegenden Verfahren keine Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.
Die Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes sind durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Zu A)
3.2.1. Mit dem im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der von dem Beschwerdeführer gestellte Antrag auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkte I.), als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen (Spruchpunkte II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde ihm nicht erteilt (Spruchpunkte III.) Ferner wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen sowie seine Abschiebung nach Afghanistan für zulässig erklärt (Spruchpunkte IV. und V.). Die Frist zur freiwilligen Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkte VI.).
Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid fristgerecht Beschwerde.
Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 13.11.2019 wurde die Beschwerde des Beschwerdeführers als unbegründet abgewiesen.
Mit Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 08.03.2021 und vom 30.03.2021, Ra 2019/14/0572-14 und Ra 2020/19/0443-9, wurde die außerordentliche Revision gegen die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts vom 15.03.2019, vom 05.07.2019 und vom 13.01.2020 bezüglich seiner Eltern, seiner vier Brüder und seiner Schwester, soweit sie sich gegen die Nichtzuerkennung des Status von Asylberechtigten richtete, zurückgewiesen. In seinem übrigen Umfang wurde das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 13.11.2019 bezüglich des Beschwerdeführers behob der Verwaltungsgerichtshof mit Entscheidung vom 08.03.2021, Ra 2019/14/0587-12, insoweit, als damit die Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wurde. Die außerordentliche Revision gegen die Nichtzuerkennung des Status der Asylberechtigten wurde vom Verwaltungsgerichtshof zurückgewiesen.
Gegenständlich ist daher lediglich über die Spruchpunkte II., III., IV., V., und VI. der angefochtenen Bescheide abzusprechen.
3.2.2. Zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten:
§ 8 AsylG lautet auszugsweise:
„Status des subsidiär Schutzberechtigten
§ 8. (1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,
1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder
2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist,
wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
(2) Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 ist mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.
(3) Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht.
…“
Wenn gemäß § 34 Abs. 3 AsylG 2005 ein Familienangehöriger (§ 2 Z 22) von einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist; oder von einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder von einem Asylwerber einen Antrag auf internationalen Schutz stellt, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.
Familienangehörige sind gemäß § 2 Z 22 AsylG 2005, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits im Herkunftsstaat bestanden hat.
Die Behörde (hier: das Bundesverwaltungsgericht) hat gemäß § 34 Abs. 3 AsylG aufgrund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid (hier: Erkenntnis) den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn dieser nicht straffällig geworden ist; gegen den Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 9) und dem Familienangehörigen nicht der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen ist.
Gemäß § 34 Abs. 4 AsylG hat die Behörde (hier: das Bundesverwaltungsgericht) Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid (hier: Erkenntnis). Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.
Der Verwaltungsgerichtshof hielt in seinem Erkenntnis vom 08.03.2021, Ra 2019/14/0587-12, fest, dass der in § 34 AsylG verwendete Begriff des Familienangehörigen im Sinn der Legaldefinition des § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG zu verstehen ist. Aus dem Blickwinkel des Kindes, das die Eigenschaft als Familienangehöriger von seinen Eltern ableiten möchte, ist dabei auf den Zeitpunkt der Antragstellung – bezogen auf den von ihm gestellten Antrag auf internationalen Schutz – abzustellen. Es muss, um als Familienangehöriger im Sinn des § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG zu gelten, zu diesem Zeitpunkt minderjährig und ledig sein. Dem Eintritt der Volljährigkeit vor dem Entscheidungszeitpunkt kommt in diesem Fall keine Bedeutung zu. Für die Anwendung des § 34 AsylG ist es hinreichend, dass (und solange) zumindest ein Fall des § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG gegeben ist.
Vor dem Hintergrund dieser Erwägungen kam der Verwaltungsgerichtshof in dem oben zitierten Erkenntnis zu dem Ergebnis, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner Minderjährigkeit im Zeitpunkt der Antragstellung als Familienangehöriger seines Vaters und seiner Mutter anzusehen ist.
Da der Beschwerdeführer nicht straffällig geworden ist und sein Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten rechtskräftig abgewiesen wurde, ist ihm als im Zeitpunkt der Antragstellung minderjährigen und ledigen Sohns seiner Eltern, welchen durch das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgericht vom 11.06.2021 der Status der subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG zuerkannt wurde, im Einklang mit den Bestimmungen des § 34 Abs. 3 und Abs. 4 AsylG ebenfalls der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen.
3.2.3. Zur Erteilung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung
Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG ist einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, vom Bundesamt oder vom Bundesverwaltungsgericht gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesamt für jeweils zwei weitere Jahre verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.
Das Bundesverwaltungsgericht hat dem Beschwerdeführer mit gegenständlichem Erkenntnis den Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt, sodass ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung in der Dauer von einem Jahr, beginnend mit der rechtskräftigen Zustellung des gegenständlichen Erkenntnisses, zu erteilen ist.
3.2.4. Zum Unterbleiben einer mündlichen Beschwerdeverhandlung:
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
Da sämtliche abzuklärende Fragen umfassend aus dem bisherigen Verfahrensgang ableitbar sind, dies auch im Hinblick auf die in diesen Verfahren ergangenen Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes, konkret dem Erkenntnis vom 08.03.2021, Ra 2019/14/0581 bis 0585-9, betreffend der Eltern und drei seiner Geschwister, dem Erkenntnis vom 08.03.2021, Ra 2019/14/0572-14, betreffend seinen Bruder, dem Erkenntnis vom 30.03.2021, Ra 2020/19/0443-9, betreffend seine Schwester sowie dem Erkenntnis vom 08.03.2021, Ra 2019/14/0587-12, betreffend den Beschwerdeführer konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG Abstand genommen werden. Dem Entfall der Verhandlung stehen auch weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010, Seite 389, entgegen.
3.3. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Aus-spruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Darüber hinaus kann sich das Bundesverwaltungsgericht bei den in Bezug auf die Rechtsfrage, ob der im Entscheidungszeitpunkt volljährige Beschwerdeführer gegenständlich die Familieneigenschaft des § 34 AsylG erfüllt, auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 08.03.2021, Ra 2019/14/0587-12, stützen.
4. Daher war spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
befristete Aufenthaltsberechtigung Ersatzentscheidung Familienverfahren subsidiärer SchutzEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W265.2193503.1.00Im RIS seit
01.09.2021Zuletzt aktualisiert am
01.09.2021