TE Vwgh Erkenntnis 1997/2/19 94/13/0269

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Veröffentlicht am 19.02.1997
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §63;
BAO §243;
BAO §250;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner, Mag. Heinzl und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde des Dr. Z in W, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 4. November 1994, Zl. 6/3-3332/94-02, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Abgabenangelegenheit, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 13.280,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Das Finanzamt für den 9., 18. und 19. Bezirk in Wien erließ an den Beschwerdeführer am 9. Jänner 1992 Bescheide betreffend Einkommensteuer 1985 bis 1990, Vorauszahlungen an Einkommensteuer für 1992 und Folgejahre sowie Vermögensteuer ab 1. Jänner 1986 und 1989. Die Bescheide wurden am 15. und 16. Jänner 1992 zugestellt.

Am 3. Februar 1992 brachte der Beschwerdeführer eine Eingabe mit folgendem auszugsweise wiedergegebenen Inhalt ein:

"Steuernummer xx/nn

Einkommensteuer- bzw. Vorauszahlungsbescheid(e)

1985-1990 bzw. 1992,

Vermögensteuerbescheide ab 1.1.1986 und 1989:

A n t r ä g e

Am 15.1.1992 wurden Einkommensteuerbescheide 1985-1990, am 16.1.1992 hierzu die (zusätzliche) Begründung, am 14.1.1992 Einkommensteuer-Vorauszahlungsbescheid für 1992 und Folgejahre, am 15.1.1992 Vermögenssteuerbescheide ab 1.1.1986 und 1989 hinterlegt, deren Besteuerungsgrundlagen insgesamt auf Schätzungen beruhen und, wie gleich vorweg festgestellt wird, allesamt schon allein aus den Gründen der vorsätzlichen Missachtung des zwingenden Gebotes der vorherigen Gewährung des Parteiengehörs und wegen Entscheidung in offenen Verlängerungsfristen rechtswidrig sind, weswegen im dortigen Interesse zur Vermeidung von Weiterungen der Antrag auf umgehende Nichtigerklärung dieser Bescheide gestellt wird.

Allen Bescheiden ist gemeinsam, daß sie mangels entsprechender Begründungen nicht verständlich sind und es daher der nachfolgend aufgezeigten Ergänzungen gemäß § 245 (2) BAO bedarf:

...

A n t r ä g e

A) Nichtigerklärung sämtlicher rubrizierter Bescheide wegen
schwerwiegender, grundlegender Rechtswidrigkeiten, wie bereits eingangs gefordert;

ansonsten

B) Begründungen bzw. Begründungsergänzungen wie dies gemäß
§ 245 Abs. 2 BAO vorgesehen ist (also keine Ausflüchte) zu
sämtlichen vorstehenden Punkten (also ohne Zensur, welche
Punkte dem FA subjektiv für das weitere Verfahren ohne
Bedeutung erscheinen, wie dies bereits einmal erfahren werden mußte);

C) Zinsenfreie Erstreckung aller in den rubrizierten
Bescheiden angegebenen bzw. aus diesen folgenden
Fälligkeitsterminen, im Falle A) bis zu dessen
bescheidmäßiger Erledigung; im Falle B) bis 2 Monate nach Einlangen aller beantragten Erledigungen."

Mit Bescheid vom 6. Februar 1992 wurde der in der Eingabe vom 3. Februar 1992 enthaltene Antrag um Ergänzung der Begründung der Bescheide vom 9. Jänner 1992 abgewiesen. Eine gegen diesen Abweisungsbescheid erhobene Berufung wurde mit Bescheid vom 6. Mai 1992 als unzulässig zurückgewiesen. Die gegen den Zurückweisungsbescheid erhobene Berufung wurde von der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland mit Berufungsentscheidung vom 22. März 1993, Zl. 6/1-1290/92-10, als unbegründet abgewiesen.

Mit einem weiteren als "Berufung" bezeichneten Schriftsatz vom 10. Mai 1993 beantragte der Beschwerdeführer neuerlich die Aufhebung der Abgabenbescheide vom 9. Jänner 1992. Mit Bescheid vom 10. September 1993 wies das Finanzamt die "Berufung" vom 10. Mai 1993 als verspätet zurück.

In der gegen den Zurückweisungsbescheid vom 10. September 1993 erhobenen Berufung wurde insbesondere die Auffassung vertreten, daß mit der als "Berufung" bezeichneten Eingabe vom 10. Mai 1993 lediglich die im Schriftsatz vom 3. Februar 1992 enthaltene Berufung ergänzt werde.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde die Berufung gegen den Zurückweisungsbescheid vom 10. September 1993 als unbegründet abgewiesen. Die belangte Behörde vertrat dabei die Auffassung, der Schriftsatz vom 3. Februar 1992 stelle keine Berufung dar. Diesem Schriftsatz sei nicht einmal andeutungsweise zu entnehmen, daß der Einschreiter Bescheide mit einem Rechtsmittel bekämpfen wolle. Zweck des Antrages um Ergänzung der den Bescheiden (nach Meinung des Beschwerdeführers) fehlenden Begründung könne nur die Hemmung der Berufungsfrist gewesen sein, was aber bei Einbringung einer Berufung nicht mehr erforderlich gewesen wäre.

In der Beschwerde gegen diesen Bescheid werden dessen inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf materielle Behandlung seiner Berufung unter Berücksichtigung aller - auch ergänzender - Ausführungen verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Voraussetzung für die Beurteilung eines Schriftsatzes als Berufung im Sinne der §§ 243 und 250 BAO ist, daß aus dem Anbringen zumindest andeutungsweise zu entnehmen ist, die Partei beabsichtige eine behördliche Maßnahme zu bekämpfen. Läßt sich erkennen, daß der Einschreiter sich durch eine bestimmte Entscheidung beschwert fühlt und deren Nachprüfung begehrt, so ist vom Vorliegen einer Berufung auszugehen, zumal das Tatbestandsmerkmal "Berufung" nicht formalistisch auszulegen ist. Keinesfalls ist dabei die Bezeichnung des Schriftsatzes von alleiniger Bedeutung (vgl. Stoll, BAO-Kommentar, 2567 f, und die dort wiedergegebene Rechtsprechung).

Diesen Erfordernissen entspricht aber der in Rede stehende Schriftsatz vom 3. Februar 1992 entgegen der Meinung der belangten Behörde. Schon im Einleitungssatz sowie in den Schlußanträgen wird die "Nichtigerklärung" der angefochtenen Abgabenbescheide begehrt. Abgesehen von den weiteren Ausführungen in diesem Schriftsatz, in dem auch (eher allgemein gehaltene) Einwendungen gegen die Höhe der vorgenommenen Schätzung der Einkünfte aus Kapitalvermögen und des sonstigen Vermögens enthalten sind, wird durch diese Anträge klargestellt, daß der Schriftsatz auf die Aufhebung der Abgabenbescheide gerichtet ist. Damit stellt er sich aber ungeachtet der fehlenden Bezeichnung als "Berufung" als ein solches Rechtsmittel dar. Schon damit erweist sich aber der angefochtene Bescheid als mit einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit behaftet, zumal es für die vorliegende Rechtsfrage nicht darauf ankommt, ob die Berufung allen Erfordernissen des § 250 BAO entspricht. Entgegen der Meinung der belangten Behörde ist für die Qualifizierung des Schriftsatzes vom 3. Februar 1992 als Berufung auch nicht von Bedeutung, daß der Beschwerdeführer gleichzeitig einen Antrag auf Mitteilung der (seiner Meinung nach) fehlenden Begründung der Abgabenbescheide gestellt hat, zumal dieser Antrag als Eventualbegehren formuliert worden ist.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Ein Ersatz des Schriftsatzaufwandes für die Äußerung auf die Gegenschrift der belangten Behörde ist im Gesetz nicht vorgesehen. Da der angefochtene Bescheid der Beschwerde nur im einfachen Umfang anzuschließen ist, war ein Ersatz der Beilagengebühr nur in Höhe von S 60,-- zuzusprechen.

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1994130269.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

14.12.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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