TE Bvwg Erkenntnis 2021/7/13 W261 2243689-1

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Veröffentlicht am 13.07.2021
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Entscheidungsdatum

13.07.2021

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W261 2243689-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch Richterin Mag.a Karin GASTINGER, MAS als Vorsitzende und die Richterin Mag.a Karin RETTENHABER-LAGLER sowie die fachkundige Laienrichterin Dr.in Christina MEIERSCHITZ als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch den Verein ChronischKrank, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Burgenland, vom 14.04.2021, in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom 08.06.2021, betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer ist seit 28.02.2005 Inhaber eines Behindertenpasses mit einem Grad der Behinderung von 50 von Hundert (in der Folge v.H.) und seit 29.05.2018 Inhaber eines Behindertenpasses mit einem Grad der Behinderung von 60 v.H.

2. Am 10.11.2020 stellte er vertreten durch den Verein ChronischKrank beim Sozialministeriumservice (in der Folge „belangte Behörde“ genannt) einen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29 b Straßenverkehrsordnung (StVO) (Parkausweis), der entsprechend dem von der belangten Behörde zur Verfügung gestellten und vom Beschwerdeführer ausgefüllten Antragsformular auch als Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass gilt und legte eine Reihe von ärztlichen Befunden vor.

3. Die belangte Behörde holte in weiterer Folge ein Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Neurologie ein. In dem auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 18.01.2021 erstatteten Gutachten vom 25.01.2021 stellte die medizinische Sachverständige fest, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass aus medizinischer Sicht nicht vorlägen.

4. Die belangte Behörde übermittelte das genannte Gutachten dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 26.01.2021 im Rahmen des Parteiengehörs und räumte ihm die Möglichkeit ein, hierzu innerhalb einer Frist von zwei Wochen eine Stellungnahme abzugeben.

5. Der Beschwerdeführer ersuchte durch seine bevollmächtigte Vertretung mit Emailnachricht vom 08.02.2021 um Erstreckung der Stellungnahmefrist bis zum 08.03.2021, welche diesem gewährt wurde. Trotz Erstreckung der Stellungnahmefrist gab der Beschwerdeführer keine Stellungnahme ab.

6. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 14.04.2021 wies die belangte Behörde den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass gemäß §§ 42 und 45 BBG ab.

Darüber hinaus führte die belangte Behörde anmerkend aus, dass über den Antrag auf Ausstellung eines § 29b-Ausweises nach der Straßenverkehrsordnung (StVO) nicht abgesprochen werde, da die grundsätzlichen Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass nicht vorliegen würden.

Die belangte Behörde schloss dem genannten Bescheid das eingeholte Sachverständigengutachten in Kopie an.

7. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer, bevollmächtigt vertreten durch den Verein ChronischKrank fristgerecht die gegenständliche Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht. Darin stellte der Beschwerdeführer den Antrag, seiner Beschwerde stattzugeben, in eventu eine mündliche Beschwerdeverhandlung durchzuführen, in eventu Beweis aufnehmen zu lassen, durch eine/n Sachverständige/n aus dem Fachbereich der Neurologie.

Der Beschwerdeführer schloss der Beschwerde einen psychiatrischen Befundbericht einer Fachärztin für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin vom 17.05.2021 an.

8. Die belangte Behörde nahm die Beschwerde zum Anlass, die befasste medizinische Sachverständige um die Abgabe einer ergänzenden Stellungnahme zu ersuchen. Diese führte in deren Stellungnahme vom 07.06.2021 aus, dass der Beschwerdeführer im Rahmen des Verfahrens drei unterschiedliche medizinische Befunde mit unterschiedlichen psychiatrischen Diagnosen vorgelegt habe. Durch diese Befunde sei eine generalisierte Angststörung/Sozio-/Agoraphobie als Führungsdiagnose mit Ausschöpfung des Therapieangebotes nicht dokumentiert. Zum Begutachtungszeitpunkt im Jänner 2021 habe keinerlei medikamentöse Therapie einer psychiatrischen Erkrankung bestanden. Die psychiatrischen Symptome des Beschwerdeführers seinen von ihrer Art und Schwere nicht geeignet, eine Unzumutbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel zu begründen.

9. Mit Bescheid vom 08.06.2021 erließ die belangte Behörde eine Beschwerdevorentscheidung und wies die Beschwerde des Beschwerdeführers ab. Die belangte Behörde schloss der Beschwerdevorentscheidung das medizinische Sachverständigengutachten vom 25.01.2021 samt ergänzender Stellungnahme vom 07.06.2021 an.

10. Der Beschwerdeführer stellte durch seinen bevollmächtigten Vertreter fristgerecht einen Vorlageantrag. Darin führte der Beschwerdeführer aus, dass er an einer Angsterkrankung leide, welche mit soziophobischen und klaustrophobischen Elementen verknüpft sei, welche nach der Judikatur sehr wohl den beantragten Zusatzantrag begründe. Es werde dazu neuerlich der psychiatrische Befundbericht einer Fachärztin für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin vom 17.05.2021 vorgelegt. Es werde beantragt, das Beschwerdeverfahren dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorzulegen.

11. Die belangte Behörde legte den Aktenvorgang dem Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 23.06.2021 vor, wo dieser am selben Tag einlangte.

12. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 24.06.2021 eine Abfrage im Zentralen Melderegister durch, wonach der Beschwerdeführer österreichischer Staatsbürger ist, und seinen ordentlichen Wohnsitz im Inland hat.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Der Beschwerdeführer erfüllt die allgemeinen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses. Der Beschwerdeführer hat seinen ordentlichen Wohnsitz im Inland und besitzt einen Behindertenpass.

Dem Beschwerdeführer ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar.

Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen des Beschwerdeführers:

Anamnese:

Vorgutachten mit Untersuchung vom 13.07.2018: GdB 60 %

Zwischenanamnese: ASK 11/2020 rechtes Knie, Angststörung wurde diagnostiziert, wegen der Pfortaderthrombose.

Derzeitige Beschwerden:

„Ich fange in Kürze wieder in Wien zu arbeiten an und bin auf das Auto angewiesen. Aufgrund der Pfortaderthrombose habe ich einen ständigen Blutverlust beim Stuhlgang. Dagegen kann man nichts machen. Keine Inkontinenz. Er ist heute mit 2 UA-Stützkrücken zur Untersuchung gekommen. 11/2020 Knie ASK rechts gehabt, weil noch keine Physio möglich war, werden die Krücken noch benutzt. Er hätte sie auch schon 1/2 Jahr vor der ASK wegen der Knieschmerzen rechts verwendet.“

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:

Eigene Angaben: Mexalen "pausenlos", Dulohexal, Daflon, Pregabalin 25 mg/die, Tardyferron 80 mg 1x1, Pantoprazol, Colidimin, Foster. Psychotherapie immer wieder geblockt.

Sozialanamnese:

Bürokaufmann mit LAP. Beschäftigt am Gemeindeamt. Ledig, kinderlos, lebt in Wohnung.

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

MRT LWS, 21.12.2020: Ganz diskrete Protrusionen L4-S1 ohne Bedrüngung der Nervenwurzeln. Inzipiente Intervertebralgelenksarthrose.

Dr. XXXX , Internist, 09.11.2020: Fe-Mangel, Z. n. Thrombose der V. mes. inf., Fructoseintoleranz, Epigastralgien, GERD, viszerale Varikose, Sludge der Gallenblase, Cholangiektasien, Z.n. H umb, Meteorismus.

Per Email 20.01.2021 nachgereicht: Dr. XXXX , Neurologie/Psychiatrie 20.10.2020: Somatisierte Depressio, Angst/Depression gemischt. Pat. wegen einer Somatisierungsstörung mit Angst und depressiver Komponente seit August 2019 in regelmäßiger Behandlung. Grundsätzlich machen ihm große Menschenansammlungen große Probleme, weshalb er nach Möglichkeit versucht, ÖPNV zu vermeiden.

AKH XXXX , Leberzirrhoseambulanz, 23.09.2020: LABOR: 23.06.20 Child-A5, PLT 165 Hb 14.6, INR 1.0, Na 140, Krea 0.99, Bili 084, Alb 43.5, TA alle norm.

05.05.20 CT-Abdomen/Leber: Splenomegalie 13.5cm, PVT + VMI-Thrombose, simple Leberzyste, PVT mit prähepatischer portaler Hypertension, evident durch Kollateralen und Splenomegalie 13.5cm. In der Gastroskopie zuletzt (06/2020) keine Varizen und in der Colo keine höhergradigen Rektumvarizen/Stauung. In der Kapselendoskopie keine Blutungsquellen oder HW auf Blutung.

Symptomatisch bestehen It. Patient weiterhin Gl-Blutungen (Fotodokumentation), jedoch keine Eisenmangelanämie mit normalem Hb. Symptomatisch vor allem Gl-Beschwerden, die sich durch die Schleimhautstauung erklären können. Das Management der portalen Hypertension erfolgt durch endoskopische Kontrollen

MRT HWS 03.03.2020: Diskushernie C6/7, C5/6.

Dr. XXXX , Lungenfacharzt, 3.8.2019: minimale obstruktive Ventilationsstörung, Asthma bronchiale.

Psycholog. Befund, Mag. XXXX , 12.07.2019: Die vorliegende Testuntersuchung weist auf eine reaktive depressive Verstimmung verbunden mit Gesundheitssorgen und panikartigen Angstzuständen hin. Anzeichen suizidaler Einengung werden derzeit nicht erkennbar. Diagnose: Anpassungsstörung.

MR Neurocranium 06.06.2018: V.a. vaskuläres Kompressionssyndrom des rechten Nervus vestibulocochlearis, partielle empty sella.

Dr. XXXX , HNO, 15.12.2016: St. p. funktionelle Nasenseptumgplastik 16.11.2016.

Chir. LKH XXXX 16.10.2000: Querbruch des Corpus sterni mit deutlicher Stufenbildung.

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand: gut. Ernährungszustand: adipös. Größe: 170,00 cm Gewicht: 82,00 kg

Klinischer Status - Fachstatus:

Rechtshänder. HN: I-XII altersgemäß.

Obere Extremitäten:

MER seitengleich mittellebhaft, AVV/FNV sicher, Nackengriff beidseits möglich. Gelenke frei beweglich, kein sensomotorisches Defizit.

Untere Extremitäten:

PSR rechts fehlend, links flau, bekannte Hypoplasie rechter Unterschenkel und Fuß mit Spitzfußstellung rechts - Orthese wird getragen. Beweglichkeit Knie re 0-0-90°, li 0-0-100°, Hypästhesie linke UE. Rechts, UE ohne sensomotorisches Defizit. Hüfte beidseits frei beweglich.

Wirbelsäule:

HWS Rotation bds. endlagig eingeschränkt, KJA 1 cm. Rumpf: LWS klopfdolent.

Gesamtmobilität - Gangbild:

Kommt mit 2 UA Stützkrücken, Orthese rechts, rechtes Bein wird etwas weniger eingesetzt, einige Schritte ohne Krücken (beim Kleiden möglich).

Status Psychicus:

Voll orientiert, gut kontaktfähig, Duktus/Antrieb regelrecht, zentriert auf somatische Beschwerden, keine produktive Symptomatik/mnestischen Defizite.

Der Beschwerdeführer hat folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

-        Angeborene Hypoplasie des rechten Unterschenkels und Fußes (Aplasie des 4. und 5. Strahls) mit ausgeprägter Beinverkürzung.

-        Kniegelenksinstabilität unvollständig kompensiert bei fehlenden Kreuzbändern rechts.

-        Aufbrauchzeichen im Achsenskelett.

-        Thrombose der Pfortader und unteren Gekrösevene Analogposition, normale Leberwerte, Milzvergrößerung.

-        Ausgeprägte Varikositas bzw. Angiomatose/Schleimhautstauung des Enddarms.

-        Somatisierungsstörung, Angst/Depression gemischt.

Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel:

Die festgestellten Gesundheitsschädigungen am Stütz- und Bewegungsapparat haben keine erhebliche Einschränkung der Mobilität zur Folge.

Es besteht keine behinderungsbedingte Notwendigkeit für die Benutzung zweier Unterarmstützkrücken. Abgesehen von der Fehlbildung der rechten unteren Extremität, welche mit Orthese versorgt ist, gibt es keinen Anhaltspunkt für eine höhergradige Gehbehinderung. Im Bedarfsfall ist die einseitige Benutzung einer Gehilfe ausreichend. Eine kurze Wegstrecke mit einem Aktionsradius von rund 10 Minuten, entsprechend einer Entfernung von rund 300 bis 400 m, ist zumutbar und möglich. Gehbehelfe, die das Einsteigen- und Aussteigen behindern, werden nicht verwendet. Die Beine können gehoben, Niveauunterschiede können überwunden werden. Es besteht ausreichend Kraft und Beweglichkeit an den oberen Extremitäten. Greifformen sind erhalten.

Das Erreichen, ein gesichertes Einsteigen- und Aussteigen und ein gesicherter Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln ist möglich.

Es besteht keine Klaustro-/Soziophobie oder generalisierte Angststörung als Hauptdiagnose. Trotz der bestehenden psychischen Erkrankung des Beschwerdeführers ist diesem eine Teilnahme am öffentlichen Leben möglich.

Es besteht keine Stuhlinkontinenz, Blutauflagerungen am Stuhl bei Stuhlgang 4-5x täglich sind medizinisch objektiviert, ein imperativer Stuhldrang ist nicht dokumentiert.

Es liegt keine schwere Erkrankung des Immunsystems vor.

Es liegt keine maßgebende Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit vor, durch welche eine Unzumutbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel zu begründen wäre.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen, dem Wohnsitz des Beschwerdeführers im Inland und zum Behindertenpass ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen, widerspruchsfreien und unbestrittenen Akteninhalt.

Die Feststellungen zu Art, Ausmaß und Auswirkungen der Funktionseinschränkungen auf die Zumutbarkeit zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel gründen sich – in freier Beweiswürdigung – in nachstehend ausgeführtem Umfang auf die vorgelegten und eingeholten Beweismittel:

Das von der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Neurologie vom 25.01.2021, basierend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 18.01.2021, ist schlüssig und nachvollziehbar, es weist keine Widersprüche auf. Es wird auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen. Auch wird zu den Auswirkungen der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel eingehend Stellung genommen und nachvollziehbar ausgeführt, dass es dem Beschwerdeführer – trotz der vorliegenden Funktionseinschränkungen – möglich und zumutbar ist, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen.

Beim Beschwerdeführer bestehen einerseits Funktionseinschränkungen im Bereich der unteren Extremitäten durch die angeborene Hypoplasie des rechten Unterschenkels, welche mit einer Orthese gut versorgt ist, und einer Kniegelenksinstabilität des rechten Knies, andererseits Aufbrauchserscheinungen des Achesenskeletts. Diese objektivierten Leiden des Bewegungsapparates schränken den Beschwerdeführer nicht soweit ein, dass es ihm unmöglich wäre, öffentliche Verkehrsmittel zu erreichen und zu benutzen.

Das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke von 300 bis 400 Meter ist dem Beschwerdeführer nach dem Ergebnis des von der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens selbständig möglich. Auch das Ein- und Aussteigen in öffentliche Verkehrsmittel ist dem Beschwerdeführer ohne fremde Hilfe zumutbar. Ein sicherer Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln durch Festhalten an Haltegriffen ist gewährleistet.

Die Schleimhautstauung des Enddarms führt zwar dazu, dass der Beschwerdeführer Blut im Stuhl hat, er ist nach seinen eigenen Angaben jedoch nicht stuhlinkontinent, weswegen auch dieses Leiden ihn nicht daran hindert, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen.

Laut seinem Vorbringen in der Beschwerde und in im Vorlageantrag würden den Beschwerdeführer insbesondere seine psychiatrischen Leiden daran hindern, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen.

Der Beschwerdeführer legte dazu folgende drei medizinischen Befunde vor:

Nach dem Einzelbefund Dr. XXXX , Facharzt für Psychiatrie vom 17.05.2021, welchen der Beschwerdeführer sowohl der Beschwerde als auch dem Vorlageantrag anschloss, leidet der Beschwerdeführer an einer generalisierten Angststörung mit klaustrophobischen und soziophobischen Elementen, Agoraphobie, soziale Phobien. Es wird darin bestätigt, dass eine regelmäßige fachärztliche Betreuung erfolgt, wobei die derzeitige Therapie mit angstlösender und antidepressiver Therapie durchgeführt wird. Nach diesem Befund sei es dem Beschwerdeführer seit 2 Jahren nicht möglich öffentliche Verkehrsmittel ob seiner psychiatrischen Erkrankung zu benutzen.

Zu diesem Befund ist anzumerken, dass diesem weder eine nachvollziehbare Ananmese noch ein psychischer Status zu entnehmen sind, aus welchem nachvollziehbar die Diagnose abgeleitet werden kann. Es sind keinerlei Symptome des Beschwerdeführers beschrieben, welche eine Überprüfung der Diagnose nach den Kriterien der ICD-10 zulassen würden. Zudem sind diesem Befund keine langfristigen Therapien/Therapieversagen, Verlaufsdokumentationen, stationäre Aufenthalte zu entnehmen.

Ärztliche Atteste, die lediglich Schlussfolgerungen enthalten, aber keinen Befund, aus dem diese Schlussfolgerungen nachvollziehbar ableitbar wären, sind nicht geeignet, Bedenken gegen das vollständige und schlüssige Gutachten eines Amtssachverständigen zu erwecken (VwGH 02.05.2001, 95/12/0260; 22.03.1995, 94/12/0245).

Bereits mit der Antragstellung legte der Beschwerdeführer einen psychologischen Befund vom 12.07.2019, durchgeführt von Mag. XXXX , einer klinischen Gesundheitspsychologin ist schlüssig und nachvollziehbar, enthält eine ausführliche Anamnese und beschreibt die festgestellten Symptome des Beschwerdeführers. Die in diesem psychologischen Befund gestellte Diagnose: Anpassungsstörung – ICD 10: F43-2 ist damit medizinisch objektiviert.

Weiters legte der Beschwerdeführer den fachärztlichen Befundbericht Dr. XXXX , eines Facharztes für Neurologie und Psychiatrie vom 20.10.2020 vor, aus welchem die Diagnosen somatisierte Depressio und Angst und Depressio gemischt zu entnehmen sind. Auch dieser fachärztlichen Befundbericht enthält keine Anamnese und werden die Symptome, unter welchen der Beschwerdeführer leidet, nicht konkret beschrieben.

Wie die befasste medizinische Sachverständige, eine Fachärztin für Neurologie, in deren Stellungnahme aufgrund der Beschwerde vom 07.06.2021 schlüssig und nachvollziehbar ausführte, liegen mit diesen drei medizinischen Befunden drei unterschiedliche Diagnosen für die psychiatrischen Leiden des Beschwerdeführers vor. Eine generalisierte Angststörung/Sozio-/Agoraphobie als Führungsdiagnose mit Ausschöpfung des Therapieangebotes ist durch keinen dieser drei medizinischen Befunde, welche vom Beschwerdeführer vorgelegt wurden, schlüssig und nachvollziehbar dokumentiert. Hinzu kommt, dass sich der Beschwerdeführer zum Begutachtungszeitpunkt im Jänner 2021 keinerlei medikamentöse Therapie einer psychiatrischen Erkrankung unterzog.

Die beim Beschwerdeführer bestehenden psychischen Symptome sind daher von ihrer Art und Schwere nicht geeignet, eine Unzumutbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel zu begründen.

Erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen im Hinblick auf eine Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel, die folgende Krankheitsbilder umfassen: Klaustrophobie, Soziophobie und phobische Angststörungen als Hauptdiagnose nach ICD 10, sind im Ermittlungsverfahren wie oben ausgeführt - trotz der beim Beschwerdeführer bestehenden psychischen Erkrankungen - nicht hervorgekommen. Ebenso wenig besteht ein Hinweis auf eine Erkrankung des Immunsystems.

Der Beschwerdeführer ist mit dem oben wiedergegebenen Vorbringen in der Beschwerde und im Vorlageantrag dem auf einer persönlichen Untersuchung basierenden Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Neurologie vom 25.01.2021 im Lichte obiger Ausführungen daher nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa VwGH 27.06.2000, 2000/11/0093).

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des Sachverständigengutachtens vom 25.01.2021, beruhend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 18.01.2021, und wird dieses Sachverständigengutachten in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

1.       Zur Entscheidung in der Sache:

Der Vollständigkeit halber wird zunächst darauf hingewiesen, dass mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 14.04.2021, in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom 08.06.2021 der Antrag des Beschwerdeführers/in auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass gemäß §§ 42 und 45 Bundesbehindertengesetz idgF BGBl I Nr. 100/2018 (in der Folge kurz BBG) abgewiesen wurde. Verfahrensgegenstand ist somit nicht die Feststellung des Gesamtgrades der Behinderung, sondern ausschließlich die Prüfung der Voraussetzungen der Vornahme der beantragten Zusatzeintragung.

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten:

§ 42 (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

§ 45 (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

§ 46 Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.

§ 47 Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpass und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen.“

§ 1 Abs. 4 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, idg F BGBl II Nr. 263/2016 lautet – soweit im gegenständlichen Fall relevant - auszugsweise:

„§ 1 ….

(4) Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen:

1. …….

2. ……

3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

-        erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

-        erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

-        erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder

-        eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

-        eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 4 Z 1 lit. b oder d

vorliegen.
(5) Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines/einer ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.

(6)……“

In den Erläuterungen zu § 1 Abs. 2 Z 3 zur Stammfassung der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II Nr. 495/2013 wird unter anderem - soweit im gegenständlichen Fall relevant - Folgendes ausgeführt:

"Zu § 1 Abs. 2 Z 3 (neu nunmehr § 1 Abs. 4 Z. 3, BGBl. II Nr. 263/2016):

Mit der vorliegenden Verordnung sollen präzisere Kriterien für die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgelegt werden. Die durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bisher entwickelten Grundsätze werden dabei berücksichtigt.

Grundsätzlich ist eine Beurteilung nur im Zuge einer Untersuchung des Antragstellers/der Antragstellerin möglich. Im Rahmen der Mitwirkungspflicht des Menschen mit Behinderung sind therapeutische Möglichkeiten zu berücksichtigen. Therapierefraktion – das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen – ist in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des Hausarztes/der Hausärztin ist nicht ausreichend.

Durch die Verwendung des Begriffes „dauerhafte Mobilitätseinschränkung“ hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.

Nachfolgende Beispiele und medizinische Erläuterungen sollen besonders häufige, typische Fälle veranschaulichen und richtungsgebend für die ärztlichen Sachverständigen bei der einheitlichen Beurteilung seltener, untypischer ähnlich gelagerter Sachverhalte sein. Davon abweichende Einzelfälle sind denkbar und werden von den Sachverständigen bei der Beurteilung entsprechend zu begründen sein.

Die Begriffe „erheblich“ und „schwer“ werden bereits jetzt in der Einschätzungsverordnung je nach Funktionseinschränkung oder Erkrankungsbild verwendet und sind inhaltlich gleichbedeutend.

Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:

-        arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option

-        Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen

-        hochgradige Rechtsherzinsuffizienz

-        Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie

-        COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie

-        Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie

-        mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss benützt werden.

Erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen umfassen im Hinblick auf eine Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel folgende Krankheitsbilder:

-        Klaustrophobie, Soziophobie und phobische Angststörungen als Hauptdiagnose nach ICD 10 und nach Ausschöpfung des therapeutischen Angebotes und einer nachgewiesenen Behandlung von mindestens 1 Jahr,

-        hochgradige Entwicklungsstörungen mit gravierenden Verhaltensauffälligkeiten,

-        schwere kognitive Einschränkungen, die mit einer eingeschränkten Gefahreneinschätzung des öffentlichen Raumes einhergehen,

-        nachweislich therapierefraktäres, schweres, cerebrales Anfallsleiden – Begleitperson ist erforderlich.

Eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems, die eine Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wegen signifikanter Infektanfälligkeit einschränkt, liegt vor bei:

-        anlagebedingten, schweren Erkrankungen des Immunsystems (SCID – sever combined immundeficiency),

-        schweren, hämatologischen Erkrankungen mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit (z.B: akute Leukämie bei Kindern im 2. Halbjahr der Behandlungsphase, Nachuntersuchung nach Ende der Therapie),

-        fortgeschrittenen Infektionskrankheiten mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit,

-        selten auftretenden chronischen Abstoßungsreaktion nach Nierentransplantationen, die zu zusätzlichem Immunglobulinverlust führen.

Keine Einschränkung im Hinblick auf die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel haben:

-        vorübergehende Funktionseinschränkungen des Immunsystem als Nebenwirkung im Rahmen von Chemo-und /oder Strahlentherapien,

-        laufende Erhaltungstherapien mit dem therapeutischen Ziel, Abstoßreaktionen von Transplantaten zu verhindern oder die Aktivität von Autoimmunerkrankungen einzuschränken,

-        Kleinwuchs

-        gut versorgte Ileostoma, Colostoma und Ähnliches mit dichtem Verschluss. Es kommt weder zu Austritt von Stuhl oder Stuhlwasser noch zu Geruchsbelästigungen. Lediglich bei ungünstiger Lokalisation und deswegen permanent undichter Versorgung ist in Ausnahmefällen die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar,

-        bei Inkontinenz, da die am Markt üblichen Inkontinenzprodukte ausreichend sicher sind und Verunreinigungen der Person durch Stuhl oder Harn vorbeugen. Lediglich bei anhaltend schweren Erkrankungen des Verdauungstraktes ist in Ausnahmefällen die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar.

…“

Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist, und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung unzumutbar ist (vgl. VwGH 23.02.2011, 2007/11/0142, und die dort zitierten Erkenntnisse vom 18.12.2006, 2006/11/0211, und vom 17.11.2009, 2006/11/0178, jeweils mwN.).

Dabei ist auf die konkrete Fähigkeit des Beschwerdeführers zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel einzugehen, dies unter Berücksichtigung der hierbei zurückzulegenden größeren Entfernungen, der zu überwindenden Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, der Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt etc. (VwGH 22.10.2002, 2001/11/0242; VwGH 14.05.2009, 2007/11/0080).

Bei der Beurteilung der zumutbaren Wegstrecke geht der Verwaltungsgerichtshof von städtischen Verhältnissen und der durchschnittlichen Distanz von 300 bis 400 Metern bis zur nächsten Haltestelle eines öffentlichen Verkehrsmittels aus (VwGH 27.05.2014, Ro 2014/11/0013).

Wie oben im Rahmen der Beweiswürdigung ausgeführt – auf die diesbezüglichen Ausführungen wird verwiesen -, wurde im eingeholten Sachverständigengutachten vom 25.01.2021, beruhend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 18.01.2021, nachvollziehbar verneint, dass im Fall des Beschwerdeführers – trotz der bei ihm vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen – die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass vorliegen. Mit dem Vorliegen der beim Beschwerdeführer objektivierten aktuellen Funktionsbeeinträchtigungen vermag der Beschwerdeführer noch nicht die Überschreitung der Schwelle der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel im Sinne der Bestimmung des § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen darzutun.

Die Voraussetzungen für die Vornahme der beantragten Zusatzeintragung aufgrund von erheblichen Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen für die Beurteilung der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sind im Falle des Beschwerdeführers – trotz der bei ihm diagnostizierten psychiatrischen Erkrankungen - ebenfalls nicht gegeben. Eine erhebliche Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit liegt ebenso wenig vor, wie entscheidungsmaßgebliche Einschränkungen der Sinnesfunktionen. Es kann im vorliegenden Fall außerdem keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems, die eine Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wegen signifikanter Infektanfälligkeit einschränkt, festgestellt werden.

Da festgestellt worden ist, dass die dauernden Gesundheitsschädigungen kein Ausmaß erreichen, welches die Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass rechtfertigt, war spruchgemäß zu entscheiden.

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass bei einer späteren Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Prüfung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in Betracht kommt.

2.       Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung

Der im Beschwerdefall maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt der belangten Behörde, auf das über Veranlassung der belangten Behörde eingeholte medizinische Sachverständigengutachten, das auf einer persönlichen Untersuchung beruht sowie eine Ergänzung zu diesem Sachverständigengutachten, welche auf alle Einwände und vorgelegten Befunde des Beschwerdeführers in fachlicher Hinsicht eingehen, und welchen der Beschwerdeführer im Rahmen des ihm eingeräumten Parteiengehörs nicht substantiiert entgegengetreten ist. Die strittige Tatsachenfrage, genauer die Art und das Ausmaß der Funktionseinschränkungen des Beschwerdeführers und damit verbunden die Frage der Zumutbarkeit der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel, sind einem Bereich zuzuordnen, der von einem Sachverständigen zu beurteilen istAll dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG - trotz dem in der Beschwerde gestellten Antrages auf eine mündliche Verhandlung - nicht entgegen.

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behindertenpass Sachverständigengutachten Zumutbarkeit Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W261.2243689.1.00

Im RIS seit

03.09.2021

Zuletzt aktualisiert am

03.09.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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