TE Bvwg Erkenntnis 2021/7/16 W132 2241486-1

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Veröffentlicht am 16.07.2021
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Entscheidungsdatum

16.07.2021

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §43
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W132 2241486-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Ursula GREBENICEK als Vorsitzende und die Richterin Mag. Karin GASTINGER, MAS sowie die fachkundige Laienrichterin Dr. Regina BAUMGARTL als Beisitzerinnen, über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Niederösterreich, vom 23.03.2021, OB 52251596200086, betreffend die Abweisung des Antrages Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass gemäß § 40, § 41, § 43 und § 45 Bundesbehindertengesetz (BBG), zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:
1.         Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Kurzbezeichnung: Sozialministeriumservice; in der Folge belangte Behörde genannt) hat der Beschwerdeführerin am 10.03.1999 einen unbefristeten Behindertenpass ausgestellt und einen Grad der Behinderung in Höhe von 50 vH eingetragen sowie die Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ vorgenommen.

Dieser Entscheidung wurde das medizinische Sachverständigengutachten Dris. XXXX , Arzt für Allgemeinmedizin, vom 14.09.1998 zugrunde gelegt.
2.         Die Beschwerdeführerin hat am 05.10.2020 bei der belangten Behörde unter Vorlage eines Befundkonvolutes einen Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung gestellt.
2.1.         Zur Überprüfung des Antrages wurde von der belangten Behörde ein Sachverständigengutachten von Dr. XXXX , Ärztin für Allgemeinmedizin, basierend auf der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 11.01.2021, mit dem Ergebnis eingeholt, dass der Grad der Behinderung weiterhin in Höhe von 50 vH bewertet wurde.
2.2.         Im Rahmen des gemäß § 45 Abs. 3 AVG erteilten Parteiengehörs wurden Einwendungen erhoben und weitere medizinische Beweismittel sowie eine in englischer Sprache verfasste Abhandlung zum Krankheitsbild der Beschwerdeführerin in Vorlage gebracht.
2.3.         Zur Überprüfung der Einwendungen wurde von der belangten Behörde von der bereits befassten Sachverständigen, Dr. XXXX , basierend auf der Aktenlage, eine mit 22.03.2021 datierte medizinischen Stellungnahme mit dem Ergebnis eingeholt, dass weder die erhobenen Einwendungen, noch die vorgelegten Beweismittel geeignet seien, eine geänderte Beurteilung zu begründen.
2.4.         Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde auf Grund des in Höhe von 50 vH objektivierten Grades der Behinderung den Antrag auf Neufestsetzung gemäß § 40, § 41 und § 45 BBG abgewiesen und gleichzeitig festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Eintragung des Zusatzvermerkes „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ weiterhin vorliegen.

Als Beilage zum Bescheid wurde der eingeholte Sachverständigenbeweis zur Kenntnis gebracht.
3.         Gegen diesen Bescheid wurde von der Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde erhoben. Ohne Vorlage von Beweismitteln wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass die Beurteilung ihres Gesundheitszustandes nur sehr oberflächlich erfolgt sei. Das gesamte Krankheitsbild, welches seit Geburt vorliege, die Begleiterscheinungen, die damit verbundenen Beeinträchtigungen und ständigen Schmerzen im täglichen Leben, seien nicht berücksichtigt worden. Der Zustand habe sich seit 1998 massiv verschlechtert.
3.1.         Mit dem im Bundesverwaltungsgericht am 15.04.2021 eingelangten Schreiben selben Datums hat die belangte Behörde den Verwaltungsakt und die Beschwerde vorgelegt.
3.2.         Zur Überprüfung des Beschwerdegegenstandes wurde vom Bundesverwaltungsgericht in den Verwaltungsakt, insbesondere die durch die belangte Behörde eingeholten Sachverständigengutachten, Einsicht genommen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Da sich die Beschwerdeführerin mit dem im angefochtenen Bescheid festgestellten Grad der Behinderung nicht einverstanden erklärt hat, war dieser zu überprüfen.

1.       Feststellungen:
1.1.         Die Beschwerdeführerin erfüllt die allgemeinen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses. Die Beschwerdeführerin hat ihren Wohnsitz im Inland.
1.2.         Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt weiterhin 50 vH.
1.2.1.          Ausmaß der Funktionseinschränkungen:

Klinischer Status: Allgemeinzustand gut. Ernährungszustand übergewichtig. Kommt frei gehend in Konfektionsschuhen mit bequemem Fußbett unbegleitet in das Untersuchungszimmer. Eupnoe, Rechtsherzdominanz, kardiopulmonal kompensiert. Abdomen weich, fettreich, keine Resistenzen, keine Dolenz. Gelenksbeweglichkeit schmerz- und weichteillimitiert. Wirbelsäule im Lot, paravertebraler Hartspann und Dolenz, eingeschränkte Beweglichkeit in allen Abschnitten. Pulse palpabel, reizfreie Narben, kein Hinweis auf maßgebliche Beeinträchtigungen der peripheren Durchblutung.

Gesamtmobilität – Gangbild: Frei gehend, keine Gangbildauffälligkeiten, reduziertes Gangtempo.
1.2.2. Beurteilung der Funktionseinschränkungen:

Lfd. Nr.

Funktionseinschränkung

Position

GdB

01

Knochenstoffwechselerkrankung (x-linked Hypophosphatämie, bioptisch 08/2019 verifizierter Knochenmikrostrukturdefekt), degenerative Veränderungen am Stütz- und Bewegungsapparat, Hüftgelenksersatz links 2011, operative Dekompressionen bei Vertebrostenosen Th 8/9 2014, L4/5 2018, Kniegelenksersatz rechts 2019, Vorfußkorrektureingriff rechts 2018, Sprunggelenksbeschwerde, Übergewicht

Unterer Rahmensatz, da durchgehende Behandlung erforderlich, mäßiggradige Einschränkungen der statischen und dynamischen Belastbarkeit, aber selbständig mobil. Keine postoperativen Komplikationen dokumentiert, Übergewicht inkludiert.

02.02.03

50 vH

02

Restless leg Syndrom

Eine Stufe über dem unteren Rahmensatz, da Dauermedikation erforderlich.

04.06.01

20 vH

03

Chronische Ganzkörper-Schmerzsymptomatik, Kopfschmerzneigung, Minderbelastbarkeit

Unterer Rahmensatz, da attackenartig auftretend, bisher einfach behandelbar, die subjektiv eingeschränkte kognitive Leistungsfähigkeit inkludiert.

04.11.01

10 vH

Gesamtgrad der Behinderung

50 vH

Leiden 2 und 3 sind nicht maßgeblich ungünstig wechselwirksam und erhöhen das Hauptleiden nicht.

Folgeende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

Solitäres Schilddrüsenadenom mit Euthyreose, Unverträglichkeit von Amlodipin.

Gegenüber dem, der Ausstellung des Behindertenpasses am 10.03.1999 zu Grunde gelegten Sachverständigengutachten, ist keine maßgebliche Verschlechterung eingetreten.

Leidensbeurteilungen nach den Bestimmungen der EVO bei geänderter Rechtslage.

Leiden 1 des Vorgutachtens um rezente Diagnostik mit Therapieanpassungserfordernis und die zwischenzeitlich erfolgten Operationen (im Bereich der Brust-und Lendenwirbelsäule, der Gelenke, sowie des rechten Vorfußes) ergänzt, unverändert nach EVO beurteilt.

Neuaufnahme von Leiden 2, 3

2.       Beweiswürdigung:
Zu 1.1.)         Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen, widerspruchsfreien und unbestrittenen Akteninhalt.
Zu 1.2.)         Die Feststellungen zu Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen gründen sich – in freier Beweiswürdigung – in nachstehend ausgeführtem Umfang auf die eingeholten und vorgelegten Beweismittel:

Das von der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten Dris. XXXX und deren ergänzende Stellungnahme sind vollständig, schlüssig, nachvollziehbar und frei von Widersprüchen. Es wurde auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen.

Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf dem im Rahmen persönlicher Untersuchung der Beschwerdeführerin erhobenen klinischen Befund, entsprechen unter Berücksichtigung der vorgelegten Beweismittel den festgestellten Funktionseinschränkungen. Die vorgelegten Beweismittel sind in die Beurteilung eingeflossen, die befasste Sachverständige hat sich damit auseinandergesetzt und fasst deren wesentliche Inhalte wie folgt zusammen:

?        Dr. XXXX , Neurologin, 28.09.2020: ..Restless legs Syndrom... in Summe weiterhin sehr belastet durch die Symptome... soll Pramipexol nachmittags 0,26 ret, und abends 0,18, sowie Neurontin 3x täglich 9., 17 und 20 Uhr einnehmen...

?        Hanusch KH, 1. med. Abteilung Osteologie, 02.-03.06.2020: Aufnahme zur Therapieoptimierung bei x linked Hypophosphatämie, Knochenmikrostrukturdefekt, Z.n. transiliacaler Beckenknochenbiopsie, Hypertonie, Restless legs Syndrom, Vertebrostenose Th 8/9 (Dekompression 2014), L4/5 (Dekompression 01/2018)...TEP linke Hüfte 2011, rechtes Knie 05/2019, Hallux rechts 2018, 2x sectio, TE, AE; ... Verabreichung von AntiFGF23 Ak, Steigerung der Calziumwerte ohne Symptomatik, unauffälliges EKG; ... nächste Behandlung für 17.06.2020 vereinbart..

?        Kontrolle Hanusch KH, Osteo-endokrinolog, Ambulanz, 29.12.2020: .. seit Weihnachten wieder mehr Lumbalgie, Sprunggelenksschmerzen, gutes Ansprechen auf Novalgin....physikalische Therapie (Heimtherapie) empfohlen, Muskelaufbautraining...Therapie mit Crysvita weiter.

?        Ambulanzbesuch Hanusch KH 09.03.2021:.. gute Verträglichkeit von Burosumab, keine Nebenwirkungen, aktuell im MRT Vertebrostenose L4/5, Neuroforamenstenose, eine interlaminäre Infiltration (zuletzt 2018) über KH Speising ist geplant..

?        MRT der LWS 16.02.2021: .. unverändert zur VU, Facettengelenksarthrosen L4/5, gering progrediente Vertebrostenose auf Höhe L4/5, Neuroforamenstenosen L4/5 beidseits re>li mit allenfalls geringer Tangierung der Nervenwurzel L4 rechts...

?        Befundbericht Orthopäde Dr. XXXX , 11.02.2021: lokaler Druckschmerz L4-S1, keine Ausstrahlung, keine sensomotorischen Defizite.. konservativer Aufenthalt im KH Speising geplant, interlaminäre Infiltration L5/S1, ev. Facettengelenke L4-S1 beidseits...

?        XLH alliance.at: (26 seitiges Unterlagenkonvolut) Erklärungen zum Erkrankungsbild XLH (x- linked Hypophosphatämie) in englischer Sprache

Die vorgelegten Beweismittel stehen hinsichtlich des klinischen Befundes nicht im Widerspruch zum Ergebnis des eingeholten Sachverständigenbeweises, es wird kein anderes Funktionsdefizit beschrieben als gutachterlich festgestellt wurde, und sie enthalten auch keine neuen fachärztlichen Aspekte, welche unberücksichtigt geblieben sind.

Zur Beurteilung der bei der Beschwerdeführerin bestehenden Knochenstoffwechselstörung mit einem Grad der Behinderung von 50 vH erläutert die Sachverständige schlüssig und nachvollziehbar, dass das durchgehende Behandlungserfordernis bei eingeschränkter statischer und dynamischer Belastbarkeit, sowie das Erfordernis mehrerer korrigierender Operationen durch die lebenslange Erkrankung, aber auch bedingt durch degenerative, altersbedingte Veränderungen richtsatzgemäß beurteilt wurden, wobei eine eingeschränkte selbständige Alltagsbewältigung und die limitierte psychische Leistungsfähigkeit mitberücksichtigt wurden. Die von der Beschwerdeführerin vorgebrachte begleitende Schmerzsymptomatik mit (psychischer) Minderbelastbarkeit wurden extra unter Position 3 erfasst. Im Einklang mit dem Untersuchungsbefund beschreibt Dr. XXXX weiter, dass die Beschwerdeführerin bei reduziertem Gangtempo zum Untersuchungszeitpunkt ohne Hilfsmittel mobil war, die Beweglichkeit der Gelenke unauffällig imponierte und keine Ausstrahlungsschmerzen oder neurologische Ausfallsymptomatik vorlagen. Ebenso stellt die Sachverständige nachvollziehbar dar, dass Knochenheilungsstörungen nach Gelenksersatzoperationen oder eine Folgesymptomatik nach komplikationsbehafteten Zahnsanierungen nicht dokumentiert sind. So wird ein stabiler, daher auch als „gut“ zu bezeichnender Allgemeinzustand auch im ärztlichen Befundbericht des Hanusch KH (letzter Aufenthalt 02.- 03.6.2020) beschrieben.

Diesen Ausführungen im Gutachten ist die Beschwerdeführerin auch nicht entgegengetreten.

Zusammenfassend hält Dr. XXXX schlüssig fest, dass aufgrund der geänderten Rechtslage (EVO) unter Berücksichtigung der funktionellen und schmerzbedingten Beeinträchtigungen, sowie einer rezent etablierten, bisher nebenwirkungsfreien Antikörpertherapie bei angepasster Diagnose und der (bedarfsmäßig ausreichend gut wirksamen) Schmerzbehandlung mit oral einzunehmenden Analgetika (WHO 1), sowie fehlender Ausfallssymptomatik bei Wirbelsäulenveränderungen, eine höhere Beurteilung des Hauptleidens nicht möglich ist. Der aktuelle Behandlungsbedarf (Infiltration) bei gering progredienter Vertebrostenose auf Höhe L4/5 ist nicht extra einschätzungsrelevant, da dadurch eine Besserung (wie bereits zuletzt 2018) zu erwarten ist.

Gegen die Beurteilung der nunmehr neu in die Diagnoseliste aufgenommenen Gesundheitsschädigungen wurden keine Einwendungen erhoben.

Das Sachverständigengutachten Dris. XXXX und deren Ergänzung stehen mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch. Auch war dem Vorbringen sowie den eingeholten und vorgelegten Beweismitteln kein substantiierter Anhaltspunkt zu entnehmen, die Tauglichkeit der befassten Sachverständigen oder deren Beurteilung beziehungsweise Feststellungen in Zweifel zu ziehen.

Dem Gutachten eines Sachverständigen kann zwar auch ohne Gegengutachten in der Weise entgegengetreten werden, als die Parteien Unschlüssigkeiten oder Unvollständigkeiten des Gutachtens aufzeigen. Dem – nicht als unschlüssig zu erkennenden – Sachverständigengutachten Dris. XXXX insbesondere dem im klinischen Befund beschriebenen Ausmaß der objektivierten Funktionseinschränkungen, ist die Beschwerdeführerin jedoch nicht überzeugend entgegengetreten.

Dem Beschwerdevorbringen wurde insofern entsprochen, als der durch die belangte Behörde eingeholte Sachverständigenbeweis und die vorgelegten Beweismittel einer Überprüfung unterzogen wurden. Das Beschwerdevorbringen und die vorliegenden Beweismittel waren jedoch nicht geeignet, die gutachterliche Beurteilung, wonach weiterhin ein Gesamtgrad der Behinderung in Höhe 50 vH vorliegt, zu entkräften. Die Angaben der Beschwerdeführerin konnten nicht über den erstellten Befund hinaus objektiviert werden.

Die Krankengeschichte der Beschwerdeführerin wurde umfassend und differenziert nach den konkret vorliegenden Krankheitsbildern auch im Zusammenwirken zueinander berücksichtigt.

3.       Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).

Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zu A)
1.         Zur Entscheidung in der Sache:

Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten. (§ 1 Abs. 2 BBG)

Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpaß auszustellen, wenn

1.       ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2.       sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3.       sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4.       für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5.       sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderten-einstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(§ 40 Abs. 1 BBG)

Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpaß auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist. (§ 40 Abs. 2 BBG)

Die Höhe des Freibetrages bestimmt sich nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung). Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) richtet sich in Fällen,

1.       in denen Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden, nach der hiefür maßgebenden Einschätzung,

2.       in denen keine eigenen gesetzlichen Vorschriften für die Einschätzung bestehen, nach § 7 und § 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 bzw. nach der Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010, für die von ihr umfassten Bereiche.

Die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) sind durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen.

Zuständige Stelle ist:

–        Der Landeshauptmann bei Empfängern einer Opferrente (§ 11 Abs. 2 des Opferfürsorgegesetzes, BGBl. Nr. 183/1947).

–        Die Sozialversicherungsträger bei Berufskrankheiten oder Berufsunfällen von Arbeitnehmern.

–        In allen übrigen Fällen sowie bei Zusammentreffen von Behinderungen verschiedener Art das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen; dieses hat den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses nach §§ 40 ff des Bundesbehindertengesetzes, im negativen Fall durch einen in Vollziehung dieser Bestimmungen ergehenden Bescheid zu bescheinigen.

(§ 35 Abs. 2 Einkommensteuergesetz 1988)

Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376.

Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1.       nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2.       zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3.       ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

(§ 41 Abs. 1 BBG)

Im Falle eines Antrages auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung nach Ablauf des 31. August 2013 hat die Einschätzung unter Zugrundelegung der Bestimmungen der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) zu erfolgen. Im Falle einer von Amts wegen durchgeführten Nachuntersuchung bleibt – bei objektiv unverändertem Gesundheitszustand – der festgestellte Grad der Behinderung unberührt. (§ 55 Abs. 5 BBG)

Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen. (§ 42 Abs. 1 BBG)

Der Behindertenpaß ist unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist. (§ 42 Abs. 2 BBG)

Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluß der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen. (§ 45 Abs. 1 BBG)

Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu. (§ 45 Abs. 2 BBG)

Wie unter Punkt II.2. bereits ausgeführt, sind weder das Beschwerdevorbringen noch die vorgelegten medizinischen Beweismittel geeignet darzutun, dass der in Höhe von 50 vH festgestellte Grad der Behinderung nicht dem tatsächlichen Leidensausmaß der Beschwerdeführerin entspräche. Den sachverständigen Ausführungen ist die Beschwerdeführerin weder substantiiert, noch auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, und hat sie auch sonst keine Beweismittel vorgelegt, welche fundierte Anhaltspunkte enthalten, das Ergebnis des eingeholten Sachverständigenbeweises zu entkräften.

Da keine maßgebliche Verschlechterung des Gesamtleidenszustandes objektiviert werden konnte und weiterhin ein Grad der Behinderung von fünfzig (50) vH festgestellt wurde, liegen die Voraussetzungen für die Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass nicht vor. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
2.         Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. (§ 24 Abs. 1 VwGVG)

Die Verhandlung kann entfallen, wenn

1.       der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2.       die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

(§ 24 Abs. 2 VwGVG)

Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden. (§ 24 Abs. 3 VwGVG)

Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. (§ 24 Abs. 4 VwGVG)

Das Verwaltungsgericht kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden. (§ 24 Abs. 5 VwGVG)

Maßgebend für die gegenständliche Entscheidung über den Gesamtgrad der Behinderung sind die Art und das Ausmaß der bei der Beschwerdeführerin festgestellten Gesundheitsschädigungen.

Zur Klärung des Sachverhaltes wurde daher der, der angefochtenen Entscheidung zugrunde gelegte, Sachverständigenbeweis geprüft. Wie unter Punkt II.2. bereits ausgeführt, wurde dieser als nachvollziehbar, vollständig, und schlüssig erachtet.

Die Beschwerdeführerin hat vom zugrunde gelegten Sachverständigenbeweis vollinhaltlich Kenntnis erlangt. Im Rahmen des Beschwerdevorbringens hatte sie die Möglichkeit sich zu äußern, bzw. Beweismittel vorzulegen. Es wurden der Beschwerde jedoch keine Beweismittel beigelegt. Das Beschwerdevorbringen war – wie unter Punkt II.2. bzw. II.3.1. bereits ausgeführt – nicht geeignet, relevante Bedenken an den sachverständigen Feststellungen und Beurteilungen hervorzurufen. Die Beschwerdeführerin wurde im behördlichen Verfahren persönlich untersucht. Die vorgebrachten Argumente und vorgelegten Beweismittel wurden im eingeholten Sachverständigengutachten berücksichtigt, soweit diese einschätzungsrelevante Aspekte enthalten bzw. noch aktuell oder Gegenstand des Verfahrens sind. Das Vorbringen wird durch die beigebrachten Beweismittel nicht erhärtet, vielmehr sind diese nicht geeignet, die gutachterlichen Feststellungen überzeugend in Frage zu stellen, bzw. einen höheren Gesamtgrad der Behinderung zu begründen. Das Bundesverwaltungsgericht hat sich den tragenden beweiswürdigenden Erwägungen der belangten Behörde, dass das eingeholte Sachverständigengutachten schlüssig und frei von Widersprüchen ist, angeschlossen. Sohin ist der Sachverhalt geklärt. Daher konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben. Der Anspruch einer Partei auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist auch kein absoluter. (VfGH vom 09.06.2017, E 1162/2017)

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stützen.

Vielmehr hängt die Entscheidung von Tatsachenfragen ab. Maßgebend sind die Art des Leidens und das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.

Es handelt sich um eine einzelfallbezogene Beurteilung, welche im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde.

Schlagworte

Behindertenpass Grad der Behinderung Neufestsetzung Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W132.2241486.1.00

Im RIS seit

03.09.2021

Zuletzt aktualisiert am

03.09.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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